Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kommt nicht oft vor, dass der Einzelplan 01, also der des Hessischen Landtags, hier debattiert wird. Das geschieht erst seit dem letzten Jahr, also seit genau dem Zeitpunkt, als die Mehrheit hier im Hause beschlossen hat, sich zurück in die Vergangenheit zu entwickeln.
Am 1. Januar 2013 wurde – im Übrigen nach sehr schweren Geburtswehen – der Livestream eingeführt und blieb mehr als zwei Jahre lang im Internet, auf der Seite von Radio FFH.
Ich bin Herrn Bellino dankbar, dass er – entgegen den vielen Presseerklärungen des letzten Jahres, die immer die Bedeutung heruntergespielt haben, auch mittels falscher Zahlen – jetzt einmal die korrekten Zahlen genannt hat, die annähernd korrekten Zahlen, was den Livestream angeht.
Die Behauptung, es würden nur wenige Hundert Personen den Livestream nutzen, bezog sich ausschließlich auf den barrierefreien Teil des Livestreams,
nicht aber auf den „normalen“ Teil, so sage ich es einmal, der gesendet wurde – dort nämlich gab es, einer Vorlage des Hauses zufolge, pro Sitzungsperiode 1.700 Nutzer.
Genau. – Sie aber haben immer mit falschen Zahlen operiert und Ihre Fehlleistungen heruntergespielt.
(Widerspruch bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kartmann (CDU): Es ging immer um die Barrierefreiheit!)
Meine Damen und Herren, was aber ist passiert? Faktisch doch Folgendes: Stellen Sie sich vor, am heutigen Mittwoch lesen Sie die Tageszeitung vom letzten Samstag. – Das ist das, was jetzt als Ersatz angeboten wird: ein hochgelobter Youtube-Auftritt, der frühestens vier Tage später im Netz steht.
Eigentlich aber – und dieses Faktum wurde bisher auch verschleiert – kostete der Livestream selbst, der angeblich zu teuer war und zu wenig genutzt wurde, real nur zwischen 6.000 und 10.000 € pro Jahr; hinzu kam noch die Barrierefreiheit – die war in der Tat teuer. Frau Dorn, aber selbst nach den Vorlagen aus der Landtagsverwaltung muss man hier noch einmal differenzieren zwischen dem Gebärdensprachdolmetscher – der hatte einen Kostenanteil von 78.000 € pro Jahr – und den Schriftdolmetschern für 62.000 € pro Jahr.
Genau. Zunächst einmal sollen wir festhalten, dass Deutschland der UN-Behindertenrechtskonvention beigetreten ist. Das bringt die Forderung nach der Herstellung gleicher Verhältnisse für Behinderte mit sich. Meine Damen und Herren, dann aber muss ein Hessischer Landtag so weit gehen und das tatsächlich einführen – und durchhalten, auch wenn es mehr kostet.
Unsere Diskussion, die wir hier führen, geht um die Einbeziehung von Behinderten in unsere Arbeit. Sie geht auch darum, hier eine Gleichheit herzustellen, die für 70.000 € im Jahr mehr zu haben ist. – Das fordern wir als Fraktion DIE LINKE hier im Hessischen Landtag ein.
(Günter Rudolph (SPD): Wie ist das jetzt mit der Barrierefreiheit, vom Grundsatz her und allgemein? – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenruf des Abg. Horst Klee (CDU))
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich schon gleich Zwischenrufe erhalte, bevor ich ans Rednerpult trete, dann nehme ich gerne dazu Stellung. Herr Kollege Gremmels, was ist denn für die Barrierefreiheit hier im Landtag wirklich wichtig? Wie schaffen wir denn wirklich einen Zugang für Gehörlose hier im Landtag, damit die sich wirklich einmal mit uns allen hier auseinandersetzen können?
Nein, ich will niemanden ausspielen. Aufgrund unserer Debatten war ich mit dem Gehörlosenverband im Gespräch. Wir haben uns überlegt, was eigentlich wirklich das Problem für viele gehörlose Menschen ist. Was ist wirklich deren Problem?
Eines der Probleme besteht darin, dass diese Menschen bis jetzt in den Besuchergruppen gar keine Chance haben. Ich kann keine Gebärdensprache, während ich hier stehe und eine Rede halte.
Was hat der Präsident mir zugebilligt, und was geschieht jetzt? Es wird jetzt einen Gebärdensprachdolmetscher geben, wenn sich hier Gruppen mit Gehörlosen anmelden. Die können herkommen und erhalten einen Gebärdensprachdolmetscher, und dann kann man sich auch mit Besuchergruppen aus Gehörlosen unterhalten. Das zählt – nicht die Scheindebatten, die hier gerade wieder hochgezogen werden.
Sie ziehen hier wiederholt eine reine Nabelschaudebatte hoch. Die geht an den Menschen draußen völlig vorbei. Wer hat denn überhaupt Notiz davon genommen, dass der Livestream zum Youtube-Kanal gewechselt wurde? Wie viele Zuschriften haben Sie dazu bekommen? Ich habe fast keine erhalten. Und soll ich einmal aus dem Nähkästchen plaudern, von wem ich Zuschriften bekommen habe?
Ich habe Zuschriften von den M-Büros unserer Ministerien bekommen, weil die es als einen besonders netten Service empfunden haben, dass sie, während hier der Landtag tagt, ihre Ministerin nebenbei auf der Liveschaltung sehen können. Das ist schön, aber das war nicht der Sinn des Livestreams.
15.000 € kostet der barrierefreie Livestream pro Sitzungswoche. Über die Qualität hätte man reden müssen, die war nicht gut. Man hätte das noch besser darstellen müssen.
Jetzt hätte man noch sagen können, gut, das wäre zu überlegen. Aber wissen Sie, wie lange die zugeschaut haben? – Im Durchschnitt 2,5 Minuten. Sie haben keine einzige Rede eines Abgeordneten angeschaut. Damit haben wir kei
Wir hatten eine Testphase. Nun kann man sagen: Es ist alles egal, Hauptsache, wir haben eine Symbolik, Hauptsache, wir können so tun, als ob wir modern wären.
Wir in der Koalition haben es uns nicht so leicht gemacht. Wir haben uns ganz genau angeschaut, was denn geschehen ist.
Wir kamen zu folgenden Schlussfolgerungen – Herr Rudolph, eigentlich haben Sie sich für diese Debatte nicht interessiert, aber jetzt rufen Sie dazwischen.
(Norbert Kartmann (CDU): Das stimmt! Das juckt ihn doch gar nicht! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Wir haben gesagt, das Angebot muss allen zugänglich und barrierefrei sein. Das ist bei uns ein ganz klares Prinzip. Als Koalition haben wir gesagt, es muss attraktiv sein und den Sinn haben, dass unsere Debatten wirklich weiter verbreitet werden.