Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Sind die Fraktionen damit einverstanden, dass beide Anträge, Drucks. 19/3377 und Drucks. 19/3518, dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung überwiesen werden? Widerspricht jemand? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf und teile mit, dass er auf Hinweis der FDP-Fraktion in das nächste Plenum verschoben werden soll.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk – Drucks. 19/3483 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Das Wort hat Frau Abg. Wolff für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz über den Hessischen Rundfunk ist seit 1948 ein

Bekenntnis zu einer echten Landesrundfunkanstalt in Hessen, nicht einer Länderrundfunkanstalt. Das ist nicht ohne Kampf und ohne großen Einsatz aufrechtzuerhalten. Aber wir geben durch unsere Novellierung, die wir heute als Fraktionsgesetz von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorlegen, ein erneutes Bekenntnis dazu ab. Die Bürger sollen sich mit Hessen identifizieren, und der Hessenbezug des Programms des Hessischen Rundfunks soll erneut dazu beitragen.

Meine Damen und Herren, diese Novellierung geht konkret darauf zurück, dass das sogenannte ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch Folgen für die Landesrundfunkanstalten der ARD hat. Das war nicht so offensichtlich wie zunächst gedacht. Aber die sorgfältige Prüfung hat ergeben, dass nach der Novellierung des WDRGesetzes nun auch die anderen Länder folgen.

Ich will im Wesentlichen die Stichworte zusammenfassen. Erstes Stichwort: Staatsferne. Es war nicht erforderlich oder geboten, die Zahl der staatlichen Vertreter im Rundfunkrat zu verändern. Es wird auch künftig einen Vertreter der Landesregierung und fünf Landtagsabgeordnete im Rundfunkrat geben. Die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich aber entschlossen, zwei zusätzliche gesellschaftliche Gruppen durch Sitz und Stimme einzubeziehen, zum einen den Hessischen Jugendring und zum anderen einen Vertreter einer muslimischen Glaubensgemeinschaft. Dabei ist Letzteres nicht trivial, da nur eine Minderheit der Muslime organisiert ist und es eine Vielzahl von Gruppierungen gibt. Deswegen haben wir uns entschieden, Näheres in einer Verordnung zu regeln.

Zweites Stichwort: Inkompatibilität. Wir wollen gemäß dem ZDF-Urteil sicherstellen, dass auch die von gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Fraktionen benannten Vertreter keine Mandate oder Ämter in Parlamenten oder entsprechenden Gremien haben. Meine Damen und Herren, wir wollen auch festlegen, dass eine Distanz für diejenigen aufgebaut wird, die Ämter innehatten, sodass sie eine Karenzzeit von 18 Monaten vorweisen müssen, bis sie ein Mandat im Rundfunkrat übernehmen können.

Drittes Stichwort: Gleichstellung. In der Absicht, ein größeres Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen in den Gremien abzubilden, greifen wir eine Regelung des Saarländischen Mediengesetzes auf. Danach sollte eine Frau einem Mann folgen und umgekehrt. Wenn es in einer entsendenden Gruppe Gründe dafür gibt, die dem entgegenstehen, kann es logischerweise auch einmal eine Ausnahme geben. Es gibt eine andere Regelung für den Verwaltungsrat, der – anders als der Rundfunkrat – im rollierenden Verfahren benannt und gewählt wird. Dort lassen wir es bei der Normierung des vorgegebenen Ziels.

Viertes Stichwort: Transparenz. Hier haben wir uns die Regelungen des ZDF-Staatsvertrags angeschaut. Wir wollen auch in Hessen gesetzlich verankern, dass die Jahresberichte des Hessischen Rundfunks die Bezüge des Intendanten und der Direktoren veröffentlichen und gleichermaßen die Tarifstrukturen des Senders transparent machen. Zudem sollen sich jede Bürgerin und jeder Bürger im Internet über die Organisationsstrukturen des Hessischen Rundfunks, Tagesordnungen und Protokolle der beiden Gremien informieren können. Der Rundfunkrat kann auch festlegen, öffentlich zu beraten.

Meine Damen und Herren, das sind die wesentlichen Punkte des Entwurfs des neuen hr-Gesetzes, den wir nun in den

Hauptausschuss geben. Ich bin sehr gespannt auf die dortigen Beratungen. Ich gehe davon aus, dass wir eine Anhörung haben werden. Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf eine gute und solide Grundlage dafür ist, dass unser Hessischer Rundfunk auch eine Landesrundfunkanstalt bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank für die Vorlage dieses Fraktionsgesetzes, das Sechste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk. Man hätte es auch „Das Lange-Schatten-Gesetz des Roland Koch“ nennen können. Frau Wolff hat es gerade sehr diplomatisch und charmant ausgeführt.

Der wesentliche Grund, der zunächst Anlass für die notwendige Änderung war, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 2014 zum ZDF-Staatsvertrag in der Affäre Nikolaus Brender. Die Affäre wurde damals vom Hessischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden Gremienvorsitzenden Roland Koch ausgelöst. Er hatte aus politischen Gründen versucht, den damaligen Chefredakteur Nikolaus Brender loszuwerden, und er hat das mit politischer Mehrheit entschieden. Claus Kleber hat das damals sehr zielführend im „heute journal“ kommentiert, mit der Formulierung:

Es darf nicht sein, dass parteipolitische Seilschaften wieder versuchen, nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten im ZDF zu bestimmen.

Ich bin heilfroh, dass das Bundesverfassungsgericht auch auf der Grundlage einer Klage der SPD-Bundestagsfraktion so entschieden hat und das Thema Staatsferne jetzt eindeutig auch in den Länderrundfunkanstalten gestärkt wird.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, ist minimalinvasiv. Das kann man wohl nicht anders sagen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass sich an der politischen Vertretung im Rundfunkrat im Kern nichts ändert. Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass es gerade im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrat sehr wohl eine deutliche Nachschärfung gegeben hat, und zwar mit Blick auf eine Höchstgrenze für politisch gebundene Vertretungspersonen. Dadurch wird das Thema der Staatsferne ausdrücklich gestärkt.

Ich will mich in den wenigen Minuten, die noch zur Verfügung stehen, zu zwei anderen Punkten etwas ausführlicher äußern.

Erstens zur Frage der Geschlechtergerechtigkeit und der Quotenregelung. Ich will ausdrücklich sagen, dass uns die derzeitige Regelung, die Sie vorschlagen, nicht überzeugt. Dies gilt weniger für den ersten Teil der Regelung, in dem es heißt:

Bei der Entsendung der Rundfunkratsmitglieder ist eine geschlechterparitätische Besetzung anzustreben. Soweit eine andere Person als Nachfolgerin oder Nachfolger eines Mitglieds entsandt wird, muss diese Person ein Mann sein, wenn zuvor eine Frau entsandt war, und eine Frau sein, wenn zuvor ein Mann entsandt war.

So weit, so gut. Aber die merkwürdige Einschränkung, die eben schon einmal angedeutet wurde, kommt danach. Sie lautet:

Satz 2 gilt nicht, wenn dies aufgrund der Zusammensetzung der entsendungsberechtigten Stelle nicht möglich

so weit, so gut –

oder aus sonstigen Gründen nicht sachdienlich ist.

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was Sie damit meinen. An dieser Stelle wird allen möglichen Begründungen Tür und Tor geöffnet, diese Vorgabe nicht zu erfüllen.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Deswegen werden wir im Rahmen der Anhörung ganz sicherlich sehr kritisch nachfragen und versuchen, über diese Punkte mit Ihnen intensiv zu verhandeln: ob es dafür nicht eine klügere Regel geben kann. Denn damit öffnen Sie wirklich jeder sachlichen und jeder unsachlichen Begründung Tür und Tor.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt, den ich allerdings noch sehr viel kritischer sehe, ist die neue Zusammensetzung des Rundfunkrates. Im Koalitionsvertrag haben Sie dazu eine Verabredung getroffen, die für sich genommen erst einmal völlig okay ist. Sie haben nämlich gesagt, der Hessische Jugendring soll dort hinein – völlig okay – und zweitens die muslimischen Religionsgemeinschaften – auch das ist völlig okay und richtig. Zu Recht haben Sie darauf hingewiesen: Da gibt es wegen der Organisationsstruktur ein Problem. Deswegen stellen Sie für diesen Teil nun ein neues Verfahren auf, nämlich dass das über eine neue Verwaltungsrichtlinie entschieden werden soll. Ich sage Ihnen – –

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme dazu. Lassen Sie mich doch einfach einmal ausreden; Sie müssen heute nicht jedes Mal reflexhaft dazwischengehen.

Der entscheidende Punkt ist: An dieser Stelle behandeln Sie eine Gruppe im Verfahren völlig anders als andere, und zwar außerhalb des Gesetzes. Das halte ich für hoch kritisch.

Das Zweite ist natürlich, dass dahinter eigentlich der Konflikt steht: Wen nehmen Sie?

(Beifall bei der SPD)

Denn auch in Ihren Reihen gibt es eine heftige Debatte dazu, ob DITIB der richtige Verband ist oder nicht. Deswegen will ich einmal eine Denkfigur einführen: ob nicht eine Rotation eine mögliche Alternative ist. Das aber außerhalb des Gesetzes zu regeln, das akzeptieren wir heute ausdrücklich nicht.

Eine letzte Bemerkung. Das muss ich jetzt ebenfalls ganz kurz machen, weil ich eigentlich gar keine Redezeit mehr habe; vielleicht ist der Präsident ein bisschen gnädig und gibt mir 20 Sekunden mehr.

Es gibt einen Teil, der überhaupt nicht geregelt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich auf die gesellschaftliche Zusammensetzung hingewiesen. Wenn wir über die Vielfalt unserer Gesellschaft reden, gilt das insbesondere für die Vertretung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern im Rundfunkrat. Es gibt andere Länder – Saarland, Bremen, Thüringen –, die das geregelt haben.

Seitens unserer Fraktion sage ich: Wir können uns vorstellen, diese Gruppe ausdrücklich in den Rundfunkrat mit aufzunehmen. Das fänden wir völlig richtig, und auch das werden wir in die Anhörung einbringen.

Ansonsten wünsche ich uns eine frohe Beratung und Anhörung.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Frömmrich für die GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrte Damen und Herren! Dafür gibt es die Anhörungsverfahren: damit man sich in einer geordneten Weise über die verschiedenen Alternativen oder Vorschläge verständigt. Das wollen wir gerne tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon erwähnt worden: Das, was wir Ihnen hier vorlegen, geschieht auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Gremienbesetzung beim ZDF.

Die Vorgaben der Bundesverfassungsrichter wurden inzwischen für das ZDF umgesetzt. Jetzt ist es an uns im Hessischen Landtag, die betreffenden Regelungen auch für den Hessischen Rundfunk zu verankern.

Deshalb enthält dieser Gesetzentwurf Regelungen zu folgenden Punkten – ich will hier kurz darauf eingehen; auch Kollege Schäfer-Gümbel ist kurz auf einige Dinge eingegangen, vielleicht kann man das eine oder andere austauschen –: