Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Ja, das macht nichts. – Ich muss gestehen: Ich warte auf den Tag, an dem hier Mainzelmännchen zwischen den einzelnen Reden auftauchen.

(Heiterkeit bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Dann holen wir den Arzt!)

Denn das entspricht in etwa der Debattenform. Ich will gar nicht von unserer Grundlinie abweichen, zu sagen, dass LOEWE keine schlechte Idee ist. Denn ich meine schon, dass damit ein paar vernünftige Dinge angeregt wurden. Was ich aber immer wieder faszinierend finde – Frau Kollegin Wolff hat das deutlich aufgezeigt –: Es sind die Hochschulen, die etwas leisten. Es sind die Hochschulen, die neue Projekte entwickeln. Es sind die Hochschulen, die sich etwas ausdenken. Und es ist immer die Hoffnung oder die Fantasie, das hätte viel mit dem Land Hessen zu tun. Darüber ließe sich nun das eine oder andere sagen. Ich komme zum Schluss noch einmal darauf zu sprechen.

Ich will einen Zwischenpunkt noch einmal formulieren, weil ich glaube, dass dieser der gemeinsamen Anstrengung und des gemeinsamen Nachdenkens bedarf. Denn das LOEWE-Programm hat das Problem aller Initialprogramme, die für eine bestimmte Zeit die Finanzierung für bestimmte Projekte organisieren. Sie merken es jedes Mal, wenn die Programme auf das Ende zulaufen: Wir denken Wissenschaft und wissenschaftliche Forschung in zu kurzen Zeiträumen. Das, was wir an Initialzündung anbieten – das ist überhaupt kein Vorwurf gegen die Hessische Landesregierung, sondern gegen diese Art von Programmen, und das Gleiche gilt für das Bundesprogramm 2020, und das Gleiche gilt für die Exzellenzinitiativen –, produziert Strukturen, die im Prinzip an dem Punkt, wenn sie zum Ende hin laufen, sozusagen andere totmachen müssen, weil das Geld irgendwoher kommen muss, oder aber selbst wieder zu Ende gehen. Ich habe den Eindruck, dass hier die Kurzlebigkeit der Politik und die Langlebigkeit wissenschaftlicher Forschung in einem Missverhältnis stehen. Ich finde schon, dass man, wenn man über LOEWE redet, darüber reden muss, ob wir in der Programmstruktur – das gilt, wie gesagt, auch für die Bundesprogramme – nicht strukturelle Fehler machen, die der Wissenschaft eher schaden als nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt ist – auch das ist eine Frage für eine Landesregierung, die sich Hochschulautonomie auf die Fahnen geschrieben hat –, wie sie sozusagen in der Steuerungsstruktur damit umgeht. Ja, in der Tat, die Hochschulen stellen Anträge. Das heißt, sie überlegen sich selbst, wo sie forschen wollen. Aber gleichzeitig bedeutet das, da das nicht ohne Universitätsmittel, ohne Universitätsausstattung und ohne Universitätsräume geht, dass sie ihre eigenen Forschungsanstrengungen ein Stück zurückfahren müssen, um die LOEWE-Initiativen tragen zu können. Die spannende Frage ist, ob das eine kluge Entscheidung ist oder ob wir nicht das, was wir im Prinzip brauchen, nämlich die Vereinbarung von Lehre und Forschung in der Hochschule

und in der Hochschulausbildung, dadurch eher schwächen als stärken. Das ist ein Punkt, der bei LOEWE leicht und der bei den Bundes-Exzellenzinitiativen noch sehr viel stärker auftritt, dass im Prinzip dem normalen Forschungsund Lehrbetrieb und seiner Integration eher Schaden zugefügt wird.

Der allerletzte Punkt ist der, der hier immer zu wilden Aufschreien führt – ich vermute, aus Trauer. Das ist die Tatsache, dass Sie alle der Illusion unterliegen, das, was in Hessen passiert, sei außergewöhnlich. Um es ganz simpel zu sagen: Wir sind in einer Situation, dass die Forschungsmittel aller Länder für Hochschulen zusammen so strukturiert sind, dass Hessen dort auf Platz 6 liegt. Da habe ich schon die ganz armen Länder, also Sachsen-Anhalt – davon hatten wir es heute Morgen schon einmal –, MecklenburgVorpommern und andere mit eingeschlossen. Würden wir die Forschungsmittel aller Länder nach der Wirtschaftskraft oder – das ist mir völlig egal – nach Haushaltsausgaben oder -einnahmen berechnen, kämen wir auf Platz 11 von 16. Ich sage das deswegen so deutlich, weil das das Problem dieses Programms auf einen Punkt bringt. Es gibt real nicht überdurchschnittlich viele Mittel, aber sie werden aus der Grundfinanzierung herausgezogen. Denn die Grundfinanzierung in Hessen ist deutlich zu niedrig, und die Mittel werden in Sonderprogramme gesteckt. Die Frage ist, ob das für die Entwicklung der Hochschulen und für die langfristige Struktur der Hochschulen etwas Vernünftiges ist.

Die Gesamtwertung ist leider, allen Warnungen zum Trotz: Das Land Hessen ist und bleibt das, was es in allen Politikbereichen ist, nämlich Mittelmaß. Tut mir leid.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege May für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass die jüngste Auswahl von geförderten Projekten aus der LOEWE-Förderlinie durchaus eine willkommene Gelegenheit heute für uns als Landtag ist, dazu Stellung zu nehmen. Ich freue mich darüber, dass die Vorredner der Opposition – Herr Grumbach mit Abstrichen, Frau Beer überzeugender – sich grundsätzlich hinter dieses Programm gestellt haben und betont haben, dass es doch Einigkeit darüber geben sollte, dass wir ein erfolgreiches Programm über die Parteigrenzen hinweg hier bestätigen sollten. Von daher glaube ich, dass diese Debatte hier heute Morgen sehr gewinnbringend ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns anschauen, was hier ausgewählt wurde, dann sehen wir, dass mit LOEWE sehr viel Innovation und sehr viel innovatives Potenzial in Hessen gehoben wird und dass das zur Stärkung unserer Forschungslandschaft beiträgt.

Ich finde, auch wenn das jetzt sozusagen schon im achten Jahr fortgeschrieben wird und die Idee schon etwas älter ist, so ist es doch immer wieder eine Herausforderung für die Politik, zu sagen: Ja, wir möchten die Mittel weiter zur Verfügung stellen. Es ist immer wieder eine Entscheidung

und eine Weichenstellung der Politik notwendig, und es ist eben nicht selbstverständlich, was wir hier haben. Es ist vielmehr eine Leistung der Politik, tatsächlich immer wieder Mittel für dieses Programm bereitzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man sich das Umfeld der anderen Länder anschaut, lieber Herr Kollege Grumbach, dann sieht das doch schon etwas anders aus. Denn das, was wir hier haben, ist eben doch etwas Einzigartiges. Kein anderes Bundesland hat ein Forschungsförderprogramm, wie wir es haben.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Wir sind das einzige Bundesland, das sich solch ein Forschungsförderprogramm leistet. Von daher ist es nicht selbstverständlich, was wir hier haben, sondern es ist eine politische Anstrengung, die zu wertschätzen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was wäre denn, wenn wir dieses Förderprogramm nicht hätten? – Wir haben in diesem Plenum auf der Tagesordnung einen Antrag betreffend CASED und CRISP, einem Projekt aus dem Bereich der Informationstechnologie. In der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses haben wir begrüßt, dass Senckenberg und BiK-F verstetigt werden, ein Projekt aus dem Umweltschutz. Ich wage zu bezweifeln, dass diese wichtigen Forschungseinrichtungen so gekommen wären, wenn wir LOEWE nicht gehabt hätten. Das zeigt doch: Ohne LOEWE wäre die Profilbildung nicht so, wie sie ist, und wären wir nicht so forschungsstark, wie wir es heute sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deswegen hat auch der Wissenschaftsrat in seiner Bewertung deutlich festgestellt, dass das Land Hessen mit der Bereitstellung der LOEWE-Mittel die Profilbildung der hessischen Universitäten gestärkt und ihre Forschungsstärke erhöht hat. Von daher sehe ich auch keinen Widerspruch, wie Sie, Herr Kollege Grumbach, es dargestellt haben, und zwar einen Widerspruch zwischen dem, was an Forschung an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften läuft, und dem, was durch LOEWE gefördert wird, sondern LOEWE schafft Anreize und stärkt die Forschung an unseren Hochschulen. Von daher gibt es da keinen Widerspruch, sondern da gibt es Anreize und Gewinne aus den beiden Programmen. Von daher ist das weiter zu fördern und schwächt nicht die Forschung an unseren Hochschulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Widerspruch zwischen Spitzenforschungsförderung und dem Anliegen, das Fundament zu fördern, ist doch längst aufgelöst. Es ist doch so, dass wir als schwarz-grüne Koalition mit dem hessischen Hochschulpakt eine Rekordfinanzierung gerade im Bereich der Grundfinanzierung der Hochschulen bereitgestellt haben. Dort haben wir mit einem 9 Milliarden € schweren Hochschulpakt das Fundament gelegt, welches eine gute Grundfinanzierung für unsere Hochschulen gewährleistet. Von daher gibt es keinen Widerspruch zwischen der Förderung der Forschung an der Spitze und der Förderung der Grundfinanzierung, sondern für uns sind das zwei Seiten einer Medaille.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch einmal den Gedanken aufnehmen, den Kollegin Wolff angeführt hat. Denn Spitzenforschung ist nicht eine Veranstaltung, die nur einer kleinen Community von Spitzenforschern zugutekommt. Wir machen das auch für die gesamte Gesellschaft. Wenn man sich anschaut, was diesmal dort gefördert wurde, dann sieht man, dass es eben nicht so ist, dass das irgendetwas ist, was im Elfenbeinturm stattfindet, sondern das sind Projekte, die gesellschaftliche Kernfragen adressieren. Frau Kollegin Wolff hat das ausgeführt.

Das Projekt „BAMP! – Bauen mit Papier“ der TU Darmstadt, zusammen übrigens mit einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, der THM, adressiert doch gerade Kernprobleme unserer Zeit. Oder das Thema KöE, „Konfliktregionen im östlichen Europa“, zeigt doch ganz aktuelle Entwicklungen, die hier erforscht werden, wovon die gesamte Gesellschaft und die Politik nur profitieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Von daher möchte ich zum Schluss sagen, für uns GRÜNE ist klar, Investitionen in die Bildung müssen weiter ein Schwerpunkt der Landespolitik sein. Das betrifft einerseits die Grundfinanzierung der Hochschulen aber andererseits auch die Spitzenforschung. Von daher gehört LOEWE für uns untrennbar dazu. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Forschungsförderungsprogramm LOEWE hat das Land Hessen ein eigenes Exzellenzprogramm aufgelegt und fördert seit 2008 Forschungsprojekte an Hochschulen und in Zusammenarbeit mit Unternehmen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass im Rahmen vieler dieser Projekte von Forscherinnen und Forschern gute Arbeit geleistet wird. Frau Wolff hat einige Beispiele aufgezählt.

Dennoch haben wir eine grundsätzliche Kritik, auch an der Exzellenzinitiative des Bundes; denn solche Exzellenzprogramme verschärfen die Konkurrenz zwischen den Hochschulen, die um Mittel konkurrieren. Sie schaffen Konzentrationen an bestimmten Standorten, sorgen vor allem aber auch für eine weitere Ausweitung prekärer Beschäftigung an den Hochschulen.

Durch die teilweise enge Zusammenarbeit mit den Unternehmen droht zudem die Freiheit von Forschung eingeschränkt zu werden, und wir beobachten eine Tendenz, dass Wissenschafts- und Forschungspolitik zunehmend als Bestandteil der Wirtschaftsförderung verstanden wird. Ich glaube, wir dürfen nicht in eine Situation kommen, in der Hochschulen faktisch zu den Forschungsabteilungen für Unternehmen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei Ihnen klingt das immer so, als sei dieses millionenschwere Programm eine Förderung, die allen Hochschulen zugutekommt. Das ist aber nicht so: Wenn man sich die elf LOEWE-Zentren und die 38 Schwerpunkte des Programms anschaut, stellt man fest, es sind drei Hochschulen für angewandte Wissenschaften, früher Fachhochschulen genannt, daran beteiligt. Ich entdecke da eine Schieflage. Von den Kunsthochschulen einmal ganz zu schweigen.

Von daher wird bei der genaueren Betrachtung deutlich, dass es wenige sind, die profitieren – bei der Exzellenzinitiative des Bundes noch einmal verstärkt. Trotzdem sind die Hochschulen weiterhin unterfinanziert, und das Grundbudget reicht weiterhin nicht aus.

Ein Professor der Universität Marburg hat vor einigen Jahren im Rahmen der Proteste gegen die Unterfinanzierung von Hochschulen gesagt:

Wenn sich die Landesregierung mit LOEWE brüstet, ist das ungefähr so, als wenn man 1.000 Hungernden erklärt, fünf von ihnen dürften gleich in ein DreiSterne-Restaurant.

Ich finde, das trifft es ganz gut; statt die Hochschulen mit verlässlichen Mitteln auszustatten, wird zunehmend kurzfristige Projektfinanzierung bereitgestellt, und das nennen Sie dann „Elite“ und „Exzellenz“. Dazu muss ich sagen: Ich nenne das verantwortungslos, und zwar in erster Linie den Menschen gegenüber, die in diesen Projekten arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Herr Schwarz, von Leistungsfeindlichkeit zu reden und davon, ob Leistung besser erbracht werden kann in befristeten Verträgen – daran habe ich größte Zweifel –, das ist doch so, als ob die unbefristet Beschäftigten an den Hochschulen nicht eine großartige Leistung erbringen würden. Darüber sollten Sie sich vielleicht gerade als schulpolitischer Sprecher auch einmal Gedanken machen, ob Sie da wirklich einen Zusammenhang herstellen wollen.

Das Argument, das dann gerne bemüht wird, auch seitens der Bundesregierung, nämlich dass durch eine wettbewerbliche Spitzenförderung im Rahmen der Exzellenzinitiativen auch die Breite gestärkt würde, wurde im Übrigen auch von der Imboden-Kommission, die auf Bundesebene gearbeitet hat, als reine Schimäre entlarvt: Eine Breitenförderung sei durch die Exzellenzinitiative nicht eingetreten. Stattdessen hat sie die Spaltung in der Hochschullandschaft vertieft. Es droht durch solche Programme in der Tat auch das Auseinanderdriften von Forschung und Lehre.

Herr Minister, wenn Sie behaupten, dank LOEWE seien über 1.700 zusätzliche Arbeitsstellen in der Forschung geschaffen worden, dann muss man sich einmal anschauen, was für Stellen das sind. Zum allergrößten Teil sind es befristete Stellen, auf denen junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kaum eine Chance haben, sich selbst akademisch weiter zu qualifizieren.

90 % der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hangeln sich von einem prekären Kurzzeitvertrag zum nächsten, ohne jede Planungssicherheit für die eigene berufliche und private Zukunft.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!)

Wir reden von 160.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Mittelbau bundesweit, und wir reden von einer Betreu

ungssituation, in der auf einen Professor 70 Studierende kommen.

Prekäre Beschäftigung ist eine Folge der zunehmenden Verdrittmittelung. Kurzfristig vergebene Mittel sorgen für kurzfristige Beschäftigung. Und das Absurde ist, dass diese sogenannten Drittmittel dann auch noch zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln wie LOEWE stammen, die aber nur projektbezogen vergeben werden.