Wir haben unter dem Dach des Hessischen Informationsund Kompetenzzentrums gegen Extremismus eine Vielzahl guter und erfolgreicher Projekte etabliert. Wir wollen das Abgleiten junger Menschen verhindern. Wir wollen Menschen aus dem Extremismus zurückholen, und wir wollen Familien, Freunden, Ehepartnern und Bekannten die Möglichkeit geben, Ansprechpersonen zu haben, die sie beraten, wie sie hierbei hilfreich eingreifen können. Bei all dem Wichtigen, was wir im Bereich der Repression machen, wo wir z. B. die Polizei und den Verfassungsschutz stärken, gesetzliche Änderungen vornehmen und die Staatsschutzabteilungen in den Polizeipräsidien verstärken, ist es, wie ich finde, ein sehr guter und wichtiger Ansatz, den Bereich der Prävention stark zu machen, denn jeden Euro, den wir in Präventionsmaßnahmen stecken, brauchen wir später nicht für Sicherheitsbehörden und im Justizvollzug auszugeben.
Deshalb ist es wichtig, uns darüber klar zu werden, was wir da eigentlich machen. Wir machen nämlich ziemlich viel. Ich will mit dem Bereich „Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus“ beginnen und ein paar Beispiele aufzählen. Das „Mobile Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ berät Personen, Institutionen und Kommunen, z. B. auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Wir haben in Nord- und in Osthessen Regionalstellen eingerichtet. Wir haben das Programm „Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg“, das mit Beratungsleistungen und Präventionsarbeit ganz gezielt junge Menschen anspricht. Wir haben das „Netzwerk für Demokratie und Courage“, das von jungen Leuten getragen wird, die sich für Demokratieförderung und gegen menschenverachtendes Denken einsetzen. Wir haben im Jahre 2016 „Response Hessen“, eine Beratungsstelle für die Opfer rassistischer Gewalt, eingerichtet – ein niedrigschwelliger Ansatz für die Beratung von Migrantinnen und Migranten, die Opfer rassistischer Gewalt und von Mobbing geworden sind. Wir kümmern uns also um diejenigen, die von Gewalttaten betroffen sind. Das gab es in Hessen bisher nicht. Das haben wir etabliert. Ich finde, man kann doch einmal sagen, dass das ein sehr gutes Projekt ist und dass wir im Hessischen Landtag gemeinsam dahinterstehen.
Wir haben lokale „Partnerschaften für Demokratie“ aufgelegt, die sich mit konkreten Maßnahmen vor Ort für Vielfalt und für Demokratie starkmachen. Sie tragen zur Entwicklung und Stärkung von demokratischem Gemeinwesen bei. Wir haben die Initiative IKARus, die jungen Menschen in rechtsextremistischen Kreisen hilft, wieder auszusteigen. Wir fördern zwei Modellprojekte im Bereich der Radikalisierungsprävention, zum einen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und zum anderen zur Stärkung der Demokratie im ländlichen Raum. Das sind gute Projekte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei all dem Streit, den wir hier an vielen Punkten in der Sache haben, sollten wir uns einig sein, dass das gute und zukunftsweisende Projekte sind und dass Hessen im Bundesvergleich sehr gut aufgestellt ist. Das muss man doch einmal zugeben können.
Sie sehen, wir haben einen ganzen Strauß an Präventionsprojekten, in denen sehr gute und engagierte Arbeit geleistet wird. Darauf sollten wir gemeinsam stolz sein.
Neben den Projekten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus haben wir vorbildliche Projekte gegen religiös motivierten Extremismus aufgelegt.
Das Violence Prevention Network wurde von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ dafür ausgezeichnet, dass in diesem Netzwerk eine vorbildliche Arbeit gemacht wird.
Experten aus vielen anderen Bundesländern kommen nach Hessen und erkundigen sich, wie wir in Hessen diese Präventionsarbeit machen.
Das machen wir sehr gut. Lassen Sie uns also an all den Punkten streiten, wo wir unterschiedlicher Meinung sein können. Das ist die Aufgabe eines Landtags. Aber lassen Sie uns bei Präventionsmaßnahmen, mit denen wir junge Menschen davor bewahren wollen, Extremisten zu werden, oder sie wieder zurückholen wollen, gemeinsam kämpfen und gemeinsam arbeiten, statt Parteipolitik zu betreiben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich meine Rede mit etwas Positivem beginnen. Aber nach den Reden von Herrn Bauer und Herrn Frömmrich muss ich doch auf deren Äußerungen eingehen.
Zunächst einmal zu Herrn Bauer. Es stimmt einfach nicht, dass es einen Stellenzuwachs um 1.000 Stellen bei der Polizei gibt.
Sie berücksichtigen weder die Abbrecherquote noch diejenigen, die aus dem Dienst ausscheiden. Deshalb ist es falsch, wenn Sie hier von 1.000 zusätzlichen Stellen reden.
Zu Herrn Frömmrich. Sie haben eben mehrfach ein gemeinsames Auftreten des Parlaments beschworen; wir sollten gemeinsam ein Zeichen setzen. Ein Zeichen wäre auch gewesen, wenn Sie auf die anderen Fraktionen zugegangen wären, bevor Sie diesen Antrag in den Landtag eingebracht haben. Dann hätte man möglicherweise gemeinsam ein Zeichen setzen können.
Jetzt zu den positiven Dingen, die ich ansprechen wollte. Es ist gut, dass die finanziellen Mittel für die Präventionsarbeit gegen menschenverachtende Einstellungen und politisch motivierte Gewalt endlich aufgestockt wurden. Wir haben das als SPD-Fraktion über Jahre hinweg gefordert.
Im letzten Jahr ist es durch die gemeinsame Verabschiedung eines Teils des Haushalts im Bereich der Flüchtlingspolitik geglückt, die Aufstockung endlich umzusetzen und damit z. B. das „Netzwerk für Demokratie und Courage“
durch das Land zu finanzieren. Daher freuen auch wir uns über die Einsicht der Landesregierung an dieser Stelle, auch wenn sie etwas spät kam.
Das Land führt gemeinsam mit dem VPN ein gutes Programm im Bereich der Salafismusprävention durch, das zügig und entschlossen aufgebaut und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wurde. Das unterstützen wir als SPDFraktion ausdrücklich.
Allerdings bleibt da ein Wermutstropfen. Im Bereich der Präventionsarbeit für extremistisch-salafistischen Jugendliche war es sehr schnell möglich, ein Programm aufzubauen. Ich frage mich an der Stelle schon, warum wir gerade im Bereich der Extremismusbekämpfung in den letzten Jahren so lang und hart kämpfen mussten, bis die Mittel endlich aufgestockt wurden.
Ich freue mich ausdrücklich darüber, dass viele Forderungen der SPD-Fraktion umgesetzt wurden. Es gibt inzwischen eine auskömmliche Finanzierung des „Demokratiezentrums Hessen“ aus Landesmitteln. Die lange überfällige Unterstützung des „Netzwerks für Demokratie und Courage“, die umfassende Beratung für Opfer rechter Gewalt und gezielt eingesetzte Mikroförderungen sind Maßnahmen, die wir bereits 2012 in unserem Antrag für ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus gefordert haben.
Radikalisierungsverläufe haben äußerst komplexe Ursachen, die wir verstehen müssen, um sie verhindern zu können. Das scheinen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungskoalitionen, allerdings noch nicht verstanden zu haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass Sie; indem Sie, wie es schon lange gefordert wurde und dringend notwendig ist, die Mittel aufgestockt haben, Ihre Hausaufgaben gemacht haben und sich jetzt beruhigt zurücklehnen und sich selbst loben können.
Was ist aus unserer Sicht notwendig? Erstens. Neben den einzelnen Bausteinen und Projektförderungen brauchen wir verlässliche, nachhaltige und feste Strukturen, auch in der Fläche. Wir haben in der Anhörung zu dem Thema Rechtsextremismus vom Schwalm-Eder-Kreis gehört: Er macht es uns vorbildlich vor, wie eine solche Struktur aufgebaut werden kann, indem eine im Jugendbildungswerk angesiedelte Stabstelle geschaffen wird, bei der die Projekte vor Ort gebündelt und vorangetrieben werden.
Zweitens. Es bedarf einer Verstetigung der politischen Bildungs- und Präventionsarbeit auch in den Regelstrukturen, also in der Schule und in der Jugendbildungsarbeit; denn Demokratie erlernt man nicht nur in Leuchtturmprojekten. Vielmehr braucht man eine entsprechende Finanzierung und einen entsprechenden Ausbau vor allem der politischen Bildungsarbeit in diesen Regelstrukturen, nämlich in der Schule und in der Jugendarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, fangen Sie daher endlich an, interdisziplinär zu denken. Berücksichtigen Sie auch die Maßnahmen im Bildungsbereich und in der au
ßerschulischen politischen Bildungsarbeit. Ich will an dieser Stelle insbesondere auch die Schulsozialarbeit erwähnen und die Möglichkeiten, Partizipationserfahrungen zu machen. Auch dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden.
Aber wir lehnen den Antrag nicht allein deswegen ab, sondern ich finde es auch ungehörig, dass Sie die Anhörung zu dem Thema Rechtsextremismus, die im September stattgefunden hat und die uns neue Erkenntnisse geliefert hat, nicht abgewartet haben. Eine weitere solche Anhörung, nämlich zu dem Thema Linksextremismus, steht im November an. Dieser Anhörung greifen Sie einfach vor. Das zeugt vor allen Dingen von einer Selbstherrlichkeit der Regierungskoalition, die es nicht für nötig hält, die Meinung der Fachleute zu berücksichtigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig wäre es bei einer solchen Debatte, dass man zumindest vorher die Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt.
Das, was ich in der Debatte von Frau Kollegin Gnadl, Herrn Kollegen Greilich und Herrn Kollegen Schaus zum Teil gehört habe, hat mit dem, was in unserem Land existiert, sowohl die Herausforderungen als auch die Art und Weise, wie wir damit umgehen, betreffend, leider überhaupt nichts zu tun.