Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Politisch Verfolgte genießen in unserem Land Asyl. Wir prüfen bei jedem Menschen, der zu uns ins Land kommt, ob dieser Anspruch auf Asyl gewährleistet ist. Wenn er gewährleistet ist, dann helfen wir diesen Menschen mit erheblichen Anstrengungen, hier in unserem Land eine neue Heimat zu finden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt aber auch Menschen, die bei uns Zuflucht aus individuell sehr verständlichen Gründen suchen, die aber kein Anrecht auf Asyl haben und deshalb unser Land wieder verlassen müssen. Das ist Recht und Gesetz, dass sie unser Land wieder verlassen müssen. Es ist dennoch immer ein menschliches Schicksal und eine schwere Entscheidung. Deshalb ist es das Bemühen der Behörden, die Ausreise für diese Menschen so erträglich wie möglich zu gestalten.

Deshalb hat die freiwillige, die geplante Rückkehr, auf die man sich einstellen kann und wo man Abschied nehmen kann, absolute Priorität vor Zwangsmaßnahmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deshalb ist die Abschiebung das allerletzte Mittel, um Recht und Gesetz durchzusetzen. Natürlich ist eine solche Abschiebung, eine solche Zwangsmaßnahme belastend. Sie ist besonders belastend, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind – entweder weil sie selbst abgeschoben werden oder weil ihre Freundinnen und Freunde, die sie hier bei uns gewonnen haben, diese Abschiebung mehr oder minder direkt mitbekommen. Das ist eine belastende Situation. Das macht sich niemand leicht, und damit gehen auch kein Polizeibeamter und keine Polizeibeamtin leichtfertig um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deshalb bedauern wir, dass es zu einem Polizeieinsatz zur Durchführung einer Abschiebung an einer Schule gekommen ist. Ja, die Schule ist ein sensibler Raum; eine Schule ist ein Raum mit besonderem Schutz. Deshalb sind in diesem Einzelfall die Beamtinnen und Beamten besonders sensibel vorgegangen.

Meine Damen und Herren, wir werden weiterhin alles dafür tun, dass Abschiebungen aus Schulen nicht notwendig werden, dass diese Maßnahme nicht ergriffen wird.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Abschiebungen aus Schulen sind überhaupt nicht notwendig!)

Deshalb werden wir uns gemeinsam mit den zuständigen Behörden weiterhin dafür einsetzen, dass wir Abschiebungen so sensibel und so erträglich durchführen, wie das nur möglich ist. Aber sie bleiben immer ein schweres menschliches Schicksal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Abg. Wissler. 36 Sekunden Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn man eine Schülerin aus der Schule, aus dem Unterricht holt, um sie abzuschieben, dann zerstört man damit das Vertrauen zwischen den Flüchtlingen und den staatlichen Institutionen, und man sorgt dafür, dass viele Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus ihre Kinder künftig nicht mehr oder nur noch mit Angst in die Schule schicken werden, weil sie befürchten, dass die Kinder dort abgefangen und abgeschoben werden.

Deswegen finde ich, dass Schule ein Ort sein muss, an dem sich alle Kinder, alle Jugendlichen sicher fühlen können, wo sie keine Angst davor haben müssen, dass ihnen an diesem Ort etwas passiert. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass der Herr Kultusminister heute deutlich gemacht hätte, dass er sich schützend vor alle Schülerinnen und Schüler stellt, dass er sich dafür verbürgt, dass so etwas in Hessen nicht mehr vorkommt. Ich halte das, was vorgestern passiert ist, wirklich für eine Schande.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Roth für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt tatsächlich Themen, über die sich nicht leicht reden lässt. Ich will nach dem vielen, was gesagt worden ist, schon noch einmal versuchen, zwei Dinge scharf auseinanderzuhalten.

Es geht zum Ersten um ein abgeschlossenes Asylverfahren und um ein abgeschlossenes Asylfolgeverfahren. Ein Petitionsverfahren hat es nicht gegeben, folglich auch kein Härtefallverfahren. Damit hat die Entscheidung, die getroffen worden war, Rechtskraft erlangt. Die Menschen reisen nach einer solchen Entscheidung freiwillig aus oder werden abgeschoben. Das haben wir hundertfach, ja, tausendfach in unserem Land erlebt. – Damit ist der erste Teil der Angelegenheit formal exakt beschrieben. Um den geht es aber nicht, und an diesem Teil hat kein Mensch Kritik geübt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zum anderen geht es um den Vollzug der Abschiebung. Bei der Behandlung dieses Teils der Angelegenheit dauernd den Inhalt des ersten Teils, die Verfahren, als Argument heranzuziehen, ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich will die Polizei nicht kritisieren.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat auch keiner getan!)

Das habe ich nicht getan und werde ich nicht tun, da ich heute Abend noch mit Anstand nach Hause kommen will.

Ich will die Verantwortung aber auch nicht auf der Schulsekretärin abladen. Diesen Versuch gab es gestern.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben eben – endlich! – dankenswerterweise das Verfahren erklärt. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie das gestern getan hätten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP – Zuruf des Abg. Holger Bel- lino (CDU))

Zuhören. – Ich las gestern von einer Meldung des Regierungspräsidiums Darmstadt, von der bisher nicht gesprochen wurde. Die Gesamtorganisation der Abschiebung lag beim Regierungspräsidium Gießen. Das hat diese Abschiebung organisiert, aber die beiden Personen, um die es jetzt geht, sind vom Regierungspräsidium Darmstadt in deren Zuständigkeit zugeführt worden. Die anderen 14 Leute saßen im Bus. Über die redet kein Mensch; das war kein Problem, das ist gut gelaufen. Angesichts dieser Situation ist der Formulierung des RP Darmstadt geradezu zynisch, dass es von den Umständen her „unglücklich gelaufen“ sei, die Flüge aber schon gebucht gewesen seien. Wie oft haben wir in Abschiebeverfahren die Situation, dass Flüge gebucht sind, aber es nicht zur Abschiebung kommt, weil im Prozess, im Verlauf des Verfahrens irgendetwas passiert ist.

(Ismail Tipi (CDU): Das sind Tausende Euro!)

Dann muss man in einer anderen Weise damit sensibel umgehen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ein zweiter Punkt in dem konkreten Verfahren: Ich lese, dass die Polizei mitgeteilt hat, die zur Ausreise Verpflichteten seien untergetaucht. Das kann ich gut nachvollziehen. Im nächsten Satz heißt es aber: Die 16-jährige Schülerin wurde in der Schule vorgefunden. – Was ist das für eine Vorstellung von Schule, wenn dort Menschen „untertauchen“?

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

Ich will angesichts der politischen Situation der Flüchtlinge sagen: Wir haben bisher über eine Abschiebung aus der Schule heraus nicht gesprochen. Dazu gab es keinen Anlass. Uns ist wichtig, diesmal darüber zu reden, damit es diesen Anlass nie wieder gibt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wer einmal ins Internet schaut, der kann lesen, dass die eine Gruppe, die am liebsten alle abschieben würde, fröhliche Urständ feiert.

Kollege Roth, kommen Sie bitte zum Schluss.

Die anderen, die keinen abschieben wollen, haben auf einmal Oberwasser.

Diese Dinge kriegen wir nicht geregelt, wenn wir in solchen Situationen allesamt sagen: Das ist misslich, das ist schwierig, da müssen wir alles daransetzen, dass es dazu nicht kommt, und womöglich intern noch klären, warum es im vorliegenden Fall dazu gekommen ist.

Es liegen zwei Anträge vor. Bei dem der Koalition werden wir uns enthalten, weil er zum konkreten Fall nichts sagt.

Kollege Roth!

Wir werden dem Antrag der LINKEN und von Frau Öztürk zustimmen, weil er diesen einen Fall an der Schule regelt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Herr Kollege Schaus, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, wir beantragen, über unseren Dringlichen Entschließungsantrag namentlich abzustimmen.

Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Kolleginnen und Kollegen, wir treten sofort in die Abstimmung ein.

(Namensaufruf – Abstimmungsliste siehe Anlage)