Protokoll der Sitzung vom 07.12.2022

(Anhaltende Zurufe)

Wir reden ber den Einzelplan 03. Herr Felstehausen hat das Wort. Ich bitte, dass die Zwischenrufe eingestellt werden und dass Herr Felstehausen jetzt das Wort hat.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank fr die klaren Worte, Frau Präsidentin. ± Seit Jahren ist das, was dort in der Szene zu beobachten ist, in |ffentlichen Recherchenetzwerken nachzulesen. Es darf uns doch nicht verwundern, was sich da zusammengebraut hat.

Wir haben dazu eine Vielzahl an Kleinen Anfragen an den Innenminister gestellt: zu Querdenkern, zu den Reichsbrgern, zu der Bewaffnung von AfD und Preppern.

(Zuruf AfD: Was?)

Wenn wir dann abgewartet haben, was der Innenminister dazu erzählt, kam in der Regel Fehlanzeige. Es ist doch klar, was sich dort entwickelt. Das Erschrecken darber kann doch nur ein Stck weit vorgetäuscht sein.

Wenn ich lese, gegen wen dort heute die Ma‰nahmen laufen, dann stelle ich fest, es sind Soldaten, Kommandeure, Richterinnen und Richter, Bundestags- oder Ex-Bundestagsangeh|rige der AfD ± Sie mssen sich das anh|ren, es tut mir leid ±,

(Widerspruch AfD)

es sind aber auch Ärzte, es sind Polizistinnen und Polizisten, es sind Rechtsanwälte, es sind Piloten. Wenn man sich das anschaut, wäre es vielleicht einmal ein Grund, ber die sogenannte Extremismustheorie nachzudenken. Denn das Problem, das wir haben, scheint doch in der Mitte dieser Gesellschaft zu sitzen.

(Zurufe AfD)

Herr Innenminister, genau dort sind Sie mit Ihren Sicherheitsorganen blind.

(Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Es bleiben tatsächlich viele offene Fragen, zu denen der Innenminister heute noch nichts gesagt hat: Warum wurde denn eigentlich so lange zugesehen, weggesehen und abgewartet? Ich hätte auch die Frage, das mssen wir einmal im Obleutegespräch diskutieren, warum diese Razzien seit Tagen in Telegram-Channeln diskutiert worden sind.

Zu alldem erklärt sich der Innenminister nicht. Deutlich auskunftsfreudiger ist das BKA. Wenn ich mir das Presseportal anschaue: Heute Morgen stehen dort deutlich mehr Informationen als das, was der Innenminister hier im Parlament zu berichten hat, und das finde ich tatsächlich ein Armutszeugnis.

(Beifall DIE LINKE)

Auch nach den heutigen Durchsuchungen bleibe ich bei meiner Aussage: Dieser Innenminister gefährdet die innere Sicherheit.

(Holger Bellino (CDU): Eine Frechheit!)

Denn spätestens mit der Ankndigung seiner Abdankung sind bei ihm offensichtlich alle rechtsstaatlichen Schranken gefallen: Video-Totalberwachung ohne Kontrolle des Datenschutzes,

(Zuruf Holger Bellino (CDU))

KI-Fahndungssoftware, betrieben auf den Seychellen, Präventivhaft fr Klimaschtzer und eine durch nichts zu rechtfertigende inflationäre Ausweitung des Begriffs Terrorismus.

Meine Damen und Herren, spätestens jetzt wäre es die Aufgabe der GRÜNEN gewesen, die Notbremse zu ziehen. Aber der Koalitionsfrieden scheint Ihnen wichtiger zu sein als die Brgerrechte.

(Beifall DIE LINKE)

Fr den Innenminister scheint jeder Widerspruch staatsfeindlich zu sein, ob im Amt oder auf der Stra‰e. Widersprechende Beh|rdenleitungen ersetzt die Hessische Landesregierung durch politische Beamte.

(Zurufe Holger Bellino (CDU) und Dirk Gaw (AfD))

Dem Protest auf der Stra‰e soll mit Videoberwachung, Tasern, Präventivhaft und einer immer weiter militarisierten Polizei begegnet werden ± nach dem Motto: alles Terroristen.

(Unruhe)

Von einer Brgerinnen- und Brgerpolizei entfernt sich Hessen mit diesem Haushalt immer weiter.

(Beifall DIE LINKE ± Zuruf Holger Bellino (CDU))

Aber es gibt auch durchaus Sachen, die wir anerkennen m|chten. Sie sind auch schon angesprochen worden. Anerkennen m|chten wir die Mittel fr die Umsetzung der Reformvorschläge der Expertinnen- und Expertenkommission. 49 neue Stellen in der H|MS, bei der Polizei und im Ministerium. Das ist ± das will ich ausdrcklich sagen ± zu begr‰en. Aber es ist eben auch bitter notwendig.

Ob dies aber bei einer solchen Fehler- und Fhrungskultur des Innenministers helfen wird, da habe ich berechtigte Fragezeichen. Von einer 360-Grad-Feedback-Kultur, von einem Dialog auf Augenh|he sind Sie meilenweit entfernt. So wundert es auch nicht, dass es Schwarz-Grn nicht gelingt, die Aufgabe des Brger- und Polizeibeauftragten zu besetzen. Da k|nnten Sie auch versuchen, die Stelle des Beraters oder der Beraterin fr veganes Essen im Schlachthof zu besetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Die ans Licht gekommenen Skandale bei der Polizei ± Stichworte: NSU 2.0, illegale Abfragen auf Polizeicomputern, rechtsextreme Chatgruppen, ein unsäglicher Korpsgeist, eine Kultur des Wegschauens, des Sich-gegenseitigDeckens und Vertuschens ± werden das Erbe dieses Innenministers sein. Hier hilft auch nicht mehr Geld. Hier kann nur ein neuer Innenminister helfen.

(Beifall DIE LINKE und Heike Hofmann (Weiter- stadt) (SPD))

Sie planen Mehrausgaben in H|he von 2,8 Millionen ¼ fr den Ausbau der Videoberwachung. Angesichts der von

Ihnen in der HSOG-Reform geplanten massiven Ausweitung der Überwachung ist das nicht verwunderlich. Es ist trotzdem grundfalsch.

Meine Damen und Herren, es ist grundfalsch; denn Sie wollen Flughäfen, Personenbahnh|fe, Sportstätten, Einkaufszentren, Packstationen ± habe ich irgendetwas vergessen, vielleicht wird die Liste noch länger ± zuknftig anlasslos berwachen k|nnen. Da sage ich nur: Big Brother lässt gr‰en. ± Aber ich verspreche Ihnen: Dies wird bei uns und bei vielen Menschen in Hessen auf einen entschiedenen Widerstand treffen.

(Beifall DIE LINKE)

Beim Verfassungsschutz planen Sie fnf neue Stellen fr die Bekämpfung des Rechtsextremismus und fr IT-Experten. Ja, dass das Landesamt fr Verfassungsschutz insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus einen riesigen Nachholbedarf hat, ist unbestritten. Allerdings ist das Problem beim Landesamt fr Verfassungsschutz deutlich gr|‰er als bei der Polizei. Während bei der Polizei zur Problembehebung Reformen vielleicht helfen k|nnten, sind wir uns als LINKE sicher: Beim Landesamt fr Verfassungsschutz helfen keine Reformen mehr. Das Landesamt fr Verfassungsschutz hat kein Problem, das Landesamt fr Verfassungsschutz i s t das Problem.

(Beifall DIE LINKE ± Zurufe AfD)

Deshalb fordern wir die Aufl|sung dieses Amtes. Wir fordern als Ersatz dafr eine unabhängige Beobachtungsstelle fr Autoritarismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wir werden dies auch mit entsprechenden Haushaltsanträgen unterlegen.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Felstehausen, ich darf Sie kurz an die Redezeit erinnern.

Danke sch|n fr den Hinweis. ± Meine Damen und Herren, mit ursächlich fr die Skandale ist auch die strukturell herbeigefhrte Überforderung der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten. Durch ein stetig wachsendes Aufgabenspektrum kommt es zu immer mehr Überstunden, die nicht abgebaut werden k|nnen. Zeit und Geld fr dringende Reflexion, fr Supervision oder fr Schulungen bleiben ohnehin nicht. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Sicherheitsbeh|rden ist fr das Gelingen aber dringend notwendig. Reformen mssen auch an dieser Stelle angesetzt werden.

Dabei geht es fr uns als LINKE hauptsächlich um zwei Aspekte: um die Arbeitszeit und die Bezahlung bzw. die Besoldung. Die Probleme der Überlastung und zu niedriger Bezahlung treffen nicht nur Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Es ist ein ressortbergreifendes, ein strukturelles Problem, vor dem die Hessische Landesregierung ihre Augen verschlie‰t.

Die 41-Stunden-Woche fr Landesbeamte ist im Bundesvergleich einmalig hoch. Es sind eben diese Arbeitsbedingungen, die zu Frust und Ersch|pfung beitragen. Da helfen auch keine Imagekampagnen. Wenn wir das ändern wol

len, dann brauchen wir nicht nur Sonntagsreden, Applaus und warmen Dank. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen, und daher werden wir auch in diesem Jahr den Antrag stellen, die Regelarbeitszeit fr Beamtinnen und Beamte auf 40 Stunden zu senken, natrlich bei vollem Personalausgleich.

Wir haben in diesem Haus schon viel ber die verfassungswidrige Besoldung unserer Beamtinnen und Beamten diskutiert. Dass Sie hier einen Haushalt vorlegen, in dem die Besoldung zwar h|her, aber immer noch verfassungswidrig ist, das ist aus unserer Sicht skandal|s. Eine solche Landesregierung haben die hessischen Beamtinnen und Beamten nicht verdient.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich komme mit noch einem Aspekt zum Schluss. Auch in Zeiten von Krise und sozialer Unsicherheit haben Sie nicht den Mut, auf die hessischen Brgerinnen und Brger zuzugehen. Es wird wieder einmal DIE LINKE sein, die den Antrag stellt, endlich auch in Hessen die ungerechten Stra‰enausbaubeiträge abzuschaffen und so einen jahrzehntelangen Konflikt mit Tausenden von gebeutelten Anwohnerinnen und Anwohnern zu befrieden.

(Zuruf Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD))