Das hatte die schwarz-gelbe Regierung bereits 2010 verstanden und eine schrittweise Absenkung der Neuinanspruchnahme von Flächen in den hessischen Nachhaltigkeitszielen verankert: Täglich nicht mehr als 2,5 ha sollten es ab 2020 sein. Die schwarz-grüne Landesregierung hat das nicht geschafft. Aber anstatt die Anstrengungen zur Erreichung des Ziels zu verstärken, hat Minister AlWazir mit der vierten Änderung des Landesentwicklungsplans das Nachhaltigkeitsziel aus schwarz-gelben Zeiten entsorgt. Erst 2030, also zehn Jahre später, soll dieser Wert erreicht werden.
Als grüner Minister ein schwarz-gelbes Nachhaltigkeitsziel zu unterbieten, ist eine totale Bankrotterklärung. Noch blöder ist es aber, wenn man sich die Förderung der Nachhaltigkeitsforschung symbolträchtig ans Revers heften will, dabei aber übersieht, dass der Minister aus der eigenen Partei es total vermasselt hat. Nur nebenbei gesagt: Allein der Verzicht auf die Rodungen für die A 49 hätte gereicht, um das 2,5-ha-Ziel für zwei weitere Jahre einzuhalten.
Wer jetzt glaubt, ich würde mit dem allgegenwärtigen Begriff Nachhaltigkeit nur spielen, irrt. Das 15. Ziel für eine nachhaltige Entwicklung, das die Vereinten Nationen formuliert haben, strebt an – ich zitiere –:
… umfassenden Schutz, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung von Ökosystemen auf nationaler und internationaler Ebene. Hierunter fallen Landökosysteme, Binnensüßgewässer, Wälder und Boden. Darüber hinaus sollen der Verlust der biologischen Vielfalt beendet sowie bedrohte Arten geschützt werden.
Das sieht bei vielen anderen Nachhaltigkeitszielen aber nicht besser aus. Zum Beispiel Ziel 1: drastische Reduktion von Armut. – Das betrifft in Hessen jedes fünfte Kind.
Ziel 2: Beendigung des Hungers auf der Welt. – In Hessen hat die Landesregierung das den ehrenamtlich arbeitenden Tafeln überlassen.
Ziel 4: hochwertige Bildung. – Das hat die Landesregierung Prof. Dr. Lorz übertragen. Der sagt schon seit Jahren, dass bei ihm alles ganz toll läuft. Nur bei der Digitalisierung, der Durchlässigkeit des Schulsystems, dem Stundenausfall, der Ausbildung von genügend Lehrkräften, deren Weiterqualifizierung und deren Bezahlung sowie mit Corona gab es ein paar Probleme. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen.
Ziel 6: sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen. – Ob dieses Ziel an den Schulen immer erreicht wird, bleibt auch spannend. Das ist aber eher eine kommunale Aufgabe.
Ziel 7: bezahlbare und saubere Energie. – Leider liegt in Hessen die Zahl der von Energiearmut betroffenen Menschen über dem Bundesdurchschnitt.
Ziel 13: Klimaschutz und spezifische Ziele zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. – Damit sieht es in Hessen nicht gut aus, aber dazu spricht heute Nachmittag unsere Fraktionsvorsitzende.
Wie die Beispiele zeigen, verfehlt die Landesregierung ein Nachhaltigkeitsziel nach dem anderen. Da reicht es aber nicht, nur Geld für die Unterstützung der Forschung zu geben. Die Regierungsbank muss die Veranstaltungen des neuen Instituts auch besuchen, meine Damen und Herren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem Lob an Frau Eisenhardt anfangen. Ehrlich gesagt, habe ich, als ich den Tagesordnungspunkt gelesen habe, gedacht, das gibt die nächste Werberunde für die
Landesregierung und keine Rede zur Sache. Es kam aber etwas anderes. Ich finde, das gibt es hier so selten, dass man es ausdrücklich loben sollte.
Ich will auch die Landesregierung nicht vom Lob aussparen, weil sie die Rahmenbedingungen geschaffen hat. Sie hat die 300 zusätzlichen Stellen geschaffen. Das ist ein erster Schritt, auch wenn da noch ein paar fehlen. Sie hat mit der LOEWE-Professur auch eine ganz wichtige Grundlage geschaffen. Auch das muss anerkannt werden.
Aber dann komme ich auch schon zu dem Punkt, bei dem ich glaube, dass noch etwas Nachdenken angesagt ist.
Es fängt damit an – das ist keine Kritik an der Universität Kassel –, dass wir mit einem solchen Forschungsprojekt erst zur Halbzeit der Agenda 2030 der UN beginnen. Das heißt, wir hinken in der Debatte ein Stück weit der Zeit hinterher. Die ersten siebeneinhalb Jahre der Gesamtlaufzeit von 15 Jahren sind herum. Ich sage das deshalb, weil ich glaube, dass das einen Teil des nordeuropäischen Problems beschreibt. Wir nehmen die Probleme, die viele andere Länder bis zur Ebene der UN ausdiskutieren, nicht ernst genug und setzen uns damit nicht ernsthaft genug auseinander.
Dazu würde es für mich im Übrigen auch gehören, all diese 17 Ziele einmal auf die Landespolitik herunterzubrechen. Das wäre spannend. In einem guten Seminar haben wir das einmal gemacht und festgestellt: Wir reden nicht über Länder, die sich entwickeln müssen, sondern wir reden über entwickelte Länder, die bei fast allen Zielen – Armut beenden, Gesundheit für alle, Gleichberechtigung, erneuerbare Energien, gute Arbeit, Ungleichheit verringern, lebenswerte Städte schaffen, nachhaltige Produktion, Klimaschutz – großen Nachholbedarf haben.
Ich will an dieser Stelle gar nicht mehr Punkte aufzählen; denn jeder wäre eine Einzeldebatte wert. Das ist aber ein Hinweis auf unser Versäumnis. Es wäre unser Job gewesen, uns mit diesen Fragen noch einmal im Detail auseinanderzusetzen: nicht nur mit kleinen Detailfragen, sondern mit den Zusammenhängen. Das ist es, was ich mir von diesem Institut erhoffe.
Ich habe in den letzten Wochen ein paar Bücher gelesen, die sehr gut beschreiben, welche Rolle die Wissenschaft für eine sich verändernde Welt hat. Eine der zentralen Aussagen aus angelsächsischer, französischer und deutscher Wissenschaftsliteratur lautet: Ein Problem der Wissenschaft ist, dass sie zu sehr kleinteilig ist. Sie denkt nicht mehr über die großen Gemeinsamkeiten der Probleme nach, sondern sie löst kleine Probleme, wobei man mit den kleinen Lösungen zusammen das große Problem gar nicht in Angriff nimmt. – Vielleicht kommen wir nachher noch einmal darauf zurück.
Dafür wünsche ich der Kassler Universität viel Glück und viel Erfolg. Es wäre sehr spannend, sie mit den Institutionen zu vernetzen, die wir in Hessen haben: das ISOE in Frankfurt, die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, die ebenfalls Zusammenhänge diskutieren.
Passt einmal auf. – Wenn sich eine Universität einen Forschungsschwerpunkt sucht, den zufällig knapp 200 Länder in der Welt für richtig halten – –
Das machen viele. Sie nehmen das nur nicht zur Kenntnis, weil Sie so deutschfixiert sind, dass Sie internationale Literatur nicht zur Kenntnis nehmen.
(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Grobe (AfD): Das ist doch gar nicht wahr! Ja, die machen es anders!)
Ja, in Amerika machen sie es anders. – Passen Sie auf, das ist es, was die Kasseler besser machen: Sie machen es zusammen. Schauen Sie sich einmal an, was an den amerikanischen, den Pariser, den römischen und selbst den ugandischen – ich will keine Wertung zu dem Land abgeben – Universitäten geforscht und publiziert wird. Es wird nur nicht so zusammengeführt, wie es zusammengeführt werden müsste. Das ist der Fortschritt.
wenn Leute sich selbst etwas aussuchen, in Kooperation mit internationalen Institutionen. Ich sage Ihnen: Das ist nicht Unfreiheit, sondern Ihre Position ist dummdeutsch, weil Sie versuchen, unsere Debatten auf das ganz kleine Feld deutscher Begrenztheit zu beschränken. Damit werden wir die Probleme dieser Welt nicht lösen können.
Ich bin auf den Rest der Legislaturperiode gespannt. Wir reden ja noch über Klima, wir reden noch einmal über Armut, und wir haben gerade über Gesundheit geredet. Auch wir, als eines der reichsten Länder der Welt, erfüllen die Ziele der UN nicht. Bisher hat dabei keiner ein schlechtes Gewissen.
Lesen Sie doch einfach einmal nach. Sie wollen nicht die Armut beenden, Sie wollen nicht Gesundheit für alle, Sie wollen nicht Bildung für alle, Sie wollen nicht erneuerbare Energien für alle, Sie wollen keine Kulturarbeit – ich lese nicht alle 17 Ziele vor.
Wir haben noch eine ganze Menge eigene Aufgaben, und wir freuen uns, dass es eine Hochschule gibt, die uns dabei unterstützt. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! An der Universität Kassel gibt es ein überregionales Forschungszentrum für Nachhaltigkeitsfragen. Ja, das stimmt. Und das ist auch gut. Es gibt auch sehr viele andere spannende Forschungsschwerpunkte in Hessen, die im Übrigen eines gemeinsam haben: Sie sind niemals Thema einer Aktuellen Stunde in diesem Landtag geworden. Deswegen ist für uns die zentrale Frage: Was soll hier am heutigen Tage diese Aktuelle Stunde?
Wollen Sie sich für etwas loben, was Sie als Landesregierung, als GRÜNE gemacht haben? Und wenn ja, was haben Sie gemacht? Haben Sie Einfluss auf die Forschungsthemen genommen?
Es ist interessant, dass Sie gerade das in einem anderen Zusammenhang im letzten Plenum kritisiert haben. Frau Eisenhardt, dazu darf ich an die Erwiderung Ihrer Kollegin Kaya Kinkel auf die Rede meines Kollegen Stefan Naas aus dem letzten Plenum erinnern. Das sagen Sie: Sie – also FDP – erteilen der Wissenschaftsfreiheit an Hochschulen eine Absage und wollen vorrangig eine Energieform erforschen. Das ist für mich eine falsche Fokussierung, die nicht wissenschaftlich, sondern ausschließlich politisch getrieben ist. – Also, wenn wir bestimmte Themen haben wollen, dann sei das politisch getrieben.
An dieser Stelle muss ich sagen: Entweder halten sich die GRÜNEN nicht an ihre eigenen Vorgaben, die sie sich gesetzt haben, und betreiben politisch motivierte Forschung, oder sie haben eigentlich gar nichts mit der Entscheidung zu tun. Das Erste will ich nicht hoffen und natürlich auch nicht unterstellen. Daher gehe ich davon aus, dass das die Staatsministerin auch klarstellen wird.