Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

An dieser Stelle muss ich sagen: Entweder halten sich die GRÜNEN nicht an ihre eigenen Vorgaben, die sie sich gesetzt haben, und betreiben politisch motivierte Forschung, oder sie haben eigentlich gar nichts mit der Entscheidung zu tun. Das Erste will ich nicht hoffen und natürlich auch nicht unterstellen. Daher gehe ich davon aus, dass das die Staatsministerin auch klarstellen wird.

Also, wenn dem nicht so ist und es eine Entscheidung eines autonomen Gremiums, einer autonomen Universität – die Autonomie haben wir gerade als Liberale ganz wesentlich vorangetrieben – und ansonsten Teil eines normalen LOEWE-Auswahlprozesses ist – und ich gehe davon aus, dass das so ist –, dann ist eines klar: Dann schmücken Sie sich hier mit fremden Federn, und wer sich mit fremden Federn schmückt, kann am Ende auch nicht fliegen.

(Beifall Freie Demokraten)

Oder wollen Sie, Herr Schauder, uns etwa sagen, dass die Forschungsbedingungen in Hessen so toll und so gut sind und deswegen die autonomen Hochschulen all das tun können?

Na ja, dann will ich einfach noch einmal einen Blick auf die Zahlen werfen. Ich habe einen Teil davon schon gestern genannt. Aber Wiederholung ist ja ein Prinzip der Pädagogik. Hessen gibt nur 5 Promille des BIP für staatliche Forschung aus. Einige Länder liegen im selben Range. Relevant darunter liegt nur Brandenburg mit 4 Promille. Aber es gibt auch Länder wie Sachsen und Berlin, die fast das Doppelte ausgeben, nämlich 9 Promille.

Wenn Sie also sagen, dass es in Hessen gute Forschung gibt – und das bezweifeln wir gar nicht –, dann gibt es sie doch eher trotz und nicht wegen Ihrer Politik.

(Beifall Freie Demokraten)

Wenn Sie hier die 300 Professorenstellen erwähnen, die geschaffen worden sind, dann wissen wir doch, dass sie geschaffen worden sind, um das Problem mit der entsprechenden Zuordnungsquote von Studierenden zu Professoren zu lösen. Man darf sie also auch nicht an mehreren Stellen ein zweites Mal verrechnen.

Der eigentliche Kern ist aber etwas anderes. Das Ganze ist ohne Zutun der Politik und der GRÜNEN passiert. Das ist auch gut, wenn das so ist. Aber es passt Ihnen nun politisch in den Kram, und Sie wollen damit eigentlich einen Beleg für grüne Politik konstruieren.

Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen – und dabei bin ich auch wirklich sehr angefasst –, dass das für mich eine politische Instrumentalisierung der Wissenschaft wäre. Frau Eisenhardt, wenn Sie hier von dem Institut für eine bessere Welt reden, dann laden Sie das genau damit auf. Ich finde, vor einer solchen Instrumentalisierung muss man die Wissenschaft – auch gerade vor Ihnen – bewahren.

(Beifall Freie Demokraten)

Deswegen darf ich feststellen:

Erstens. Wir haben in Kassel wie auch an anderen Stellen hervorragende engagierte Forscherinnen und Forscher.

Zweitens. Die Autonomie funktioniert.

Drittens. Die Bedingungen in Hessen sind leider eher mau als top, das zeigen auch die Zahlen, Daten und Fakten.

Viertens. Statt mehr Forschung in alle Richtungen zu unterstützen, picken Sie sich genau diejenige heraus, die in Ihre politische Agenda passt, und Sie thematisieren diese.

Ich sage dazu: So unterstützen Sie die Wissenschaft nicht, sondern so spannen Sie sie für die eigene politische Agenda ein. Das scheint auch genau das Ziel hier in der Aktuellen Stunde zu sein.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen dazu sagen: Das halte ich für unredlich. Das zeigt, dass Sie das grundlegende Wesen von Wissenschaft überhaupt nicht verstanden haben. Deswegen ist es auch die Stunde der Wahrheit statt die Stunde der Wissenschaft. Das Wesen der Wissenschaft ist leider – und das nach vier Jahren dieser Wissenschaftsministerin und eines grün geführten Wissenschaftsministeriums – nicht verstanden worden. Das halte ich für ganz besonders bedenklich. – Vielen Dank.

(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt AfD)

Danke, Herr Büger. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Hofmeister gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachhaltigkeit ist das große Thema unserer Zeit. Es geht um die Frage, wie wir Bedürfnisse unserer heutigen

Generation befriedigen können, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden.

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen ist ein ganzheitlicher Ansatz, der auch die Komplexität der ganzen Thematik aufzeigt und eben auch aufzeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt und dass es komplexe Herausforderungen sind. Denen stellt sich die Universität Kassel mit einer in dieser Form einmaligen Art, nämlich einem Forschungszentrum zu den Nachhaltigkeitszielen. Wir als CDU-Fraktion begrüßen das ausdrücklich.

Lieber Herr Kollege Büger, warum thematisieren die Kollegen der GRÜNEN das heute? Wir sind dankbar, dass sie das heute thematisieren. Sie tun das, weil an diesem Beispiel die Dynamik und Innovation im hessischen Hochschulsystem deutlich wird, dass nämlich die Autonomie funktioniert – das haben Sie selbst auch betont –; und deshalb ist genau hier die richtige Bühne, um dieses Forschungszentrum einmal in den Mittelpunkt zu rücken.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Kollegen der AfD angeht: Herr Dr. Grobe hat gestern schon in der Debatte darauf hingewiesen, dass es so ein Zentrum ansonsten gar nicht gibt und dass das sonst keiner macht. – Ja, gut, das ist doch in Ordnung so. Wenn jeder nach dem Motto agieren würde: „Wir warten mal darauf, was die anderen machen“, dann wäre das tödlich für Innovation und Fortschritt. Das ist dann genau der falsche Ansatz. Deshalb ist es richtig, dass die Universität Kassel sich auf diesen Weg begibt.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Nachhaltigkeitsprinzip ist Staatsziel in der Hessischen Verfassung. Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie des Landes. Es monitort dabei Ziele und Indikatoren, an denen sich Fortschritt, Sicherheit, Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen messen lassen.

Seit April 2019 gibt es das Hessische Bündnis für Nachhaltigkeit als zentrale Dialogplattform für Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Die Universität Kassel geht nun genau den Weg, den wir uns am Ende unter verantwortungsvoller Ausübung der Hochschulautonomie vorstellen, nämlich, dass man Schwerpunkte setzt, dass man sich erst einmal selbst vergewissert, wo man steht – das war z. B. der Strategieprozess, den wir hier aufgesetzt haben –, dass dann Profile herausgebildet werden, dass Stärken gestärkt werden und am Ende Kompetenzen zusammengeführt und Chancen genutzt werden.

Chancen hat der ehemalige Präsident der Uni Kassel, Prof. Dr. Finkeldey, erkannt. Denn er hat gesagt: Da haben wir etwas, womit wir uns in dieser nordhessischen Metropole Kassel mit der Universität mit einer eigenen Geschichte letztendlich herausheben können, dass wir uns als bedeutender Innovationsträger im Hochschulsystem positionieren. Nachhaltigkeit ist eben bereits im Profil der Universität positioniert und hervorgehoben worden.

Nun kommt es zu diesem großen Schritt. Für diesen großen Schritt brauchte es Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen sind eben auch von der Politik mit gesetzt worden. Das ist das Thema personelle Entwicklung, das ist auch das Bund-Länder-Programm, aus dem Professorenstellen dort nach Kassel gehen, aber eben auch die

Auswirkungen des Hochschulpaktes mit den 300 W-Stellen oder auch das Thema, dass weiteres wissenschaftliches und technisch-administratives Personal seinen Weg dorthin findet und damit eben die Grundlagen gelegt werden.

Was in der nächsten Zeit an Forschungsergebnissen dort erzielt wird, wie die Vernetzung weiterläuft, das wird die Politik sicherlich aufmerksam begleiten, und wir werden das immer wieder in Augenschein nehmen. Aber an sich ist es jetzt an der Hochschule, der Universität Kassel, diese Chancen auszuleben. Das ist genau das, was wir uns unter hessischer Hochschulpolitik vorstellen: den Rahmen setzen, Möglichkeiten eröffnen und dann die Innovationskraft der Hochschulen wirken lassen. Diesen Prozess werden wir sehr aufmerksam begleiten. Wir wünschen den Verantwortlichen des neuen Instituts viel Erfolg und Dynamik im weiteren Prozess. – Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Hofmeister. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Staatsministerin Dorn.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe jetzt viele spannende Reden über die möglichen Theorien gehört, warum wir eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema machen. Eigentlich dachte ich, dass das mit der Rede der Abg. Eisenhardt und jetzt noch einmal mit der des Abg. Hofmeister geklärt sein sollte. Aber gerne nehme ich das noch einmal an den Anfang meiner Rede, weil die Theorien langsam etwas absurd geworden sind.

Diese Aktuelle Stunde dient dem Ziel, eine Aufmerksamkeit zu schaffen für einen mutigen Schritt der Universität Kassel, der sowohl für die wissenschaftliche Ausrichtung von Bedeutung ist als auch für die gesellschaftliche Relevanz von hoher Bedeutung ist, der ein sehr innovativer Schritt für die ganze Region Nordhessen ist; und es lohnt sich aus unserer Sicht absolut, das zum Thema einer Aktuellen Stunde zu machen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen aktuell weltweit vor enormen Herausforderungen. Wir haben eine Pandemie erlebt. Wir stecken mitten in der Klimakrise. Es gibt Regionen in der Welt, in denen Hunger wieder zu einer Normalität geworden ist und in denen der Zugang zu sauberem Trinkwasser nicht gewährleistet ist. In Europa tobt ein Krieg.

Eines dürfen wir angesichts dieser gewaltigen Herausforderungen nicht: Wir dürfen nicht erstarren. Wir müssen diese Herausforderungen angehen. Unsere Aufgabe ist es, das Beste daraus zu machen und für eine bessere Zukunft zu sorgen. Das sind wir uns schuldig, unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür braucht man eine Politik, die Ziele erarbeitet, die Regeln vorgibt. Diese 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sind genau solche Ziele. Ich danke dem Abg. Grumbach für diese differenzierte Rede an dieser Stelle. Ich möchte auch betonen, dass wir auch in Hessen genau das tun, was Sie intern gemacht haben.

Auch Hessen schaut mit der Nachhaltigkeitsstrategie anhand dieser 17 Ziele, in welchen Bereichen Hessen hier die weitere Entwicklung voranbringen muss. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wir es schaffen, tatsächlich das Beste aus der Zukunft zu machen, brauchen wir auch kluge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihrer Neugier, mit ihrer Leidenschaft und mit ihrem Fleiß Neues erforschen, neue Lösungen suchen; denn ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit den klügsten Köpfen, mit deren Erkenntnissen die Herausforderungen unserer Zeit so gestalten können, dass sich wirklich neue Chancen ergeben. Das gilt eben auch für Kassel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Die Universität Kassel wollte beides verbinden, das wissenschaftliche Studium mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Dieser Impuls kam ganz alleine aus der Hochschule. Es ist gelebte Hochschulautonomie. Ich muss leider sagen, Herr Abg. Grobe – auch ich möchte darauf ganz kurz eingehen, ansonsten auf Ihre Rede überhaupt nicht –, die Art und Weise, wie Sie eine autonome Entscheidung einer Universität angreifen, zeigt leider, was für ein Bild Sie von Wissenschaftsfreiheit haben. Die endet nämlich da, wo es Ihren Zielen nicht passt. Das unterscheidet Sie von allen anderen in diesem Haus.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Dr. Frank Grobe (AfD): Das ist doch keine Wissenschaft! Das sind Vorgaben! – Weitere Zurufe AfD – Glockenzeichen)

Jetzt gab es auch die Frage nach dem Beitrag der Landesregierung. Gerne nenne ich auch den Beitrag der Landesregierung zu diesem ganzen Thema. Unser einziger Beitrag war, dass wir den Hochschulen – übrigens allen Hochschulen – den Mut geben wollten, ihr eigenes Profil zu schärfen. Das haben wir mit einem Strategieprozess gemacht; denn wir sind ganz fest davon überzeugt, dass die Stärke unserer Hochschulen in ihrer Vielfalt liegt, in ihrer Komplementarität zueinander und in der Kooperation miteinander. Dafür braucht es von jeder Hochschule ein starkes Profil. Das ist der Strategieprozess. Die Stärken und Schwächen wurden von den Hochschulen selbst auf den Weg gebracht, analysiert und dann von einer externen Expertengruppe bewertet.