Protokoll der Sitzung vom 25.05.2023

Als da wären: Mit der Reform des Gebäudeenergiegesetzes können fossile Heizungen auch nach 2024 bis 2044 weiter betrieben werden. Defekte fossile Heizungen dürfen weiterhin repariert werden, und sie verlieren auch keine Betriebserlaubnis. Ein Verbot fossiler Heizungen existiert nicht, auch wenn ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung eine Wärmepumpe sein oder bis zu 65 % mit erneuerbarer Energie betrieben werden soll. Immobilien mit Wärmepumpen erfahren keine drastischen Wertverluste, im Gegenteil erfolgen Wertsteigerungen. Betriebskosten von Wärmepumpen fallen vergleichsweise wesentlich geringer aus, besonders bei erwartbaren Preissteigerungen für fossile Energieträger. Die Effizienz von Wärmepumpen ist unzweifelhaft; dazu hat Minister Tarek Al-Wazir gestern aufschlussreiche Details genannt. Wärmepumpen der neueren Generation mit Vorlauftemperaturen von 70 Grad stehen konventionellen Heizungen in nichts nach, selbst in

Bestandsbauten sind Wärmepumpen häufig ohne größere Sanierung möglich.

Klimaschutz ist kein fragwürdiges Etikett, wie die AfD behauptet, sondern eine notwendige Konsequenz infolge der weltweit zunehmenden Temperaturanstiege, Unwetter, Trockenheiten und Starkregenereignisse mit Flutkatastrophen. Klimaschutz bedeutet mithin, Umwelt und Leben nachhaltig zu schützen, und dazu bleibt uns nicht mehr viel Zeit, meine Damen und Herren.

Dennoch: Die Reform des GEG ist umstritten. Nur 50 % Zustimmung sorgen für Unfrieden und Unruhe. Die Novelle mag gut gemeint sein, Akzeptanzprobleme weisen jedoch auf Versäumnisse hin, etwa zu geringe sachliche Kommunikation, überfallartig empfundene Fristen, mithilfe derer das Gesetz durch den Bundestag gebracht werden soll, als bevormundend empfundene mangelnde Wahlmöglichkeiten oder unzureichend kommunizierte Anreize für den Wechsel zu nachhaltigen Heizungssystemen; denn bis zu 35 % des Kaufpreises werden ja erstattet.

Abschließend: Wenn die für 2045 angestrebte notwendige Klimaneutralität neben anderen Maßnahmen erfolgreich sein will, sind Rücksichtnahmen erforderlich. Fast zwei Drittel unserer Bevölkerung sind nämlich willig, Klimaziele zu unterstützen. Es wäre leichtsinnig, bei der Reform des GEG diese Trümpfe aufs Spiel zu setzen und Populisten das Feld zu überlassen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zuruf AfD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun Frau Kinkel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In Richtung des Redebeitrags der AfD möchte ich gerne zu Beginn Herrn Dr. Matthes vom Öko-Institut zitieren, der uns am Dienstag beim parlamentarischen Abend des VDE ein sehr interessantes Zitat mitgegeben hat. Er sagte, man müsse entweder besonders alt, besonders ignorant oder besonders dämlich sein, um zu glauben, die Klimakrise gehe an uns vorbei.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Elisabeth Kula (DIE LINKE) – Zurufe AfD)

Zu dem Thema fange ich einmal in der Vergangenheit an. Die Große Koalition hat 2019 aufgrund des breiten gesellschaftlichen Protestes von der Straße endlich ein Klimagesetz beschlossen. Darin steht, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll.

Die aktuelle Bundesregierung – zur Erinnerung: bestehend aus SPD, GRÜNEN und der FDP; Stefan Naas ist überhaupt nicht mehr da, den interessiert die Debatte anscheinend nicht – nimmt dieses Ziel ernst und sagt nicht nur, dass wir klimaneutral werden sollen, sondern auch, was wir tun müssen, um dorthin zu kommen. Daher wurde von der SPD, der Bauministerin und dem Wirtschafts- und Klimaminister ein Gebäudeenergiegesetz vorgelegt, das den Weg zeigt, wie dieses Klimaziel, vor allem für den Gebäudesektor, auch tatsächlich erreicht werden kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wir nicht machen können, ist, bis 2040 so zu tun, als gäbe es keine Klimaziele, und dann zu hoffen, von heute auf morgen erledige sich das Ganze von allein. Es sind noch 22 Jahre bis zum Jahr 2045.

Unsere alte Ölheizung, die wir bis 2014 im Keller stehen hatten, hatte eine Lebensdauer von 18 Jahren.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das ist ja prima!)

Das ist der Durchschnitt. Über 70 % der Öl- und Gasheizungen in Hessen sind älter als 20 Jahre. Da liegt es doch auf der Hand, dass in diesem Bereich frühzeitig Rahmenbedingungen notwendig sind, wenn die Politik sich nicht nur Ziele setzen, sondern diese auch ernsthaft erreichen will. Deshalb haben SPD, GRÜNE und FDP vorgeschlagen, das Gebäudeenergiegesetz zu überarbeiten. Dieses Gesetz wurde – noch einmal zur Erinnerung – im Bundeskabinett auch von den FDP-Ministern einstimmig beschlossen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und DIE LINKE – Zuruf Wiebke Knell (Freie Demokraten))

Das Internet sorgt zum Glück für Transparenz, und die Protokollnotiz von Christian Lindner lautet: Das Finanzministerium stimmt dem Gesetzesentwurf zu.

(Wiebke Knell (Freie Demokraten): Und weiter?)

Das steht da im Bewusstsein, dass die Fraktionen im parlamentarischen Verfahren Änderungen vornehmen werden. Aber das Finanzministerium stimmt zu. Und damit es in das parlamentarische Verfahren gehen kann,

(Zuruf Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten))

muss es doch da erst einmal reingehen, liebe Kollegin von der FDP.

(Zuruf Oliver Stirböck (Freie Demokraten) – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber das parlamentarische Verfahren verhindern Sie!)

Es ist doch auch völlig normal – das machen wir doch hier im Parlament auch ständig –, dass im parlamentarischen Verfahren noch Änderungsanträge kommen.

Auch von uns GRÜNEN waren Änderungen angekündigt. Auch wir haben noch Fragen. Aber dazu muss das Gesetz erst einmal in den Bundestag kommen. Und das blockiert die FDP gerade jetzt – übrigens entgegen jeglicher Verabredung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Grund dafür werden angeblich 101 Fragen angeführt.

(Wiebke Knell (Freie Demokraten): 113!)

Mittlerweile 113, wie auch immer: 101 oder 113 klingt nach einer Superzahl. Aber der Witz ist doch, dass im Bundeswirtschaftsministerium kein Fragenkatalog mit 101 Fragen angekommen ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

Es geht Ihnen an dieser Stelle doch überhaupt nicht ums Gesetz. FDP bedeutet offensichtlich: PR first, Verantwortung second. Sie haben die tolle Story mit den 101 Fragen

der „Bild“-Zeitung verkauft, aber es ging Ihnen an keiner Stelle um das tatsächliche Gesetz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich könnte jetzt den Rest meiner Redezeit damit füllen, wie schädlich dieses Verhalten der FDP für die Demokratie ist und dass wir gerade jetzt eine stabile und verlässliche Bundesregierung brauchen, die Sie gerade torpedieren.

(Wiebke Knell (Freie Demokraten): Wodurch? – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Sie haben das verhindert!)

Aber ich will auch noch über das Gebäudeenergiegesetz sprechen. Nur so viel noch: Sie werben in Hessen dafür, dass Sie mehr Verantwortung übernehmen wollen; und Sie zeigen auf Bundesebene gerade sehr deutlich, wie wenig Sie mit Verantwortung umgehen können. Ich hoffe wirklich, dass die Hessinnen und Hessen sich das merken, auch für den 8. Oktober.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Wir haben gerade eine breite gesellschaftliche Debatte über die Wärmewende. Da sind leider auch viele Falschmeldungen im Umlauf. Zuallererst geht es um die Klarstellung: Niemand muss eine funktionierende Heizung herausreißen, außer – das haben CDU und SPD schon 2020 beschlossen –, diese Heizung ist älter als 30 Jahre. Das gilt jetzt schon. Ich sage das so deutlich, weil manchmal in der Debatte so getan wird, als könne man in seinem Heizungskeller machen, was man will. Es gab und es gibt schon immer strenge Vorgaben, was Emissionen angeht, was die Effizienz von Heizungen angeht. Jetzt kommt ein neuer Vorschlag, und zwar, dass bei einer Heizungshavarie, also für den Fall, dass die Heizung nicht mehr repariert werden kann, bei einem Einbau einer neuen Heizung die Wärme zu 65 % mit erneuerbaren Energien erzeugt werden soll.

An der Stelle will ich mit dem zweiten Mythos aufräumen, dass Wärmepumpen vorgeschrieben sind. Das ist Unfug. Das Gesetz ist technologieoffen, wenn Sie es so nennen wollen. Ich zitiere aus dem Gesetz:

Die Gebäudeeigentümer können frei wählen, mit welcher Heizungsanlage die Vorgabe … erfüllt wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entschuldigung, lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Frau Kinkel?

Nein. – Genau diese Technologieoffenheit hat Christian Lindner auch gelobt. Er selbst hat sich Mitte April noch dafür gefeiert, dass das Gesetz so wunderbar technologieoffen ist

(Stephan Grüger (SPD): Hört, hört!)

und dass die FDP es auch unterstützt hat, dass diese Technologieoffenheit geschaffen wird. Das sagte der Minister, also Ihr Minister, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf, um jetzt – sechs Wochen später – eine komplette Rolle rückwärts zu machen. Das ist doch ein weiteres Zeichen dafür: Ihnen geht es nicht um die Technologieoffenheit. Ihnen

geht es nicht um die Sorgen der Menschen. Es geht Ihnen auch nicht um die Förderquoten oder sonst irgendetwas, was im Gesetz geregelt werden soll. Ihnen geht es einzig und allein um Ihre politische Profilierung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wärmewende ist doch schon längst Realität, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Skandinavien setzt auf die Wärmepumpe, in Dänemark ist der Neueinbau von Ölund Gasheizungen schon seit 2013 verboten. Auch in Frankreich und Italien gibt es hohe Förderquoten, viele Angebote. Generell gibt es auch in Deutschland, auch in Hessen eine hohe Bereitschaft, dass man auf erneuerbare Wärmeversorgung setzt. Deshalb ist die Überlegung der Bundesregierung absolut richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Wahrheit gehört aber auch: Es können sich viele Menschen Investitionen in neue Heizungen leisten. Aber es gibt auch Immobilienbesitzer, die das nicht können. Deshalb braucht es einen hohen sozialen Ausgleich. Niemand soll durch diesen Gesetzentwurf in den finanziellen Ruin getrieben werden. Deshalb gibt es Förderung, deshalb gibt es heute Fallregelungen, deshalb gibt es Ausnahmen. Wir selbst, wir GRÜNE, schlagen vor, dass die Förderung noch erhöht werden soll.

Ich selbst komme aus dem ländlichen Raum, und ich weiß, dass es gerade für ältere Menschen keine einfache Entscheidung ist, noch einmal hohe Summen in die Hand zu nehmen und zu investieren, um eine neue Heizung einzubauen. Aber die gleichen Leute waren doch von der Ölund Gaspreisexplosion im letzten Winter besonders betroffen. Es macht einen Unterschied, ob ich für 1.000 oder für 5.000 € Öl tanken muss, und es macht einen Unterschied, ob ich Gas für 5 Cent oder 12 Cent kaufen muss.