Protokoll der Sitzung vom 25.05.2023

Danke sehr, Herr Präsident. – Es hat sich leider eine Front gebildet, die sich schon längst vom Menschenrecht auf Asyl verabschiedet hat, meine Damen und Herren. Es sollen nicht mehr Menschen, sondern Grenzen geschützt werden; und das ist mehr als besorgniserregend. Trotz wohlklingender Appelle aus allen Richtungen, keinen Wahlkampf auf dem Rücken von Schutzsuchenden zu betreiben, treibt dieser seit Monaten immer neue groteske Blüten. CDU, SPD und FDP liefern sich auf EU- und Bundesebene sowie hier in Hessen einen unsäglichen Überbietungswettbewerb in immer schrilleren Tönen; und die GRÜNEN stimmen ebenfalls mit ein. Da fällt der AfD schon fast nichts mehr ein, womit sie das noch toppen könnte.

(Beifall DIE LINKE – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist das Maßband aber ein bisschen durcheinandergeraten!)

Rufe nach Abschottung aus den sogenannten Parteien der Mitte werden immer lauter, ohne dabei Menschenrechte und das Recht auf Asyl zu beachten. Da hilft Ihr Antrag, den Sie hier einmal schnell auf den Weg gebracht haben, liebe Fraktionen der Landesregierung, auch nicht weiter. Dort steht als erster Satz:

Der Landtag betont, dass das Grundrecht auf Asyl ein hohes Gut ist.

Ja, das fällt Ihnen aber echt früh ein. Das muss man an dieser Stelle einmal sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Es wird weiterhin am Flüchtlingsdeal mit Erdoğan festgehalten, obwohl es offensichtlich ist, unter welchen desolaten Bedingungen sich die Menschen dort befinden. Jens Spahn stellt in Talkshows die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention infrage und rüttelt damit nicht nur an zivilisatorischen Errungenschaften, die z. B. Folter verbieten, sondern will gar diejenigen völkerrechtlichen Vereinbarungen aufkündigen, die aufgrund der Gräuel des Nationalsozialismus entstanden sind. Dazu kann man nur sagen: Das sind schwindelerregende Bemerkungen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Statt hier mit Nebelkerzen zu werfen und ganz in Horst Seehofers Manier nach mehr Möglichkeiten für Abschiebungen zu suchen, sollte angesichts des Fachkräftemangels, der hier ständig beklagt wird, der Fokus auf die Qualifizierung und Anerkennung der Berufsabschlüsse von Geflüchteten gerichtet werden. So könnte man dem Fachkräftemangel entgegenwirken und diesen Menschen vor allem eine vernünftige Perspektive in diesem Land geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Bitte sehr, Kollege Dr. Büger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Beitrag der Kollegin Sönmez haben wir ehrabschneidende Äußerungen in Richtung unserer Fraktion festgestellt. Wir hätten gern, dass davon im nächsten Ältestenrat ein Protokollauszug besprochen wird.

(Zuruf DIE LINKEN: Na ja, „ehrabschneidend“!)

Gut, einen Protokollauszug machen wir sowieso, damit auch ich einmal höre, was gesagt worden ist. Dann können wir das im Ältestenrat besprechen. – Jetzt kommt Frau Kollegin Hofmann, SPD Fraktion.

(Jan Schalauske (DIE LINKE): Das ist dann weniger ehrabschneidend, dass Sie mit zweierlei Maß messen?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will dieses schwierige Thema für die SPD-Landtagsfraktion etwas versachlichen und anders einordnen, als dies die Vorrednerin eben in einer sehr populistischen Art und Weise getan hat.

(Dr. Matthias Büger (Freie Demokraten): Das stimmt!)

Richtig und sehr besorgniserregend ist, dass weit über 100 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind vor Krieg, Folter, Tod und Vertreibung sowie zum Teil, berechtigterweise, aufgrund ihrer Hoffnung auf ein besseres Le

ben. Wir als wohlhabendes Land sollten aus humanitären Gründen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen, die insbesondere politisch verfolgt werden und bei uns Schutz suchen, nach Art. 16a des Grundgesetzes bei uns Zuflucht und Schutz bekommen.

(Beifall SPD)

Auf der anderen Seite stellen Migration und Flucht viele Menschen auf allen Ebenen vor große Herausforderungen. Bund, Land und Kommunen sind in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gleichermaßen gefordert, den Menschen, die zu uns kommen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen und passgenaue Integrationsangebote zu machen, und zwar zügig und schnell. Es müssen Kindergartenplätze zur Verfügung gestellt und schulische Angebote gemacht werden. Das stellt uns alle vor große Herausforderungen, die wir gemeinsam meistern müssen und wollen.

(Robert Lambrou (AfD): Sogar Ihre eigenen Bürgermeister sagen: „Es geht nicht mehr“!)

Aber wir müssen auch hier sehr sorgsam mit diesem Thema umgehen im Hinblick darauf, dass die Flüchtlingszahlen stetig stark angestiegen sind, allein um 80,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Im letzten Jahr sind 1,2 Millionen Schutzsuchende zu uns gekommen. Davon haben 244.000 einen Antrag auf Asyl gestellt, und das muss natürlich alles bewältigt werden. Diese Asylanträge müssen in einem rechtsstaatlich sauberen Verfahren beschieden werden. Das ist unser Anspruch. Deshalb bedarf es eines Maßnahmenbündels, das ausgewogen ist, das auf der einen Seite den Schutzsuchenden, die berechtigterweise Schutz suchen, angemessen Rechnung trägt und auf der anderen Seite den Herausforderungen, welchen wir uns stellen, gerecht wird.

Was ich absolut schäbig finde, ist, weil es um Menschenleben und deren Schicksale geht, wenn insbesondere die AfD, aber zum Teil auch die CDU, dieses sensible Thema zu Wahlkampfzwecken nutzt. Das ist schäbig; und das verurteilen wir aufs Schärfste.

(Beifall SPD – Robert Lambrou (AfD): Die SPD macht das nicht? Wenn man über ein Thema redet, ist das schäbig?)

Zu einer verantwortungsvollen Asyl- und Migrationspolitik gehört auch, Antworten zu finden, die nicht einfach sind, auch für uns. Deshalb ist es richtig, sauber zu prüfen und zu sagen: Ja, Georgien und Moldau sind als sichere Herkunftsstaaten zu identifizieren.

(Alexander Bauer (CDU): Na, also!)

Georgien gehörte 2022 zu den Top 5 der Herkunftsländer – Frau Saadet Sönmez, da will ich Ihnen widersprechen –, und auch Moldau gehört zu den zuzugsstarken Herkunftsländern. Das sind die Zahlen. Auf der einen Seite haben wir zwar hohe Zugänge, auf der anderen Seite haben wir jedoch geringe Schutzquoten. Bei Georgien sind es gerade einmal 0,4 %; und bei Moldau beträgt die Schutzquote unter 1 %. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass diese beiden Staaten eine EU-Beitrittsperspektive haben. Die Bürgerinnen und Bürger dieser beiden Staaten genießen im EU-Schengen-Raum schon Visumfreiheit, und mit diesen beiden Ländern sollen Migrationspartnerschaften geschlossen werden. Das sind bei dieser schwierigen Frage wichtige Fakten.

(Beifall SPD – Robert Lambrou (AfD): Frau Hofmann, wie stellen Sie sich gegen Menschen, die nach Deutschland kommen wollen? Ist das nicht menschenverachtend?)

Was für uns als SPD ganz wichtig und zentral ist: Unabhängig davon, dass man diese beiden Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, ist für uns von zentraler Bedeutung, dass das Recht auf Asyl sowie auf ein rechtsstaatlich sauberes und ordentliches Verfahren für jeden Einzelnen als Individualanspruch gewährleistet bleibt. Das ist für uns von zentraler Bedeutung, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD – Saadet Sönmez (DIE LINKE): Was ist mit den sicheren Herkunftsländern?)

Denn wir wollen – Frau Sönmez, das ist der Unterschied zu Ihnen – für diejenigen, die sagen: „Wir werden politisch verfolgt“, dass dieser Anspruch unverzichtbar bleibt, auch in diesem Kontext. Deshalb sage ich Ihnen deutlich: Auf diesem schwierigen Politikfeld, das uns alle beschäftigt, auch die Kommunen, geht es nicht darum, populistisch reinzugrätschen, sondern es gilt, Verantwortung zu übernehmen und sinnvolle Lösungen auf den Tisch zu legen; und das tun wir.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Kollegin Heike Hofmann. – Jetzt hat Herr Kollege Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort. Bitte sehr, Mathias.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was will uns die FPD mit ihrer Aktuellen Stunde heute eigentlich sagen? Schauen wir einmal auf den Titel: „Hessen ist im Bundesrat gefragt: Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer einstufen!“ Ich räume immer ein, das mir vielleicht etwas entgangen sein könnte. Deshalb habe ich extra noch einmal auf der Homepage des Bundesrats, also ganz digital, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, nachgeschaut, ob es überhaupt irgendeinen Bundesratsvorgang gibt, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten anzuerkennen.

Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keinen Vorgang. Dafür hätte die Bundesregierung – ich glaube, die FDP ist daran beteiligt, auch wenn sie sich damit schwertut – eine entsprechende Initiative ergreifen können. Es gibt überhaupt keine Bundesratsinitiative, zu der Hessen derzeit im Bundesrat gefragt wird. Das gibt es einfach nicht.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Was will uns die FDP sagen? Will uns die FDP sagen, dass die Einstufung von Georgien und Moldau ihre Antwort auf die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik sind, vor denen wir ohne Zweifel stehen? Wollen Sie das ernsthaft sagen?

Kollege Wagner, der Kollege Pürsün wollte Sie fragen.

Der Kollege Pürsün hat – –

(René Rock (Freie Demokraten): Sie wollten doch wissen, wo es steht!)

Ist das die Antwort der Freien Demokraten auf die Herausforderung unserer Kommunen? Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wenn Sie einmal darüber nachdenken, halten selbst Sie das für ein bisschen unterkomplex als Antwort auf die aktuellen Fragen in der Flüchtlingspolitik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Wenn es wirklich um die Sache geht, müssen wir über Humanität und Ordnung reden, müssen wir darüber reden, wie wir unsere Kommunen, wie wir die Länder dabei unterstützen, die Menschen, die schon bei uns sind, zu integrieren, wie es gelingt, zu schnellen Asylverfahren, zu schnellen Entscheidungen zu kommen, ob Menschen hierbleiben dürfen oder ob sie unser Land wieder verlassen müssen. Wir müssen auch darüber reden: Wer kann in unser Land kommen? Wer hat Anrecht auf Asyl?

Aber selbst, wenn das der Gegenstand der FDP gewesen wäre, dass Sie sich mit diesem Teilaspekt des „Wer darf in unser Land kommen?“ beschäftigen, auch dann ist die Frage, die Sie heute thematisieren, nahezu ohne jede Relevanz.

Ich habe auch da wieder einmal geschaut, wie die Zugangsdaten in Hessen aus Georgien und Moldau sind. Sie finden, wenn Sie das nachschauen, keine Angabe unter den Top 10 der Herkunftsländer für Georgien und keine Angabe für Moldau.

(René Rock (Freie Demokraten): Dann können Sie zustimmen!)

Auch unter diesem Aspekt ist ohne jede Relevanz, was die FDP heute beantragt hat.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf Yanki Pürsün (Freie Demokraten))

Um es noch deutlicher zu sagen: Für die aktuellen Herausforderungen, vor denen Kommunen, Länder und der Bund in der Flüchtlingspolitik stehen, ist die Frage, die die FDP heute aufwirft, völlig ohne Relevanz.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall CDU)