Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie ganz herzlich begrüßen. Ich begrüße heute auf das Allerherzlichste den hessischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Prof. Ronellenfitsch. Es ist für uns eine große Freude, dass Sie heute wieder bei uns sind. Herzlich willkommen, lieber Herr Prof. Ronellenfitsch.

(Beifall)

Man kann sagen, heute gibt es zwei Geschenke. Ein Geschenk ist, dass Sie heute bei uns sind. Das zweite Geschenk gibt es, neben den vielen Tagesordnungspunkten, die wir in den nächsten Tagen zu beraten haben, in Form eines kleinen Buches. Es ist Ihnen über Ihre Postfächer zugegangen; vielleicht haben Sie das alljährliche Weihnachtsgeschenk auch schon entdeckt. Während die Ausgabe der Verfassung im letzten Jahr vor allem bedeutungsvoll und schön war, wenn ich dies so sagen darf, ist das Notizbuch, das Sie heute vorfinden, vor allem schön und praktisch. Es ist nicht bedeutungsvoll und schwer, aber es ist schön und praktisch. Auch das ist gut. Es liegt in den Fächern. Sie werden, wenn Sie reinschauen, vieles wiedererkennen, was Sie im Landtag normalerweise sehen können, was derzeit aber nicht immer begehbar und sichtbar ist, weil wir uns in wunderbaren Sanierungs- und Bauarbeiten befinden. Wir finden, wir hatten in diesem Jahr zur Genüge schwere Kost; deswegen gibt es in diesem Jahr leichte Kost. Ich wünsche Ihnen damit viel Freude und hoffe, dass Sie es mit guten Gedanken und Ideen werden füllen können.

Nun eröffne ich die 61. Plenarsitzung des Hessischen Landtags. Mit Blick in den Plenarsaal darf ich die Beschlussfähigkeit feststellen.

Zur Tagesordnung darf ich Ihnen mitteilen: Eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der Freien Demokraten betreffend „Maske auf statt Schule zu“ ist alleine kein Konzept – Kultusminister muss Missstände endlich erkennen und handeln, Drucks. 20/4241. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 81 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 76 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Außerdem eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der Freien Demokraten betreffend Schutz vor Corona, Drucks. 20/4242. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 82 und kann, wenn niemand widerspricht, mit Tagesordnungspunkt 74 aufgerufen werden. – Es sind alle einverstanden.

Ein weiterer von der Fraktion der Freien Demokraten eingereichter und auf Ihren Plätzen verteilter Dringlicher Antrag hat den Betreff „Hessens Innenstädte attraktiv halten – Verödung stoppen – Strukturwandel konstruktiv begleiten“, Drucks. 20/4243. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dieser Dringliche Antrag wird damit Tagesordnungspunkt 83 und kann, wenn niemand widerspricht, mit Tagesordnungspunkt 7 aufgerufen werden. – Ich sehe, dass Sie einverstanden sind.

Und schließlich ist ebenfalls von der Fraktion der Freien Demokraten ein Dringlicher Antrag betreffend Hessen muss sich gegen Einführung der Abgasnorm Euro 7 einsetzen – Strukturbruch verhindern – Arbeitsplätze erhalten, Drucks. 20/4244, eingegangen. Auch hier erfolgte eine Verteilung der Initiative auf Ihren Plätzen. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird der Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 84 und kann mit Tagesordnungspunkt 72 zu diesem Thema aufgerufen werden. – Alle sind einverstanden.

Der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat in der Sitzung gestern Abend eine Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Werra-Kalirevier, Drucks. 20/3990, abgegeben. Darüber hinaus liegen auch zwei dazugehörende Beschlussempfehlungen des Ausschusses zu einem Dringlichen Entschließungsantrag und einem Entschließungsantrag vor. Die Beschlussempfehlungen wurden heute Nacht verschickt. Diese können am Freitag im Rahmen der zweiten Lesung zusammen mit dem Gesetzentwurf aufgerufen werden und am Ende der Plenarsitzung mit dem Gesetzentwurf abgestimmt werden. Wollen wir so verfahren? – So machen wir das.

Nach dem vorliegenden Ablaufplan tagen wir heute voraussichtlich, wenn alles gut geht, bis ca. 20:30 Uhr. Wir beginnen im Anschluss an die amtlichen Mitteilungen mit Tagesordnungspunkt 59, dem Achtundvierzigsten Tätigkeitsbericht zum Datenschutz und dem Zweiten Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit des hessischen Datenschutzbeauftragten. Eine Mittagspause ist heute nicht vorgesehen.

Im Anschluss an die heutige Plenarsitzung tagen am Abend der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen im Sitzungsraum 501 A sowie der Hauptausschuss im Sitzungsraum 510 W. 30 Minuten nach der Plenarsitzung kommt außerdem der Innenausschuss im Plenarsaal zusammen.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass alle zur Abstimmung stehenden Initiativen heute Abend, wie besprochen, gebündelt abgestimmt werden.

Auch hinweisen möchte ich auf die Corona-Schnelltestungen, die heute Abend ab 17:30 Uhr im Foyer vor dem Medienraum durchgeführt werden.

Entschuldigt fehlen heute ganztägig die Kollegin Kaya Kinkel, der Kollege Bijan Kaffenberger, die Kollegin Hartmann, der Kollege Lotz und der Kollege Bolldorf. Gibt es weitere Entschuldigungen? – Frau Kollegin Arnoldt ist entschuldigt, Herr Kollege Bellino. Es ist alles in Ordnung.

Zum Geburtstag, allerdings in Abwesenheit, können wir heute dem Kollegen Karl Hermann Bolldorf gratulieren. 72 Jahre ist Kollege Bolldorf geworden.

(Beifall)

Herr Bolldorf ist für diese Plenarwoche entschuldigt; der Geburtstagswein kann daher nicht persönlich ausgehändigt werden. Das wird selbstverständlich nachgeholt. Wir wünschen alles Gute und Gesundheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf jetzt Tagesordnungspunkt 59 aufrufen:

Beschlussempfehlung und Bericht Ausschuss für Digitales und Datenschutz Vorlage Hessischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Achtundvierzigster Tätigkeitsbericht zum Datenschutz und Zweiter Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hierzu: Stellungnahme der Landesregierung betreffend den Achtundvierzigsten Tätigkeitsbericht zum Datenschutz und Zweiten Bericht zur Informationsfreiheit des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit – Drucks. 20/4024 zu Drucks. 20/3797 zu Drucks. 20/2607 –

Herrn Prof. Ronellenfitsch habe ich bereits sehr herzlich begrüßt. Herr Prof. Ronellenfitsch hat heute einen besonderen Tag; denn dies wird heute der letzte Tätigkeitsbericht in einer Plenarsitzung sein. Dies ist ein Verlust, weil Sie unsere Plenarsitzungen immer intensiv bereichert haben.

Bevor ich Herrn Prof. Ronellenfitsch das Wort erteile, darf ich zunächst den Berichterstatter, Herrn Kollegen Torsten Leveringhaus, um Berichterstattung bitten. Herr Kollege Leveringhaus, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Digitales und Datenschutz: Der Ausschuss für Digitales und Datenschutz empfiehlt dem Plenum, den Achtundvierzigsten Tätigkeitsbericht zum Datenschutz und den Zweiten Bericht zur Informationsfreiheit des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zur Kenntnis zu nehmen und darüber eine Aussprache zu führen. Das Ganze war im Ausschuss einstimmig. – Vielen Dank.

Vielen Dank für die Berichterstattung, Herr Kollege Leveringhaus. – Ich darf jetzt Herrn Prof. Ronellenfitsch für seinen Tätigkeitsbericht das Wort erteilen. Herr Prof. Ronellenfitsch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Sie reden hier ohne Maske?

Sie können die Maske ruhig absetzen.

Gut, dann setze ich die Maske ab, denn sonst versteht man gar nichts. Ich möchte mir nämlich keine Rüge zuziehen wie gestern ein hoher Politiker im Bundestag. Auch ich habe ein Manuskript, aber ich rede frei. Ich habe nur deshalb

ein Manuskript, damit ich nicht zu lange rede. Ich will Sie nicht über Gebühr strapazieren.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dem hessischen Datenschutzrecht hat der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zum 31. Dezember jedes Jahres dem Landtag und der Landesregierung einen Bericht über die Ergebnisse seiner Tätigkeit vorzulegen. Selbst Volljuristen ist nicht immer klar, dass damit keine Abgabefrist, sondern der Gegenstand der Berichtsfrist bezeichnet ist. Es kann gar keine Abgabefrist sein, sonst wäre die Stellungnahme der Landesregierung sinnlos. Die Landesregierung bekommt den Bericht zum gleichen Zeitpunkt. Aber die Stellungnahme der Landesregierung brauche ich nicht zu kommentieren. Ich habe dies nachgezählt: Die Landesregierung stimmt uns über 70 Mal zu; da gibt es keinen Dissens. Wenn sich die Landesregierung dies alles ansieht, was wir ihr zu bedenken gegeben haben, kann nichts Besseres passieren.

Das bedeutet, dass ich nicht nur über das Jahr 2019 zu berichten habe, sondern dass ich n u r über diesen Zeitabschnitt berichten darf. Der Zeitabschnitt des Neunundvierzigsten Tätigkeitsberichts kann nicht berücksichtigt werden; der Bericht ist schon weitgehend fertiggestellt. Daraus folgt, dass die Berichte keinen Nachrichtenwert im Sinne von „News“ – erstmalige Erkenntniserlangung –, sondern im ursprünglichen Wortsinn als Nach-Richtungen, d. h. als Bilanzen, zu verstehen sind.

Bilanzen werden grundsätzlich schriftlich erteilt, da mündlich vorgetragene Bilanzen ungefähr so unterhaltsam sind wie das „ZDF Magazin Royale“. Damit haben auch diese bekommen, was sie verdient haben. Ich habe häufig versucht, meine Berichte durch Bezüge auf die Unterhaltungsbranche – Film, Funk, Fernsehen – oder durch die Verwertung von Schlagertexten anschaulicher zu gestalten. Wer das auch heute erwartet, sieht sich getäuscht und ist enttäuscht; aber das Lachen ist mir vergangen.

Am letzten Tag des Berichtszeitraums, am 31.12.2019, wurde die WHO nämlich von Behörden der Volksrepublik China offiziell über den Ausbruch des Corona-Virus in der Achtmillionenstadt Wuhan informiert. Dies gibt mir die Chance, hierauf einzugehen, auch wenn es am letzten Tag war. Selbst im Rahmen einer zeitlich begrenzten retrospektiven Berichterstattung lässt sich das nicht ignorieren. Ich halte es für unvertretbar, in meiner letzten Rede vor dem Hessischen Landtag die heile Welt des Datenschutzes im Zeitalter vor der Pandemie heraufzubeschwören, will aber dem Neunundvierzigsten Tätigkeitsbericht nicht vorgreifen.

Das bringt mich in ein Dilemma, was ich Ihnen vortragen darf und was ich Ihnen nicht vortragen darf. Ich habe mich für folgende Lösung entschlossen:

Eine Bilanz enthält Gewinne und Verluste. Daher kann ich heute auch auf Vorhaben eingehen, die 2019 für das Jahr 2020 geplant waren, bereits konkrete Gestalt angenommen hatten, Corona-bedingt aber abgesagt, eingestellt oder auf unabsehbare Zeit verschoben werden mussten. Ich mache also eine Negativ- und eine Positivbilanz. Zur Negativbilanz gehört das, was wir eigentlich vorhatten, was wir aber nicht durchführen konnten, was aber schon weit vorangetrieben worden war. Man kann nicht sagen, dass es keine Positivbilanz gibt. Ich werde noch ein paar Beispiele aus der Zeitphase, die ich behandeln soll, anbringen.

Die strapaziöse Umsetzungsphase der Datenschutz-Grundverordnung kam in ruhigeres Fahrwasser. Dafür verursachten die zahlreichen neuen Betreuungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten eine Entwicklung – wenn man eine Novelle macht, geht es meistens zulasten der Verwaltung –, die zu Mehrarbeit führte, die kaum noch zu verkraften war. Wir müssen technisch auf der Höhe der Zeit bleiben und mussten Diskussionen führen. Jeder, der sich in der Bundesrepublik gegen Datenverstöße wehren will, kann sich wehren, egal, aus welchem Land Europas er kommt. Wir müssen ihm dann in seiner Landessprache Auskunft erteilen. Das ist bei den zahlreichen europäischen Amtssprachen relativ schwierig; beispielsweise Bulgarisch zu sprechen. Ich kann das leider nicht. Ich muss aber auf Bulgarisch die Auskunft erteilen. Ich muss sagen: Es gibt groteske Regelungen. – Ich werde noch darauf eingehen, dass Englisch die Amtssprache geworden ist.

Die Arbeit in Gremien ist explosionsartig gewachsen. Meine Mitarbeiter müssen in zahllosen Gremien arbeiten. Den Grundsatzausschuss habe ich selbst übernommen, um zu verhindern, dass der Bund sich allzu stark ausbreitet und total übertrieben die Macht an sich reißt. Aus föderalistischen Gründen habe ich das selbst gemacht und das Schlimmste verhindern können. Ich hoffe, dass die Linie weiter so bleibt. Die Expansionsgelüste des Bundes haben wir halbwegs ausgebremst.

(Beifall)

Die fortschreitende Digitalisierung auch bei der Datenschutzaufsicht erfordert Fähigkeiten, für die die irreführende und deplatzierte Bezeichnung „Datensouveränität“ zum Schlagwort wurde. Gemeint ist nicht die Souveränität des Staats-, Verfassungs- und Völkerrechts, sondern die Fähigkeit des Umgangs mit digitalisierten Informationen. Das kann man „Datensouveränität“ nennen, aber es handelt sich nicht um die Souveränität im Sinne des Superlativs „suprema potestas“. Es ist die Fähigkeit, mit dem Internet umzugehen, die man mit so sinnvollen Ausdrücken wie „super“, „echt cool“ oder „geil“ qualifizieren kann. Das ist dann die Datensouveränität.

Entscheidend ist in der ganzen Sache, dass die Datenschutzsouveränität der Aufsichtsbehörden erhalten bleibt, dass nicht andere besser informiert und besser ausgestattet sind und dadurch keine Kontrolle mehr möglich ist. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat aus meiner Sicht den schwachsinnigen Beschluss gefasst – da habe ich auch nicht mitgemacht –, dass die Datenschutzsouveränität der Exekutive so gesteigert werden kann, dass praktisch ein technischer Beurteilungsspielraum der Exekutive besteht. Das kann nicht sein. Ein Beurteilungsspielraum bedeutet, dass die Kontrolle der Aufsichtsbehörden nicht mehr durchgeführt werden kann. Wenn Souveränität bestehen muss, dann bei den Aufsichtsbehörden und bei den Gerichten, sonst kommen wir rechtsstaatlich in Schwierigkeiten.

Was noch Schwierigkeiten gemacht hat, ist, dass nach dem Brexit zunehmend die Anglifizierung der Verwaltungssprache durchgeführt worden ist. Das ist klar, jetzt kann niemand mehr Englisch, deswegen sprechen alle Englisch. Das ist die Konsequenz. Der Brexit hat dazu geführt, dass unter Deutschen fast nur noch Englisch gesprochen wird. Das macht nichts, das können meine Mitarbeiter natürlich leisten. Für Hessen ist das Erlernen der englischen Sprache kein Problem. Für die Hessen bedeutet das Erlernen von

Hochdeutsch schon das Erlernen einer ersten Fremdsprache.

(Zuruf: Na, na, na! – Heiterkeit)

Kurpfälzer scheitern schon an dieser Aufgabe.

(Zurufe)

Kurpfälzer und Mainzer natürlich. – Ich wollte das nur am Rande bemerken, dass es nicht schlimm ist, dass wir uns auf Englisch ausdrücken. Die Begriffe stimmen meistens nicht, aber wir wissen, was gemeint ist. Meistens ist es Deutsch auf Englisch übersetzt, und die Engländer verstehen es nicht. Das war mit ein Grund für den Brexit, weil die Engländer ihr Englisch nicht mehr verstanden haben. Die Europäer haben Ausdrücke gebraucht, die den Engländern gar nicht vertraut waren.

Die Vielfalt der datenschutzrechtlichen Fragestellungen bestand schon vor Corona und wird auch noch nach Corona bestehen. Die katastrophalen Folgen der Pandemie zeichneten sich im Berichtszeitraum noch nicht ab. Aber sie wirkten zurück.

Ich gehe daher abschließend auf ein Sonderproblem des Landes Hessen ein, das in Relation zu den Todes- und Krankheitsfällen und zu den wirtschaftlichen und kulturellen Existenzvernichtungen durch die Pandemie als Bagatelle erscheint, dennoch für das Land Hessen und das Amt des hessischen Datenschutzbeauftragten nicht völlig unbedeutend war.

Der hessische Datenschutzbeauftragte wurde bisher für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt und blieb nach Abschluss der Legislaturperiode bis zur Neuwahl im Amt. Meine reguläre Amtszeit lief im Oktober 2018 aus, und eine Wiederwahl für weitere fünf Jahre kam aus Altersgründen und aufgrund eigener Lebensplanung nicht in Betracht.

Im Oktober 2020 bestand das Hessische Datenschutzgesetz seit 50 Jahren. Das Jubiläum wollten die Landesregierung und der hessische Datenschutzbeauftragte groß feiern. Hierfür waren Veranstaltungen in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel im Frühjahr und im Landtag im Herbst mit hochrangigen Referentinnen und Referenten vorgesehen. Für die Koordination, Organisation und Referentenakquisition war ich vorgesehen. Man hat einen gesucht, der das freiwillig macht, und ich war bereit, das zu machen. Ich war dazu bereit, zugegebenermaßen auch aus eigensichtigen Motiven. Ich wurde in diesem Zeitraum 75 und wollte das mit einem Konzert meiner Band, in der ich spielen darf, als Abschiedsveranstaltung verbinden. Deswegen wollte ich noch eine kurze Zeit länger bleiben, um das durchzuziehen. Das war kein Verfassungsbruch oder Ähnliches, das war schlicht die Motivation. Das hat sich alles zerschlagen durch die Pandemie. Es war alles durchorganisiert und finanziert. Wir hatten die Zusage des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Es wäre eine gelungene Veranstaltung gewesen. Es hat nicht sollen sein.

Zum Abschluss komme ich noch einmal auf den Souveränitätsbegriff zurück. Souverän ist nicht, wie Carl Schmitt sagte, „wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Souverän ist, wer im Ausnahmezustand noch entscheiden kann. Das ist ein gravierender Unterschied. Carl Schmitt hatte immer die Extrempositionen im Auge: Wir kämpfen das aus, wir vernichten das. Bund und Länder kämpfen das aus mit Sezessionsregeln usw. – Das ist nicht unsere Mentalität. Wir versuchen, das durch Diskussionen auszuglei

chen, und wir müssen im Ausnahmezustand entscheidungsfähig bleiben.

Das geht nicht gegen das Volk, deswegen will ich das erwähnen. Souverän ist, wer im Ausnahmezustand noch entscheiden kann. Wenn der Widerstand gegen Entscheidungen ein kritisches Maß überschritten hat, wenn eine kritische Zahl überschritten ist, ist nichts mehr durchzuziehen.