Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie!)

Das habe ich aber nicht.

(Beifall SPD und Freie Demokraten – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie werden nachher sagen: Wir bilden unheimlich viel aus. – Erstens haben Sie in den letzten Jahren zu wenig ausgebildet.

(Lachen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens haben wir das Problem, dass mittlerweile fast 20 % der Polizeianwärter, die anfangen zu studieren, ihr Studium nicht beenden. Das ist eine extreme Größe. Drittens muss man über die Qualität derjenigen reden, die dabei herauskommen.

„Wertschätzung“ heißt aber auch – deswegen wird es von der SPD-Fraktion erneut einen Antrag geben –, die Stellenzulage endlich wieder ruhegehaltsfähig zu machen. Das betrifft Polizeibeamtinnen und -beamte, Justizbeamte und Feuerwehrleute. Das ist ein kleines Symbol. Das kostet etwa 6 Millionen €. Das kann man machen, wenn man Wertschätzung nicht nur sonntags predigt. Wir wollen, dass es montags umgesetzt wird.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir sind auch gespannt, was Sie zu den Forderungen der GdP zu Sonderurlaub und Prämien sagen. Auch wir haben das schon thematisiert. Die FDP hat das freundlicherweise in ihren Setzpunkt morgen schon aufgenommen. Wir sind sehr gespannt, ob man ein solches, wie wir finden, berechtigtes Interesse ernst nimmt.

Ich will einen dritten Punkt erwähnen, der in Städten und Gemeinden noch in der Diskussion ist, nämlich Straßenausbaubeiträge. Es wird im Bereich des Innenministers zu verantworten sein. Auch das ist vor Ort noch nicht gelöst.

(Beifall SPD)

Es gibt nach wie vor Diskussionen. Nach wie vor haben Menschen Ängste, dass sie Zehntausende Euro zahlen müssen. Wir sind weiterhin der Auffassung: Straßenausbaubeiträge sind sozial ungerecht. Sie gehören abgeschafft. Als Kompensation soll das Land eine Investitionspauschale an die Städte und Gemeinden zahlen, damit diese Ungerechtigkeit abgeschafft und der Ärger nicht vom Land auf die Kommunen vor Ort delegiert wird. Es ist sowieso Ihre Taktik von Schwarz-Grün, unangenehme Entscheidungen auf die Ebene vor Ort abzuwälzen, damit das vor Ort ausgebadet werden muss. Deswegen gehören Straßenausbaubeiträge abgeschafft.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Ich muss mich an die Redezeit halten, die ich selbst festgelegt habe. Das will ich gern tun.

Herr Innenminister, in Ihrem Hause gibt es einiges zu tun. Wir brauchen keine Kämpfe in der Polizei, die Sie angefacht haben. Wir brauchen ein klares, entschlossenes Handeln des Landes. Wir brauchen aber auch klare Botschaften. Wir fordern von Ihnen eine andere Art der Kommunikationspolitik ein. Es ist unerträglich, dass wir im Nachhinein viele Sachen erfahren. Die Informationspflicht gegenüber dem Parlament zu erfüllen, ist normalerweise eine Selbstverständlichkeit, aber bei Schwarz-Grün ist sie eher wenig ausgeprägt. Wir werden jedenfalls dafür sorgen,

dass Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus in diesem Land keine Chance haben. Dafür müssen alle Demokraten eintreten. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD – Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph, auf die Sekunde zehn Minuten. – Ich darf als nächste Rednerin die Abg. Eva Goldbach für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufrufen. Auch die GRÜNEN haben zehn Minuten festgelegt. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, wir müssen die Frage stellen: Warum geben wir eigentlich immer mehr Geld für Sicherheitsbehörden aus? Die Produktabgeltung für das Innenessort steigt im Jahr 2021 gegenüber 2020 um rund 47 Millionen € auf 2,28 Milliarden €. Das ist – da sind wir uns einig – eine gewaltige Summe.

Davon ist der größte Posten mit etwa 80 % der Polizeihaushalt. Der wiederum hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt,

(Turgut Yüksel (SPD): Das macht es aber nicht besser!)

obwohl wir bei der Kriminalitätsbelastung – das ist eine objektive Zahl – eines der sichersten Bundesländer in ganz Deutschland sind. Wir haben andere Entwicklungen in Deutschland, die das notwendig machen.

In fast allen Bereichen extremistischer Phänomene ist die Gewaltbereitschaft laut Bundes-Verfassungsschutzbericht gestiegen. Diese zunehmende Gewaltbereitschaft gefährdet das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Die größte Bedrohung geht nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ganz klar von Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten aus. Aber auch im linken Spektrum steigt die Zahl der Straftaten weiter.

Wir dürfen auch nicht aus dem Blick verlieren, dass es nach wir vor Hunderte islamistischer Gefährderinnen und Gefährder in Deutschland gibt, die permanent eine Gefahr sind, weil sie terroristische Akte begehen könnten.

Und wir sehen, dass Autokraten die Freiheitsrechte in demokratischen Staaten massiv einschränken – auch hier in Europa und in unserer Nachbarschaft. Sie haben das Ziel, die westliche Wertegemeinschaft und die Idee der Demokratie an sich zu schwächen.

Dann haben wir die Corona-Pandemie. Diese Krankheit ist eine Gefahr nicht nur für unsere Gesundheit, sondern auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Denn dieses Virus trifft uns ausgerechnet in einer Zeit, in der die extremen Ränder der Gesellschaft wachsen und starke Fliehkräfte den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährden.

Das Virus weckt Ängste, mitunter existenzielle Ängste, bei den Menschen. Dann gehen sie auf die Straße. Sie machen ihrer Empörung Luft, lassen manchmal ihrem ungefilterten Zorn auf alles und jeden freien Lauf. Andere sehen demokratische Werte in Gefahr oder verlangen besseren Klima

schutz, einen schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen. Manchmal gehen Verschwörungsideologen und Klimaaktivisten, Querdenker und Esoteriker gemeinsam auf die Straße.

Im Moment sehen wir da ein diffuses Bild. Es ist eine bisher nicht gekannte Mischung. Das macht sie so gefährlich. In dieser Zeit brauchen wir Politikerinnen und Politiker gute Nerven. Wir brauchen Geduld, und wir brauchen die Fähigkeit, Vertrauen zu gewinnen und Sicherheit zu vermitteln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Dazu gehören der freie Austausch im Parlament, eine gewissenhafte Suche nach guten Lösungen und der Mut, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn wir sie für das Allgemeinwohl für richtig halten. Wir brauchen aber auch eine effektive, an den Prinzipien der Verlässlichkeit und der Verhältnismäßigkeit orientierte Exekutive. Dazu gehört nicht zuletzt eine gut ausgestattete und gut ausgebildete Polizei. Denn die Polizei schützt die Versammlungsfreiheit. Die Polizei schützt jüdische Einrichtungen. Die Polizei schützt Asylbewerberheime. Und wir rufen die Polizei, wenn wir Opfer von Angriffen, Gewalttaten oder Einbrüchen werden.

Deshalb ist es absolut richtig, dass sich der Polizeihaushalt in 20 Jahren mehr als verdoppelt hat und wir mehr Polizistinnen und Polizisten in Hessen haben und ausbilden als jemals zuvor.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer, wenn nicht wir Hessen, sollte die zunehmende Gefahr durch Rechtsextremisten und Rechtsterroristen als dringendste Aufgabe und Herausforderung in der Sicherheitspolitik unseres Landes sehen? Wer, wenn nicht wir Hessen, weiß, wie sehr rechtsterroristische Anschläge mit Todesopfern eine Gesellschaft erschüttern?

Das Erstarken der rechten Ideologien mit ihren frauenfeindlichen, diskriminierenden, rassistischen, völkischen und nationalistischen Parolen ist kein Phänomen einer klar abzugrenzenden kriminellen Vereinigung. Der Rechtsextremismus ist – leider – ein Phänomen in der Mitte der Gesellschaft.

In Chemnitz marschierten im September 2018 Rechtsextremisten, gewaltbereite Hooligans und vermutlich auch der des Mordes an Walter Lübcke angeklagte Stephan E. gemeinsam mit der AfD – angeführt von Björn Höcke, dem Mann, der 2020 in Thüringen zum Königsmacher wurde.

Die radikale Rechte und deren parlamentarischer Arm wollen die Demokratie, sie wollen die Menschenrechte abschaffen.

(Lachen Klaus Herrmann (AfD))

Die radikale Rechte macht Jagd auf Minderheiten und geht gegen den Staat vor. Der entschlossene Kampf gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus ist unsere vordringlichste Aufgabe.

(Beifall Manfred Pentz (CDU) und Jan Schalauske (DIE LINKE))

Was macht der Verfassungsschutz?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Gute Frage, nächste Frage!)

Der Verfassungsschutz muss in der Lage sein, durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie durch moderne und gute Technik und Software die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in Hessen zu beobachten. Genau dafür sorgen wir mit diesem Haushalt.

(Beifall CDU)

Neben der technischen Ausstattung braucht der Verfassungsschutz natürlich gute Leute mit immer neuen Qualifikationen. Uns hat sehr gefreut, dass Präsident Schäfer bei der kursorischen Lesung berichten konnte, dass die in den letzten Jahren neu geschaffenen Stellen entweder schon besetzt sind oder alle Stellenbesetzungsverfahren demnächst abgeschlossen und Menschen eingestellt werden. Das ist erfreulich, und genau das brauchen wir: qualifizierte Leute.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Schon 2008 hat das Land Hessen im Verfassungsschutz das Kompetenzzentrum Rechtsextremismus, KOREX, gegründet. Es leistet äußerst wichtige Arbeit bei der Aufklärung der Bevölkerung und vor allem Aufbereitung von Fachwissen über Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus, das es an die Bevölkerung weitergibt.

Kommen wir zur Polizei. Was macht die Polizei gegen Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus? Die Besondere Aufbauorganisation Hessen R geht entschieden gegen die rechte Szene vor. Sie besteht hessenweit aus 140 Ermittlerinnen und Ermittlern. In jedem der sieben hessischen Polizeipräsidien ist ein eigener Regionalabschnitt, sodass sie in der gesamten Fläche tätig wird. Sie prüft das gesamte rechte Personenpotenzial in Hessen, hat es immer im Blick, klärt Szene-Treffpunkte auf und überwacht diese. Sie stört die rechte Szene z. B. durch Anklopfaktionen.

Insgesamt wurden bereits mehr als 220 polizeiliche Einsatzmaßnahmen gegen die rechte Szene in Hessen unter Federführung der BAO Hessen R seit ihrer Gründung durchgeführt: über 110 Durchsuchungen, etwa 2.200 Sicherstellungen sowie mehr als 1.200 Kontrollmaßnahmen. Rund 30 Szene-Veranstaltungen wurden durch die Regionalabschnitte der BAO Hessen R begleitet. Zudem wurden inzwischen insgesamt 106 Haftbefehle gegen 96 Personen des rechten Spektrums vollstreckt. Wir werden weiter dafür sorgen, dass diese Besondere Aufbauorganisation gut ausgestattet ist.

Im Bereich Demokratieförderung, Prävention machen wir in diesem Landeshaushalt so viel wie nie zuvor. Warum ist das wichtig? Richtig ist, dass der Verfassungsschutz beobachtet und die Polizei gegen die Rechten hart durchgreift. Aber kein Mensch wird als Rechtsextremist geboren. Deswegen müssen wir äußerst viel im Bereich von Bildung, Demokratieförderung und Prävention tun. Daher stellen wir für diesen gesamten Bereich so viel Geld wie noch nie zur Verfügung: 8,6 Millionen €. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 lagen die Mittel noch bei 1,3 Millionen €.