Lassen Sie mich deswegen anmerken: In Ihrem Entschließungsantrag geht es mehr um die Medizin und weniger um die Wissenschaft. Man sollte die Medizin nicht mit der Wissenschaft gleichsetzen. Mediziner sind per se nicht automatisch Wissenschaftler. Sie können es aber sein. Mediziner sind dafür ausgebildet, zu behandeln, zu diagnostizieren und zu therapieren. Sie sind aber oft nicht dafür ausgebildet, Wissenschaft zu betreiben.
Deswegen erneuere ich heute mein Petitum aus der Ausschusssitzung: Binden Sie alle Forscher ein, unter anderem die Aerosolforscher. Ich habe sie gerade genannt. Zur Aufklärung der Übertragungswege ist eine verstärkte Kooperation der verschiedenen Disziplinen notwendig.
Natürlich ist es wichtig und notwendig, den Universitäten zur Erforschung des Virus Mittel zur Verfügung zu stellen. Aber vergessen Sie eben die anderen Bereiche nicht.
Die aktuelle Corona-Pandemie verdeutlicht mehr denn je, von welcher elementaren Bedeutung wissenschaftliche Forschung und Innovation sind – nicht nur bei der Entwicklung wirksamer Behandlungsmethoden, von Impfstoffen und Medikamenten.
Da haben Sie recht. Wir brauchen die Forschung und Innovationen. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Impfstoffe, sondern auch hinsichtlich der Ansteckungswege, der Wirkungsgrade, bei der Antikörperforschung, hinsichtlich der Analyse- und Testmöglichkeiten, hinsichtlich der Handlungsmethoden und der Medikamente. Keine anderen Erkenntnisse und vor allem auch Produkte werden eine solche Weltmarktdurchdringung haben wie die ersten Impfstoffe oder Medikamente. Das sehen wir dieser Tage bei Biontech.
Von den Impfstoffen und Medikamenten können alle Menschen, auch die in Hessen, profitieren. Deswegen ist es mir ein Rätsel, warum die Landesregierung das hessische Unternehmen Biotest nicht unterstützen will, obwohl sie ein Medikament entwickelt haben, das COVID-erkrankten Menschen helfen und Leben retten könnte.
Die zweite Phase soll jetzt beginnen. Das Unternehmen hätte da gerne mit Hessen zusammengearbeitet. Aber die Türen zum Finanzminister, zum Wirtschaftsminister sowie zum Sozialminister waren geschlossen. Es bestehe kein Interesse des Landes, so war die Rückmeldung.
Sie müssen schon einmal erklären, warum Hessen ein hier ansässiges Unternehmen nicht unterstützen will. Es will hier die dritte Phase umsetzen, damit an unseren Universitätskliniken in Hessen die Menschen auf den Intensivstationen nicht beatmet werden müssen und überleben können.
In anderen Ländern, wie in Nordrhein-Westfalen, funktioniert die Förderung. Die 12 Milliarden € Sondervermögen seien bereits komplett verplant, sagte man dem Unternehmen. Da gibt es ein Medikament, das verspricht, wirksam
zu sein. Dann ist aber kein Geld da. Für mich zeugt das, so wie bei der nicht intelligenten Teststrategie, von einem nicht durchdachten Präventionskonzept und Inkonsistenz. Inkonsistente Konzepte und Fehler verschwinden nicht dadurch, dass man sie nicht in den Blick nimmt.
Gerade hinsichtlich eines Medikaments, das die Beatmung verhindern könnte, und des derzeitigen deutlichen Anstiegs der Zahl der COVID-Patienten auf den Intensivstationen, vor allem mit Beatmung, und einer Abnahme der freien Kapazitäten auf den Intensivstationen bin ich sehr auf Ihre Antwort hinsichtlich der Frage gespannt, warum Sie einer solchen Innovation den Rücken kehren. Ich bitte Sie, hier schleunigst umzudenken.
Last, but not least möchte ich etwas zur Kommunikation in der Wissenschaft sagen. In einer informierten Gesellschaft geht nichts ohne Zahlen. Das ist klar. In erster Linie fehlen aber energisch vorangetriebene Kohorten- und Clusterstudien mit Daten zur Prävalenz von SARS-CoV-2. Man bräuchte zentrale Aussagen zur Häufigkeit, zu den Infektionswegen und zu der Symptomatik bei den Risikogruppen. Das müsste man verfügbar machen. Denn jede Maßnahme zur Kontrolle der Pandemie und jede Präventionsmaßnahme bedürfen verlässlicher Zahlen zur Information und zur Steuerung.
Dabei möchte ich Sie auch an die Hospitalisierungsdaten erinnern. Die haben Sie vom Bulletin gestrichen. Dabei beschreibt diese Zahl genau die Belastung unseres Gesundheitssystems und kann erklären, warum es wichtig ist, die Maßnahmen einzuhalten, damit die Krankenhäuser und insbesondere die Intensivstationen nicht voll- oder überlaufen.
Sie beschreiben in Ihrem Entschließungsantrag, dass die wissenschaftlichen Grundlagen sowie die konkreten wissenschaftlichen Erkenntnisse öffentlichkeitswirksam und verständlich sein müssten. Dann tun Sie das doch auch. Die Fragen, die Nancy Faeser am Dienstag mit „Warum“ aufgeworfen hat, haben Sie bislang nicht beantwortet. Das „Warum“ ist aber das, was die Bürger umtreibt.
Sprache und Kommunikation sind in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung verantwortungsvoll zu benutzende Instrumente zur Steuerung des Verhaltens und der gesellschaftlichen Prozesse. Deshalb ist es dringend notwendig, dass sich alle Verantwortungsträger dessen bewusst sind und die Verantwortung übernehmen.
Die Kommunikation braucht einen Interpretationsrahmen, damit die Fakten und Maßnahmen nicht missinterpretiert oder missbraucht werden. Eine verantwortungsvolle Kommunikation stellt daher die Sensibilität der Bevölkerung her und erklärt das Warum und das Wie. Es bedarf einer erklärenden, umsichtigen und abwägenden Einordnung. Das ermöglicht den Bürgern, das nachzuvollziehen und es dann auch zu vertreten.
Es gibt die Protestbewegung und eine Radikalisierung. Das lehnen wir entschieden ab. Man muss sich einmal die Zusammensetzung dieser Protestbewegung anschauen. Sie können da nicht sagen, das seien nicht auch Rechtsextreme. Viele Rechtsextremisten nutzen das, um die CoronaKrise zu verharmlosen oder zu leugnen. Das widerspricht
allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und vor allem den Erfahrungen im Gesundheitswesen. Sehr geehrte Herren der AfD-Fraktion, das ist einfach kein verantwortungsvoller Umgang mit der derzeitigen Situation. Vielleicht haben Sie – –
Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe. Die Zwischenrufe von links nach rechts müssen ein bisschen leiser sein. Bitte immer schön die Maske aufziehen. – Frau Dr. Sommer, Sie haben das Wort.
Vielleicht haben Sie gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ den Artikel über Herrn Oestreich gelesen. Nach seiner Corona-Infektion lag er acht Wochen lang im Koma. Nach dem Aufwachen musste er wieder laufen lernen.
Was die Querdenker behaupten, macht ihn fassungslos. Er sagt, das sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, der Angehörigen, der Pflegekräfte, der Ärzte und aller, die sich um COVID-Patienten kümmern. So kommt Ihr Querdenken in der Bevölkerung an.
Aussagen, die den Corona-Virus leugnen, sind hochgefährlich. Sie verbreiten sich genauso viral wie der Erreger. Sie sorgen für Ratlosigkeit bei den Patienten und für Entsetzen bei Wissenschaftlern, Medizinern und allen, die die Tragweite verstanden haben. Deshalb bedarf es einer klaren und transparenten Kommunikationsstrategie. Da hat das Land Hessen noch Luft nach oben.
In der Regierungserklärung wurde uns mitgeteilt, man würde darauf setzen, dass die Hessen besonnen bleiben würden, weil die Maßnahmen erforderlich seien. Ich sage es noch einmal: Sie erklären nie das Warum. Das Warum ist so wichtig, um verstehen zu können, warum man besonnen und vernünftig handeln soll.
Insgesamt geht es darum, besser zu kommunizieren. Schulz von Thun sagt Ihnen sicherlich etwas. Es geht um Sender und Empfänger. Es reicht nicht aus, die Verordnungen nur zu verschriftlichen. Die Maßnahmen zu den Verordnungen müssen erklärt und heruntergebrochen werden. Ihre Sinnhaftigkeit muss begründet werden. Das tun Sie bislang kaum oder gar nicht.
Wir stehen für eine Wissenschaft und eine Forschung in Freiheit, auch in Zeiten der Pandemie. In vielen Staaten ist die Freiheit der Wissenschaft massiv eingeschränkt oder bedroht. Das wollen wir nicht.
Wir wollen, dass die Wissenschaft nicht missbraucht wird. Vielmehr sollen alle verantwortlich mit ihr umgehen. Es geht darum, dass Wissenschaft in eine Sachpolitik und nicht missbräuchlich, missinterpretiert
Frau Dr. Sommer, vielen Dank. – Ich mache mir ein bisschen Sorgen um Herrn Banzer, weil er trotz der heftigen Debatten nicht aufwacht. Könnte man einmal nach ihm schauen? – Alles gut, alles klar.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das zu Ende gehende Jahr 2020 führt uns eindrücklich vor Augen, welch hohe Bedeutung Wissenschaft und Forschung für unser gesellschaftliches Zusammenleben haben. Die Corona-Pandemie fordert uns alle in allen gesellschaftlichen Bereichen enorm. Die kritische Lage wird uns auf absehbare Zeit noch weiter begleiten.
Dank der Leistung der Wissenschaft und der Forschung sind mehrere Impfstoffe so gut wie einsatzbereit und geben uns ein Stück weit ein Zeichen der Hoffnung – passend zum Advent, aber auch darüber hinaus –, dass wir bald aus dieser bedrohlichen Lage herauskommen.
Ich sage eines gleich zu Beginn meiner Rede: Impfungen sind per se ein Segen für die Menschheit. Man kann sich einmal die letzten 100 Jahre betrachten, dann sieht man, wie viele gefährliche Viren und Krankheiten dadurch ihre Gefährlichkeit und ihren Schrecken verloren haben. Da muss man erst einmal feststellen, dass wir die Wissenschaft und die Forschung über viele Jahrzehnte als Gesellschaft verlässlich an unserer Seite hatten. Wir haben sie auch jetzt wieder an der Seite. Darüber können wir uns freuen und müssen dankbar sein.
Ja, es ist bemerkenswert, mit welcher Geschwindigkeit in dem Fall dieser bedrohlichen Corona-Pandemie ein Impfstoff entwickelt wurde. Da muss man wiederum den Forscherinnen und Forschern dankbar sein, dass sie mit einer unglaublichen Energie daran gearbeitet haben, dieses gefährliche Virus in den Griff zu bekommen. Das wird auch gelingen.
Natürlich gibt es bei Impfungen Risiken. Das leugnet auch niemand. Das hat nie jemand geleugnet. Das wird in den Plänen entsprechend berücksichtigt.
Bei der vorherigen Debatte haben wir erlebt, wie man das auf der ganz rechten Seite macht. Der Vortrag des Abgeordneten dieser sogenannten Alternative hat wieder gezeigt, in welchen Gedankenwelten man sich dort bewegt. Wenn man die erschreckenden Szenen vor dem Reichstag so einordnet, wie Sie das gemacht haben, dann entlarvt man sich selbst.
Ja, spätestens seit März dieses Jahres ist das Gefühl der Unsicherheit stetiger Begleiter für uns alle, in Europa und in weiten Teilen der Welt insgesamt. Die Auswirkungen ei
nes, von uns aus betrachtet, weit entfernt entstandenen Virus übersteigt wohl das, was man sich bei der theoretischen Frage nach den Auswirkungen einer Pandemie so vorstellen konnte.
In einer Zeit großer Unsicherheit und komplexer Herausforderungen sind wir Menschen natürlich auf der Suche nach Antworten und nach Orientierung. Da hilft uns die Wissenschaft. Da helfen uns Erkenntnisse von Forschungsinstituten und fachlich fundierte Untersuchungen. Da ist es natürlich entscheidend, dass die Wissenschaft mit dem Willen nach weiterem Erkenntnisgewinn – 2020 betraf das sehr intensiv das COVID-19-Virus – frei und stetig forscht.
Dieses stetige Bearbeiten der Themen macht im Übrigen die Wissenschaft und die Forschung aus. Je komplexer und dynamischer die Fragestellungen sind, desto wahrscheinlicher ist es nun einmal, dass die Forschung durch neue Erkenntnisse zu anderen Einschätzungen kommt, als es sie etwa zu Beginn des Forschungsvorhabens gab. Die Politik ist dann wiederum in der Verantwortung, daraus entsprechende Maßnahmen abzuleiten.