Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

(Beifall AfD)

Es ist unerträglich, dass viele junge Mädchen in Familien aus anderen Kulturkreisen nicht die Möglichkeit der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit bekommen. Wir alle kennen diese Probleme. Sie werden in der Gesellschaft nicht benannt. Genau das gilt es zu ändern.

(Beifall AfD)

Mit Punkt 11 sollen Fortbildungen fortgeschrieben werden, die bereits stattfinden. Wir, die Mitglieder der AfD, sprechen der Polizei, den Staatsanwaltschaften und der Justiz nicht ab, genügend sensibilisiert zu sein. Das sind sie bereits.

(Beifall AfD)

Mit Punkt 12 fordert DIE LINKE eine Initiative im Bundesrat, damit die bezüglich Art. 59 der Istanbul-Konvention bestehenden Vorbehalte der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich zurückgenommen werden. Art. 59 der Istanbul-Konvention beinhaltet einen eigenständigen Aufenthaltsstatus, der an das Bestehen einer dreijährigen Ehe gekoppelt ist. Wir, die Mitglieder der AfD, teilen die Vorbehalte gegenüber Art. 59 der Istanbul-Konvention.

Wir bitten Sie, den Antrag dem Ausschuss zu überweisen. Wir werden diesen insgesamt ablehnen müssen. Einzelne Punkte müssen einfach noch handwerklich aufgearbeitet werden.

Bei dem Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir uns der Stimme enthalten. Es wurde zu Recht gesagt, dass das eine pure Kopie ist. Für mich ist das eine Reaktion auf den Antrag der LINKEN, die durchaus ihre Berechtigung hat. Das muss aber noch einmal in einer Ausschusssitzung besprochen werden. – Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Herr Kollege Richter, herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist Frau Abg. Brünnel für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Verehrte Frau Brünnel, Sie haben das Wort. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Februar 2018 ist in Deutschland die Istanbul-Konvention in Kraft getreten. Sehr geehrte Frau Böhm, wir haben die Istanbul-Konvention zum ersten Mal im hessischen Koalitionsvertrag verankert – das ist neu, und das ist gut so.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und Christiane Böhm (DIE LINKE))

Wir werden diese Verankerung in der 20. Legislaturperiode umsetzen. Deswegen halten wir uns in unserem Antrag auch an unseren Koalitionsvertrag.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Zu klären ist, ob uns dies mit einer grundlegenden Überarbeitung des Landesaktionsplans, wie Sie sie fordern, gelingt oder ob nicht vielmehr die Umsetzung der IstanbulKonvention als Gesamtstrategie verstanden werden sollte, um ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen.

Die Istanbul-Konvention, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, verfolgt unter anderem die Ziele, Betroffene vor Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und mit umfassenden politischen Maßnahmen den Rahmen für die Gewährleistung von Schutz und Unterstützung der Betroffenen sowie die Strafverfolgung der Täter und Täterinnen zu schaffen.

Um einen umfassenden Ansatz bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu gewährleisten, umfasst der Konventionstext alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen. Das heißt, er umfasst körperliche, seelische und sexuelle Gewalt, aber auch Stalking, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung. Dabei wird der Begriff „Gewalt“ weit gefasst und als Menschenrechtsverletzung definiert. Diese endlich erfolgte Anerkennung geschlechtsspezifischer Gewalt als Menschenrechtsverletzung ist ein wichtiger Schritt.

Die Istanbul-Konvention dient der Vorbeugung und dem Schutz vor Gewalt in jeder Ausprägung: Gewalt, die wegen des biologischen oder sozialen Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung oder Geschlechtsidentität und Genderstereotypen ausgeführt wird. Auch das zu wissen ist dabei wichtig.

Laut einer Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte verlangt die Umsetzung der Istanbul-Konvention eine Vielzahl an Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention, Schutz und Sanktion, mit denen sich derzeit viele Experten und Akteure auf Bundes-, Länder- und auf kommunaler Ebene befassen.

Die Umsetzung der Istanbul-Konvention steht im Mittelpunkt aller Maßnahmen. Nun steht eine Entscheidung darüber an, was effektiv den am schnellsten möglichen Erfolg bringt. Wir brauchen eine Gesamtstrategie, koordiniertes Vorgehen, Evaluation und Monitoring. Priorität haben die Prävention und der Schutz vor Gewalt. Es ist wichtig, dies hier noch einmal zu sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Hessische Landesregierung konnte in den letzten Jahren viel bewirken, gerade im Bereich der Prävention und in der Koordinierung von regionalen Arbeitskreisen, Landkreisen und Kommunen. Gerade diese Koordinierungsmaßnahmen verbesserten die Intervention bei häuslicher Gewalt. Das Land Hessen stärkte gerade durch Kampagnen zur Öffentlichkeitsarbeit die Prävention bei häuslicher Gewalt. Aber auch die Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger über Hintergründe und Wirkung geschlechtsspezifischer Gewalt und die Vermittlung der Tatsache, dass diese Gewalt in allen sozialen Schichten stattfindet, sind wichtige Schritte im Umsetzungsprozess.

Die Aktivierung von informellen Netzwerken, die Informationen über Schutzrechte und die Bestimmungen des Gewaltschutzgesetzes haben es vielen Frauen ermöglicht, Gewalt als solche zu benennen und endlich zur Anzeige zu bringen.

Wir haben in unserer Koalitionsvereinbarung für die 20. Legislaturperiode ausdrücklich die Umsetzung der Istanbul-Konvention verankert. Diese Vereinbarung schließt natürlich auch die Weiterentwicklung der Landesaktionspläne und die Initiierung neuer Maßnahmen mit ein. Es gibt also überhaupt keinen Grund, ein Versäumnis zu vermuten. Es gibt auch keinen Grund, blinden Aktionismus an den Tag zu legen. Wir sind dabei, und wir werden es umsetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Auch der Vorwurf, Landesaktionspläne seien ohne die relevanten Akteure evaluiert worden, ist schlichtweg nicht richtig. Eingebunden waren Sachverständige des Landespräventionsrates. Die Aktionspläne sind durch die Arbeitsgruppe II des Sachverständigengremiums des Landespräventionsrats mit klar gegliederter Zielbenennung erarbeitet und erst dann von der Landesregierung beschlossen worden. Gerade der zweite Aktionsplan ist Ergebnis eines gezielten Monitoring-Prozesses.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen um die zukünftigen Handlungsverpflichtungen und haben sogar dafür die Finanzierung gesichert. Es ist wichtig, auch das an dieser Stelle zu wissen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Das Sozialbudget 2025 wurde bereits im Doppelhaushalt 2018/19 erhöht, um die gestiegenen Kosten abdecken zu können. Und das Sozialbudget soll jährlich um rund 3 Millionen € aufgestockt werden, um eine verlässliche Finanzierung der Organisationen zu ermöglichen, die sich um genau diesen sozialen Zusammenhang in unserem Land kümmern.

Die Kommunalisierung sozialer Hilfen ermöglicht es, unterschiedliche Angebote vor Ort umzusetzen; denn die Bedürfnisse der Menschen kennen am besten die verantwortlichen Akteure in den jeweiligen Städten und Gemeinden. So macht es Sinn, alle Beteiligten an dieser Stelle einzubinden.

Selbstverständlich gehört dazu, dass Frauenhäuser, Interventions- und Beratungsstellen entsprechend der IstanbulKonvention weiter gefördert werden. Selbstverständlich brauchen wir bauliche Erneuerung. Selbstverständlich brauchen wir den Ausbau der Frauenhäuser, ja, sogar – da widersprechen wir – eine Abkehr von der bisherigen Messgröße der Bettenzahl, weil wir Familienzimmer brauchen, weil wir ein gesamtes Maßnahmenpaket für unsere Frauenhäuser in Hessen brauchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Das ist doch kein Entweder-oder!)

Wir möchten in Zukunft Trägervereine dabei unterstützen, Wohnraum für stabilisierte Frauen zu finden, damit die Schutzplätze der Frauen denen zur Verfügung stehen, die sie akut brauchen. Wir brauchen ausreichend viele Übergangswohnungen. Hier merken wir, dass unsere Verpflichtung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention eng mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus verknüpft ist.

Auch hier sehen wir, dass wir genügend bereitgestellt haben: Es gibt 2,2 Milliarden €, die wir zwischen 2019 und 2024 einsetzen wollen, um 22.000 neue Wohnungen zu fördern. Damit werden Voraussetzungen für mehr Wohnraum geschaffen; denn nur da, wo bezahlbarer Wohnraum

vorhanden ist, kann er auch vermittelt werden an die, die ihn brauchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf DIE LINKE)

Dass Frauen nach einer Vergewaltigung, auch ohne Anzeige zu erstatten, eine Beweissicherung vornehmen können, die als Dokumentation in einem Gerichtsverfahren verwendet werden kann, diese Möglichkeit soll hessenweit geschaffen werden. Beweismaterial und Spuren können in Schutzambulanzen bis zu zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Das soll jetzt hessenweit ausgedehnt werden.

Vorgesehen ist auch, dass sich Betroffene in den teilnehmenden Kliniken nach einer Vergewaltigung medizinisch versorgen lassen können. So ist eine sensible medizinische und auch seelische Versorgung möglich. Die medizinische und psychosoziale Versorgung soll landesweit ausgedehnt werden. Befunderhebung, Spurensicherung und Versorgung bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt, diese Dokumentationshilfen des Ministeriums sollten bei der medizinischen Soforthilfe verpflichtend verwendet werden.

Zum Gewaltschutz gehört aber auch die Sensibilisierung der Beratungskräfte für Frauen mit Behinderungen. Wir benötigen hessenweit bedarfsgerechte Beratungshilfe und Schutzangebote für Frauen und Mädchen mit spezifischen Problemlagen. Mädchen und Frauen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen, Traumatisierungen, bei Wohnungslosigkeit oder mit Migrationshintergrund bedürfen einer stärkeren Sensibilisierung der Fachdienststellen und speziell ausgestatteter Schutzmöglichkeiten. Wichtig ist auch, bei Erstkontakten Sprachbarrieren abzubauen. Vorgesehen ist hier ein Dolmetscherpool, der auch per Videochat hinzugezogen werden kann.

Bei all diesen Maßnahmenpaketen lohnt es sich sicherlich, darüber nachzudenken, wie einzelne Aktionspläne sinnvoll miteinander zu verknüpfen sind und wie wir den Blick endlich auf eine gelungene Gesamtstrategie richten können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Wir brauchen auch in Zukunft Öffentlichkeitsarbeit, koordiniertes Vorgehen auf regionaler und landesweiter Ebene, transparent dargestellte Möglichkeiten der Intervention und des Schutzes durch die Polizei, Unterstützung durch Sachverständigenbeiräte, Dialog und kontinuierliche Teilnahme regionaler Arbeitskreise, qualifizierte Beratung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Frauenhäusern, Beratungs- und Interventionsstellen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, bei allen diesen Maßnahmen geht es einzig und allein darum, sich jeglicher Gewalt an Frauen und jeder Form von Unterdrückung und Diskriminierung entschieden entgegenzustellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Lassen Sie uns gemeinsam Gewaltschutzarbeit sicherstellen und die Istanbul-Konvention in Hessen konsequent und zielstrebig umsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Brünnel. – Nächste Rednerin für die Fraktion der Freien Demokraten ist Kollegin Knell.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Am 12. Oktober 2017 ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland die Istanbul-Konvention. Mit dem Beitritt zu dem Übereinkommen verpflichtet sich Deutschland, alles dafür zu tun, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Frauen zu schützen und ihnen Hilfe und Unterstützung zu bieten.

Die Anzahl der statistisch erfassten Fälle von häuslicher Gewalt, die Ende letzten Jahres für das Jahr 2017 veröffentlicht wurde, ist erschreckend. Besonders erschreckend ist sie auch deshalb, weil es sich hier um ein großes Dunkelfeld handelt; denn bei Weitem werden nicht alle Fälle von häuslicher Gewalt gemeldet und erfasst.

Ich will jetzt nicht im Einzelnen auf die Verteilung der Fälle nach der Schwere der Tat und andere Aspekte eingehen – viele Dinge sind hier auch schon genannt worden –, sondern ich will mich auf den Antrag und die Position der Freien Demokraten dazu beziehen. Es ist richtig, dass der Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt nach dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention überarbeitet und angepasst werden muss. Deutschland hat sich zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet, die auch wir Freie Demokraten voranbringen wollen. Wir wollen, dass Frauen wie auch Männer schnell und unkompliziert Schutz erhalten, wenn sie Gewalt erlitten haben. Wir legen aber neben dem Schutz der Opfer besonderen Wert auf die beiden anderen, ganz wesentlichen Bausteine für ein einheitliches Gesamtkonzept: Prävention und Vernetzung.

(Beifall Freie Demokraten)