Bevor ich Herrn Harlinghausen das Wort gebe, sollte ich noch einmal erwähnen, daß Zwischenfragen nicht zu Debattenbeiträgen genutzt werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Böwer, wenn ich Sie so höre, „wir werden“, „wir wollen“, „wir versprechen“, das kennen wir schon seit vielen Jahren, dann frage ich mich, warum Sie das haben soweit kommen lassen, daß Eltern und Kinder aufschreien und unzufrieden sind? Da muß doch irgend etwas nicht stimmen. Darüber sollten Sie nachdenken. Ich wäre gern bereit, das familienpolitische Konzept der CDU mit Ihnen durchzusprechen.
Ich habe aber nicht viel Vertrauen, daß Sie das schnell verstehen werden, und schon gar nicht, daß Sie das umsetzen werden. Allerdings haben Sie dazu auch gar keine Chance mehr, und das ist gut.
Es ist hellseherisch und bis zu einem gewissen Grade geradezu sympathisch, wenn die REGENBOGEN-Gruppe mit diesem Antrag für die nächste Legislaturperiode dem dann von Ole von Beust geführten Senat Empfehlungen für die dringend erforderlichen Verbesserungen der Kindertagesbetreuungssituation mit auf den Weg geben möchte.
Es drückt wohl auch ein gut Teil Hoffnung aus, den selbst der REGENBOGEN in den kommenden Regierungswechsel legt. Auch das ist gut.
Seit langer Zeit plädiert die CDU dafür, die Kindertagesbetreuung zukunftsorientiert zu optimieren. Sie hat dazu – das habe ich schon mehrfach erwähnt – eine Vielzahl von konstruktiven Anträgen eingebracht. REGENBOGEN und CDU stimmen zumindest darin überein, daß der Bereich der Kinderbetreuung in keiner Weise zur Konsolidierung des Haushalts geeignet, aber eine Absicherung von Qualitätsstandards zwingend ist.
Gute Reformen sind immer mit einem Paradigmenwechsel verbunden. Im Zentrum einer Reform sollte aber nicht nur eine theoretische Optimierung, sondern zuletzt auch die Realisierbarkeit stehen. Bei allem Wohlwollen für die geäußerten Zielsetzungen des vorliegenden Antrags, den Ausbau des Halb- und Ganztagesangebots, Verbesserung der Betreuung durch gut ausgebildetes Fachpersonal sowie Entlastung der Familie – wobei mir diese Forderungen sehr bekannt vorkommen –, schlägt beim REGENBOGENAntrag leider ein Aspekt durch, der eine Zustimmung leider unmöglich macht. Schon bei den letzten Haushaltsberatungen gab es eine Kette von REGENBOGEN-Anträgen, die hübsch und verlockend aussahen, aber typisch für Politiker sind, die sicher sein können, an einer Umsetzung nicht verantwortlich beteiligt zu sein,
oder auch die Umsetzung gar nicht ernsthaft vorhaben. Spätestens alle vier Jahre ist eine – besonders auch für die SPD – typische Erscheinung zu verzeichnen. Nein, ich meine nicht „Eugen mit dem Spaten“. Es bricht eine operative Hektik aus.
Anträge werden gestellt und Erklärungen abgegeben, Herr Dr. Schmidt, die ohne Rücksicht auf Kosten das Blaue vom Himmel herunterfordern oder versprechen.
SPD und GAL finden plötzlich trotz der bekannten Haushaltslage – fragen Sie einmal die Finanzsenatorin – über 150 Millionen DM mehr für die Kindertagesbetreuung. Wie Sie das gegenfinanzieren wollen, Herr Böwer, haben Sie bis jetzt auch nur wischiwaschi umschrieben, nachdem aber vorher in den letzten Jahren kräftig und in zweistelliger Millionenhöhe – einige sprechen von bis zu 40 Millionen DM – auf dem gleichen Feld zusammengestrichen wurde und eigentlich von Ihnen alles schon hätte viel früher geregelt werden können. Wer trägt seit Jahrzehnten die politische Verantwortung für die Betreuungsdefizite?
Der REGENBOGEN will sogar 820 Millionen DM zusätzlich ausgeben, wobei dort auch aus unserer Sicht eine etwas abenteuerliche Deckung angeboten wird. Es soll einmal wieder kräftig an der Steuerschraube gedreht und es sollen Investitionen in die wirtschaftliche Standardsicherung gekappt werden, die auch etwas mit der Lebensqualität für die nächste Generation zu tun haben. Ein solches Vorgehen ist nicht seriös, fördert auch nicht die Glaubwürdigkeit der Politik bei den Bürgern und ist kontraproduktiv für das Vertrauen der politischen Aussagen.
Politik – nicht zuletzt im Kinder- und Jugendbereich – muß immer dem Anspruch einer ehrlichen Umsetzbarkeit genügen, Frau Sudmann.
Seriös und glaubwürdig wäre es, am Anfang eine objektive und ideologiefreie Bestandsaufnahme vorzunehmen, alle Bereiche der Politik für junge Menschen auf den Prüfstand zu stellen, unabdingbare Qualitätsstandards und Vereinbarungen darüber zu ermitteln und festzusetzen und nach einem allgemeinen Kassensturz ein Konzept zur Umsetzung von Reformvorhaben unter Einbindung aller Betroffenen zu finden. Eine hohe Akzeptanz wäre die Folge.
Ein wichtiger Punkt ist hierbei sicher auch eine andere Kostenbeitragsstruktur, die sich am Niveau vieler vergleichbarer Großstädte orientiert. Warum soll das, was woanders in bezug auf Qualität und Kosten Normalität ist, ausgerechnet in Hamburg nicht erreichbar sein? Hieran wird die CDU konkret und mit Nachdruck arbeiten, um das zu erreichen.
Damit wäre auch vielen Kindern und deren Eltern, besonders Berufstätigen und/oder Alleinerziehenden, mehr geholfen als mit äußerst durchsichtigen Versprechungen auf paradiesische Zustände bei der Kindertagesbetreuung. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Harlinghausen hat eben ein großes Wort gelassen ausgesprochen: Die Ehrlichkeit und Umsetzbarkeit von Konzepten, was die Jugendhilfe betrifft – und damit auch die Kinderbetreuung –, ist ein schöner Anknüpfungspunkt für mich. Es gibt mir die Gelegenheit, die Debatte vielleicht einmal auf die Tatsachen zurückzuführen, die wir bisher haben.
Was wollen wir? Wir haben uns in dieser Legislatur damit beschäftigt, verläßliche Rahmenbedingungen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, und wir wollen auch einen fairen Familienlastenausgleich. Daran arbeiten wir beziehungsweise haben wir – auch im Bund – schon entscheidende Punkte umgesetzt.
Ich möchte daran anknüpfen, was bisher getan wurde. Gerade Sie, Herr Harlinghausen, hatten in Ihrem Beitrag genannt, wichtig wäre es, daß Familien richtige Rahmenbedingungen vorfinden. Das ist natürlich nicht einfach. REGENBOGEN hat leicht reden, zu sagen, es soll alles kostenlos sein. Das löst aber natürlich nicht das Problem, weil man sich überlegen muß, wie ein Ausgleich tatsächlich gerecht stattfindet. Dann ist natürlich mit Erhöhung von Kindergeld und Steuererleichterung und -entlastung schon einiges getan. Wir haben das in vielfältigen Debatten zu diesem Thema vorher hier in aller Länge und Breite ausgeführt gehabt. Das muß ich hier nicht wiederholen.
Einen erheblichen Beitrag hat Rotgrün in dieser Legislatur zur Beitragsgerechtigkeit geleistet. Dieses Thema haben wir im Jugend- und Sportausschuß und in den Anhörungen schon des öfteren behandelt. Wie ist der Zustand aber vorher gewesen? Das hätte hier eigentlich den Aufschrei der Empörung auslösen müssen. In der Vergangenheit mußte von den Eltern wesentlich mehr für Halbtagsplätze als für Ganztagsplätze gezahlt werden. Dazu höre ich nichts. Dieses Thema ist in dieser Legislatur von Rotgrün angepackt worden, und wir haben es mit dem neuen Teilnahmebeitragsgesetz entscheidend verbessert und verändert.
Dazu würde ich gern etwas hören. Das sind doch alles nur falsche Reden, die hier von Ihnen gehalten werden, wenn gesagt wird, es ist alles teurer geworden. So kann man das nicht sehen. Schauen Sie sich doch die Beitragstabellen an.
Wenn wir bessere Rahmenbedingungen wollen und auch Schritte dazu unternommen haben, ist das System der Kita-Card, das wir angepackt und entwickelt haben – dem haben wir uns fast übergreifend, mit einigen Abspaltungen, gemeinsam gewidmet –, auf einem guten Weg und ein wegweisendes Konzept. Da geht es darum, das erste Mal in der Geschichte der Kinderbetreuung in Hamburg tatsächlich Qualitätsstandards festzuschreiben. Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen Bericht des Senats, der diesen Punkt aufgegriffen und deutlich gemacht hat. Dafür muß man auch einmal anerkennende Worte finden. Es ist nicht so, daß wir hier als Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern es wird beteiligt, es werden die Träger beteiligt. Die sagen sogar ausdrücklich, daß sie diesen Prozeß und auch die Idee begrüßen. Wo ist dann hier die Kritik zu hören? Ich nehme das gerne auf. Wir
haben uns sogar in den Ausschüssen verständigt. Nein, die Träger arbeiten mit. Sie begrüßen dieses Konzept ausdrücklich, und sie sagen auch, sie sind dabei, diese Qualitätsstandards zu entwickeln. Mehr kann man nicht erwarten. Daß man sich jetzt auf einen Prozeß einigt und dieses Ziel weiterverfolgt, ist genau das, was wir wollen.
Sie fangen mit Ihren Beiträgen genau an dem Punkt wieder an, über den wir eigentlich hinwegwollten. Was ist denn mit der Ausweitung der Kindertagesbetreuung von 20 000 Plätzen in den vergangenen Jahren? Zu der gegebenen Zeit war das die richtige Maßnahme. Was haben wir zeitnah festgestellt? Es kann nicht um die reine Ausweitung gehen, sondern es muß sich auch nach dem Bedarf richten, und es muß gezielt gesteuert werden. Das sind nicht nur unsere Worte, das sind auch die Worte der Opposition gewesen, die immer dann, wenn es gerne paßt, haushaltsmäßig so etwas aufgreift, und dann, wenn es fachlich nicht paßt, das Geld gerne hinausschmeißen will. So kann das auch nicht gehen. Die bedarfsgerechte Nachfrageorientierung, die wir anstatt der Angebotsausrichtung mit der Kita-Card einführen werden, führt dazu, daß wir diese Fehlsteuerung und Fehlangebote nicht mehr haben.
Ich möchte noch auf den Beitrag von Frau Sudmann eingehen: Versorgungsquoten? Über den Stand sind wir längst hinweg. Dieser Punkt ist uns auch von Trägern immer wieder nahegebracht worden, daß es nicht darum gehen kann, Versorgungsquoten festzulegen. Wir wollen, daß Kinder – egal ob es Krippenkinder, Elementar- oder Hortkinder sind –, die in dem Stadtteil eine Versorgung brauchen, sie auch bekommen. Das soll nicht daran scheitern, daß gesagt wird, in dem Stadtteil ist die Versorgungsquote erfüllt und die Träger können deshalb das Kind nicht aufnehmen. Das ist der Unsinn, den wir mit diesem neuen System überwinden. Also weg von den Versorgungswünschen.