Protocol of the Session on June 14, 2001

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ders als der normale Straftäter behandelt werden. Gerade dieser Defekt – so möchte ich mal sagen – ist das Problem, der diese Insassen nicht normal berechenbar, sondern unberechenbar macht. Deswegen müssen sie auch besonders vorsichtig und aufmerksam behandelt werden und nicht wie normale Strafgefangene.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist die Sicherheit an die erste Stelle zu setzen. Bisher lautet das Gesetz: „Der Maßregelvollzug dient außerdem dem Schutz der Allgemeinheit.“ Wir möchten aber im Gesetz verankert haben, daß an erster Stelle der Schutz der Allgemeinheit und des Personals der Einrichtungen vor rechtswidrigen Taten zu gewährleisten ist.

Weiter heißt es derzeit im Gesetz: „Der Vollzug der Maßregel soll gelockert werden, sobald zu erwarten ist, daß der Patient die ihm eingeräumten Möglichkeiten nicht mißbrauchen wird.“ Wir sind der Meinung, daß diese Schwelle viel zu gering ist, wenn es lediglich heißt, daß man erwarte, daß das eingehalten wird. Hier muß es klipp und klar heißen, daß bei der Gewährung von Vollzugslockerungen sicherzustellen ist, daß die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet wird. Das ist der erste von insgesamt fünf Punkten, den wir ändern möchten.

Der zweite Punkt ist wohl der wichtigste. Wenn Lockerungen im Maßregelvollzug gewährt werden sollen, ist bisher der Leiter der Einrichtung der einzige, der die Verantwortung trägt. Wir möchten, daß nicht nur der Leiter allein entscheiden kann, ob in einem bestimmten Fall Vollzugslockerungen gewährt werden können, sondern daß auch die Vollstreckungsbehörde sowie die zuständige Behörde zustimmen. Das ist gar nicht mal ungewöhnlich, denn bei dem viel einfacheren Kriminellen im normalen Strafvollzug entscheidet auch nicht der Leiter der Vollzugsanstalt allein über die Vollzugslockerungen; was vielleicht noch unproblematischer wäre. Für Vollzugslockerungen im normalen Strafvollzug gibt es eine Ausführungsverordnung, die immerhin zwei Seiten mit insgesamt 14 Punkten umfaßt, wobei sich das Strafvollzugsamt vorbehält zuzustimmen. Dabei geht es um die erstmalige Entscheidung von Vollzugslockerungen bis hin zu dem Punkt, wie der Insasse am Erreichen des Vollzugsziels mitgewirkt hat. Bei all diesen Punkten gibt es Zustimmungsvorbehalte des Strafvollzugsamtes. Die Frage ist, warum es das im Maßregelvollzug nicht gibt. Da wären diese Vorbehalte viel eher angebracht. Deswegen wollen wir, daß bei erstmaligen Lockerungen die Vollstreckungsbehörde wie auch die zuständige Behörde zustimmen müssen.

Ferner ist derzeit nicht geregelt, daß Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen;

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

das ist der dritte Punkt. Für Patienten im Maßregelvollzug, denen Lockerungen gewährt werden sollen und deren Anlaßtat insbesondere Tötungs-, schwere Gewalt- und Sexualdelikte waren, möchten wir ein Sachverständigengutachten einholen lassen. Das ist im Moment überhaupt nicht geregelt und ist unserer Meinung nach dringend erforderlich.

Viertens: Für jede Einrichtung sollte eine Sicherheitsfachkraft bestellt werden, das heißt, wie bei Behörden einen Fahrradbeauftragten oder Frauenbeauftragten im Maßregelvollzug für jede Einrichtung eine Sicherheitsfachkraft, die sich um Sicherheitsfragen kümmert.

Fünftens: In jeder Einrichtung sollten Beiräte eingerichtet werden, an denen auch die Anwohner beteiligt werden. Im Klinikum Nord, in Ochsenzoll, gibt es das schon. Es ist aber noch nicht gesetzlich verankert. Wir wollen, daß das für die eine Einrichtung, die es in Hamburg gibt, gesetzlich verankert wird. Das sind, wie ich finde, fünf konkrete Vorschläge, wie man jetzt schon einmal das Maßregelvollzugsgesetz ändern kann, um die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen. Ich finde sie sehr plausibel und bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Petersen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Maßregelvollzugs in Ochsenzoll haben einen schweren Job. Mit großem Engagement und viel Tatkraft versuchen sie, die kranken Straftäter zu therapieren. Für ihren großen Einsatz, den sie auch für unser aller Sicherheit bringen, bedanken wir uns.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei Dr. Hans- Peter de Lorent GAL)

Frau Wilsdorf von der „taz“, Herr Schierk und Herr Koop von der „Welt“ haben am 9.Juni 2001 die Arbeit des Maßregelvollzugs in Ochsenzoll eindrucksvoll beschrieben. Sie haben auch die Lage der Patienten und die Problematik der Vollzugslockerung deutlich gemacht. Mit diesen Artikeln haben sie die durch die schrecklichen Vorkommnisse emotional aufgewühlte öffentliche Debatte versachlicht. Vielen Dank.

Wir werden Ihren Antrag zur Novellierung des Maßregelvollzugs in den Ausschüssen diskutieren. Allerdings ist dieser Vorschlag, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, dort bei einer Expertenanhörung einhellig abgelehnt worden. Trotzdem werden wir in den Ausschüssen schauen, ob wir zu einer Optimierung der gesetzlichen Regelung kommen müssen. Nur gesetzliche Regelungen allein lösen dieses Problem nicht.

Eine Therapie ist sicher der beste Schutz für die Bevölkerung vor diesen Straftätern. Dennoch wird immer ein Restrisiko bleiben.

(Carsten Lüdemann CDU: Das können Sie doch minimieren!)

Nicht jeder Patient ist therapierbar. Nicht jede Erkrankung ist von uns Ärzten abschließend zu therapieren. Ich gehe davon aus, daß es in unser aller Interesse ist, daß es auf der einen Seite zu einer optimalen Therapie von Straftätern kommt und auf der anderen Seite zu einer optimalen Sicherheitslage der Bevölkerung. Ich hoffe auf eine konstruktive Zusammenarbeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lüdemann, Sie haben hier keine fünf Punkte vorgelegt, sondern einen ganzen Gesetzesantrag. Diese sogenannte Neufassung des Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes, die Sie vorlegen, ist eine einzige Frechheit,

(Carsten Lüdemann CDU)

(Wolfgang Beuß CDU: Bitte?)

und zwar deshalb, weil Sie sich bei der CDU nicht einmal die Mühe der Auseinandersetzung mit dem in Hamburg geltenden Maßregelvollzugsgesetz gemacht haben.

(Antje Blumenthal CDU: Haben wir!)

Sie haben Herrn Rüttgers ankarren lassen, Sie haben eine Pressekonferenz einberufen, und Herr Rüttgers hat als Kronzeuge gegen das Hamburgische Maßregelvollzuggesetz gesprochen.

(Carsten Lüdemann CDU: Bringen Sie mal ein paar Sachargumente!)

Das hat mich hellhörig gemacht.

(Carsten Lüdemann CDU: Kommen Sie doch mal zu Punkt 1 des Antrags!)

Jetzt komme ich zu den Punkten. Ich bin in die Parlamentsdokumentation gegangen, habe mir die NRW-Geschichte angeguckt und kann nur sagen, daß ich es als ein starkes Stück empfinde, wenn Sie sich nicht einmal mit unserem hier gültigen Gesetz auseinandersetzen, sondern abkupfern, was Ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Dort hat man nämlich im Januar einen Änderungsantrag in den Nordrhein-Westfälischen Landtag eingebracht, der jetzt ausführlich diskutiert wird, und zwar mit dem Ergebnis, daß er eigentlich schon voll und ganz abgelehnt ist. Und das legen Sie uns hier jetzt als große Neuerung vor. Das ist tatsächlich Quatsch.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Konkret möchte ich es nun an Ihrem Paragraph 1 belegen. Sie haben in Ihrem Gesetzantrag einen Paragraphen 1, in dem Sie völlig überflüssigerweise fordern, daß die Unterbringung forensischer Patienten auf Stationen der Allgemeinpsychiatrie nur dann erfolgen darf – so steht es in Ihrem tollen Gesetzantrag –, wenn gewährleistet ist, daß von den Betroffenen keine Gefahr ausgeht. Was soll denn das? Wollen Sie damit Paragraph 4 unseres Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes ändern, der doch ganz klar sagt, daß die Maßnahmen grundsätzlich in den hierfür bestimmten psychiatrischen Abteilungen des Krankenhauses Ochsenzoll vollzogen werden? Sie dürfen nur im Einzelfall auch in anderen Einrichtungen vollzogen werden, wenn dadurch die Ziele des Maßregelvollzuges – Sie wissen: Therapie und Sicherheit gleichrangig – besser erreicht werden können.

Wenn man das liest, fragt man sich, ob Sie vorhaben, unsere Spezialeinrichtungen in Ochsenzoll zu schließen. Wollen Sie etwa das Haus 18 und Haus 9 schließen? Wollen Sie Ihre Zustimmung zu dem dringend erforderlichen Erweiterungsbau zurückziehen? Das alles frage ich mich. Ich finde es einfach nur abenteuerlich, was Sie hier machen; dazu ist das Thema zu wichtig und zu ernst.

(Antje Blumenthal CDU: Außer schimpfen tun Sie überhaupt nichts!)

Was Sie machen, ist sehr merkwürdig.

Ich denke, daß Sie dieses Gesetz hier als einen Schnellschuß vorgelegt haben, Sie wollen das Thema besetzen. Wir haben Wahlkampf, und Sie denken, Sie können damit punkten. Ich finde aber, daß man merkt, daß Sie dazu nicht in der Lage sind. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein einziger Beweis Ihrer Ignoranz und Unfähigkeit.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Antje Blumenthal CDU: Sie machen Wahlkampf!)

Wir wollen uns mit den Fragen weiterhin kompetent inhaltlich auseinandersetzen.

(Heino Vahldieck CDU: Das wäre das erste Mal!)

Wir haben das in der letzten Sitzung getan, im Gegensatz zu Ihnen; wir haben die Sache inhaltlich diskutiert. Wir wollen uns auch mit dem auseinandersetzen, was die Kommission erarbeiten wird. Wir halten es für sehr sinnvoll. Wir sind damit einverstanden, daß wir uns im Ausschuß damit befassen. Ich denke nicht, daß wir näher auf Ihren Antrag eingehen werden.

(Heino Vahldieck CDU: Dann müssen Sie ihn ab- lehnen!)

Wir werden uns im Ausschuß mit den Problemen befassen. Wir werden dieses Thema im Rechtsausschuß und im

(Zurufe von der CDU)

Gesundheitsausschuß behandeln. Ihre Vorlage ist aber tatsächlich kein guter Beitrag. – Danke.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGENBO- GEN – für eine neue Linke)