Dorothee Freudenberg

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! ADS und Ritalin sind auf jeden Fall ein wichtiges Problem, das wir nicht einfach nur im Gesundheitsausschuß behandeln sollten, sondern zusammen mit den Kollegen und Kolleginnen vom Jugend- und Schulausschuß, und das ist auch das Interessante an der Geschichte. Ritalin hilft gegen das Symptom der Zappelei, der Aufmerksamkeitsstörung im Zusammenhang mit über
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mäßiger motorischer Aktivität, aber nur gegen das Symptom, denn das ADS ist eine Anpassungsstörung und zeigt, daß sich die Kinder nicht an vorgegebene Verhältnisse anpassen können. Wir dürfen nicht einfach das Symptom kurieren und sehen, daß die Kinder ruhiger werden. Wir müssen vielmehr überlegen, ob die Verhältnisse in Ordnung sind, von denen wir verlangen, daß sich die Kinder an sie anpassen, oder was bei den Kindern vorliegt, daß sie dazu nicht in der Lage sind. Es ist auf keinen Fall richtig, jetzt zu sagen, wir haben ein Medikament, das in vielen Fällen hilft, und damit gut. Sondern wir müssen erfassen, was hinter der Zunahme dieser Störungen steckt und was wir tun können, um den Kindern und Familien gerecht zu werden.
Ich finde es richtig, diesen Antrag zu überweisen und uns in der nächsten Legislatur bald damit zu befassen, möchte dies aber auf keinen Fall nur unter uns Medizinern abhandeln, denn dann werden wir der Sache bestimmt nicht gerecht. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Rudolph, auch wir stimmen Ihrem Antrag gerne zu. Ich bin froh, daß wir uns im letzten Jahr so intensiv mit den Fragen der Sterbebegleitung auseinandersetzen konnten und dieses Thema ein gemeinsames war. Für mich war das wirklich ein ganz erfreulicher Teil dieser nicht immer nur erfreulichen parlamentarischen Arbeit. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen ist ein ungelöstes Problem. Nach jahrelanger Stagnation in der Ära Kohl hat die rotgrüne Bundesregierung nun endlich neue Gesetze gemacht, und die Sache geht jetzt voran.
Sie wissen, daß wir seit dem 1. Juli 2001 das neue Leistungsrecht für behinderte Menschen haben, das SGB IX, wie auch ein neues Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen.
Die vorliegende Drucksache über das Aktionsprogramm, das seit 1999 hier in Hamburg durchgeführt wird, ist wenig konkret in bezug auf die neuen Gesetze. Sie ist vor allem eine Darstellung von Planungen, in welchen Gremien man diese neuen Gesetze mit welchen Methoden umsetzen wird. Wir gehen davon aus, daß sich diese Dinge bald konkretisieren lassen, denn so sind sie nach unserer Meinung nicht besonders aussagekräftig.
Eine besonders wichtige und gute Sache, die in Hamburg jetzt schon anläuft und in der Drucksache noch gar nicht enthalten sein konnte, ist die Auswirkung der Möglichkeit der besseren Hilfe durch Integrationsfachdienste. Meines Wissens gibt es jetzt schon eine zusätzliche Förderung von 360 schwerbehinderten Menschen durch diese Integrationsdienste über das Arbeitsamt. Das ist besonders wichtig, weil sie eine individuelle Begleitung und Integration in den Ersten Arbeitsmarkt ermöglicht.
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Der Senat hat in der vorliegenden Drucksache einen Schwerpunkt auf die Förderung der behinderten Menschen gesetzt, die Leistungen nach dem BSHG, also aus der Eingliederungshilfe, beanspruchen können. Er geht auf Planungen ein, den Bereich der Werkstätten für Behinderte umzustrukturieren. Hier soll eine Öffnung vorgenommen werden, und wir wollen Dezentralisierungen erreichen, um Menschen aus diesen WfBs – die in gewisser Weise fast einen Gettocharakter haben – in Außengruppen in die Firmen zu integrieren. Wir hoffen, daß wir hierüber bald Konkreteres hören. Ich denke, daß es durch die neuen Gesetze und auch dadurch vorangeht, daß es mehr Möglichkeiten gibt, Mittel umzuschichten, weil die Förderungen durch Bundesmittel deutlich besser werden.
Ich möchte noch auf eine Gruppe eingehen, nämlich die Menschen, die besonders stark in ihrer Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt sind und die nicht mehr als 15 Wochenstunden arbeiten können. Für diese Menschen hat sich die Situation leider verschlechtert, weil nach dem neuen SBG IX die Förderungen durch diese Integrationsfachdienste nur bei Arbeitsplätzen greifen, die ab 15 Wochenstunden eingehalten werden können. Das betrifft vor allem die Gruppe der chronisch psychisch schwerkranken Menschen, für die die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu haben, besonders wichtig ist, um eine sinnvolle Tagesstruktur und Kontakte zu haben und um auch eine Bestätigung zu finden, auch wenn sie nur wenige Stunden am Tage arbeiten können.
Es ist bedauerlich, daß für diese Menschen die Zuverdienstmöglichkeiten jetzt sogar weggefallen sind und auch einige EU-Förderungen kürzlich beendet wurden. Ich appelliere an den Senat, daß für diese Menschen besonders etwas getan wird. Es wäre sehr schade, wenn sich Dinge, die gerade in Hamburg besonders gut laufen – eben die Förderung von Arbeit psychisch Kranker – in einer Zeit, in der wir alle optimistischer werden, in diesem Bereich verschlechtern würden. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So klipp und klar und knapp steht es seit 1994 im Grundgesetz, so ist das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen formuliert. Die Umsetzung dieses Verfassungsgebotes stellt einen gewaltigen Auftrag für die Gesellschaft dar, vor allem auch für uns Abgeordnete.
Die Regierungskoalition hatte vereinbart, die Ausgestaltung wichtiger hamburgischer Gesetze und Vorschriften unter Einbeziehung von behinderten Menschen und ihrer Verbände im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot zu überprüfen. Unter Federführung der BAGS wurde dazu eine Kommission eingesetzt, die jetzt ihren Bericht vorgelegt hat.
Als wichtigstes Ergebnis wird vom Senat dargestellt, daß es in den hamburgischen Gesetzen keine Regelungen gibt, die behinderte Menschen diskriminieren. Das ist aber eigentlich selbstverständlich, denn unsere Landesgesetze müssen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen.
Die Kommission hat darüber hinaus gute Arbeit geleistet und wertvolle Anregungen gegeben, wie die Belange behinderter Menschen besser berücksichtigt werden können. Das Wichtigste war dabei, denke ich, daß in der Kommission Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenverbände direkt mit den Vertreterinnen und Vertretern der Behörden über die Ausgestaltung der hamburgischen Gesetze ins Gespräch gekommen sind. Sie haben zusammen diskutiert, und in die Behörde konnte so die Sichtweise der behinderten Menschen transportiert werden, und das ist ganz wesentlich.
Das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen läßt sich meiner Meinung nach nur umsetzen, wenn behinderte Menschen in allen Bereichen mehr beteiligt werden. Ich denke, es kann nur so funktionieren, wie wir es ja auch bei der Frauenbewegung versuchen, bei der Gleichstellung von uns Frauen, nämlich durch eine Analogie zum Gender mainstreaming. Das heißt, daß man immer die Belange und die Sicht der behinderten Menschen bedenken muß, in allen politischen Bereichen. Ich denke, nur, wenn wir das im Kopf haben, kommen wir weiter.
In den letzten Jahren wurden in Hamburg die behinderten Menschen an Gremien immer besser beteiligt, was wir natürlich sehr begrüßen. Aber um diese Mitarbeit leisten zu können – Herr Schira hat es auch schon erwähnt –, müssen Voraussetzungen bestehen, damit eine gleichberechtigte Mitarbeit überhaupt möglich ist. Das ist leider in Hamburg oft nicht der Fall. Auch die Arbeitsbedingungen der Vertreterinnen und Vertreter in der Kommission waren teilweise diskriminierend. So mußten Kommissionsmitglieder immer wieder einen Kampf führen um die notwendige Assistenz, wie zum Beispiel das für blinde Menschen not
wendige Vorlesen von Akten, die oft auch verspätet kamen, um sich vorbereiten zu können, oder auch um ausreichende Mittel für Gebärdensprachdolmetscherinnen. Dabei werden und wurden sie in der Regel auf die staatlichen Zuwendungen für ihre Verbände verwiesen, und diese sind trotz steigender Aktivitäten und Beteiligungen in den letzten Jahren nicht gestiegen.
Ich denke, meine Damen und Herren, wenn wir das ernst meinen mit dem Benachteiligungsverbot behinderter Menschen und das in Hamburg umsetzen wollen, brauchen wir einen Landesbehindertenrat, der ähnlich ausgestattet sein sollte wie der Landesseniorenrat. Ich denke, das ist sinnvoll, um hier weiterzukommen.
Nun zurück zum Bericht der Kommission, bei dem als einzig bedauernswerter Punkt auffällt, daß er die besonderen Belange und Benachteiligungen behinderter Frauen und Mädchen nicht berücksichtigt. Während der Tätigkeit der Kommission sind in Hamburg entscheidende Dinge erreicht worden. Ich möchte hier vor allem die Hamburgische Bauordnung erwähnen. Es ist jetzt so, daß in Gebäuden, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und mehr als zwei Wohnungen haben, immer eine Wohnung barrierefrei zugänglich und auch für Rollstuhlfahrerinnen benutzbar sein muß. Ich denke, das ist ein großer Fortschritt, um es behinderten Menschen zu ermöglichen, im normalen Wohnquartier zu bleiben und nicht in Spezialeinrichtungen oder spezielle Wohnanlagen umziehen zu müssen oder von vornherein dort zu wohnen. Wichtig ist auch der weitere barrierefreie Ausbau im öffentlichen Nahverkehr, in Bahnhöfen und Bussen. Wichtig ist auch – das ist vorhin schon kurz erwähnt worden – die deutliche Verbesserung und Berücksichtigung der Situation von behinderten Studierenden an der Universität.
Die Kommission hat darüber hinaus auch für das Verwaltungshandeln Anregungen gegeben, die, denke ich, sehr wichtig sind, nämlich daß für sehbehinderte und blinde Menschen Informationen auch in für sie lesbarer Form bereitgestellt werden müssen und daß gehörlose Menschen kostenlos Gebärdendolmetscher zur Verfügung gestellt bekommen, wenn sie mit Behördenvertretern sprechen oder sich beraten lassen wollen.
Der barrierefreie Medienzugang wurde auch sonst diskutiert und zum Beispiel an der Info-Line der BAGS festgemacht, die für Blinde und Sehbehinderte nicht lesbar ist. Ich finde, das ist eine echte Panne, daß man diese große Gruppe bei der Bereitstellung besserer Sozialberatung vergessen hat. Die GAL hat kürzlich ihren Internet-Zugang umgestellt. Es ist jetzt so, daß sehbehinderte und blinde Menschen endlich auch unsere Homepage einsehen können. Es geht, man muß es nur wollen, man muß es anfangen.
Über all dieses hinaus brauchen wir natürlich mehr, um das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes umsetzen zu können. Wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen, um endlich diese sehr abstrakte Norm des Grundgesetzes in konkretes und einklagbares Recht umsetzen zu können. Dieses Gleichstellungsgesetz ist ein zentrales Vorhaben der rotgrünen Koalition auf Bundesebene. Ich habe gehört, daß die erste Lesung des Gesetzes spätestens am 3. Dezember, dem Welttag der Behinderten, in Berlin stattfinden soll. Herr Grund meint, schon im Herbst soll dies stattfinden. Aber ich bin auch ganz zuversichtlich, daß in dieser Legislatur auf Bundesebene das Gleichstellungsgesetz kommt. Dieser Entwurf des Gleich
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stellungsgesetzes ist wirklich ein sehr guter Entwurf, auch deshalb, weil er unter maßgeblicher Beteiligung behinderter Menschen, nämlich des Forums behinderter Juristinnen und Juristen, zustande kam, deren Entwurf diesem Gesetz zugrunde liegt. Wiederum ist dieses Bundesgesetz sehr ähnlich mit dem vorgelegten Entwurf für ein Landesgleichstellungsgesetz. Es unterscheidet sich aber doch immer wieder in wesentlichen Teilen, zum Beispiel sind die Definitionen in ganz wichtigen Bereichen, zum Beispiel, was ist eine Behinderung, eine Benachteiligung, nicht übereinstimmend, so daß es auch aus dem Grunde keinen Zweck hat, jetzt dieses Gesetz hier anzunehmen oder sich damit intensiver zu beschäftigen, bevor endlich das Bundesgesetz vorliegt. Aber – ganz klar – sobald das Bundesgleichstellungsgesetz vorliegt, werden wir uns an die Arbeit machen und schauen, was wir auf Landesebene durch ein weiteres Landesgesetz tun können, um die Umsetzbarkeit auch hier zu garantieren. Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, unseren Zusatzantrag anzunehmen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist paradox: Seit wir die Pflegeversicherung haben, also seit fünf, sechs Jahren, wird sie heftig kritisiert. Die Kritik zielt fast immer auf Qualitätsmängel in der Pflege, für die in der Regel die unzureichenden Versicherungsleistungen verantwortlich gemacht werden. Paradox ist dies, weil wir überhaupt erst seit Einführung der Pflegeversicherung über Qualitätsstandards und Qualitätsmängel in der Pflege diskutieren. Bis dato wurde einfach irgendwie gepflegt, und niemand hat richtig hingeguckt, was da passiert. Daß wir diese Diskussion überhaupt führen, daß wir Standards in der Pflege überhaupt festlegen und darüber nachdenken und streiten, ist der eigentliche Fortschritt, und ich finde es einen Riesenfortschritt, der mit der Pflegeversicherung gekommen ist.
Die Bürgerschaft, voran der Sozialausschuß, hat sich in dieser Legislaturperiode intensiv mit der Pflege befaßt, insbesondere mit den Möglichkeiten der Qualitätssicherung. Anlaß waren nicht selten Mißstände, also das Bekanntwerden von gravierenden Pflegemängeln. Der vorliegende Senatsbericht spiegelt den Prozeß der Qualitätsentwicklung sehr gut wider. Er gibt einen ausgezeichneten Überblick über die komplizierten Regelungen auf Bundesund Landesebene und ordnet die hamburgischen Lösungsansätze gut in dieses Regelwerk ein.
Diese Drucksache, auf die wir lange gewartet haben – Herr Schira, da gebe ich Ihnen recht –, setzt dank ihrer hohen Qualität Maßstäbe für Senatsberichte. Es wurde, neudeutsch ausgedrückt, Benchmarking betrieben und wirklich eine sehr gute Arbeit geleistet.
Nun zu einzelnen Problemfeldern. Als positive hamburgische Lösungsansätze, die sonst nicht gewählt werden, können folgende Punkte hervorgehoben werden:
Bundesweit erstmalig und einmalig wird in Hamburg ein Anreiz in der ambulanten Pflege für höhere Qualität durch differenzierte Preise gegeben. Über einen höheren Punktwert wird ein Anreiz für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen, für die Zertifizierung der Einrichtungen, wie zum Beispiel durch den TÜV, für interne und externe Qualitätssicherung, wie zum Beispiel die Teilnahme an der Dekubitusstudie, aber auch, und das ist wichtig, für die tarifliche Bezahlung des Personals gegeben.
Mit dem Dementenmodell beschreitet Hamburg einen Sonderweg. Die unzureichende Berücksichtigung des be
sonderen Pflegebedarfs schwer demenzkranker Menschen wird durch Eigenmittel der Betroffenen oder in den meisten Fällen aus Mitteln der Sozialhilfe kompensiert. Im Rahmen des Dementenmodells wird für 750 besonders schwer demenzkranke Menschen in Heimen der Pflegesatz um circa 1000 DM pro Bewohner und Monat aufgestockt. Damit lassen sich auf einer 25-Betten-Station immerhin vier zusätzliche Stellen finanzieren. Das ist eine ganze Menge, und wir finden das richtig, denn der oft elenden Situation demenzkranker Menschen in den Heimen muß mit mehr Pflegepersonal begegnet werden.
Wir sind uns auch bei allem Beifall für dieses Projekt bewußt, daß damit quasi akzeptiert wird, daß die Pflegeversicherung den Demenzkranken nicht gerecht wird, und manchmal wird Hamburg vorgeworfen, daß durch diese zusätzliche Leistung der Druck aus dem System genommen werde; aber wir denken primär an die Menschen und nicht so sehr an das System. Auf unseren Druck hin erhalten seit zwei Jahren auch die geschlossenen Pflegeheimstationen den gleichen erhöhten Pflegesatz zur Betreuung ihrer stark verwirrten und unruhigen Bewohnerinnen. Wir hoffen, daß das Geld mittlerweile auch für eine bessere Betreuung und mehr Personal ausgegeben wird. Die Installation von Videokameras an Stelle von Nachtwachen hatte ja gezeigt, wie wichtig klare Leistungsvereinbarungen und ihre Kontrolle sind und daß es eben nicht reicht, für mehr Geld zu sorgen, sondern daß auch geschaut werden muß, ob es ankommt.
Immer wieder wird die unzureichende psychosoziale Betreuung pflegebedürftiger Menschen kritisiert. In Hamburg gibt es seit einem Jahr im ambulanten Bereich die Möglichkeit zusätzlicher sozialer Betreuung aus dem BSHG, also aus Sozialhilfe finanzierte Leistungskomplexe. Dies bedeutet eine sehr große Hilfe für vereinsamte Pflegebedürftige, die in der eigenen Wohnung leben, und solche Menschen gibt es in Hamburg viele. Der Senat stellt ganz richtig dar, daß eine entsprechende Leistungsaufstockung im stationären Bereich nicht möglich ist. Die soziale Betreuung im Heim ist Teil der vom Träger zu erbringenden Leistung. Sie kann also nicht zusätzlich über die Sozialhilfe finanziert werden.
Dargestellt wird in der Drucksache auch – und das stimmt mit meinen eigenen Erfahrungen völlig überein –, daß die soziale Betreuung in den Heimen sehr unterschiedlich ist. Bei manchen klappt es gut, auch wenn sie nicht mehr Geld bekommen als andere, bei denen es hapert und die dann meist noch laut schreien, daß die böse Pflegeversicherung an dem Schlamassel schuld sei.
Im Gegensatz zum Senat sehe ich den Bereich Sterbebegleitung als einen Bereich an, in dem die Notwendigkeit besteht, durch Gesetzesänderungen Verbesserungen zu erreichen. Es genügt meines Erachtens nicht, für die Hospizidee zu werben, so wichtig das auch sein mag. Wir müssen auch die Sterbebegleitung als eine abrechenbare Leistung definieren, die von den Krankenkassen getragen werden muß. Daß die ärztliche und pflegerische Begleitung sterbender Menschen weder im Sozialgesetzbuch XI noch in den Krankenkassenleistungen, dem SGB V, verankert und geregelt ist, ist Teil der Tabuisierung von Sterben und Tod, die wir nicht weiter akzeptieren wollen. Hierüber haben wir schon in der Bürgerschaft gesprochen. Wir sollten uns für Umschichtungen im System einsetzen und hinterfragen, ob vielleicht manche Leistungen, die nicht so wich
tig sind, wie die künstliche Befruchtung, dafür gestrichen werden sollten.
Ich stimme mit der Aussage des Senats überein, daß ein kommunikatives Heimleben ohne Zivildienstleistende, ohne ehrenamtlich Tätige und ohne engagierte Angehörige nicht aufrechterhalten werden kann. Die Frage ist aber nur, ob wir genug tun, um dieses Engagement zu fördern. Die Lebensqualität im Heim hängt ganz entscheidend davon ab, ob das Heim offen ist für Menschen, die von außen kommen und sich am Heimleben beteiligen möchten, oder ob es sich abschottet. Die Pflegeversicherung hat leider in manchen Bereichen zu einem sehr starren Anspruchsdenken der Betroffenen und ihrer Angehörigen geführt und auch dazu, daß die Träger sich selbst immer mehr unter Rechtfertigungsdruck sehen. Das führt zu mangelnder Offenheit und verhindert so das kommunikative Klima, das wir ja alle wollen.
Wir als GAL denken, daß es wichtig ist, für bessere Mitwirkungsmöglichkeiten zu sorgen. Darum haben wir auch den Antrag eingebracht, die Mitwirkung und die Interessenvertretung von Heimbewohnern dadurch zu verbessern, daß Angehörige und Betreuer in die Heimbeiräte gewählt werden können. Leider hat der Senat dieses Ersuchen noch nicht beantwortet; den Bericht hierüber haben wir noch nicht bekommen. Wir freuen uns aber, daß unser Vorschlag, die Heimbeiräte für andere zu öffnen, inzwischen auch in das Bundesheimgesetz aufgenommen wurde. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bericht der Aufsichtskommission über ihre Tätigkeit in den Jahren 1998 und 1999 ist Anlaß, die Entwicklung der hamburgischen Psychiatrie in dieser Legislaturperiode zu reflektieren. Die Aufgabe der Aufsichtskommission ist es – Sie wissen das –, jährlich mindestens einmal die Krankenhäuser und sonstigen Einrichtungen zu überprüfen, in denen Hamburger Bürger und Bürgerinnen wegen einer psychischen Krankheit untergebracht sind. Untergebracht heißt, die Menschen, um deren Versorgungsbedingungen es hier geht, befinden sich nicht in freiwilliger psychiatrischer Behandlung, und deshalb gibt es eine besondere staatliche Verantwortung, die im PsychKG, also dem Hamburgischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, geregelt ist. Das Gesetz sieht ausdrücklich auch vor, daß die Aufsichtskommission psychiatrische Krankenhäuser und Einrichtungen besucht, die außerhalb Hamburgs liegen, in denen psychisch kranke Hamburger untergebracht sind.
Der vorliegende Bericht der Aufsichtskommission ist sehr kritisch und hat folgende Schwerpunkte, auf die ich im einzelnen eingehen möchte: Strukturelle Veränderungen und der Bettenabbau im Klinikum Nord/Ochsenzoll, die Verlegungspraxis in außerhamburgische Einrichtungen, die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Hamburg und die geschlossenen Stationen in den Pflegeheimen von pflegen & wohnen. Auf den letzten Punkt bin ich vorhin schon bei der Debatte über die Pflege eingegangen.
Die Aufsichtskommission äußert sich sehr besorgt über die strukturellen Veränderungen und den drastischen Betten
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abbau in der psychiatrischen Abteilung des Klinikums Nord/Ochsenzoll, der mit einer ständigen Verkürzung der Verweildauer einhergeht.
Bedenklich muß in dem Bericht stimmen, daß die Aufsichtskommission ihre Fragen nicht mehr wie früher offen und vertrauensvoll mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Krankenhauses erörtern konnte. Dies stimmt mit den Erfahrungen der Bürgerschaft überein. Im Gesundheitsausschuß hatten wir Anfang des Jahres einen sehr unerfreulichen Briefwechsel mit dem Direktorium des Klinikums Nord/Ochsenzoll über die Frage, ob es dort gehäuft zu Fixierungen von Patienten, also sehr eingreifenden freiheitsentziehenden Maßnahmen, komme. Wir baten schließlich die Aufsichtskommission um Überprüfung der Situation, und die Kommission hat uns im Mai bestätigt, daß fixierte Patienten und Patientinnen, die einer ständigen Überwachung bedürfen, tatsächlich auf den Stationsfluren untergebracht sind.
Nach meinen Informationen ist die Situation im Aufnahmebereich des Krankenhauses unverändert angespannt. Wir werden dies weiter beobachten, und wir sind dankbar für die Intervention der Aufsichtskommission.
Wir hoffen und gehen auch davon aus, daß sich der neue Ärztliche Direktor des Krankenhauses mehr für die Belange der psychiatrischen Abteilung interessiert und engagiert als sein Vorgänger.
Mit der Frage der Verweildauer, also der notwendigen durchschnittlichen Dauer des Klinikaufenthaltes in der Psychiatrie, hat sich der Gesundheitsausschuß auch gründlich befaßt. Dabei geht es auch um die Frage der intensiveren ambulanten Versorgung der psychisch Kranken, die ja nach dem kürzeren Krankenhausaufenthalt nicht gesund entlassen werden und intensiver weiterbetreut werden müssen.
Die Bedenken der Aufsichtskommission bezüglich weiterer Verweildauerkürzungen werden von uns geteilt. Wir sind sehr froh, daß eine weitere Kürzung der Verweildauer auch von der Senatorin nicht akzeptiert und von ihr die Dezentralisierung der psychiatrischen Versorgung engagiert betrieben wird.
Im neuen Krankenhausplan für das Jahr 2005 ist vorgesehen, daß die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Rissen ausgebaut wird und damit die Versorgung des gesamten Bezirkes Altona übernommen werden kann. Das Albertinen-Krankenhaus wird eine psychiatrische Abteilung erhalten, wodurch auch die Bevölkerung von Eimsbüttel wohnortnah versorgt werden kann. Absehbar ist auch die Erweiterung der psychiatrischen Abteilung in Bergedorf, deren problematische räumliche Enge die Aufsichtskommission eindrücklich beschrieben hat.
Im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie werden wir durch den Aufbau eines dritten Standortes in Harburg endlich die seit langem angemahnten Verbesserungen erreichen, und es wird hoffentlich bald nicht mehr vorkommen, daß psychisch schwerstkranke Jugendliche in der Erwachsenen-Psychiatrie untergebracht werden müssen.
Gleichzeitig – und das ist uns sehr wichtig – wird mit dem Ausbau der klinischen Abteilungen in den Bezirken auch das tagesklinische Angebot erweitert. Wir kommen also dem Ziel der wohnortnahen Versorgung und damit dem Vorrang der ambulanten Behandlung vor der stationären
näher. Die GAL-Fraktion ist froh, daß wir diese Verbesserungen der psychiatrischen Versorgung trotz der angespannten Haushaltslage und trotz des besonderen Kostendrucks im gesamten Gesundheitsbereich erreichen konnten.
Die Aufsichtskommission befaßt sich in ihrem Tätigkeitsbericht auch mit der Frage der Verlegung psychisch kranker Hamburger und Hamburgerinnen in Einrichtungen außerhalb Hamburgs. Erstmals hat sie deshalb auch das Pflegeheim Luisenhof in Bimöhlen besucht. Dort werden in letzter Zeit häufig sogenannte besonders schwierige psychisch kranke Hamburger untergebracht, für die es in Hamburg keine entsprechenden Versorgungsangebote gibt.
Besonders schwierig ist es, Plätze für ehemalige Patienten aus dem Maßregelvollzug zu finden.
Nach Einschätzung der Kommission fehlen insbesondere auch für alte psychisch kranke Menschen Einrichtungen in Hamburg. Der Senat teilt uns nun in der Kommentierung des Kommissionsberichtes mit, daß die Verlegungen gerontopsychiatrisch Erkrankter nach außerhalb rückläufig seien. Zahlen liegen uns hier leider noch nicht vor. Ich hoffe, daß das bald belegt werden kann.
Die Bürgerschaft hat bereits 1998 einen Verlegungsstopp für psychisch kranke Hamburger in Einrichtungen außerhalb Hamburgs beschlossen und einen detaillierten Bericht über diese Verlegungen erbeten. Wir warten noch auf die Antwort des Senats.
Wir wissen, daß die Beendigung der Verlegung nach außerhalb und damit die Einlösung der Versorgungsverpflichtung durch die Freie und Hansestadt Hamburg ein sehr ehrgeiziges Vorhaben ist. Darum begrüßen wir es ausdrücklich, daß die BAGS zusammen mit einer kompetenten Steuerungsgruppe an der Umsetzung arbeitet. Auch wenn der angestrebte Verlegungsstopp noch nicht realisiert werden kann, so hätten wir doch gern noch einen Zwischenbericht in dieser Legislaturperiode.
Insgesamt bin ich zuversichtlich, daß die Aufsichtskommission in ihrem nächsten Tätigkeitsbericht positive Veränderungen berichten wird. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lüdemann, Sie haben hier keine fünf Punkte vorgelegt, sondern einen ganzen Gesetzesantrag. Diese sogenannte Neufassung des Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes, die Sie vorlegen, ist eine einzige Frechheit,
und zwar deshalb, weil Sie sich bei der CDU nicht einmal die Mühe der Auseinandersetzung mit dem in Hamburg geltenden Maßregelvollzugsgesetz gemacht haben.
Sie haben Herrn Rüttgers ankarren lassen, Sie haben eine Pressekonferenz einberufen, und Herr Rüttgers hat als Kronzeuge gegen das Hamburgische Maßregelvollzuggesetz gesprochen.
Das hat mich hellhörig gemacht.
Jetzt komme ich zu den Punkten. Ich bin in die Parlamentsdokumentation gegangen, habe mir die NRW-Geschichte angeguckt und kann nur sagen, daß ich es als ein starkes Stück empfinde, wenn Sie sich nicht einmal mit unserem hier gültigen Gesetz auseinandersetzen, sondern abkupfern, was Ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Dort hat man nämlich im Januar einen Änderungsantrag in den Nordrhein-Westfälischen Landtag eingebracht, der jetzt ausführlich diskutiert wird, und zwar mit dem Ergebnis, daß er eigentlich schon voll und ganz abgelehnt ist. Und das legen Sie uns hier jetzt als große Neuerung vor. Das ist tatsächlich Quatsch.
Konkret möchte ich es nun an Ihrem Paragraph 1 belegen. Sie haben in Ihrem Gesetzantrag einen Paragraphen 1, in dem Sie völlig überflüssigerweise fordern, daß die Unterbringung forensischer Patienten auf Stationen der Allgemeinpsychiatrie nur dann erfolgen darf – so steht es in Ihrem tollen Gesetzantrag –, wenn gewährleistet ist, daß von den Betroffenen keine Gefahr ausgeht. Was soll denn das? Wollen Sie damit Paragraph 4 unseres Hamburgischen Maßregelvollzugsgesetzes ändern, der doch ganz klar sagt, daß die Maßnahmen grundsätzlich in den hierfür bestimmten psychiatrischen Abteilungen des Krankenhauses Ochsenzoll vollzogen werden? Sie dürfen nur im Einzelfall auch in anderen Einrichtungen vollzogen werden, wenn dadurch die Ziele des Maßregelvollzuges – Sie wissen: Therapie und Sicherheit gleichrangig – besser erreicht werden können.
Wenn man das liest, fragt man sich, ob Sie vorhaben, unsere Spezialeinrichtungen in Ochsenzoll zu schließen. Wollen Sie etwa das Haus 18 und Haus 9 schließen? Wollen Sie Ihre Zustimmung zu dem dringend erforderlichen Erweiterungsbau zurückziehen? Das alles frage ich mich. Ich finde es einfach nur abenteuerlich, was Sie hier machen; dazu ist das Thema zu wichtig und zu ernst.
Was Sie machen, ist sehr merkwürdig.
Ich denke, daß Sie dieses Gesetz hier als einen Schnellschuß vorgelegt haben, Sie wollen das Thema besetzen. Wir haben Wahlkampf, und Sie denken, Sie können damit punkten. Ich finde aber, daß man merkt, daß Sie dazu nicht in der Lage sind. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein einziger Beweis Ihrer Ignoranz und Unfähigkeit.
Wir wollen uns mit den Fragen weiterhin kompetent inhaltlich auseinandersetzen.
Wir haben das in der letzten Sitzung getan, im Gegensatz zu Ihnen; wir haben die Sache inhaltlich diskutiert. Wir wollen uns auch mit dem auseinandersetzen, was die Kommission erarbeiten wird. Wir halten es für sehr sinnvoll. Wir sind damit einverstanden, daß wir uns im Ausschuß damit befassen. Ich denke nicht, daß wir näher auf Ihren Antrag eingehen werden.
Wir werden uns im Ausschuß mit den Problemen befassen. Wir werden dieses Thema im Rechtsausschuß und im
Gesundheitsausschuß behandeln. Ihre Vorlage ist aber tatsächlich kein guter Beitrag. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, die Bürgerschaft tut zum Glück mehr, sie setzt sich mehr mit dem Maßregelvollzug auseinander, als daß Sie ab und zu Schriftliche Kleine Anfragen schreiben. Vor zwei Jahren hatten wir dazu schon einmal eine Debatte, und zwar anläßlich des Berichts der Aufsichtskommission. Damals hat Herr Lüdemann in sehr moderater Form für die CDU gesprochen
und Forderungen aufgestellt, die wir alle geteilt haben. Wir waren uns vor dem Hintergrund des Falles Holst, der dramatisch war, einig, daß die Kapazität in Haus 18 in Ochsenzoll erweitert werden und endlich die freigewordenen Stellen besetzt werden mußten. Sie wissen, daß es einen Erweiterungsbau gegeben hat und die Stellen besetzt worden sind. Es gibt dort inzwischen deutlich mehr Personal und Weiterqualifizierung, mehr Supervision. Das können Sie auch an dem in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Haushaltstitel für den Maßregelvollzug ablesen.
Ich möchte hier wirklich zurückweisen, daß die Senatorin in dem Bereich nichts getan habe. Dieser Bereich ist trotz Haushaltskonsolidierung sehr bevorzugt behandelt worden. Das war notwendig, und ich bin damit auch zufrieden, und ich hoffe, daß wir gemeinsam wieder auf diese sachliche Ebene zurückkommen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ziel des Maßregelvollzugs ist die Therapie und die Resozialisierung von psychisch kranken Straftätern.
Sinn des Maßregelvollzugs ist gleichzeitig der Schutz der Allgemeinheit. Therapie und Resozialisierung sind nur mit Vollzugslockerungen möglich, denn ohne sie kann der Patient nicht auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Das Therapieziel ist, daß der straffällig gewordene Patient lernt, mit Freiheit umzugehen.
Therapie hat im Maßregelvollzug keinen Vorrang vor Sicherheit, sondern vielmehr geht es im Maßregelvollzug – so steht es auch im Gesetz – gleichwertig und gleichzeitig immer um beide Aspekte. Wer hier etwas anderes als zur Zeit die CDU behauptet, betreibt Volksverdummung, wenn nicht sogar Volksverhetzung und handelt unverantwortlich.
Meine Damen und Herren von der CDU! Wie gehen Sie mit diesem Thema um? Wann übernehmen Sie endlich die Verantwortung, die Sie als Demokraten haben?
Ein Rückfallrisiko? Wir müssen die Situation einmal darstellen, wie sie ist, und das tue ich auch.
Ein Rückfallrisiko gibt es bei allen Straftätern, vor allem bei Sexualstraftätern und nicht nur bei denjenigen, die als psychisch krank und deshalb schuldunfähig angesehen werden. Wir müssen das Sicherheitsrisiko minimieren. Das ist unsere Aufgabe.
Das werde ich gleich sagen.
Aber wir werden immer mit einem Restrisiko leben müssen. Die Alternative wäre, Straftäter nach der ersten Verurteilung lebenslang wegzusperren. Das ist unvereinbar mit unserem demokratischen Rechtsstaat.
Nein, jetzt nicht. – Das Risiko der Wiederholungstat ist deutlich geringer, wenn ein Täter seine Strafe im Maßregelvollzug und nicht im Strafvollzug hinter Gittern verbringen mußte. Das ist auch der CDU bekannt, aber sie verschweigt es. Nach dem Maßregelvollzug gibt es bei Sexualstraftätern knapp 30 Prozent weniger Rückfälle als beim regulären Strafvollzug, bei dem rund 60 Prozent Rückfälle zu beklagen sind.
Keine Frage – jede Rückfalltat ist eine zuviel. Aber die deutlich besseren Ergebnisse des Maßregelvollzugs sind ein Grund dafür, daß die Gerichte immer mehr Sexualstraftäter nicht ins Gefängnis, sondern in die Psychiatrie, in den Maßregelvollzug, einweisen.
Das Gesetz schreibt vor, daß ein Täter nicht wesentlich länger im Maßregelvollzug untergebracht werden darf als im Strafvollzug, zu dem er ansonsten auf Grundlage seiner Tat verurteilt worden wäre. Der Behandlung sind also zeitliche Grenzen gesetzt, und der Patient muß irgendwann auch wieder entlassen werden, ob er geheilt ist oder nicht.
Nein. – Andreas P., der mit zwei Vergewaltigungen auf dem Klinikgelände die aktuelle Debatte um die Sicherheit und die Verantwortung der Senatorin im Maßregelvollzug ausgelöst hat, ist seit zehn Jahren im Haus 18 untergebracht.
Wäre er aufgrund seiner Taten ins Gefängnis gekommen, hätte er dort seine Strafe verbüßt, wäre er längst entlassen worden. Ob das gutgegangen wäre, wissen wir nicht. Im Haus 18 wurde er im Rahmen der Therapie auf seine Entlassung vorbereitet. Das ist nur durch stufenweise Vollzugslockerungen möglich. Die Lockerungen in Form unbeaufsichtigter Freigänge erfolgten aufgrund von Fehlbeurteilungen seiner Entwicklung. Zu dieser Fehlbeurteilung wiederum kam auch ein externer Gutachter, was die Erfahrung bestätigt, daß auch Zweitgutachter zu Fehleinschätzungen kommen können.
Natürlich muß gewährleistet sein, daß ein Präses der Gesundheitsbehörde unverzüglich über besondere Vorkommnisse – dazu zählen selbstverständlich Straftaten wie Vergewaltigungen – informiert wird, denn letztendlich hat die Spitze der Behörde die Verantwortung.
Selbstverständlich müssen auch die Sicherheitsvorkehrungen in der forensischen Psychiatrie neu überprüft werden. Das passiert zur Zeit auch.
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Es wird zur Zeit polizeilich ermittelt und im Einzelfall genau analysiert, wo hier die Sicherheitslücken waren. Das ist notwendig, und es ist gut, daß es geschieht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Frank, Sie haben gelobt, daß infolge unseres PUA-Berichts seitens des Senats eine Reihe neuer Regelungen getroffen und Dienstvorschriften erlassen wurden, die das Verwaltungshandeln verbessern sollen. Das ist richtig, das ist geschehen, aber ich möchte darstellen, daß das nicht der Kern des Ganzen ist.
Der Kern des Ergebnisses unserer Arbeit im Untersuchungsausschuß war, festzustellen, daß bei der Rechtsanwendung bestehender Vorschriften erhebliche Mängel bestanden, daß also bestehende Regelungen nicht durchgesetzt wurden. Wir haben festgestellt, daß es nicht zu den vielen Mängeln im Verwaltungshandeln, die wir in den gesamten Bereichen gefunden und in dem 2000-Seiten-Bericht dokumentiert haben, gekommen wäre, wenn bestehende Regelungen eingehalten worden wären. Es ist nicht entscheidend, daß jetzt seitens des Senats neue Dienstvorschriften und Regelungen erlassen werden, zum Bei
spiel um die Aktenführung besser zu gewährleisten, sondern daß wir die Umsetzung in den Griff bekommen und uns als Parlament darauf verlassen können, daß die Verwaltung nach geltendem Recht und Gesetz arbeitet. Das ist der Kern unserer Arbeit gewesen. Danach sollten wir jetzt auch überprüfen, wie die Ergebnisse sind.
Der Senat ist darauf eingegangen. Er hat sich dieser Kernaussage gestellt, wenn er in der Vorbemerkung sagt, daß diese Mängel und Probleme, die der Untersuchungsausschuß festgestellt und dokumentiert hat, nicht in einem Akt behoben, sondern nur im Zuge eines lange dauernden Veränderungsprozesses gelöst werden können.
Frau Blumenthal, Sie sagen, es ist noch nichts passiert. Das kann nicht so schnell gehen.
Wir haben durch den Untersuchungsausschuß eingeleitet einen Prozeß in Gang gesetzt, daß Verwaltung nach Gesetz und Recht arbeitet und wir das als Parlament überprüfen können. Das ist wichtig.
Im PUA wurde immer sehr rege diskutiert. Wir haben gemeinsam an den Lösungen gearbeitet. Diesen Aspekt haben wir als GAL immer besonders betont. Darum möchte ich das in meinem Beitrag noch einmal untermauern.
Aus der Antwort des Senats ist zu erkennen, daß sich die Transparenz des Verwaltungshandelns verbessern wird. Die erste Probe aufs Exempel wird der nächste Haushaltsplan sein.
Der Senat hat uns zum Beispiel als wichtige Konsequenz zugesagt, daß mit der Haushaltseinbringung immer ein Bericht der jeweiligen Beauftragten für den Haushalt der verschiedenen Behörden vorgelegt werden wird, in dem sämtliche Nichteinhaltungen der Regelungen im Zuwendungsverfahren zusammengefaßt sind. Das ist ein Novum. Wenn wir uns zum Beispiel die Bereiche AJA und HAB vor Augen halten, bei denen sämtliche Zuwendungsvorschriften regelhaft nicht eingehalten wurden und der BfH trotzdem mitgezeichnet und gar nicht darauf bestanden hat, daß sie einzuhalten sind, und überhaupt nicht eingeschritten ist, so ist es ein sehr großer Schritt, daß jetzt regelhaft in allen Behörden die Beauftragten für den Haushalt Verstöße gegen diese Regularien dokumentieren. Ich bin auf diesen ersten Bericht gespannt, denn dann haben wir etwas in der Hand und können gucken, wo es noch hakt. Wir können dann gemeinsam mit dem Senat sehen, wie wir weiterkommen. Ich denke, der Weg ist das Ziel, und dieser Weg wird lang sein. Aber wir werden dem Ziel näherkommen.
Die Zeit läuft uns nicht weg. Wir arbeiten daran.
Wir haben festgestellt, die Verwaltung war aus dem Ruder gelaufen, sie hat nicht funktioniert. Selbstverständlich bekommt man das nicht in drei Wochen in den Griff, auch nicht, wenn man hier und dort eine Dienstvorschrift erläßt, sondern nur wenn man wirklich die Strukturen auch des Verfahrens sowie auch die Zusammenarbeit zwischen Parlament, dem Senat und der Verwaltung ändert. Daran ar
beiten wir. Das ist hochinteressant, vor allem in bezug auf den Haushalt.
Der Senat hat zugesagt – auch das ist ein Novum –, daß er mit der Bürgerschaft zusammen Verbesserungen bei den Steuerungsinformationen für den Haushalt erarbeiten möchte. Der Senat wird sich also im Dialog mit uns bemühen, die Haushaltsbereiche so darzustellen, daß es uns möglich ist, zu einem Soll-Ist-Vergleich zu kommen, damit wir eine Analyse der Zielerreichung vornehmen können.
Außerdem hat der Senat zugesagt, im Haushaltsplan jeweils in den Abschnitten „Zuwendungen“ eine Übersicht über die wichtigsten Ziel- und Leistungsbeschreibungen zu geben und uns die wichtigsten Leistungsvereinbarungen mit Zuwendungsempfängern darzustellen.
Denken Sie daran, was wir im PUA erlebt haben, denken Sie an die Arbeitsmarktpolitik. Es gab keinerlei Zieldefinition, es gab keine Leistungsvereinbarungen, es gab keine Projektplanung, es gab keine Finanzplanung. Es wurden zum Beispiel Millionen in den historischen Schiffbau gedonnert. Wir haben das immer wieder erarbeitet und uns angeschaut. Es wurde nie überprüft, was diese Maßnahmen gebracht haben, die auch nicht richtig abgeschlossen wurden. Wenn wir jetzt die neuen Verfahren einführen, sie durchhalten und konsequent verfolgen, wird es solche Dinge nicht mehr geben. Dann haben wir mit dem Untersuchungsausschuß sehr, sehr viel erreicht und können zufrieden sein.
Frau Blumenthal, Sie beklagen, daß es noch keinen Bericht zu INEZ gibt. Wollen Sie denn einen Bericht haben, wenn dieses Verfahren gerade erst eingeführt wird? Herr Frank hat zu Recht dargestellt, daß die Methoden in der Verwaltung auch durch Einführung von EDV-Verfahren verbessert wurden. Sie beklagen, wir hätten hier noch keinen Bericht.
Ich finde es als Parlamentarierin geradezu absurd, daß Sie sich beklagen, der Senat habe uns in seiner Ersuchensantwort nicht dargestellt, wie er das Akteneinsichtsrecht regeln wird.
Wir haben gesagt, wir fordern es, aber wir erwarten nicht, daß der Senat uns das auf einem Silbertablett bringt. Das ist eine Aufgabe des Parlaments.
Frau Blumenthal oder liebe CDU! Im PUA hatten wir immer den Eindruck, sie wollten gar kein Akteneinsichtsrecht. Ich finde es klasse, daß Sie das jetzt wollen. Auch Sie haben etwas dazugelernt. Es ist aber Aufgabe von uns Parlamentariern, uns das zu erkämpfen. Das werden wir tun, da wird die GAL sehr aktiv sein.
Wir haben aber verschiedene Rollen. Ich erwarte nicht, daß der Senat immer fragt, was wir gerne hätten. Wir wollen als Parlamentarier gestärkt aus dieser Arbeit hervorgehen. Ich denke, das haben wir getan und erreicht.
Noch ein paar Worte zu den von Ihnen beklagten und nicht erfolgten disziplinarrechtlichen Konsequenzen.
Ja, Ermittlungen, Entschuldigung.
Es ist dargestellt, daß die Prüfungen, ob diese Ermittlungen jetzt aufgenommen werden, noch nicht abgeschlossen sind.
Das können wir ja noch einmal nachfragen; Sie oder wir, das ist kein Problem. Aber solche Dinge sind sorgfältig zu prüfen. Wir werden dranbleiben. Wir haben den Bericht sehr früh bekommen, viel früher als andere Berichte, und wir werden weiter am Ball bleiben, denn der PUA-Bericht ist noch nicht abgeschlossen. Er wird hoffentlich unsere Arbeit auf lange Sicht stark prägen und gestalten. – Danke.
Vor dem Hintergrund, daß Herr Engel 92 Jahre alt ist und auch Menschen mit dem Namen Engel nicht ewig leben, möchte ich folgendes nachfragen: Haben Sie nachgefragt, nachdem Sie den Auftrag September 2000 an das qualifizierte Übersetzungsbüro in Bremen gegeben haben, wann die 200 Seiten übersetzt sind? Sie sagten uns eben, daß die Übersetzungen erst vor sechs Tagen eingegangen sind. Auch diese Zeit ist ungewöhnlich lang für die Übersetzung einer wichtigen Akte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Schneider schaut immer nach, ob mit dem Konto alles in Ordnung ist und ob sie das überweisen soll. Aber wenn Frau Schneider plötzlich weg ist und so ein junger Schnösel unverständliche und unakzeptable Tips gibt, geht oft gar nichts mehr. „Da gehe ich nicht mehr hin“, sagt die alte Dame. Es kommt zum ängstlichen Rückzug, zum Liegenlassen von Rechnungen. Das kann zum Beispiel zum Abstellen des Telefons führen, denn aus Angst vor Kontrollverlust geben viele ältere Menschen auch keine Einzugsermächtigungen. Der Wegfall der vertrauten Bankangestellten kann im Einzelfall dazu führen, daß eine Betreuerbestellung erforderlich wird; ich habe schon solche Fälle erlebt.
Bei der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten sind viele ältere und behinderte Menschen auf die Dienstleistungen ihrer Bank- und Sparkassenfiliale angewiesen. Viele benötigen zum Beispiel beim Ausfüllen von Überweisungen die Unterstützung der ihnen vertrauten Bankangestellten, und sie kommen mit deren Hilfe auch ganz gut zurecht. Die gut erreichbare Sparkassenfiliale hat eine wichtige Funktion im nachbarschaftlichen Sozialnetz. Für die Selbständigkeit vieler älterer Menschen, die ohne alltägliche familiäre Unterstützung leben, haben der persönliche Kontakt, die Unterstützung durch vertraute Bankange
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stellte eine zentrale Bedeutung, und der Wegfall dieser Unterstützung kann rasch zur Dekompensation führen.
Die Erhaltung der Selbständigkeit auch bei abnehmender Leistungsfähigkeit ist also vom Vorhandensein bestimmter Strukturen abhängig, und unsere politische Aufgabe ist es, für solche Strukturen zu sorgen. Das gilt ganz besonders im finanziellen Bereich und auch angesichts der demographischen Entwicklung. Die Bedeutung eines flächendekkenden Netzes von gut erreichbaren Bank- und Sparkassenfilialen mit dem Angebot der persönlichen Beratung und Assistenz wird also weiter zunehmen. Wahrscheinlich werden sich die Geldinstitute auf die Bedürfnisse ihrer immer älter werdenden Klientel einstellen. Aber es ist zu befürchten, daß sie das vor allem in den Gegenden tun, wo das Geld gehäuft herumliegt. Wichtig ist aber ein flächendeckendes Netz in ganz Hamburg, also auch dort, wo weniger Geld ist.
Der Antwort des Senates auf unsere Große Anfrage ist zu entnehmen, daß die Hamburger Sparkasse an der Größenordnung ihres jetzigen Filialnetzes in absehbarer Zukunft festhalten werde. Das hören wir gerne, denn der Antwort des Senates auf unsere Anfrage ist auch zu entnehmen, daß zwischen 1996 und 2000 immerhin 9 Prozent der Bankfilialen, also fast jede zehnte, geschlossen wurde. Wir hören auch gerne, daß die Haspa auf die Strategie des „menschlichen Bankings“ setze. Das klingt gut, ist aber wenig konkret.
In den beiden letzten Geschäftsberichten der Haspa, die im Internet stehen, ist von dieser Strategie des „menschlichen Bankings“ allerdings nichts zu lesen. Betont wird vielmehr die zunehmende Bedeutung der neuen Technologien, das sogenannte Multichannel-Banking – was immer das sein mag – und der Aufwärtstrend des OnlineBanking. Als Zukunftsstrategie wird das konsequente Kostenmanagement genannt, das in einer Doppelstrategie bestehe, nämlich die Erlöse zu steigern und die Kosten zu reduzieren.
Kostenreduktion wird überall in erster Linie durch Personalabbau erreicht. Das gilt in nächster Zeit ganz besonders für das Bankgewerbe – das können wir immer wieder lesen –, und das wird auch bei der Hamburger Sparkasse nicht anders sein.
Ich will hier nicht in Frage stellen, daß Wirtschaftlichkeit und gewissenhafte kaufmännische Sorgfalt in der Führung der Geschäfte eine wichtige Voraussetzung für die Konkurrenzfähigkeit und damit die Sicherung der Hamburger Sparkasse sind. Diese gehören laut Satzung auch zu den Aufgaben der Haspa. Aber die Hamburger Sparkasse hat einen besonderen Status. Sie ist eine juristische Person alten hamburgischen Rechts und nach heutiger Rechtsauffassung als Stiftung anzusehen. Sie ist deshalb auch an die in ihrer Satzung definierte Gemeinnützigkeit gebunden. Die Gemeinnützigkeit der Haspa bezieht sich auf ihre in Paragraph 2 der Satzung festgelegten Aufgaben, deren erste lautet:
„Die Sparkasse hat die Aufgabe, in ihrem Wirkungsbereich den Sparsinn der Bevölkerung zu wecken und zu fördern. Zu diesem Zwecke trifft sie alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen, um möglichst weite Kreise der Bevölkerung für den Spargedanken zu gewinnen.“
Diese schöne Definition von 1972 klingt nicht mehr zeitgemäß. Als 1972 die Hamburger Sparkasse durch Verschmelzung der beiden Institutionen Hamburger Sparcasse von 1827 und Neue Sparkasse von 1864 entstand,
war es unter sozialen Gesichtspunkten nicht mehr ganz so dringlich, möglichst viele Menschen zur Einrichtung eines Sparbuches zu motivieren. Diese Dringlichkeit bestand jedoch sicherlich im Jahr der Neugründung der Hamburger Sparcasse von 1827, denn damals gab es – wie wir wissen – noch kein soziales Sicherungssystem und mit der Förderung des Sparens sollten die ärmeren Schichten der Bevölkerung in die Lage versetzt werden, sich gegen wirtschaftliche Not zu wappnen.
Angesichts der anfangs geschilderten Probleme halte ich es für notwendig, die Aufgaben der Hamburger Sparkasse neu zu definieren und die Gemeinnützigkeit an diese neue Definition zu binden. Sinnvoller wäre eine Formulierung, wie zum Beispiel: Die Sparkasse hat die Aufgabe, durch ein flächendeckendes Filialnetz mit dem Angebot persönlicher Beratung und Assistenz die Selbständigkeit möglichst weiter Kreise der Bevölkerung bei der Erledigung ihrer finanziellen Angelegenheiten zu fördern und zu erhalten.
Nicht zufrieden bin ich mit der lapidaren und viel zu abstrakten Antwort des Senates auf die Frage nach der Möglichkeit seiner Einwirkung auf die Haspa, um die Berücksichtigung der Belange älterer und behinderter Menschen zu erreichen. Es wird uns gesagt, daß die Rechtsaufsicht nur auf die Einhaltung der Satzung und den Erhalt des Stiftungsvermögens gerichtet sei. Abstrus finde ich die Antwort des Senates auf die Frage, welche Möglichkeiten er sehe, auch im Hinblick auf das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbot alter und behinderter Menschen bei der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten wirksam zu sein. Da werden wir auf das Modellprogramm „Hamburger Senioren ins Internet“ verwiesen, im Rahmen dessen immerhin zehn Altentagesstätten mit Internetanschlüssen ausgestattet werden. Ich denke, das kann hier nicht alles gewesen sein.
Die Hamburger Sparkasse, meine Damen und Herren, hat eine komplizierte Struktur. Sie ist – wie gesagt – als Stiftung anzusehen und an die Gemeinnützigkeit gebunden. Ihr höchstes Gremium ist das Kuratorium. Die Zusammensetzung ihres Kuratoriums liest sich wie ein „Who is who“ der hamburgischen Gesellschaft. Außerdem ist dort auch der Mittelstand gut vertreten. Vom Senat sitzen im Kuratorium die Justizsenatorin und der Staatsrat der Finanzbehörde. Auch unsere CDU-Kollegin, Frau Ahrons, ist dort als Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes des Verbandes deutscher Unternehmerinnen vertreten.
Das Kuratorium beschließt unter anderem über die Verwendung des Bilanzgewinnes und über Satzungsänderungen. Der Senat hat wiederum im Rahmen seiner Aufsichtspflicht die Einhaltung der Satzung zu überwachen und eventuellen Satzungsänderungen zuzustimmen. Ich denke, wir sollten im Wirtschaftsausschuß darüber nachdenken, welche Möglichkeiten der politischen Einflußnahmen gegeben sind, um die Selbständigkeit der Bürger und Bürgerinnen bei der Erledigung ihrer Bankgeschäfte auch in Zeiten zunehmender Technisierung zu erhalten. – Danke schön.
Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin): Das Wort hat Herr Witte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Woher kommt die Forderung nach aktiver Sterbehilfe? Wird in unserer Gesellschaft genug getan, um das Sterben so erträglich wie möglich zu machen? Mit diesen Fragen muß sich jeder auseinandersetzen, ganz gleich, wie man sich zur Euthanasie, so wird die Tötung von Patientinnen oder Patienten bezeichnet, stellt.
Auch wir als Parlamentarierinnen müssen uns endlich intensiver mit dem Thema Sterben befassen. Nach einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie spre
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chen sich zwei Drittel der deutschen Bevölkerung für die aktive Sterbehilfe aus. 64 Prozent der befragten Westdeutschen und sogar 80 Prozent der befragten Ostdeutschen stimmten folgender Aussage zu:
„Ein schwerkranker Patient im Krankenhaus soll das Recht haben, den Tod zu wählen und zu verlangen, daß der Arzt ihm eine todbringende Spritze gibt.“
Dieses Umfrageergebnis ist ein erschreckendes Mißtrauensvotum für uns Ärztinnen und Ärzte und für unser gesamtes Gesundheitssystem, vor allem für die Krankenhäuser, in denen die meisten Menschen sterben. In den Krankenhäusern wird der Tod bekämpft. Die Lebenserhaltung steht in unserem Gesundheitssystem an oberster Stelle, auch dann, wenn kaum Aussicht auf Heilung besteht. Diese Prioritätensetzung müssen wir überdenken. Viele Patienten fürchten nicht den Tod, sondern sie fürchten ein quälendes, elendes Sterben und möchten, daß die Ärzte ihnen da zur Seite stehen, sie davor bewahren.
Erst wenn wir akzeptiert und verstanden haben, wie die Wünsche der Patienten sind, können wir uns damit auseinandersetzen, was die Forderung nach aktiver Sterbehilfe bedeutet.
Ich hatte eigentlich erwartet, daß Sie das Thema interessiert.
Auch wenn wir die Tötung eines Patienten ablehnen, und das müssen wir, sind wir doch zur Hilfe beim Sterben verpflichtet. Dank der Erkenntnisse der Palliativmedizin können wir diese Hilfe auch effektiv leisten. Eine Medizin, die in erster Linie den Tod bekämpft, ist inhuman, denn sie bekämpft letztendlich den sterbenden Menschen. Nur wenn wir das Sterben zulassen, können wir dem Patienten beim Sterben helfen, seine Schmerzen und seine Angst lindern, seine Übelkeit und weitere Mißempfindungen beheben. Sterbehilfe heißt, dem Patienten zu helfen, den Tod anzunehmen, was nur gelingt, wenn der Sterbeprozeß nicht zu quälend ist.
Wir müssen dafür sorgen, daß die Palliativmedizin endlich aus ihrem Schattendasein herauskommt und die effektive Schmerztherapie, die heute schon möglich ist, endlich allen Schmerzpatienten zugute kommt
und nicht nur den wenigen Patienten und Patientinnen, die das Glück haben, auf einer speziellen Palliativstation oder in einer Einrichtung des Hospizes sterben zu können. Alle sterbenden Menschen sollen endlich eine fachkundige und umfassende Betreuung erhalten können. Wir müssen dies endlich als zentrale Aufgabe unseres Gesundheitssystems anerkennen, und dies ist unsere Antwort auf die Forderung nach aktiver Sterbehilfe.
Wir müssen zu einer Neuorientierung in unserem Gesundheitssystem kommen, und dies bedeutet Umschichtungen. Das wird nicht leicht sein, denn es gibt natürlich Interessen, die dagegenstehen. Aber wir müssen die Indikationen zur langfristigen Anwendung der teuren Apparatemedizin überdenken und enger definieren und mehr Gewicht auf die personalintensive Betreuung sterbender Menschen legen.
Unser Gesundheitssystem muß sich endlich mehr an den Wünschen und Erwartungen der Patientinnen und Patienten orientieren. Im Februar hat sich auch die Bürgerschaft mit dem Thema Patientenverfügung befaßt. Wir haben einen Antrag vorgelegt und verabschiedet mit dem Ziel, die Respektierung der in den Patiententestamenten festgelegten Willensäußerungen zu verbessern.
Einen Satz noch. – Das neue Gesetz in den Niederlanden macht es nun möglich, daß Patienten verfügen, später getötet werden zu wollen, wenn sie ein bestimmtes Stadium erreicht haben, und das finden wir ganz besonders bedenklich. Vielleicht können wir darüber nachher noch sprechen. – Danke.
Frau Koppke, Sie haben besonders die holländische Situation angesprochen. Hier sind wir in der Einschätzung sehr unterschiedlicher Meinung.
Sie sagten, daß der jetzigen gesetzlichen Regelung ein jahrelanger, kritischer Diskussionsprozeß vorangegangen wäre. Das stimmt so nicht.
Der jetzigen gesetzlichen Regelung in Holland ist vor allem eine jahrelange, hochfragwürdige Praxis vorausgegangen, die auch schon die aktive Tötung von Patienten zuließ, und zwar auch die Tötung von Menschen, die nicht ihre Einwilligung hierzu gegeben haben und es auch nicht konnten. Diese Praxis wird jetzt durch das Gesetz legalisiert. Das ist der schwierigste Punkt.
Das holländische Gesetz sieht nun vor, daß man im Rahmen einer Patientenverfügung verfügen kann, daß man, wenn man in einem späteren Stadium einen Zustand erreicht hat, den man beim Aufsetzen der Verfügung als unerträglich ansieht und in dem man nicht mehr dazu einwilligen kann, daß man dann durch den Arzt getötet werden möchte. Das ist für mich etwas ganz anderes, als keine aktiven Maßnahmen mehr durchzuführen.
In Holland sind schon sehr viele Menschen getötet worden, die an einer Demenzerkrankung litten, also nicht mehr zustimmen konnten. Es sind dort auch Menschen aktiv durch ihren Arzt getötet worden, die an Depressionen und psychischen Störungen litten und die in genauer untersuchten Einzelfällen nicht so behandelt wurden, wie man es hätte tun können.
In diesem Zusammenhang ist der Fall eines ehemaligen Senators in Holland bekannt geworden. Er war lebensmüde, hatte keine Lust mehr – das gibt es im Alter von Mitte achtzig – und hat die Tötung durch den Arzt verlangt. Wir müssen es in manchen Fällen akzeptieren, wenn ein Mensch sich selbst das Leben nimmt, so schwer es auch sein mag. Aber es ist etwas anderes, ob ich dazu die Hilfe meines Arztes erbitte.
Die holländische Regelung ist für mich deshalb so problematisch – darüber sollten wir nachdenken –, weil sich eine Situation abzeichnet, daß Menschen sich genötigt sehen, ihre Tötung zu verlangen, weil sie anderen nicht zur Last fallen wollen. Hier müssen wir aufpassen, denn das ist der Kernpunkt, und der ist für uns sehr wichtig.
Auch wenn die allgemeine öffentliche Ausschreibung nicht unbedingt üblich ist, halten Sie es nicht für sinnvoll, gerade angesichts der Diskussionen, die wir über die Transparenz in der hamburgischen Verwaltung hatten, solche Stellen öffentlich auszuschreiben?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kindesaussetzungen gab es schon immer in der Geschichte der Menschheit, auch die Tötung Neugeborener durch die Mutter. Es sind schreckliche Verzweiflungstaten von Frauen, die keinen anderen Ausweg sehen, die keine Möglichkeit sehen, ihr Leben zusammen mit dem Kind zu bewältigen und für das Kind zu sorgen. Diese Taten, deren Dunkelziffer sicher sehr hoch ist, geschehen auch in unserem vermeintlich perfekten Sozialstaat, denn wir erreichen mit unseren Hilfsangeboten längst nicht alle Menschen. Daß dies so ist, belegt der Erfolg des Projekts „Findelbaby“ vom Verein SterniPark, dessen Mitglieder für ihre Initiative wirklich unsere Hochachtung verdienen. Der Verein SterniPark bietet verzweifelten Frauen und ihren neugeborenen Kindern Hilfe an, und zwar Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, anonym bleiben möchten.
Der Erfolg des Projekts „Findelbaby“ zeigt, welches Elend im Verborgenen in unserer Stadt herrscht. Innerhalb eines Jahres wurden dort acht Babys anonym abgegeben, und
ihr Leben konnte so gerettet werden. Das Nottelefon von SterniPark wird zunehmend stark in Anspruch genommen, und die Mitglieder des Vereins suchen nach Lösungen für die Notlagen, die an sie herangetragen werden. Der Verein hat nun auch Wohnungen angemietet, um Frauen aufzunehmen, die ihr Kind anonym gebären wollen und die unter Wahrung ihrer Anonymität vor und nach der Geburt so eine Bleibe finden können. Frauen, die die Geburt anonym halten wollen, bringen ihr Kind ohne professionelle Hilfe unter grauenhaften Bedingungen zur Welt, die ihre Gesundheit und die des Kindes gefährden; ihre Angst vor Registrierung zwingt sie dazu. Welche Katastrophen sich da abspielen, können wir uns vorstellen, wenn wir Berichte über Kinder lesen, die abgegeben werden und, wie es dann heißt, nicht fachgerecht abgenabelt waren, wie zum Beispiel das „Balkonkind“ im Eppendorfer Weg.
SPD und GAL wollen mit dem vorliegenden Antrag dafür sorgen, daß auch Frauen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen, unter menschenwürdigen Bedingungen und medizinisch betreut ihr Kind zur Welt bringen können. Die hamburgischen Krankenhäuser haben ihre Bereitschaft zur Durchführung anonymer Entbindungen erklärt, was ihnen bisher aber wegen des Personenstandsgesetzes nicht möglich ist. Nach dem Personenstandsgesetz sind nämlich Hebammen und Ärzte, die bei einer Geburt zugegen sind, zur Anzeige der Geburt beim Standesamt verpflichtet. Wenn die Geburt in einem Krankenhaus stattfindet, ist die Klinikleitung verantwortlich für die ordnungsgemäße Anzeige, wobei auch der Name beider Eltern, ihr Beruf und ihr Wohnort angegeben und ins Geburtenbuch eingetragen werden müssen.
Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es nun, Lösungen zu finden, die anonyme Geburten unter fachkundiger medizinischer Betreuung ermöglichen. Neben den Fragen des Personenstandsrechtes muß auch die Kostenerstattung geklärt werden. Priorität haben für uns dabei ganz klar Leben und Gesundheit der hilfesuchenden Frauen und ihrer Kinder. Wir müssen also Lösungen finden, die von den Frauen angenommen werden und die ihre Ängste vor staatlichem Zugriff berücksichtigen, wie auch immer diese Ängste begründet sein mögen. Im Interesse der Kinder sollte versucht werden, die Frauen zu ermutigen, ihren Namen und möglichst weitere Lebensdaten zu hinterlegen. Es ist wichtig, daß Kinder erfahren können, wer ihre Eltern sind. Die meisten Adoptivkinder suchen später einmal, wenn sie größer geworden sind, nach ihrer Herkunft. Es ist auch für die Mütter wichtig, erfahren zu können, wo ihre Kinder aufwachsen, vielleicht sogar auch für die Väter, über die wir hier mal wieder gar nicht sprechen.
Die Menschen, die diesen Frauen in ihrer Notlage helfen, sollten versuchen, den Namen und weitere Lebensdaten zu erfahren. Da die Frauen anonym bleiben möchten, muß aber zugesichert werden, daß staatlicherseits keinesfalls versucht wird, an diese Daten heranzukommen. Sonst kann es den Helfenden nicht gelingen, das Vertrauen dieser Frauen zu gewinnen, und das ist ja ihre erste Aufgabe. Daß es gelingt, Vertrauen zu gewinnen, zeigt der Erfolg der Arbeit des SterniParks zum Beispiel bei den Eltern, die ihr Kind wieder abgeholt haben und nun mit Hilfe der SterniPark-Helferinnen betreuen.
Bei der Lösung all dieser Probleme hilft uns mal wieder der Blick über die Landesgrenzen weiter. In Frankreich gibt es seit 1996 ein Gesetz, das Frauen die anonyme Entbindung in einer Klinik ermöglicht. Die Kosten der Entbindung werden dort von der Sozialhilfe übernommen. Die Mütter wer
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den aufgefordert, Lebensdaten und Informationen für das Kind in der Klinik zu hinterlassen.
Daß Frankreich schon vor fünf Jahren ein solches Gesetz erlassen hat, hängt vielleicht damit zusammen, daß sich französische Wissenschaftler besonders intensiv mit der nicht besonders rosigen Geschichte der Kindheit beschäftigen. Im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts war die Kindesaussetzung weit verbreitet und gesellschaftlich auch akzeptiert. Sonst hätte es sich der Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau auch nicht leisten können, seine fünf unehelichen Kinder im Findelhaus abzugeben. Zu seinen Lebzeiten wurden allein in Frankreich jährlich 130 000 Kinder in den sogenannten Drehläden der Findelhäuser, den Vorläufern unserer heutigen Babyklappe, abgelegt. Als diese Drehläden abgeschafft wurden und die Frauen statt dessen in Büros ihre Identität preisgeben mußten, wenn sie die Kinder abgeben wollten, nahmen Abtreibungen und Kindestötungen stark zu. Die Zunahme war so eklatant, daß man damals in Frankreich wieder auf die Anonymität zurückkam.
Wir wissen, daß das, was wir unter Mutterliebe verstehen, unter bestimmten Bedingungen nicht gelebt werden kann. Mit der Ermöglichung der anonymen Geburt werden wir die Bedingungen für einige Frauen und ihre Kinder an einem entscheidenden Punkt verbessern. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, liebe CDU, daß Sie die Selbsthilfe wiederentdeckt haben, nachdem die CDU unter Gesundheitsminister Seehofer erst einmal die Förderung der Selbsthilfe als Krankenkassenleistung abgeschafft hat. Andrea Fischer hat sie wieder eingeführt, Rotgrün in Berlin hat es wieder gerichtet, und wir freuen uns, daß Sie es jetzt gut finden. Wir freuen uns, wenn Sie lernfähig sind, aber es ist ein ganzes Stück Arbeit, die Dinge wieder aufzubauen.
In Hamburg steht die Selbsthilfe zum Glück auf guten Füßen, weil in Hamburg in den achtziger Jahren viel entwickelt wurde und auch, als dank Seehofer die Förderung eingestellt war, weiter durch den Senat gefördert wurde. Darum haben wir hier relativ gute Bedingungen.
Als das Gesetz im letzten März wieder eingeführt wurde, wurde es von allen begrüßt, auch von den Krankenkassen. Aber wir sind enttäuscht, daß die Krankenkassen jetzt mauern und die Umsetzung verschleppen. Wir begrüßen deshalb die Große Anfrage der CDU und haben beantragt, sie an den Gesundheitsausschuß zu überweisen, damit wir nachfragen können, wie jetzt die Zusammenarbeit, das Feilschen, das Arbeiten zwischen Senat und Krankenkassen vorangeht. Wir werden das beobachten, denn wir akzeptieren das nicht. Wir akzeptieren vor allem nicht, daß die Krankenkassen keine Transparenz haben, so daß wir nicht sehen können, wie sie fördern. Sie sagen, daß sie es wegen des Wettbewerbs und der Geheimhaltung nicht machen können, und meinen, „das ist doch alles Käse“, wenn im Gesetz steht, daß sie so fördern müssen.
Ich möchte noch etwas zu dem CDU-Antrag sagen, den wir ganz klar ablehnen.
Frau Brinkmann, die Förderung ist jetzt sogar von 1000 DM auf 2000 DM pro Gruppe erhöht worden. Wir denken, das ist gut so. 5000 DM auf einen Schlag fänden wir zu viel. Besonders wichtig ist die Vielfalt in diesem System, die vielen Gruppen, die oft von ganz wenigen Menschen gegründet werden und die gute Arbeit leisten. Geärgert hat mich, daß Sie von der CDU, wie man das ja immer leicht macht, fast reflexartig den Senat auffordern, er solle für die Selbsthilfekontaktstellen eine zielgerichtete Weiterbildung anbieten. Wo sind wir eigentlich? Die Selbsthilfegruppen sind kompetent. Das sind die Experten. Ich würde eher vorschlagen, daß wir die Selbsthilfegruppen bitten, den Senat und auch die Mitglieder des Gesundheits- und des Sozialausschusses weiterzubilden. Die Leute wissen über viele Erkrankungen viel besser Bescheid als die Experten. Das ist ja gerade ihre Stärke. Wir können jetzt nicht gießkannenförmig Leute weiterbilden, das ist todlangweilig. Es ist viel besser, deren Kompetenz endlich anzuerkennen, sie als Partner ernst zu nehmen, und das machen wir jetzt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bio- und Gentechnologie werfen viele Fragen auf, normativer, ethischer, sozialer, medizinischer, auch ökologischer und ökonomischer Sicht. Zu Recht wird von uns Politikern erwartet, daß wir die Verantwortung für den Umgang mit den neuen Technologien übernehmen und die Rahmenbedingungen definieren, in denen sie stattfinden.
Einerseits müssen wir dafür sorgen, daß die Chancen der neuen Technologien genutzt werden können, andererseits müssen wir den Schutz des Lebens, der Menschenrechte und der Umwelt auch langfristig wahren. Kurz und gut: Wir müssen uns alle mit diesen Fragen auseinandersetzen.
Die rotgrüne Hamburger Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag einen kritischen Umgang mit der Bio- und Gentechnologie festgelegt. Die heute debattierte Senatsdrucksache stellt die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung dar. Hamburg ist ein leistungsfähiger Biotechnologiestandort mit medizinischem Schwerpunkt. Besondere Erfolge hamburgischer Forschungsinstitute und -unternehmen gibt es im Bereich der Entwicklung von Medikamenten und Diagnostika.
Forschung und Produktion werden in Hamburg kritisch begleitet, und es werden ihr Grenzen gesetzt. Der Erfolg der hamburgischen Unternehmen zeigt, daß dieses ihre Entwicklung nicht hemmt. Ich behaupte sogar, daß die kritische Begleitung – allen Unkenrufen zum Trotz – die Entwicklung langfristig fördert. Die naturwissenschaftlich Tätigen brauchen die interdisziplinäre Auseinandersetzung und den öffentlichen Diskurs über ihre Arbeit, und sie sind auch in ihrer Arbeit auf gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen. In Hamburg hat die interdisziplinäre Technikfolgenabschätzung eine Schlüsselstellung.
Auf Landes- und Bundesebene gibt es diverse hochkarätig besetzte Ethik-Kommissionen. Sie sollten weder das Dasein fast unbemerkter Mauerblümchen führen, noch sollten sie der Politik als Feigenblätter dienen. Wir Parlamentarierinnen müssen die Kompetenz dieser Kommissionen nutzen und das Gespräch mit ihren Mitgliedern suchen, um uns mit ihrer Hilfe in die problematischen Fragen einzuarbeiten, zu denen wir als Gesetzgeber auch Entscheidungen treffen müssen.
Kurz vor Weihnachten hat sich Bundeskanzler Schröder in einem Artikel der Zeitung „Die Woche“ zur Zukunft der Gentechnik geäußert. Schröder warnt in diesem Artikel vor einer „Politik ideologischer Scheuklappen und grundsätzlicher Verbote“, und er bezeichnet die Selbstbescheidung Deutschlands auf Lizenzfertigungen und Anwenderlösungen als unrealistisch und sogar unverantwortlich. Schröder spricht sich in diesem Artikel gegen die Verwendung embryonaler Stammzellen in der Forschung aus, er plädiert jedoch für eine Diskussion um die Zulassung der aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verbotenen Präimplantationsdiagnostik. Recht forsch tritt damit der Bundeskanzler in eine auch in seinem Kabinett ausgesprochen differenziert geführte Debatte ein und erklärt die Frage der Präimplantationsdiagnostik jetzt zu einem zentralen Konfliktpunkt.
Nein, zu einem zentralen Konfliktpunkt erst einmal.
Kurz nach diesen Äußerungen Schröders trat Andrea Fischer als Gesundheitsministerin zurück, die sich ja sehr stark für einen kritischen Umgang und für Restriktionen im Bereich der Fortpflanzungsmedizin ausgesprochen hatte.
Auch der Hamburger Senat äußert sich in der vorliegenden Drucksache ausführlich zur Präimplantationsdiagnostik. Allerdings spricht er sich im Gegensatz zu Schröder für die Aufrechterhaltung des Verbotes aus. Dabei bezieht sich der Senat auf ein Gutachten der Hamburger Forschungsgruppe „Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin“ – BIOGUM –, das im Auftrag der BAGS erstellt worden war. Der Senat kündigt in diesem Zusammenhang weitere Aktivitäten an mit dem Ziel, die politischen Entscheidungsträger für die ethische Problematik neuer medizinischer Verfahren zu sensibilisieren. Die GAL-Fraktion begrüßt diese Aktivitäten, und wir können versichern, daß wir uns aktiv daran beteiligen werden.
Worum geht es denn bei diesen Fragen? Beim Embryonenschutzgesetz geht es um die zentrale Frage, wann das menschliche Leben beginnt und ab welchem Entwicklungsstadium den Menschen die Menschenwürde und – im Grundgesetz verankert – Persönlichkeitsrechte zugesprochen werden. Von den Antworten und Definitionen hängt es ab, wie wir die Grenzen der Verfügbarkeit menschlichen
Lebens definieren. Beginnt das menschliche Leben mit der Befruchtung der Eizelle? Halten wir an dieser Definition, die im Deutschen Embryonenschutzgesetz verankert ist, fest, oder sollten wir – wie die Briten das mittlerweile tun – den Zeitpunkt der Nidation, also die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter, als den Beginn des menschlichen Lebens definieren und damit die sich entwickelnde menschliche Keimzelle vierzehn Tage lang für die Forschung verfügbar machen und auch in dieser Phase Selektionen zulassen?
Wie heikel diese Fragen sind, zeigt eine Äußerung des neuen Bundeskultusministers Julian Nida-Rümelin. In einem Interview sprach er dem Embryo die Menschenwürde ab mit der Begründung, daß der Embryo nicht zur Selbstachtung fähig sei. Er begründet das damit, daß, wenn der Embryo zur Selbstachtung nicht fähig ist, seine Selbstachtung und seine Würde auch nicht beschädigt werden könnten.
Für diese leichtfertige Äußerung ist Nida-Rümelin zu Recht heftig kritisiert worden,
denn mit der Koppelung der Menschenwürde an die Fähigkeit zur Selbstachtung wird auch Säuglingen, geistig schwerbehinderten Menschen und auch Menschen im Wachkoma die Menschenwürde abgesprochen. Ich denke nicht, daß Minister Nida-Rümelin das wollte, aber mit dieser Äußerung hat er die berechtigten Ängste behinderter und chronisch kranker Menschen vor der Anwendung gentechnischer Methoden weiter geschürt. Dies zeigt, wie wichtig die gründliche Auseinandersetzung mit diesen ethischen Fragestellungen für uns alle ist, auch für die Minister und auch wenn sie, wie Herr Nida-Rümelin, gelernte Philosophen sind.
Angesichts der vielen ungeklärten Fragen ist es viel zu früh, die bestehenden Restriktionen des Embryonenschutzgesetzes zu lockern. Deshalb halte ich auch die Äußerung des Bundeskanzlers und seiner Ministerinnen Schmidt und Bulmahn für verfrüht. Es ist zu hoffen, daß ein Moratorium beschlossen wird und daß sich auch Bundespräsident Rau den medizinethischen Fragestellungen verstärkt zuwendet. Es ist in diesem Zusammenhang gut, richtig und wichtig, daß sich der Senat klar für die Einhaltung des Embryonenschutzgesetzes und damit gegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik zu dieser Zeit ausspricht und daß er das Verbot des Klonens und der gentechnischen Eingriffe in die Keimbahn unterstreicht und darüber hinaus die Ablehnung der Bioethik-Konvention wieder bekräftigt.
Weniger konkret als zu diesen medizinethischen Fragestellungen äußert sich der Senat in der Drucksache zu der sogenannten grünen Gentechnik, also zur Anwendung gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion. Der BSE-Skandal hat hier endlich ein Umdenken bewirkt, und ich bin sicher, daß die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber diesen Fragen dazu führen wird, daß endlich klare gesetzliche Regelungen durchsetzbar sind. Die Akzeptanz gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ist stark zurückgegangen, und ich hoffe, daß wir endlich eine eindeutige Kennzeichnungsverpflichtung für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel einführen und klare Produktionsbeschränkungen durchsetzen können. In diesem Bereich sollte der Senat noch aktiver werden. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie haben es gelesen: das menschliche Genom ist entschlüsselt. Unbestritten ist die Erstellung der Genkarte des Menschen eine große wissenschaftliche Leistung. Wir wissen nun, daß der Mensch viel weniger
Gene hat als angenommen, nämlich mit rund 40 000 nur knapp doppelt so viele wie die Fliege.