Protocol of the Session on September 5, 2001

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Ich mache jetzt Schluß.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schönen guten Tag! „Hamburgs Jugend – fit fürs Leben?“ – welch ein hochtrabender Titel. Das weckt natürlich Erwartungen. Ich hatte die Erwartung gehabt, daß sich die CDU ausnahmsweise einmal ganzheitlich mit der Situation junger Menschen in Hamburg befaßt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Kann sie doch nicht!)

Aber nix da, das bekommen sie nicht hin, auch diesmal ist es wieder ein klitzekleiner Ausschnitt. Schade eigentlich, das war eine verpaßte Chance, sich hier tatsächlich einmal mit der Situation einer ganz großen Bevölkerungsgruppe auseinanderzusetzen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Roland Salchow CDU: Das macht ihr mit Joints!)

Statt dessen hat Herr Salchow versucht, seine Bewerbungsrede als Bildungssenator abzuliefern, nur, Herr Salchow, das war richtig schwach.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Einzig überzeugend dabei waren Ihre Gesten, das haben Sie drauf, aber damit können Sie sich nicht als Senator bewerben, sondern allenfalls als Gymnastiklehrer. Sie haben festgestellt, daß Hamburgs Schüler unzufrieden mit ihrer Schulausbildung seien. Das belege diese Untersuchung, die auch im „Focus“ veröffentlicht worden ist; das soll der einzige Beleg sein. Und Ihre einzige Konsequenz daraus war: Die CDU macht es besser, die CDU wird dafür Sorge

(Christa Goetsch GAL)

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tragen, daß alle Hamburger Schülerinnen und Schüler in Zukunft glücklich ihr Abitur machen können. Aber damit sehen Sie auch alt aus, denn gucken wir uns einmal diese Liste an, Herr Professor Salchow.

In der Tat ist Hamburg auf dem letzten Platz, aber ganz kurz davor ist Berlin, und wenn ich richtig informiert bin, ist in Berlin in den letzten vielen Jahren die CDU mitverantwortlich für die Schulpolitik gewesen. Also auf die CDU in dieser Frage zu setzen heißt mit dem vorletzten Platz zufrieden zu sein, und das kann auch nicht die Lösung sein.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das ist eine Logik! – Antje Blumenthal CDU: Bringen Sie mal was ande- res als Sprüche!)

Aber genauso wenig überzeugend ist die ritualisierte Antwort der Regierung: Alles ist gut, alles ist prima, wer etwas zu meckern hat, geht am besten vor die Tür, weil Hamburg Spitze ist, und daran gibt es auch nichts zu kritisieren. Das ist auch keine überzeugende Bewerbung, sondern höchstens eine Bewerbung für die Opposition in der nächsten Zeit, denn natürlich hat sich die Situation an Hamburgs Schulen in den letzten Jahren nicht verbessert. Natürlich hat sich auch hier die rotgrüne Kürzungsorgie bemerkbar gemacht, natürlich bleibt es nicht ohne Folgen, wenn innerhalb von zwei Jahren nahezu 1000 Lehrerinnenstellen gestrichen werden, und natürlich bleibt es auch nicht ohne Folgen, wenn Lehrernachwuchs gar nicht oder erst zu spät eingebunden wird. Natürlich können wir an Hamburgs Schulen sehen, daß Rotgrün in den letzten Jahren in der Breite – einzelne Projekte werden immer nach vorne gehoben und gelobt – wirklich nichts nach vorne bewegt hat, sondern es einen ganz dramatischen Rückschritt gegeben hat, und das ist richtig bitter.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Wer hat Ihnen das aufge- schrieben?)

Aber nicht nur die Rahmenbedingungen sind das Problem, denn Hamburgs Schülerinnen fühlen sich offenbar tatsächlich nicht wirklich fit für die Zukunft. „Fit für das Leben“ finde ich einen völlig falschen Titel, aber vielleicht nicht fit für die Zukunft. Das liegt möglicherweise nicht nur an den Rahmenbedingungen, sondern vielleicht auch an den Inhalten, die vermittelt werden. In den letzten Jahren hat sich die Welt dramatisch verändert. Aber bildet sich das auch in den Schulen ab? Bildet sich das auch an den Konzepten, mit denen die Lehrer sich dem stellen und die Schülerinnen darauf vorbereiten, ab? Das bezweifle ich, und nicht nur das, sondern diese Konzepte sind nicht mit der Geschwindigkeit, wie die Welt sich auch in Hamburg verändert hat, mitgegangen. Sie sind veraltet, denn nicht nur die Informationsflut ist etwas, das Schülerinnen besonders zu bewältigen haben. Hier wird deutlich, daß es nicht mehr reicht, immer mehr Wissen einzustudieren, sondern hier wird besonders deutlich, daß vorrangiges Ziel ein selbstbestimmtes Lernen auch an Hamburger Schulen sein muß. Das ist der Schlüssel für Zukunftsfitneß, für Lebensfitneß, und da kann an Hamburger Schulen auch noch etwas getan werden.

Alles in allem: Es gibt viele Gründe, weshalb Hamburger Schülerinnen und Schüler sich nicht gut vorbereitet fühlen können auf die Zukunft. Die Rahmenbedingungen haben sich für viele von ihnen in der Stadt verschlechtert. Konzepte hinken hinterher, aber bei dem Thema haben sich weder Rotgrün noch die CDU in den letzten Jahren mit Ruhm bekleckert.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Senatorin Pape.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Statt die Hamburger Jugend schlechtzureden, unternehmen wir alle Anstrengungen, um sie stark zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Ziel ist es, möglichst junge Menschen in Hamburg den für sie erfolgreichsten Schulabschluß auch machen zu lassen. Leistungsstarke wie leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler müssen in unseren Schulen gefördert und gefordert werden. Für den Weg in die Wissensgesellschaft gibt es für die Hamburger Schülerinnen und Schüler ein Fitneßprogramm, zum Beispiel mit der bundesweit vorbildlichen Medienausstattung, mit der bundesweit besten Unterrichtsversorgung in Grundschulen, mit erstmalig eingeführtem Englisch ab Klasse 3, mit der qualitativen Weiterentwicklung der Schulen und Schulprogramme, mit der Sprachförderung von Kindern mit anderen Herkunftssprachen, durch die Förderung sozial benachteiligter Standorte durch besondere Ressourcenzuweisung, durch besondere schulische Maßnahmen, durch Ganztagsschulangebote und nachmittägliche Betreuung, durch Hausaufgabenhilfe, Mittagstische und Angebote der Jugendhilfe und übrigens auch mit sehr vielen Lehrern. Wir haben mehr Lehrer als 1996, Herr Jobs, von einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen kann insofern überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der SPD)

Richtig ist aber, daß wir bundesweit in allen Großstädten vor besonderen Herausforderungen stehen, nämlich vor der besonderen Herausforderung, eine Spaltung des Arbeitsmarkts für Jugendliche zu verhindern. In Hamburger Schulen wird deswegen gemeinsam von Schulen und Betrieben viel geleistet, um gerade Schülerinnen und Schüler mit schwächeren Abschlüssen einen besseren Übergang von der Schule in das Berufsleben, in die Ausbildung zu ermöglichen, denn Hauptschüler sind besser als ihr Ruf. Und das sagen nicht nur der Bürgermeister und ich, das sagen auch Unternehmer wie Herr Dr. Otto und Herr Wrede. Ich darf Herrn Otto zitieren, der am 18. Juni im Rathaus gesagt hat – und er weiß, wovon er spricht, weil er sich sehr in einer Initiative zugunsten der Hauptschüler engagiert hat –:

„Alle werden feststellen, was wir in unserer Schulpartnerschaft erlebt haben, daß Hauptschüler besser sind als ihr Ruf. Es ist ein Gewinn für Unternehmer und Betriebe, wenn sie frühzeitig in die praxisnahe Berufsorientierung ihres Nachwuchses aus den Hauptschulen investieren.“

Soweit Herr Dr. Otto. Das sagte aber zum Beispiel auch der Ausbilder der Firma „case-factory“, Oleg von Cube, gestern in der „Bergedorfer Zeitung“. Auch ihn darf ich zitieren:

„Wir waren erstaunt: Die Schüler sind besser als ihr Ruf.“

Das ist die Wahrheit in dieser Stadt, meine Damen und Herren. Um dieses zu erreichen, wurden in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen initiiert und durchgeführt; einige sind schon genannt worden. Ich darf noch einmal hinzufügen das Programm Schule, Wirtschaft, Arbeitsleben mit dem Berufswahlpaß, die Kooperation von 20 Schulen mit jeweils einem Unternehmen im Netzwerk Schule und Industrie, die Produktionsschule, ein Schulversuch, bei dem zwei Tage in der Woche in einem Betrieb und drei Tage in der Schule gelernt wird. Da gibt es erste Erfolge, und die

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

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Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler zeigt, daß dies ein außerordentlich motivierendes Projekt ist. Es ist so gut, daß sogar Herr Beuß es übernehmen möchte; so hat er das jedenfalls der „Welt am Sonntag“ am vorigen Wochenende gesagt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Die können ja nur klauen!)

Und schließlich das Kooperationsprojekt der Hamburger Initiative für Arbeit und Ausbildung und das Netzwerk der Initiative für Beschäftigung, das seit Beginn dieses Schuljahrs nicht mehr nur zehn, sondern 30 Schulen eingebunden hat. Durch die Systematisierung der Berufsorientierung und die Vermittlung in Ausbildungen sollen für Hauptschülerinnen und Hauptschüler neue Anschlußperspektiven in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eröffnet werden, und das Bündnis hat zugesagt, jährlich 30 weitere Schulen einzubeziehen.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt hat die Ausweitung des Arbeitsweltbezuges im Hamburger Schulgesetz vom 16. April 1997 einen Platz gefunden und ist auch in den Bildungsplänen verankert worden. Wir brauchen beim Übergang von Schule in Ausbildung einen Paradigmenwechsel von der Abschlußorientierung zur Anschlußorientierung. Es wird einfach zu kurz gedacht, wenn immer nur bis zum Schulabschluß gedacht wird und nicht über die Frage nachgedacht wird, was die jungen Leute für die Ausbildung brauchen.

Wir werden deswegen zur Unterstützung und zur Bündelung dieser Entwicklung zusammen mit Partnern aus dem Bereich der Arbeitgeber und -nehmer noch im Herbst dieses Jahres ein neues Bildungs- und Beratungszentrum für den Bereich Berufsorientierung gründen. Schließlich hat auch der Bürgermeister zugesagt, daß er sich persönlich darum kümmern wird, Hauptschüler in Ausbildung zu bringen.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GAL)

Wir werden leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen durch moderne Formen des Lernens und durch mehr Kooperationen mit Hochschulen und Wirtschaft, durch mehr bilinguale Angebote je nach Schulform und Alter, durch den Ausbau schülergerechter Angebote, das Abitur nach zwölf Jahren zu machen, Kinder anderer Herkunftssprachen durch gezielte Sprachförderung sowie den Ausbau der Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen durch die neuen Bildungspläne, die auch zu einer besseren Standardvergleichsmöglichkeit führen werden, fördern und fordern.

Natürlich gibt es immer Jugendliche, die mehr beziehungsweise weniger aus ihren Möglichkeiten machen. Richtig ist deswegen auch – wie es ein Vertreter vom Metallhandwerk am Montag im „Hamburger Abendblatt“ sagte –, daß es wichtig ist, was den Schülerinnen und Schülern vom Elternhaus mitgegeben wird. Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Schule kann viel, dies aber nicht allein bewirken. Deswegen sieht die Realität auch viel differenzierter aus, als das Schwarzweißbild, das die CDU gerne malt.

Wir stellen uns den vielschichtigen Hamburger Realitäten, und das tun wir mit den besten Bündnispartnern. Das soll im Interesse der Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat nun Herr Beuß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Pape, Sie haben gesagt, daß die SPD den Willen habe, die Schüler in Hamburg stark zu machen. Das will ich Ihnen gerne glauben. Sie haben aber vergessen, die geeigneten Voraussetzungen dafür zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Ein defizitäres Schulsystem in Hamburg können Sie und kann auch nicht die SPD schönreden. Sie sagen, daß die Unternehmer sehr zufrieden mit dem seien, was in den Schulen in Hamburg geleistet würde. Mein Kollege Herr Mehlfeldt wird nachher einmal erzählen, wie dieses aus der Sicht des Handels und des Handwerks aussieht.