Protocol of the Session on June 21, 2000

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(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Von 5500 Hamburger Betrieben, die die Handelskammer angeschrieben hat, sind 119 Firmen der Stiftungsinitiative beigetreten. Darunter befinden sich lediglich elf Betriebe, die zu den 213 Hamburger Betrieben zählen, von denen nachweislich bekannt ist, daß sie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt hatten.Das ist nicht nur eine beschämende Bilanz, sondern es ist auch insofern eine Verantwortungslosigkeit ohnegleichen, da es diesen Firmen, die keine Zwangsarbeiter beschäftigten, weil es die Betriebe noch nicht gab, überlassen wird, in den Entschädigungsfonds einzuzahlen.

Genauso untragbar ist es – ich hatte schon darauf hingewiesen –, daß sich bis heute die staatliche Seite schützend vor die Wirtschaft stellt.Der Hamburger Senat verstieg sich beispielsweise in der Antwort unserer Großen Anfrage darauf, darzulegen, daß die Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Die Frage sei völlig nachrangig, welches Unternehmen tatsächlich Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt hatte und somit auch davon profitierte. Insofern ist – das muß man leider sagen – die mangelnde Zahlungsmoral derjenigen, die damals unmittelbar von der Zwangsarbeit profitierten, auch ein Ergebnis der Rückendeckung durch den Senat. Damit muß Schluß sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Quatsch!)

Wir verlangen vom Senat zweiwöchentlich, daß er auf der Landespressekonferenz die Namen der Hamburger Firmen veröffentlicht, die der Stiftungsinitiative beigetreten sind. Sie sollen gemeinsam mit den 213 Firmen genannt werden, von denen bekannt ist, daß sie Zwangsarbeiterinnen eingesetzt haben. Zeitgleich soll der Senat die Namen in der Hamburger Tagespresse veröffentlichen. Darüber hinaus ist es außerdem Zeit, daß sich der Senat endlich direkt an die Hamburger Firmen wendet und sich nicht weiter hin

ter der Handelskammer versteckt. Einen entsprechenden Antrag für die Bürgerschaft bereiten wir vor.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Elisabeth Schilling SPD)

Genauso möchte ich alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier und Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt dazu auffordern, sich einzumischen und Zivilcourage zu beweisen, indem sie beispielsweise die Produkte der Firmen boykottieren, die sich nicht zu ihrer historischen Verantwortung bekennen und dafür einsetzen.

Ein weiteres Problem wird auf Hamburg noch erst zukommen. Es handelt sich hierbei darum, daß nicht alle Überlebenden durch die Stiftung berücksichtigt und entschädigt werden können. Das sind zum einen die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Landwirtschaft und zum anderen die Opfergruppen, deren Vertreter nicht am Verhandlungstisch saßen, wie zum Beispiel die Sinti und Roma und sämtliche Zwangsarbeiter aus den Ländern in Mittel- und Osteuropa, die nichtjüdischen Glaubens sind und in deren Heimat keine Versöhnungsstiftungen existieren.

Ich komme zum Schluß. In dieser Frage wird zumindest für Hamburg die Garantie hinzukommen – auch wenn es auf Bundesebene nicht so ist –, daß diese Opfergruppen eine Entschädigung in Form eines regulären Betrags erhalten. Sollte sich der Beginn der Entschädigungszahlungen – avisiert wurde der 1. September – noch weiter hinauszögern, wäre Hamburg gut beraten, finanziell in Vorleistung zu treten.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Elisabeth Schilling SPD)

Meine Damen und Herren! Bevor ich die Aktuelle Stunde abschließe, rufe ich den Abgeordneten Hackbusch wegen seiner Äußerung gegenüber Senator Porschke zur Ordnung.– Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Große Anfrage der CDU über Leistungsausfälle bei der Gehwegreinigung.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Leistungsausfälle bei der Gehwegreinigung – Drucksache 16/4161 –]

Wer möchte das Wort? – Herr Tants.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Überschrift „Leistungsausfälle bei der Gehwegreinigung“ verspricht ein wenig spannendes Thema.So ging es mir auch, als ich anfing, mich damit zu beschäftigen. Aber im Laufe der Zeit stellte sich heraus, daß dieses Thema doch sehr spannend ist. Hier wird eine Abzockerei durch den Senat erkennbar. Ich will Ihnen das einmal deutlich machen.

Es rufen Bürger an, die sich beklagen, daß ihre Gehwege nicht gereinigt worden seien. Es ist aber nicht so, daß die Stadtreinigung dies bedauert, sondern sie ruft nach drei Tagen bei diesen Bürgern an oder schreibt ihnen nach drei Wochen zurück, indem sie bestätigt, daß aufgrund von 18, 20 oder 25 Reinigungsausfällen die entsprechenden Gebühren zurückgezahlt würden.

Das ist vordergründig sehr bürgerfreundlich. Aber wer das Gesetz kennt, der weiß, daß nur derjenige die Gebühr zurückbekommt, der schriftlich anfragt. Der Nachbar, bei

dem ebenfalls nicht gereinigt wurde und der sich nicht beschwerte, bekommt sie nicht.

Herr Porschke, wenn ich mir die Antwort des Senats ansehe – deswegen debattieren wir das auch –, gibt es für mich nur zwei Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, daß die Stadtreinigung lediglich eine Gebühreneinzugsanstalt ist, die unkontrolliert vor sich hin arbeitet, in der mal ein Besen ausgegeben wird und einige Leute losgeschickt werden, die den Tag herumbringen sollen. Die zweite Möglichkeit ist – und das ist viel schlimmer –, daß die Stadtreinigung genau weiß, daß sie nur einen Teil der Leistung erbringt, und sie trotzdem die vollen Gebühren erhebt.

Denn es gibt – das kann ich Ihnen zeigen, denn viele Bürger haben sich an mich gewandt – eine Vielzahl von Zuschriften der Stadtreinigung, in denen zu lesen steht: Wir haben unsere Arbeitszettel geprüft und festgestellt, daß 20, 25 oder 30 Prozent der Leistungen nicht erbracht worden sind. Das bedeutet, daß Ihre Anstalt das weiß, daß die Leistungen nicht erbracht werden.Trotzdem erhebt sie die Gebühr.

Nach den uns vorliegenden Unterlagen – wir haben mittlerweile viele davon – gehe ich vorsichtig davon aus, daß lediglich 80 Prozent der Leistungen erbracht werden; von diesen 45 Tagen will ich gar nicht reden. Das heißt, 20 Prozent der Leistungen werden nicht erbracht.Damit, Herr Senator – deswegen gehört dieses Thema auch in die Bürgerschaft –, haben Sie in der Zeit von 1996 bis 1999 Gebühren in Höhe von 21 Millionen zu Unrecht abgezockt. Das kann nicht sein, Herr Senator.

(Beifall bei Michael Fuchs CDU)

Ich frage mich, wo eigentlich der Protest unseres selbsternannten „Mietensenators“ bleibt.Senator Wagner rührt sich nicht, obwohl er im Grunde der Hausherr von 150 000 stadteigenen Wohnungen ist. Hier trifft es ja nicht den Eigentümer – es ist ein durchlaufender Posten –, sondern den Mieter, dem diese Gebühr im Rahmen der Zweitmiete auferlegt wurde. Das bedeutet, daß Sie, Herr Senator Porschke, diese 21 Millionen DM nicht beim bösen Grundeigentümer, sondern bei den Hamburger Mietern abgezockt haben. Das halte ich in hohem Maße nicht nur für skandalös, sondern für unsozial.

(Beifall bei der CDU)

Es bleibt festzuhalten, daß letztlich den Mietern entweder aus Luschigkeit oder aber ganz bewußt – ich muß mich parlamentarisch verhalten – etwas vorenthalten oder zuviel Geld abgezogen wird.Sie haben bei der Diskussion um die Ökosteuer gesagt, daß Sie etwas für den kleinen Mann tun wollen. Sie zocken den Mieter aus Steilshoop, vom Osdorfer Born oder von sonstwo ab. Dagegen wenden wir uns. Eine Summe von dieser Größenordnung gehört in die Hamburgische Bürgerschaft.

Sie sagen von sich, daß Sie sozial seien, ordentlich wirtschaften würden und Ihren Laden im Griff hätten.Wenn das alles zutrifft, dann seien Sie honorig und sagen von dieser Stelle: Wir geben unseren Hamburger Mietern die 21 Millionen DM zurück.Das ist unsere Aufforderung an Sie.– Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dose.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tants, wenn Sie zweimal sagen, daß dieses Thema in die Bürgerschaft gehört, dann fragt man sich, warum Sie das tun. Vielleicht ist es doch nicht so ganz selbstverständlich.

Wenn man sich die Große Anfrage ansieht, stellt man fest, daß sie mit der Antwort auf ein Blatt Papier paßt.Dieser geringe Umfang entspricht genau der Größe des angesprochenen Problems.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Antje Möl- ler GAL)

Ich gebe Ihnen, Herr Tants, sogar zu, daß das von der Stadtreinigung praktizierte Verfahren für die Fälle, in denen die Gehwegreinigung zwar bezahlt, aber nicht tatsächlich geleistet wurde, nicht hundertprozentig gerecht ist. Es kommt aber nicht nur auf die Gerechtigkeit an, sondern es kommt auch auf die Verhältnismäßigkeit und die Gleichbehandlung aller Gebührenzahler an.

Wenn bei 37000 Grundstücken wöchentlich die zu leistenden 70 000 Reinigungsfälle nicht nur in den Arbeitsnachweisen der sogenannten Straßenfeger, sondern auch noch in den Gebührenkonten der Grundstückseigentümer festgehalten werden sollen, dann erfordert das nicht nur mehr Verwaltungsaufwand, sondern auch mehr Verwaltungspersonal und Kosten.Da die Gehwegreinigung kostendeckend durchgeführt werden soll, müßten zwangsläufig die Gebühren für alle erhöht werden. Das wäre weder gerecht noch verhältnismäßig. Es kann nicht sein, daß wir uns mit der Abrechnung der Reinigung mehr beschäftigen als mit der Reinigung selbst.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deshalb ist das Verfahren der Stadtreinigung vertretbar.

Wenn man sich die Beträge ansieht, um die es hier geht, kann man zu keiner anderen Bewertung kommen.Der Wert einer einmal ausgefallenen Gehwegreinigung liegt in der Regel unter 5 DM. Die Stadtreinigung nahm für die Gehwegreinigung im letzten Jahr 28,7 Millionen DM an Gebühren ein und zahlte 6856 DM wegen ausgefallener Reinigung zurück; das ist weniger als ein Viertausendstel. Das zeigt eindeutig, daß die öffentliche Gehwegreinigung insgesamt gut funktioniert.

Natürlich gibt es bei ihr – wie bei allen Unternehmen – auch gelegentlich Schwächen und Ausfälle. Hier sollten die betroffenen Gebührenzahler auch ihre Rechte in Anspruch nehmen und die Erstattung der zuviel gezahlten Gebühren fordern. Die Stadtreinigung verhält sich in diesen Fällen – das haben Sie erwähnt, Herr Tants – offensichtlich generell kooperativ und kulant.

Wenn diese Debatte den Nebeneffekt hatte, daß die Gebührenzahler erneut auf ihre Rechte und Möglichkeiten aufmerksam gemacht worden sind, dann hat sie zumindest etwas Positives bewirkt und war nicht nur der vergebliche Versuch, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich zögere ein wenig. Wir verwenden – Herr Dose

(Henning Tants CDU)

hat das schon angedeutet – viel zuviel Redezeit für ein Thema, von dem man nicht weiß, was das eigentlich soll.