Protocol of the Session on December 12, 2000

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Ich habe diese Aussage der Kinderkommission bewußt an den Anfang gestellt, um die Verantwortung zu unterstreichen, in der wir alle hier im Hause stehen.

Der Umgang mit Kindern und Eltern und die aktuelle Spardiskussion sind zwei Paar Schuhe. Wie kindgerecht diese Stadt sein wird, ist zunächst eine Frage des Wollens und dann des Geldes. Wie seinerzeit in der Umweltfrage denken viele Politiker erst dann daran, wenn sie die drohenden Signale nicht mehr ignorieren können.

Haushaltspläne werden häufig als Schicksalsbücher der Nation bezeichnet. So weit möchte ich bei diesem Entwurf des Haushaltsplans 3.1 für Jugend nicht gehen. Aber er gibt schon, auch im Vergleich zu Vorgängern, Auskunft über den Umgang mit unserer Zukunft, wie wir die Jugend gern nennen. Kinderfreundlichkeit sollte man deutlich sehen, wenn man durch die Stadt fährt und geht. Schauen Sie sich um, wie wenig diese Stadt unserem Nachwuchs bietet. Schön, es gibt zum Beispiel Kinderspielplätze, aber prüfen Sie einmal den Zustand vieler Einrichtungen: Der Sand verdreckt, manchmal mit Spritzen verziert, die Schaukeln zerbissen, Spielgeräte beschmiert. Würden Sie dort als Kind glücklich sein?

Zum Stichwort Kinderbetreuung: Die Zeitungen sind gerade in letzter Zeit wieder voll mit Schlagzeilen, wie „Muß Hamburg denn ausgerechnet an seinen Kindern sparen?“ oder „Kitas bald Luxus?“. Was ist aus dem Vorschlag geworden, gemeinsam ein neues nachfrageorientiertes und flexibles System zu erstellen unter weitestgehender Einbindung aller Beteiligten und einer für die Akzeptanz und den Erfolg angemessenen Vorbereitungszeit? Was hat Rotgrün aus einem in der Sache guten Ansatz gemacht?

Um des schnellen politischen Erfolges wegen wurde dieses Projekt mit heißer Nadel genäht, von Anfang an unsachgemäß auf den Weg gebracht, und nun haben wir den Salat. Völlig verunsicherte und verärgerte Eltern, überforderte Mitarbeiter in den Bewilligungsstellen, ein katastrophales Finanzierungssystem, das nachweislich zu erschreckenden Abmeldezahlen führt. Allein im Bereich Nord bestätigte eine Befragung in mehr als 100 Häusern überall kostenbedingte Abmeldungen. Zwei krasse Fälle finden wir im „Hamburger Abendblatt“ vom 18. November. Bei gleichem Einkommen sollten statt bisher 80 DM 300 DM gezahlt werden. Das Kind bleibt zu Hause. Alles noch im rotgrünen Bereich?

Das Amt für Jugend hat offiziell keine Ahnung von derartigen Entscheidungen. Man ist aber bereit, Anfang 2001 eine Untersuchung in Auftrag zu geben. Wie toll für die Eltern! Was nützt der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, wenn viele Eltern die Betreuung nicht mehr bezahlen können?

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die von Amts wegen geäußerte Unterstellung, daß viele Eltern bei der früheren Selbsteinschätzung „lauter kleine Betrüger“ waren, halte ich für zynisch. Zahlreiche Protestveranstaltungen, die wahrlich nicht von der CDU initiiert worden sind, sind kaum als Zustimmung zur rotgrünen Kinderbetreuungspolitik zu deuten. Mir ist noch im Ohr, was eine empörte Mutter äußerte:

„Vier Monate sollen wir auf die Bewilligung warten, aber daß es teurer wird, das steht schon fest. Die da oben sagen sich, besser absahnen als zubuttern.“

Es war von Anfang an utopisch anzunehmen, daß ein neues, nachfrageorientiertes System nicht nur kostenneutral, sondern auch noch mit gewaltigen Einsparungen über 27 Millionen DM zu fahren wäre. Die zweite ISKA-Studie hat einen deutlichen Hinweis darauf geliefert, wenn auch nicht 100 000 DM hätten ausgegeben werden müssen, um die Fehleinschätzung der Behörde zu erkennen.

Von der CDU weiterhin unbestritten ist, daß die Betreuung und der Bildungsauftrag zur Zeit aus nachvollziehbaren Gründen nicht zum Nulltarif erfolgen kann. Andererseits darf die Kinderbetreuung für breite Schichten aber auch nicht zur unerschwinglichen Wunschvorstellung werden.

Jetzt haben wir wieder Vorbereitungszeit für neue Modelle. Nicht aufgrund rotgrüner Einsicht, sondern weil die Karre an die Wand gefahren wurde und vielleicht auch nicht zuletzt aus wahltaktischem Kalkül. Wie auch immer, nutzen wir die Zeit, um eine breite Akzeptanz zu erreichen und das Vertrauen wieder zu gewinnen.

Zu meinem nächsten Schwerpunktsbereich. Wer den Begriff der Kultur des Aufwachsens für junge Menschen ernst nimmt und mit Inhalt füllen will, kommt nicht umhin, die Bedeutung der Familie zu erkennen. Funktionierende Familienstrukturen zu erreichen und zu erhalten, muß ein vorrangiges Ziel von Kinder- und Jugendpolitik sein. Wenn die Familie ihre Aufgabe erfüllt, hat dies unmittelbare positive Auswirkungen auf eine Vielzahl von Bereichen. Daher fordert die CDU immer wieder, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken und Schwächen möglichst früh aufzufangen. Deshalb sind vorhandene Ressourcen vorrangig bei derartigen Hilfsangeboten einzusetzen. Der Senat will hier 2 Millionen DM streichen.

Wir müssen uns mit Nachdruck um die 95 Prozent der jungen Menschen kümmern, die nicht problematisch sind und

(Senatorin Ute Pape)

das Rückgrat unserer Gesellschaft für morgen bilden. Für sie haben wir angemessene Angebote vorzuhalten, nicht allein, aber auch nicht zuletzt im Sinne von Prävention.

Fakt ist, daß es in Hamburg seit Jahren nicht ausreichend gelingt, Kindern und Jugendlichen angemessene, akzeptierte und zukunftsorientierte Angebote zu schaffen, die den Ansprüchen einer Kultur des Aufwachsens genügen, obwohl wir sehr viel Geld dafür ausgeben. Geschlossene oder überfüllte Einrichtungen, verödete Bolzplätze oder triste Provisorien sind etwas, auf das wir nicht stolz sein können. Was wir brauchen, sind vor allen Dingen mehr offene Angebote.

Voraussetzung zur Besserung der Situation, ohne gleich nach mehr Geld zu schreien, wäre unter anderem, endlich die Versäulung in der Jugendarbeit aufzulösen. Jugendhilfe zum Beispiel muß aus einem Guß geschehen und setzt Deckungsfähigkeit und Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Bereiche voraus. Querschnittsaufgabe heißt das bekannte Stichwort.

Fachbehörden, Ämter, Bezirke müssen zusammen und nicht nacheinander arbeiten. Unser Antrag: Zentrum des Jugendrechts, geht in diese Richtung. Zusätzlich weist er auf Synergieeffekte hin, die sich positiv auf die Ausgaben auswirken werden.

Wenn es mir auch keine Freude bereitet, meine Damen und Herren, muß ich dennoch ein paar Worte zum Komplex Hilfen zur Erziehung und hier besonders zu den Vorgängen um den Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung verlieren, weil sie symptomatisch sind.

Abgesehen davon, daß wir alle Jahre wieder um die Auskömmlichkeit der Mittel rätseln, gab es ein Lehrstück über den Umgang des Senats mit gesetzlich vorgeschriebener Chancengleichheit und Prioritätensetzung. Die defizitäre und katastrophale Lage des LEB ist seit langem kein Geheimnis. Nach dem Willen des Senats sollte das Unternehmen durch einen Wechsel in der Geschäftsführung Aufschwung erhalten und die Motivation der Mitarbeiter gestärkt werden. Die Übernahme der Leitung durch einen Mitarbeiter aus dem Amt für Jugend sei:

„... ein Beitrag zur Realisierung der Optimierungsprozesse und zur Entwicklung von Angeboten des LEB, die eine Steigerung der Nachfrage bewirken.“

Wer hatte eigentlich die Aufsicht über den LEB? Die Mitglieder sollen sich wahnsinnig über den neuen Chef gefreut haben, besonders die, die umgehend in die Bezirke abgeordnet wurden.

Bei der erhofften Steigerung der Nachfrage verließ man sich aber keineswegs auf das akquirierende Lächeln des neuen Chefs. In den Bezirken gab es vielmehr eindeutige, zum Teil sogar „fahrlässigerweise“ schriftliche Anweisungen, den LEB bei der Vergabe eindeutig zu bevorzugen. Wen scheren schon gesetzliche Bestimmungen, die eine vorrangige Inanspruchnahme Freier Träger vorschreiben? Aber damit nicht genug. Dem LEB werden im vorliegenden Haushaltsplan noch mindestens 2 Millionen DM „Genesungsgeld“ gewährt, damit das Lächeln des neuen Chefs und der politisch Verantwortlichen erhalten bleibt. Viele Freie Träger würden bei wesentlich geringeren Summen schon in Jubel ausbrechen. Hier muß der Steuerzahler wieder einmal für politische und Managementfehler des Senats aufkommen, zu Lasten vieler junger Menschen in unserer Stadt.

Ein Wort noch zu den vorliegenden Anträgen. Wie gut die CDU-Anträge sind, erleben wir immer wieder, wenn diese

trotz spontaner Ablehnung später wieder in einem anderen Gewand auftauchen. Sie können sich die Mühe und Arbeit des Umschreibens ersparen, wenn Sie gleich heute zustimmen. Mal sehen, ob Sie den Mut dazu finden. Wir lehnen nicht grundsätzlich alle Ihre Anträge ab. Den im Schnittstellenantrag enthaltenen Hinweis an den Senat, endlich die ihm von der Bürgerschaft auferlegten Hausaufgaben zu machen, können wir voll unterstützen. Wir haben dem Anliegen auch vorher schon inhaltlich zugestimmt.

Ihrem Kita-Card-Antrag, in dem der Senat aufgefordert wird, erneut zu berichten, wie er sich das alles vorstellt, kann man hingegen beim besten Willen nicht zustimmen. Weniger wegen der lyrischen Beschreibung der Anlaufphase oder des Eigenlobs oder der Entschuldigungsversuche, sondern weil er einfach zu dünn ist und nicht auf notwendige Fortschritte abzielt.

Mit der Drucksache zum Thema Elternbeiträge soll ein bißchen Statistik abgefragt werden. Das könnte man auch mit einer Kleinen Anfrage. Weiter wollten Sie wissen, ob die demographische Entwicklung von Dezember bis März Auswirkungen auf die Ressourcen hat. Die Frage macht nur Sinn, wenn sich vorher keiner um dieses Feld gekümmert hat. Und dann sind Sie noch neugierig, ob die 100 000 DM teure ISKA-Studie recht hat. Sie wird im März Thema im Ausschuß sein. Ich bin gespannt, ob Sie diesem Antrag wirklich zustimmen werden.

Die REGENBOGEN-Anträge sind typische Anträge, die man stellt, wenn man sicher sein kann, sie nicht selbst umsetzen zu müssen.

(Beifall bei der CDU)

Sie enthalten kleine Wahrheiten, nicht ungeschickt, Frau Sudmann, aber die Finanzierungsvorstellungen zeugen nicht von einer Gesamtverantwortung für unsere Stadt. Sie sind einfach nicht seriös.

Gerade weil wir nicht das Geld haben, auf Kosten nachfolgender Generationen zu leben, müssen wir sorgfältig darauf achten, Programme für Wachstum und Beschäftigung in unserer Stadt nicht durch falschen Mittelabzug zu gefährden. Wir alle stehen in der Verantwortung für die Jugend, und das nicht nur bis zu den nächsten Wahlen, meine Damen und Herren.

Diesen Haushalt lehnen wir ab, weil er kein Garant ist für das, was Kinder und Jugendliche in dieser Stadt erwarten. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Rogalski-Beeck.

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Das war sie wieder, Herrn Harlinghausens Märchenstunde kurz vor Weihnachten.

(Beifall bei der SPD – Rolf Harlinghausen CDU: Ich habe Ihr Redekonzept schon hier!)

Tatsache ist, entgegen allen Schwarzmalereien der CDU im allgemeinen und Herrn Harlinghausen im besonderen

(Rolf Harlinghausen CDU: Das ist eine Diffamie- rung des Oppositionsredners!)

ist es auch im Millenniumsjahr im Kinder- und Jugendbereich nicht zum Kollaps gekommen. Auch im Jahre 2001

(Rolf Harlinghausen CDU)

werden die negativen Voraussagen der CDU nicht eintreten. Aber solche Erfahrungen muß man machen, wenn man der mit Augenmaß und Konsequenz durchgeführten Regierungspolitik nichts Konstruktives entgegenzusetzen hat.

Sie, Herr Harlinghausen, haben das Regierungsprogramm kritisch unter die Lupe genommen. Das gehört zu Ihrer Aufgabe als Oppositionspolitiker.

(Dr. Roland Salchow CDU: Gut, daß Sie das sagen, das hätten wir nicht gewußt!)