An diesen Beispielen erkennen Sie, daß Sparen und Fortschritt nicht zwingend ein Widerspruch sind. Gerade das Projekt „Justiz 2000“ hat gezeigt, daß in gewisser Weise der Sparzwang auch sein Gutes hatte, insofern als er einen schwerfälligen Apparat in der Justiz nachhaltig in Bewegung brachte.
Bei allem, was noch hätte besser sein können oder besser sein kann, gebe ich doch zu bedenken, daß die fünfjährige Laufzeit dieses Projektes genau genommen relativ wenig Zeit war, um im Bereich des Justiz etwas in Gang zu setzen, das einer kleinen Revolution gleichkam.
Trotzdem lassen sich die schwierigen Bedingungen nicht leugnen. Insbesondere die Personalsituation an den Gerichten ist nach meiner Einschätzung an einem Punkt angekommen, an dem nicht weiter gespart werden kann, ohne daß das Funktionieren der Rechtspflege gefährdet ist. Längerfristige Krankheiten können kaum noch aufgefangen werden. Um Vertretungsrichter zur Verfügung zu haben – so hörte ich –, muß eine ganze Zivilkammer aufgelöst werden. Ob das stimmt, kann ich nicht sagen.
Der jetzige Justizhaushalt trägt diesen Zuständen schon Rechnung. Auch die Finanzsenatorin hat vor einigen Tagen in einem Interview für die „Welt“ gesagt:
„Für die ganze Stadt gilt: Wenn wir das Funktionieren der Verwaltung nicht gefährden wollen, müssen wir anfangen, neues Personal einzustellen und die Sparauflagen im Personalbereich auf Null fahren.“
Trotzdem gab und gibt es dazu keine Alternative. Wenn Herr Freytag gestern gesagt hat, daß die Stadt vor diesem Senat und seiner Finanzpolitik geschützt werden muß, dann sage ich: Die Stadt muß vor uferlosen Personalforderungen gerade auch im Bereich der Justiz von der Opposition geschützt werden, deren Folgekosten nämlich wirklich – so ein gestriges Zitat von Herrn Freytag – „die Zukunftschancen der jungen Generation verfrühstücken würden“.
Natürlich würde auch ich mir in vielen Bereichen mehr Personal – zum Beispiel Gerichtsvollzieher – wünschen. Wenn das aber nicht nach dem Motto gehen soll: Ich wünsch mir was von der guten Märchenfee, dann muß ich auch sagen, wovon ich das finanzieren will.
Ich muß die Härten der Gegenwart gegen die der Zukunft abwägen, wenn die nächste Generation mit den Pensionsund Personallasten für das jetzt eingestellte Personal konfrontiert wird, ganz abgesehen von der Frage, wovon wir das jetzt finanzieren und woher wir die Gerichtsvollzieher nehmen sollen, die noch nicht ausgebildet sind. Wir können das nicht so machen, wie Adam und Eva, indem wir sie uns aus den Rippen schnitzen.
Ich kann nur das wiederholen, was unsere Fraktionsvorsitzende gestern gesagt hat: Die CDU verweigert die Debatte über die inhaltliche Veränderung und beschränkt sich auf populistische Platitüden.
Der Gipfel dieser Methode war die Aussage des CDUFraktionsvorsitzenden von Beust: Alle Gerichtspräsidenten und auch die Generalstaatsanwältin seien Mitglieder der SPD; sie machen noch nicht einmal vor der Justiz halt. Was unterstellen Sie den Genannten damit? Daß die ganze Justiz parteiisch ist, im Sinne von der SPD gekauft? Das ist absurd und beleidigend für die Beteiligten und Betroffenen.
Für einen Antrag der CDU habe ich ein wenig Sympathie. Das ist der zu den Familiengerichten. Zu Beginn der Haushaltskonsolidierung schien der Plan vernünftig, das Amtsgericht Mitte – das Familiengericht ist ein Teil davon – in mehrere Teile, in kleinere, überschaubare Einheiten zu zerlegen. Angesichts der Auswirkungen der Konsolidierung insbesondere im Personalbereich ist meiner Ansicht nach ein Überdenken dieser Pläne erforderlich.
Die Verlegung eines gut funktionierenden Gerichts auf mehrere Standorte erscheint mir doch problematisch. Aber ich weiß, daß in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, und ich glaube nicht, daß dieses Problem
durch einen förmlichen Antrag zu lösen ist. Vielmehr muß es in der Diskussion mit allen Beteiligten gelingen, eine Lösung zu finden.
Damit bin ich beim Ausblick. Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle die Fortsetzung einer modernen, liberalen Justizpolitik gefordert, die auf mehr als blindwütiges Strafen setzt. Das wird im nächsten Jahr mehr als nötig sein. Es ist zu befürchten, daß das Thema Justizpolitik von den Thesen eines rechtsradikal angehauchten Richters dominiert werden wird, der sich selbst als Politpopstar sieht.
Die Grundlage für eine moderne Justiz hat Rotgrün in den vergangenen Jahren gelegt. Darauf können wir aufbauen, mit einem kritischen Blick für drohende Fehlentwicklungen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es gestern während der Generaldebatte schon erlebt: Die Opposition in Hamburg hat es schwer, und zwar deswegen, weil diese Stadt, dieses Land gut regiert wird.
Das gilt auch und gerade für die Justiz, denn sie läuft im großen und ganzen reibungslos, lautlos und gut; Ausnahmen gibt es immer, sie gibt es auch bei uns. Aber insgesamt ist es so, daß sie ihre Aufgabe nicht nur erfüllt, sondern sie tut es in einer Weise, wie ich es von einer Justiz erwarte: Sie tummelt sich nicht ständig in der Tagespolitik.
Krawalle und Katastrophen wie anderswo, insbesondere in Ländern, in denen die CDU die Verantwortung für die Justiz hat, gibt es in Hamburg Gott sei Dank nicht.
Was tut in dieser Situation die Opposition, vor allem ihr rechtspolitischer Sprecher, der von sich selbst meint – ich zitiere aus einem Schreiben von ihm –,
„seit Beginn dieser Legislatur die Verantwortung für die Justizpolitik der Stadt übernommen zu haben“?
Malt dieser Verantwortliche ein anderes, besseres Bild einer funktionierenden Großstadtjustiz einschließlich des Vollzuges? Entwirft er kompetentere Szenarien? Hören wir von Visionen, von Planungen, die realistisch und zugleich geeignet sind, die Justiz in Hamburg zukunftsfähig zu machen, zu gestalten und zu erhalten? Nichts von alledem. Es gilt wie bisher das Gebot des ganz kleinen Karos, der ganz kurzen Ellen.
Im ersten Teil sagen Sie: Die Justiz in Hamburg geht unter; das haben wir gerade eben gehört. Gründe für das Untergehen: Der Stellenabbau sei viel zu rigoros, und deshalb könne die Justiz nicht funktionieren; die Eingänge seien nicht zu schaffen; die Verfahrensdauer sei indiskutabel; die Sicherheit sei gefährdet. Und alles deswegen, weil die Justiz nicht in guten Händen sei.
Der zweite Teil Ihrer Rede ist im allgemeinen den persönlichen Angriffen gewidmet. Das wird, so nehme ich an, noch kommen, und deswegen will ich diesen Teil überspringen.
Der dritte Teil pflegt sich im allgemeinen damit zu beschäftigen, was Sie alles verhindern wollen; das erklären Sie auch in regelmäßigen Abständen den Medien. Dazu komme ich jetzt. Ich fange mit dem ersten Kapitel an: Die Justiz geht schon wieder unter.
Zwar haben wir einen Stellenabbau und auch teilweise höhere, teilweise aber auch deutlich geringere Eingänge bei der Justiz; das ist nichts Ungewöhnliches und gilt für alle Bundesländer.
Aber schlüssig wäre Ihr Katastrophenszenario und die Forderung massiver Stellennachführungen natürlich nur, wenn zum Beispiel die Dauer der Verfahren merklich und unzumutbar gestiegen wäre; das ist aber gerade nicht der Fall.
Auch die von Ihnen gerade jetzt herausgebrachte Broschüre, die wir gestern in den Händen halten durften, belegt dies keinesfalls, und zwar schon deswegen nicht, weil Sie im wesentlichen auf veraltete Zahlen zurückgegriffen haben.
Als Gradmesser könnten wir die Dauer der Verfahren heranziehen. Bei den Amtsgerichten haben wir 1999 eine durchschnittliche Verfahrensdauer – die Zahlen des Jahres 2000 liegen noch nicht vor – von 4,7 Monaten. In den Ländern Hessen, Saarland, Berlin, Brandenburg, überall dort, wo die CDU das Justizressort innehat, dauern die Verfahren wesentlich länger.
Das gleiche gilt für Strafsachen der Amtsgerichte; hier sind die Zahlen für das Jahr 2000 deutlich günstiger. Darüber wollten wir nur nicht „herumstruntzen“.