Protocol of the Session on April 25, 2001

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Zu der Zufriedenheit über die Teilnahmebeiträge und der Frage des Einkommensbegriffs nach dem BSHG kann ich nur ständig wiederholen, daß diese eigentlich immer so gewesen sind. Es sind nur Änderungen im Hinblick auf das Kindergartengesetz erfolgt. Diese machen einen gewissen Sinn in der Logik, wenn man sich rechtlich bei der Betreuung von Kindern nicht in zwei unterschiedlichen Bemessungssystemen befinden will. Ich begrüße sehr, daß dies vereinheitlicht wird.

(Rolf Harlinghausen CDU: Über 50 Prozent Er- folgsquote!)

Im übrigen ist auch Ihrer eigenen Anfrage zu entnehmen, Herr Harlinghausen, wie hoch die Zahl – das ist ein Kriterium, um die Zufriedenheit zu messen – der Widersprüche gegen die Teilnahmebeiträge gewesen ist.

Sie wissen selbst, daß es bei 60 000 Bewilligungsbescheiden – das ist aus der Antwort Ihrer Anfrage im Jahr 2001 hervorgegangen – nur 190 Widersprüche gab. Ich glaube, das spricht für sich.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Heike Sudmann – REGENBOGEN – für eine neue Linke:* Wahlkampfzeit kann auch etwas Positives sein. Sie scheint das Denken zu fördern und den Kopf etwas freier zu machen.

(Barbara Duden SPD: Aber nicht bei allen!)

In den letzten drei Jahren haben wir immer gehört: Es gibt eine sinkende Nachfrage bei den Kindertagesbetreuungsplätzen, das Kita-Card-System kann eingeführt werden, weil es nur dann funktioniert, wenn die Nachfrage sinkt.

Im November wurde der Bürgerschaft die ISKA-Studie offiziell vorgelegt, die davon spricht, daß circa 17000 Plätze in der Kindertagesbetreuung fehlen, was jedoch von der SPD und GAL angezweifelt wurde. Sie meinten, daß diese Studie so nicht gesehen werden könne und die Zahlen nicht richtig seien. Jetzt befinden wir uns in der heißen Wahlkampfphase, und plötzlich kann die SPD rechnen und denken. Sie merkt, daß Plätze fehlen.

Sie zitieren aus dem SPD-Wahlprogramm, aber leider nicht aus der Drucksache, weil in der Drucksache nicht steht, daß wesentlich mehr Geld für die Kindertagesbetreuung aufgewendet werden soll. Der Presse entnehme ich, daß die SPD vorhat, hier mehr Geld zur Verfügung zu stellen, weil das Geld nicht reichen wird, um die fehlenden Plätze anzubieten.

Herr Böwer, das haben Sie nicht gesagt. Sie reden zwar von 100 oder 150 Millionen DM, sie sagen aber nicht, welche Plätze sie wo anbieten wollen. Auch das ist wieder eine Mogelpackung, die aber im Wahlkampf wohl gut ankommt.

Aber nicht die SPD, sondern auch die GAL hat ein Problem.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Und REGENBOGEN auch!)

Einigen von uns ist heute vielleicht aufgefallen, daß anders als sonst eine andere Sprecherin zu diesem Thema geredet hat. Frau Deuter hat im Wahlkampf immerhin erkannt, daß das Tolle, was sie vehement bis aufs Messer verteidigt hat, eben nicht toll ist. Auch sie scheint in Wahlkampfzeiten etwas klarer zu denken. Sie hat festgestellt, daß die Kita-Card weder sozial gerecht ist noch die wenigen Dinge, die sie überhaupt gewollt hat – zum Beispiel, die Definition der Berufstätigkeit sehr weit zu fassen –, nicht mehr stattfinden.

Bei der Koalition scheint es allem Anschein nach nur im Wahlkampf so zu sein, die Ansätze ein wenig zu verändern.

Wenn wir uns die Drucksache zum Zwischenstand der Kita-Card ansehen, dann stellen wir fest, daß die Hauptprobleme weiterhin bestehen – die von allen Verbänden kritisiert wurden, Herr Böwer –, wonach die Vergabe des jeweiligen Platzumfanges geregelt werden soll.

Sie schreiben sich die Förderung der Berufstätigkeit auf die Fahnen; das unterschreiben wir sofort. Sie sagen aber nicht, was mit den Kindern passiert, die aus sozialen und pädagogischen Gründen einen besonderen Bedarf haben. Diese Kinder werden weiterhin gegeneinander ausgespielt.

In der Drucksache, die viele verschiedene Alternativen aufweist, wird unter anderem dargestellt, daß Sie im Rahmen von Ermessensentscheidungen in einem eng begrenzten, durch einen dringlichen sozialen und pädagogischen bedingten Bedarf gekennzeichneten Bereich bestimmten Kindern den Vorrang einräumen.

Das ist schon absolut eng definiert. Dann wird aber gesagt, wenn diese Kinder nach einem Jahr – das ist die normale Bewilligungszeit – immer noch einen Bedarf haben, ist es bei der Anschlußbewilligung noch schwieriger, das weiter

zu bewilligen. Das heißt, die sozialen und pädagogischen Bedarfe spielen weiterhin bei Ihnen eine absolut untergeordnete Rolle. Das nenne ich sozial unausgewogen. Das ist auch keine sozialdemokratische Politik. Das ist eine Politik, die zu Lasten der Schwachen geht, und das darf nicht stattfinden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Herr Böwer hat heute Ausflüge in die weite Welt gemacht. Er ist in den Süden dieser Republik gegangen und hat zwischendurch auch einmal gewagt, den Vergleich mit den europäischen Staaten zu ziehen. Ich habe mich etwas gewundert, daß Sie ein EU-Programm nicht genannt haben. Es gibt ein EU-Aktionsprogramm, das alle EU-Länder unterschrieben haben – auch Deutschland –, mit dem sich alle Länder verpflichten, 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Kindertagesbetreuung zur Verfügung zu stellen. Wenn man diese Prozentzahl auf Hamburg herunterrechnet, ist es für Hamburg eine Ausgabe in Höhe von circa 1,5 Milliarden DM, die nach diesem EU-Programm für Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt werden müßte. Zur Zeit liegen wir bei 580 Millionen DM. Wenn die SPD ihr Wahlkampfversprechen nicht zu einem Versprecher werden läßt, sind es dann vielleicht 680 Millionen DM, also noch nicht einmal die Hälfte von dem Programm. Das heißt, nach EU-Vorgaben müßte hier sowieso eine ganz andere Politik stattfinden. Diese andere Politik müßte aus unserer Sicht so aussehen, daß nicht nur die notwendige Zahl der Plätze geschaffen wird, sondern daß auch die Qualitäten, die wir von einer Kindertagesbetreuung erwarten, geboten werden. Für uns heißt Kindertagesbetreuung, daß es ein Bildungsangebot ist, das wie Schule für alle Kinder zugänglich sein muß, das nicht Kinder von armen Eltern ausschließen darf. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, daß dieses EU-Aktionsprogramm auch in Hamburg Anwendung findet und daß es in Hamburg möglich ist, allen Kindern eine Kindertagesbetreuung zugänglich zu machen. Ich bin gespannt, wie Sie das im Wahlkampf bekämpfen wollen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Senatorin Pape.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kita-Card gehört zu den umfassendsten Modernisierungsvorhaben, die wir in dieser Stadt betreiben. In der Drucksache berichtet der Senat eben nicht über abschließende Ergebnisse. Insofern, Frau Sudmann, sind auch Ihre Interpretationsversuche einfach nicht auf festem Boden. Der Senat berichtet hier – wie von der Bürgerschaft gewünscht – über den gegenwärtigen Stand dieses Projektes.

Ich bin sehr froh darüber, daß dieses Projekt eine ausgesprochen positive Resonanz bei der überwiegenden Mehrheit der großen Träger gefunden hat. Ich möchte deswegen an dieser Stelle festhalten, daß der erreichte Stand auch der sehr konstruktiven, engagierten Mitarbeit vieler Menschen aus diesen Verbänden der Träger zu verdanken ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Harlinghausen, es ist bezeichnend, daß Sie sich auf eine Stellungnahme von vor Jahren, bevor es überhaupt losgegangen ist, beziehen. Das zeigt allerdings auch, daß Sie anscheinend keine neueren Informationen haben,

(Heike Sudmann – REGENBOGEN – für eine neue Linke)

A C

B D

(Rolf Harlinghausen CDU: Ich erinnere mich gerne daran, was Ihre Vorgängerin gesagt hat!)

denn sonst müßten Sie eigentlich wissen, in welchem Umfang sich auch die Träger darauf eingestellt haben, inwiefern sie dieses Projekt auch zu ihrem machen und sich darauf vorbereiten. Ich finde das sehr positiv. Das zeigt, daß, wenn man sich zusammen auf einen Weg macht, man auch gute Chancen hat, auf diesem Weg voranzukommen.

Kita-Card hat nicht nur innerhalb unserer Stadt, sondern auch außerhalb hohe Aufmerksamkeit. Wir haben immer wieder Anfragen aus Länderministerien, aus zahlreichen Großstadt-Jugendämtern und vor allen Dingen auch aus dem zuständigen Bundesministerium. Das freut uns natürlich, denn in all diesen Stellen wird der hamburgische Reformansatz für zukunftsweisend gehalten. Man möchte, daß er möglichst schnell in die Praxis umgesetzt wird, damit man davon lernen kann. Ich darf Ihnen versichern: Hamburg ist hier Vorreiter.

Die Kindertagesbetreuung hat in Hamburg im vergangenen Jahrzehnt einen beispiellosen Ausbau erfahren. Der Platzbestand wurde um 40 Prozent erweitert. Wir verfügen über ein besseres Leistungsangebot als alle anderen westdeutschen Bundesländer und Großstädte. Wie überregionale Vergleiche zeigen, gilt das nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht.

Die Beteiligung der Eltern an den Kosten der Kindertagesbetreuung hält sich in Hamburg – auch im Bundesvergleich – in einem vernünftigen Rahmen. Richtig ist, daß Hamburg hohe Maximalbeiträge erhebt. Richtig ist aber auch, daß der überwiegende Teil der Eltern nur die Mindestbeiträge bezahlt, nämlich zwischen 55 und 68 Prozent, denn starke Schultern können mehr tragen als schwache. Wenn Sie von der CDU von diesem Prinzip abrücken und das Beitragssystem zu Lasten der Schwächeren ändern wollen, dann müssen Sie das sagen oder Sie müssen sagen, daß Sie Plätze abbauen wollen. Deswegen haben Sie das anscheinend vorhin auch nicht so deutlich vertreten wie voriges Mal. Ich stelle fest, daß Sie sich offensichtlich ein ganzes Stück verändert haben in dieser Position.

(Rolf Harlinghausen CDU: Wollen Sie leugnen, daß Kinder abgemeldet werden, weil die Beiträge zu hoch sind?)

Interessant finde ich die Ankündigung, einen Antrag einzubringen, nach dem das Bundessozialhilfegesetz nicht die Basis für die Zugrundelegung der Einkünfte sein soll. Das finde ich hochinteressant von einer Partei wie der Ihrigen, denn es handelt sich bei diesem System um eine Bezuschussung von Eltern. Daß Sie, die Sie sonst immer die Gefahr des Sozialmißbrauchs wittern, ausgerechnet hier den Bezug auf das Bundessozialhilfegesetz nicht haben wollen, finde ich hochinteressant. Ich bin ganz sicher, daß Sie darüber noch einmal nachdenken werden, ehe Sie den Antrag hier vorlegen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Sie lenken ab!)

Meine Damen und Herren! Unser Leistungsangebot ist insgesamt sehr gut, aber wir wollen noch besser werden. Für berufstätige Eltern und Alleinerziehende wollen wir die Kinderbetreuung schrittweise sicherstellen, auch für Kinder bis zum dritten Lebensjahr und für Schulkinder. An dieser Stelle darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß das Programm des Senats nicht mit dem Wahlprogramm der SPD identisch ist. Die SPD – das darf man an dieser Stelle auch noch einmal sagen – muß ja zunächst auch einmal die Wahl gewinnen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Hören Sie auf mit Ihren leeren Versprechungen!)

Insofern haben wir an dieser Stelle unsere Absichten hineingeschrieben, die wir zu diesem Zeitpunkt garantieren können.

Meine Damen und Herren! Kita-Card steht auch für moderne Steuerungsinstrumente, damit die finanziellen Ressourcen effizienter eingesetzt werden. In Zukunft steht die Förderung von Kindern im Mittelpunkt und nicht die der Leistungsanbieter. Die zentrale Planung und Steuerung bis ins Detail wird abgelöst von der nachfrageorientierten Anpassung. Die Träger erkennen hierin keineswegs nur Risiken, sondern auch viele Chancen der Profilierung.

Bei der Komplexität des Gesamtprojektes ist es nicht verwunderlich, daß die Erörterung und Entwicklung Zeit braucht und manche Differenzen, aber – das soll an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden – auch manche Interessengegensätze durch Versachlichung ausgeräumt werden müssen. Bis zum angestrebten Starttermin, dem Kindergartenjahr 2003, sind noch einige offene Fragen zu bearbeiten und die notwendigen technischen Neuerungen so gründlich vorzubereiten, daß Umstellungsprobleme möglichst vermieden werden können. Schon heute wird an konkreten Vorbereitungen gearbeitet. Das betrifft die Präsentation der Kitas, die Fortbildung und die Fachberatung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im nächsten Monat geht ein neues EDV-gestütztes Bewilligungsverfahren in Betrieb. Das Abrechnungs- und Controllingsystem wird darauf aufgebaut werden.

Meine Damen und Herren! Wir wollen die verbleibende Zeit für eine intensive, sachorientierte Diskussion der noch zu klärenden Fragen nutzen, die in der Drucksache im einzelnen dargelegt werden. Ich bin zuversichtlich, daß es gelingen kann, auch in diesen noch schwierigen offenen Fragen gemeinsam mit den Trägern weiter nach Antworten zu suchen. Ich bin sicher, daß das Projekt ein Erfolg wird. Wir sind auf einem guten Wege dahin.