Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtigerweise wird in der Großen Anfrage darauf hingewiesen, daß vornehmlich ältere und behinderte Menschen bei der Regelung ihrer finanziellen Dinge immer noch großen Wert auf personengestützte Dienstleistungen legen, die aber durch die zunehmende Automation und Rationalisierung erheblich eingeschränkt worden sind. Frau Dr. Freudenberg hat das Beispiel mit der Frau Schneider gebracht. Ich kenne die Frau Schneider nicht, aber es gibt sicherlich einige Frau Schneider in der Stadt.
Dennoch sollten wir auch den aktuellen Stand zur Kenntnis nehmen, Frau Dr. Freudenberg, und zwar, daß am 8. April 2001, und zwar im Bundestag in Berlin, das SGB IX, welches am 1. Juli in Kraft tritt, verabschiedet worden ist, auch mit Ihrer Partei, also in der Koalition SPD/Grüne.
In diesem von uns allen geforderten SGB IX vollziehen wir in der Behindertenpolitik einen qualitativen Sprung. Wir lösen uns stark vom fürsorgerischen Denken. Darüber kann man denken, wie man will. Dieses war in unserer sozialstaatlichen Tradition sicher sehr wichtig und unverzichtbar für den Ausbau vieler Einrichtungen und Strukturen gerade in der Behindertenhilfe. Dieses wird sich aber jetzt ändern, und die Behindertenpolitik wird sich einem Wandel unterziehen müssen. Wir arbeiten auf den gewöhnlichen Alltag hin, in dem die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch im Umgang mit Institutionen und Erbringern von Dienstleistungen stattfindet. Die Lösungen des SGB IX stellen damit einen großen politischen und gesellschaftlichen Fortschritt für die soziale Teilhabe, aber auch für die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen dar.
Um auf die Große Anfrage zurückzukommen: Ja, es hat in den letzten Jahren einen Strukturwandel in der Kreditwirtschaft, aber nicht nur dort – denkt man an die Post oder die noch im Umbruch befindliche Bundesbahn – gegeben. Der verstärkte Ausbau der elektronischen Dienstleistungen, die Einrichtung von Selbstbedienungsterminals in Einkaufscentern – wir begegnen diesen jeden Tag, überall kann man das Geld irgendwo abheben –, die von vielen genutzte, weil eben zeit- und ortsunabhängige Ausweitung von Online, Telefon oder Internet-Banking-Möglichkeiten und die parallel damit verbundene Abnahme des Kundenbesuches in den Filialen hat zu der auch von Ihnen genannten Abnahme der Bankfilialen von 1996 bis 2000 von 8,9 Prozent geführt. Das stimmt sehr wohl. Nach Einschätzung von Insidern ist sogar noch mit weiteren Maßnahmen zu rechnen.
Nachdem ich die Große Anfrage durchgelesen habe, gibt es nicht nur Negatives festzustellen. Sie selber haben es hier auch deutlich gemacht. Zum Beispiel das Verhalten der Marktführerin in Hamburg, der Haspa. Obwohl es auch hier zu Zusammenlegungen und Schließungen einzelner Filialen gekommen ist, ist das Gesamtnetz sogar noch ausgebaut worden. Während es 1996 215 Geschäftsstellen und sechs Kundencenter gab, sind im März 2001 212 Geschäftsstellen, zwar drei weniger, aber 50 Kundencenter sowie 20 Außenstellen dieser Kundencenter neu geschaffen worden. Hier sieht man deutlich, wie der sogenannte Markt funktioniert. Dort, wo notwendig, wird aufgestockt, anderswo reduziert und alles unter dem Motto „ergebnisorientiert“. Dieses kennen wir sicherlich auch aus
anderen Branchen. Wir diskutieren sehr häufig darüber, und ich als alter Gewerkschafter weiß, wovon ich rede.
Bei der Deutschen Post ist anzumerken, wenn man denn vom Positiven spricht, daß auch in Zukunft an Automaten anderer Geldinstitute kostenlos Bargeld abgehoben werden kann und zusätzlich durch die Einrichtung vieler Center-Filialen der Service und das Beratungsangebot sogar noch verbessert werden sollen. Ganz so dramatisch, wie es beim Lesen der Großen Anfrage erscheint, ist es offensichtlich wohl doch nicht, obwohl nicht zu verkennen ist, daß es sehr wohl – und Sie haben darauf hingewiesen – bestimmte Gruppen gibt, die benachteiligt sind.
Interessant ist natürlich die Frage, was wir politisch bewirken oder unterstützen können. An erster Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß die von der BAGS einberufene Kommission zur Feststellung der Gesetzesüberprüfungen – weil Sie das angesprochen haben –, Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes, keine diskriminierenden Übertretungen in Hamburg gefunden hat. Dies wäre dann offensichtlich auch wohl verfassungswidrig gegenüber dem Grundgesetz gewesen, aber offensichtlich sind keine Übertretungen gefunden oder zumindest nicht so deklariert worden.
Dann ist zu begrüßen, obwohl Sie ein bißchen versucht haben, das abzuwerten, daß der Senat alle Anstrengungen unternimmt, um auch Ältere und Behinderte in die neue Wissensgesellschaft mit einzubeziehen, indem er mit Unterstützung der Deutschen Telekom das Modellprogramm „Hamburger Senioren ins Internet“ ins Leben gerufen hat. Hier sind vorerst zwar nur zehn Altentagesstätten mit Internetanschlüssen ausgestattet, aber wie man mir gesagt hat, soll dieses Programm noch ausgeweitet werden. Es ist interessant, wie dieses Angebot genutzt wird.
Ich bin kürzlich bei der Eröffnung einer Internettagesstätte in Harburg gewesen, im „Treffpunkt Älter werden“, dem Verein, den ich selber gegründet habe. Dieser Verein arbeitet mit dem Verein „Behindertenhilfe“ zusammen. Es waren als erstes Behinderte, die dort an den Terminals gearbeitet haben. Es war für mich überraschend, mit welcher Wißbegier, mit welcher Freude die jungen Behinderten daran gesessen und gearbeitet haben, aber auch die älteren. Die haben dann den Jungen ein bißchen über die Schulter geguckt. Das ist allgemein üblich, und das weiß man auch. Wer sich damit beschäftigt und sich einmal in den Seniorentagesstätten umschaut, wo solche Computer stehen, wird feststellen, daß die Leute keine gewaltige Scheu davor haben, sondern neugierig sind. Aber nicht nur wißbegierige ältere Menschen, sondern auch viele junge nutzen dieses Angebot.
Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin) (unterbrechend): Herr Witte, darf ich Sie einmal unterbrechen. Sie reden sehr in das linke Mikrofon. Mir wird ein Zeichen gegeben, daß man Sie auf der rechten Seite gar nicht versteht. Das Geheimnis ist, in der Mitte zu stehen.
Es ist schon spannend und macht Spaß zuzusehen, mit welchem Interesse, auch von Älteren und Behinderten, geübt und gearbeitet wird.
Es hat noch weitere Vorteile, meine Damen und Herren, denn auch die meisten Älteren sind noch lernfähig. Frau Dr. Freudenberg, jetzt gucke ich Sie an. Alle, die sich sonst auf andere verlassen mußten, wenn es um Bankgeschäfte ging, sind nach Einübung in der Lage, ihre Geschäfte wieder selbst zu erledigen oder in die Hand zu nehmen, sofern sie sich mit der Technik ausrüsten und dann auch daran teilnehmen. Eines steht fest: Diese neue Technik ist ein unaufhaltsamer Weg in die Zukunft. Je mehr wir darauf hinarbeiten, diese neuen Medien auch für Ältere und Behinderte zu öffnen, desto mehr kommen wir dem Gedanken des selbstbestimmten Lebens, den wir eigentlich alle anstreben, näher. Dies wäre begrüßenswert und entspricht auch den Wünschen der benachteiligten Menschen. Dazu gehört aber, daß viele ältere Menschen erst einmal ihre Scheu vor dieser Technik überwinden und sich damit intensiver befassen.
Ich hätte Ihnen gerne noch etwas zu der Gemeinnützigkeit gesagt, die Sie angesprochen haben. Aber soweit ich der Antwort des Senates entnehmen konnte, sieht der Senat das doch etwas anders, als Sie es hier geschildert haben. Ich bin aber zu sehr Laie, um das genau beurteilen zu können. Deshalb begrüße ich es auch, daß wir das in den Wirtschaftsausschuß geben. Dort sind sicherlich die Fachleute, die das wahrscheinlich besser beurteilen können. – Danke schön.
Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin): Als nächstes hat Herr Schira das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ganz kurz zu Ihnen, Herr Witte. Es ist insoweit alles richtig, aber trotzdem finde ich den Ansatz, den Frau Dr. Freudenberg hineingebracht hat und damit diese Thematik in dieses Licht gerückt hat, sehr wichtig. Die fortschreitende Automation, die sicherlich zu vielen Vorteilen führt, wie Sie auch anführten, Herr Witte,
zum Beispiel einen Gewinn an mehr Freizeit, wenn man sich dann nicht von anderen Dingen vereinnahmen läßt, was leider oft der Fall ist, führt eben auch bei den aktuell jetzt älteren Menschen zu Verunsicherungen und Einschränkungen, wie Frau Dr. Freudenberg richtig sagte, der Autonomie von älteren und insbesondere behinderten Menschen. Wenn Sie sich zum Beispiel das Handling mit solch einer Geldmaschine vorstellen, dann geht es auch uns „jüngeren“ Menschen manchmal so. Was haben wir alles für Pin-Nummern und Kennworte. Wir wissen manchmal gar nicht, wo die Sachen sind, schreiben sie uns dann auf, legen sie ins Portemonnaie, und der Geheimnischarakter ist gleich null. Da gibt es Schwierigkeiten, natürlich insbesondere bei älteren Menschen. Wir können da mit Eselsbrücken arbeiten, Geburtstage oder ähnliches. Das ist dann ganz leicht herauszubekommen.
In Hamburg sind in den letzten Jahren circa 74 Kundenfilialen der Sparkassen und Banken geschlossen worden, und dafür kann der Senat – das gebe ich zu – nicht allzuviel. Aber mein Eindruck ist schon, daß die Antwort auf die
Große Anfrage nicht allzuviel Inhaltliches zutage gefördert hat. Immerhin konnte ich zumindest entdecken, daß es eine Kommission der BAGS gegeben hat, die nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes letztes Jahr eine Überprüfung der landesgesetzlichen Regelungen und Verordnungen dieser Stadt auf Benachteiligung von älteren und behinderten Menschen vorgenommen hat. Was dabei herausgekommen ist, teilt uns der Senat leider nicht mit, so daß wir parlamentarisch dort sicherlich auch noch einmal nachfassen müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Senat weist meiner Auffassung nach keine Mittel, keine Wege, keine Perspektiven für ein Mehr an Autonomie für ältere und behinderte Menschen in unserer Stadt auf. Ich finde, man hätte von einer Regierung mit solch einem großen Apparat – viele sagen ja auch, einen aufgeblähten Apparat – erwarten können, daß sie hier mehr hätte zutage fördern müssen. Wir als CDU haben diese Erwartung eigentlich nicht gehabt. Wir sind ja die Alternative zur jetzigen Regierung,
und wir wissen schon sehr gut, daß wir die bessere Politik für die älteren und behinderten Menschen in unserer Stadt machen.
(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Das ist aber der dritte Anlauf! – Zuruf von Dr. Martin Schmidt GAL)
Das kann ich Ihnen, Herr Dr. Schmidt, auch in ganz konkreten Initiativen der CDU beweisen. Wir haben nämlich einen Antrag für vorbereitende Trainingsmaßnahmen für sehbehinderte Menschen, was den Umgang mit dem Euro angeht, hier in das Parlament eingebracht, wir haben Wahlschablonen für sehbehinderte Menschen politisch gefordert, und diesen exemplarischen Initiativen – Sie mögen noch sehr darüber lachen – haben Sie nachher, weil Sie gar nicht mehr anders konnten, im Sozialausschuß zugestimmt. Ich finde, das ist ein Beweis dafür, daß die eine oder andere Initiative der CDU doch noch mal von Ihnen angenommen wird.
Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen, daß wir noch einen wunderschönen Antrag im Sozialausschuß anhängig haben. Dabei geht es um spezielle Großschriften für Formulare und Info-Broschüren, und der ist wiederum, finde ich, so gut, daß Sie eigentlich mit gutem Gewissen nicht nein sagen dürfen, obwohl Sie das in letzter Zeit oder insgesamt in diesen Jahren hier in Hamburg ständig machen. Ich möchte damit nur sagen, daß wir uns mit ganz konkreten, lebensnahen Dingen befassen und diese für den Bürger in dieses Parlament einbringen, und wir sind kreativ dabei. Diese Kreativität hat der Senat zum wiederholten Male selbst beim Antworten auf Große Anfragen vermissen lassen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Fragestellung, über die wir heute reden, ist eine ganz wichtige. Deshalb ist es gut, daß diese Große Anfrage gestellt worden ist. Es ist natürlich nicht so gut, wie sie beantwortet wurde. Die Fragestellung betrifft immer mehr Menschen in dieser