Willi Witte

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses wird heute meine letzte Rede in diesem Parlament sein, und ich bin froh, daß ich noch einmal über ein Thema reden darf, welches mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Wir alle wissen, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die große Herausforderung unserer Gesellschaft ist. Dieses gilt im ganz besonderen Maße für die Arbeitslosigkeit bei Behinderten. Dieses hat auch die Bundesregierung sehr schnell erkannt und hat mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Veränderung im SGB IX gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeit erste Schritte unternommen und in einer Kampagne 50 000 neue Jobs für Schwerbehinderte geschaffen, um dagegenzusteuern.
In Hamburg war man etwas schneller – wir sind es ja schon gewohnt – und hat schon 1999 im Rahmen des Hamburger Dialogs ein Aktionsprogramm beschlossen. Erarbeitet
wurde dieses Programm von Vertretern der BAGS, den Wohlfahrts- und Wirtschaftsverbänden, den Gewerkschaften und von Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Schwerbehindertenvertretung sowie zehn kleineren Behindertenverbänden und der Organisation der Behindertenhilfe, die sonst nicht Mitglied im Hamburger Dialog für Arbeit und Soziales sind. Das Aktionsprogramm gliedert sich in drei Aktionsfelder, wie auch aus der Senatsmitteilung ersichtlich ist.
Zunächst geht es um die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder, um Informationen und die Verbesserung der Vermittlung sowie der vielfältigen finanziellen Anreize bei der Einstellung.
Der zweite Bereich umfaßt den gesamten Komplex Qualifizierung, Bildung und Weiterbildung.
Der dritte und letzte Bereich zielt besonders auf die Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen und deren Ansprüche auf Eingliederungshilfe nach BSHG. Er weist aber auch auf die vielfältigen Hilfen durch die Hauptfürsorgestelle, die Beratungsstellen der BAGS und des Arbeitsamtes hin sowie auf deren Vernetzung mit den Partnern des Hamburger Dialogs.
Erfreulich ist, daß zeitnah durch die BAGS, das Arbeitsamt und das BMA sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds 8,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden konnten. Weitere Mittel sind oder sollen bewilligt werden. Wie wir aus der Stellungnahme des Senats ersehen können, hat es in den drei Bereichen bereits eine Reihe von Aktionen gegeben, wofür ich mich von dieser Stelle aus bei allen beteiligten Akteuren bedanken möchte.
Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht, daß innerhalb des Programms für die unterschiedlichen Gruppen der behinderten Menschen Projekte, auch auf die unterschiedlichen Behinderungen bezogen, durchgeführt werden.
Nun stellt sich natürlich schnell die Frage, inwieweit das Projekt bisher erfolgreich gewesen ist. Auch wenn die Umsetzungsphase noch anhält, kann man schon erste Erfolge verbuchen. Zu Beginn der Aktion waren in Hamburg knapp 3900 schwerbehinderte Männer und Frauen arbeitslos gemeldet. Das Ziel, konkurrierend mit dem 50 000-Programm, ist es, diese Zahl bis Ende 2002 um 1000 Personen zu verringern. Bis Ende Mai 2001 waren wir bei 3360 arbeitslosen Schwerbehinderten, also zwar noch 486 über dem gesetzten Ziel bis Ende 2002, aber wie Sie sehen, ist die Entwicklung erfreulich und hat auch eine gewisse Kontinuität gewonnen.
Dennoch glaube ich, daß es immer noch zu viele mentale Barrieren gibt. Viele glauben immer noch, einen behinderten Menschen einzustellen wäre unheimlich kostenintensiv. Allein der Aufwand, den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten, hält viele Arbeitsgeber davon ab, Behinderte einzustellen. Ich füge noch an, was der Preisträger des im Bericht erwähnten Integrationspreises, Herr Dr. Kretschmer, Geschäftsführer der Firma Manfred Schwab, Maschinenbau – das ist übrigens eine Firma mit elf Angestellten, wovon sechs Schwerbehinderte sind –, bei seiner Dankesrede sagte: Er höre immer wieder von Unternehmerkollegen, daß sie auch gern einen Behinderten einstellen würden, aber nicht wüßten, wie sie ihn wieder loswerden. Jetzt frage ich einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn ich jemanden einstellen will, stelle ich ihn dann ein, um gleich wieder zu fragen, wie ich ihn wieder loswerde?
Aber genau auf diesen Aspekt zielt unser Aktionsprogramm, aufzuklären und das Denken in den Köpfen zu verändern. Dieses ist meiner Meinung nach vielleicht der wichtigste Schritt, um die Integration weiter voranzutreiben. Ich hoffe und glaube, daß wir dem Ziel mit diesem Programm etwas näherkommen werden, allein schon im Interesse der betroffenen Menschen.
Ich habe gesagt, daß dieses meine letzte Rede ist. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten, sich in der Zukunft intensiv um die behinderten Menschen zu kümmern, denn sie haben leider keine große Lobby in dieser Gesellschaft. Denken Sie immer daran, nicht behindert zu sein, ist ein Geschenk, das uns jederzeit wieder genommen wird. Diesen Satz sagte einmal Richard von Weizsäcker in einer seiner Reden. Ich halte das für einen sehr klugen Ausspruch.
Ich habe noch zwei Sätze in eigener Sache. In den zehn Jahren meines Wirkens hier bin ich vielen Menschen begegnet. Ich habe nicht immer alle heiß geliebt, und ich glaube, das muß man auch nicht. Ich hoffe aber, daß ich zu allen fair gewesen bin. Wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, bitte ich hiermit nachträglich um Entschuldigung. Im übrigen wünsche ich Ihnen auch weiterhin alles Gute für die Zukunft.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtigerweise wird in der Großen Anfrage darauf hingewiesen, daß vornehmlich ältere und behinderte Menschen bei der Regelung ihrer finanziellen Dinge immer noch großen Wert auf personengestützte Dienstleistungen legen, die aber durch die zunehmende Automation und Rationalisierung erheblich eingeschränkt worden sind. Frau Dr. Freudenberg hat das Beispiel mit der Frau Schneider gebracht. Ich kenne die Frau Schneider nicht, aber es gibt sicherlich einige Frau Schneider in der Stadt.
Dennoch sollten wir auch den aktuellen Stand zur Kenntnis nehmen, Frau Dr. Freudenberg, und zwar, daß am 8. April 2001, und zwar im Bundestag in Berlin, das SGB IX, welches am 1. Juli in Kraft tritt, verabschiedet worden ist, auch mit Ihrer Partei, also in der Koalition SPD/Grüne.
In diesem von uns allen geforderten SGB IX vollziehen wir in der Behindertenpolitik einen qualitativen Sprung. Wir lösen uns stark vom fürsorgerischen Denken. Darüber kann man denken, wie man will. Dieses war in unserer sozialstaatlichen Tradition sicher sehr wichtig und unverzichtbar für den Ausbau vieler Einrichtungen und Strukturen gerade in der Behindertenhilfe. Dieses wird sich aber jetzt ändern, und die Behindertenpolitik wird sich einem Wandel unterziehen müssen. Wir arbeiten auf den gewöhnlichen Alltag hin, in dem die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch im Umgang mit Institutionen und Erbringern von Dienstleistungen stattfindet. Die Lösungen des SGB IX stellen damit einen großen politischen und gesellschaftlichen Fortschritt für die soziale Teilhabe, aber auch für die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen dar.
Um auf die Große Anfrage zurückzukommen: Ja, es hat in den letzten Jahren einen Strukturwandel in der Kreditwirtschaft, aber nicht nur dort – denkt man an die Post oder die noch im Umbruch befindliche Bundesbahn – gegeben. Der verstärkte Ausbau der elektronischen Dienstleistungen, die Einrichtung von Selbstbedienungsterminals in Einkaufscentern – wir begegnen diesen jeden Tag, überall kann man das Geld irgendwo abheben –, die von vielen genutzte, weil eben zeit- und ortsunabhängige Ausweitung von Online, Telefon oder Internet-Banking-Möglichkeiten und die parallel damit verbundene Abnahme des Kundenbesuches in den Filialen hat zu der auch von Ihnen genannten Abnahme der Bankfilialen von 1996 bis 2000 von 8,9 Prozent geführt. Das stimmt sehr wohl. Nach Einschätzung von Insidern ist sogar noch mit weiteren Maßnahmen zu rechnen.
Nachdem ich die Große Anfrage durchgelesen habe, gibt es nicht nur Negatives festzustellen. Sie selber haben es hier auch deutlich gemacht. Zum Beispiel das Verhalten der Marktführerin in Hamburg, der Haspa. Obwohl es auch hier zu Zusammenlegungen und Schließungen einzelner Filialen gekommen ist, ist das Gesamtnetz sogar noch ausgebaut worden. Während es 1996 215 Geschäftsstellen und sechs Kundencenter gab, sind im März 2001 212 Geschäftsstellen, zwar drei weniger, aber 50 Kundencenter sowie 20 Außenstellen dieser Kundencenter neu geschaffen worden. Hier sieht man deutlich, wie der sogenannte Markt funktioniert. Dort, wo notwendig, wird aufgestockt, anderswo reduziert und alles unter dem Motto „ergebnisorientiert“. Dieses kennen wir sicherlich auch aus
anderen Branchen. Wir diskutieren sehr häufig darüber, und ich als alter Gewerkschafter weiß, wovon ich rede.
Bei der Deutschen Post ist anzumerken, wenn man denn vom Positiven spricht, daß auch in Zukunft an Automaten anderer Geldinstitute kostenlos Bargeld abgehoben werden kann und zusätzlich durch die Einrichtung vieler Center-Filialen der Service und das Beratungsangebot sogar noch verbessert werden sollen. Ganz so dramatisch, wie es beim Lesen der Großen Anfrage erscheint, ist es offensichtlich wohl doch nicht, obwohl nicht zu verkennen ist, daß es sehr wohl – und Sie haben darauf hingewiesen – bestimmte Gruppen gibt, die benachteiligt sind.
Interessant ist natürlich die Frage, was wir politisch bewirken oder unterstützen können. An erster Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß die von der BAGS einberufene Kommission zur Feststellung der Gesetzesüberprüfungen – weil Sie das angesprochen haben –, Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes, keine diskriminierenden Übertretungen in Hamburg gefunden hat. Dies wäre dann offensichtlich auch wohl verfassungswidrig gegenüber dem Grundgesetz gewesen, aber offensichtlich sind keine Übertretungen gefunden oder zumindest nicht so deklariert worden.
Dann ist zu begrüßen, obwohl Sie ein bißchen versucht haben, das abzuwerten, daß der Senat alle Anstrengungen unternimmt, um auch Ältere und Behinderte in die neue Wissensgesellschaft mit einzubeziehen, indem er mit Unterstützung der Deutschen Telekom das Modellprogramm „Hamburger Senioren ins Internet“ ins Leben gerufen hat. Hier sind vorerst zwar nur zehn Altentagesstätten mit Internetanschlüssen ausgestattet, aber wie man mir gesagt hat, soll dieses Programm noch ausgeweitet werden. Es ist interessant, wie dieses Angebot genutzt wird.
Ich bin kürzlich bei der Eröffnung einer Internettagesstätte in Harburg gewesen, im „Treffpunkt Älter werden“, dem Verein, den ich selber gegründet habe. Dieser Verein arbeitet mit dem Verein „Behindertenhilfe“ zusammen. Es waren als erstes Behinderte, die dort an den Terminals gearbeitet haben. Es war für mich überraschend, mit welcher Wißbegier, mit welcher Freude die jungen Behinderten daran gesessen und gearbeitet haben, aber auch die älteren. Die haben dann den Jungen ein bißchen über die Schulter geguckt. Das ist allgemein üblich, und das weiß man auch. Wer sich damit beschäftigt und sich einmal in den Seniorentagesstätten umschaut, wo solche Computer stehen, wird feststellen, daß die Leute keine gewaltige Scheu davor haben, sondern neugierig sind. Aber nicht nur wißbegierige ältere Menschen, sondern auch viele junge nutzen dieses Angebot.
Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin) (unterbrechend): Herr Witte, darf ich Sie einmal unterbrechen. Sie reden sehr in das linke Mikrofon. Mir wird ein Zeichen gegeben, daß man Sie auf der rechten Seite gar nicht versteht. Das Geheimnis ist, in der Mitte zu stehen.
Es war nicht meine Absicht, Sie im Dunkeln zu lassen.
A C
B D
Ja, wo ich stehe, ist eigentlich immer die Mitte.
Es ist schon spannend und macht Spaß zuzusehen, mit welchem Interesse, auch von Älteren und Behinderten, geübt und gearbeitet wird.
Es hat noch weitere Vorteile, meine Damen und Herren, denn auch die meisten Älteren sind noch lernfähig. Frau Dr. Freudenberg, jetzt gucke ich Sie an. Alle, die sich sonst auf andere verlassen mußten, wenn es um Bankgeschäfte ging, sind nach Einübung in der Lage, ihre Geschäfte wieder selbst zu erledigen oder in die Hand zu nehmen, sofern sie sich mit der Technik ausrüsten und dann auch daran teilnehmen. Eines steht fest: Diese neue Technik ist ein unaufhaltsamer Weg in die Zukunft. Je mehr wir darauf hinarbeiten, diese neuen Medien auch für Ältere und Behinderte zu öffnen, desto mehr kommen wir dem Gedanken des selbstbestimmten Lebens, den wir eigentlich alle anstreben, näher. Dies wäre begrüßenswert und entspricht auch den Wünschen der benachteiligten Menschen. Dazu gehört aber, daß viele ältere Menschen erst einmal ihre Scheu vor dieser Technik überwinden und sich damit intensiver befassen.
Ich hätte Ihnen gerne noch etwas zu der Gemeinnützigkeit gesagt, die Sie angesprochen haben. Aber soweit ich der Antwort des Senates entnehmen konnte, sieht der Senat das doch etwas anders, als Sie es hier geschildert haben. Ich bin aber zu sehr Laie, um das genau beurteilen zu können. Deshalb begrüße ich es auch, daß wir das in den Wirtschaftsausschuß geben. Dort sind sicherlich die Fachleute, die das wahrscheinlich besser beurteilen können. – Danke schön.
Eleonore Rudolph CDU (als Vertreterin der Sitzungsprä- sidentin): Als nächstes hat Herr Schira das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr schwierig, wenn zwei Fraktionen eine Koalition bilden und gemeinsam einen Antrag stellen. Dann redet einer dafür, und der andere kann im Grunde genommen nur einen Teil dessen bestätigen, was schon vorher besprochen worden ist.
Ich bin aufgrund meines Alters damit einverstanden, wenn ich von der Altersteilzeit Gebrauch mache und nicht ganz so lange rede.
Der Antrag 16/3854, Tagesförderstätten für schwerbehinderte Menschen, wurde von SPD und GAL – Frau Freudenberg hat das schon gesagt – aufgrund eines Gesprächs entwickelt, an dem Eltern und Vertretern aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien teilgenommen haben. Wir waren uns wegen der eindrucksvollen Schilderungen sehr schnell einig, daß hier offensichtlich ein Handlungsbedarf vorliegt. Frau Freudenberg hat darauf hingewiesen – deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen –, daß gerade das Segment der behinderten Menschen eine Anspruchsberechtigung hat.Sie hat ferner auf den Trend hingewiesen, der sich neuerdings entwickelt, daß viele Menschen – sei es von den Eltern oder von ihnen selbst – in einer Tagesförderstätte untergebracht sein möchten. Ich komme noch einmal darauf zurück, warum dieses so ist.
Wir haben in Hamburg – ich habe das im Gegensatz zu Ihnen, Frau Freudenberg, aus der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage 16/3287 entnommen – 16 Tagesförderstätten mit 647 Vollzeitförderplätzen. Es gibt für diese Plätze bisher nur die Bedarfsmeldungen, die bei den Trägern eingehen. Auch darauf haben Sie hingewiesen. Eine zeitnahe Bedarfsermittlung bei der Behörde gibt es bislang nicht.Das ist wahrscheinlich die Problematik.
Der bisher angenommene Bedarf von 40 Plätzen scheint offensichtlich überholt zu sein.Wie uns berichtet wurde, gibt
es allein bei einem Träger 55 Anmeldungen. Für uns stellt sich die Frage, wie aktuell diese Liste ist und ob damit alle Bedarfe abgedeckt sind.Außerdem haben wir aufgrund der Ermittlungen bei den Sonderschulen erfahren, daß sich im Zeitraum 2000 bis 2003 voraussichtlich weitere 75 Schüler um einen Platz in einer Tagesförderstätte bemühen werden. Sie wollen das, was sie in der Schule gelernt haben – soweit wie möglich – erhalten, denn sonst gingen alles Wissen und alle dort erlernten Fähigkeiten sehr schnell wieder verloren, und das wäre sehr bedauerlich.Vielleicht wird es einigen gelingen, in eine Werkstatt für Behinderte zu kommen, aber andere werden es aufgrund der Schwere ihrer Behinderungen nicht schaffen, und die brauchen dann einen Tagesförderplatz.
Des weiteren wurde uns in dem Gespräch geschildert, daß Behinderte, die keine Chance auf einen Tagesförderplatz haben, kaum einen Wohngruppenplatz bekommen werden. Für mich war das im Moment nicht erklärlich, wurde uns aber mit dem Hinweis verdeutlicht, daß in Wohngruppenplätzen nicht gefördert wird.Die Bewohner – Frau Freudenberg hat darauf hingewiesen – gehen hier tagsüber entweder in einer Werkstatt für Behinderte oder bei der Arbeitsassistenz einer Beschäftigung nach. Um denjenigen aber, der beides wegen der Schwere seiner Behinderung nicht kann, reißen sich auch nicht die Wohngruppen.
Eine weitere Erschwernis für die Eltern ist die ins Haus stehende Reduzierung der Plätze für Zivildienstleistende. Auch dieses Thema wurde an uns herangetragen, denn für die Eltern sind die Zivildienstleistenden oft eine wichtige Hilfe gewesen, wenn ihnen die Belastung wirklich einmal zuviel wurde. Es wurden uns dramatische Beispiele geschildert. Für den, der sich nicht mit Behinderten befaßt, ist es nicht einfach, diese Schilderungen nachzuvollziehen.
Wir wollen – so fordern wir in unserem Antrag 16/3854 –, daß zeitnah eruiert wird, wie groß die Bedarfe wirklich sind. Hierbei sollen die Listen der Träger und die Abgangszahl der schwerbehinderten Sonderschüler mit herangezogen werden, um auch eventuelle Doppelanmeldungen auszuschließen. Wir hören immer wieder – auch von seiten der Behörde – von Doppelanmeldungen. Es ist nachvollziehbar, wenn Eltern ihr Kind zum Schulende in einer Tagesförderstätte, weil sie meinen, es habe vielleicht Anspruch auf einen Tagesförderplatz, und zusätzlich bei der Behörde anmelden.
Dann hat man zwei Anmeldungen, obwohl es sich nur um eine Person handelt. Da dies von seiten der Behörde nicht zeitnah und nicht klar eruiert worden ist, ist das eigentlich der Bestandteil unseres Antrags, und deshalb legen wir besonderen Wert darauf.
Wir möchten aber auch allgemeine Daten über die Belegungsstruktur haben, um darüber nachzudenken, ob es zum Beispiel richtig ist, daß es einen lebenslangen Anspruch auf Tagesförderung gibt, ob es zweitens andere adäquate Angebote für Menschen im Rentenalter gibt oder wie es in Zukunft für Schüler gehandhabt werden soll. Ich habe ein paar ablehnende Zurufe gehört, die sich sicherlich nicht mit dem einverstanden erklären, was ich vielleicht sagen möchte.Ich halte es für wichtig und interessant, über eine gewisse Flexibilisierung nachzudenken, indem man vielleicht vormittags und nachmittags oder an einzelnen Tagen unterschiedliche Gruppen betreuen sollte. Zu dieser Frage haben wir sicherlich einen großen Diskussions- und
Informationsbedarf.Wir wollen an diesem Thema dranbleiben, aber das können wir nur, indem wir feste Zahlen vorliegen haben, von denen wir ausgehen können.
Ich bin sehr froh über Punkt 3 unseres Antrags, mit dem wir gewährleisten wollen, daß in Härtefällen – auch solche wurden uns geschildert – möglichst schnell individuelle Lösungen gefunden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um die Annahme dieses Antrags, damit wir so schnell wie möglich über die Bedarfe von Tagesförderstätten Klarheit haben, um gegebenenfalls möglichst schnell zu handeln, uns möglichst schnell zu informieren und unsere Schlüsse daraus zu ziehen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß keine Gebärdensprachdolmetscherin oder -dolmetscher anwesend sind, aber das mag möglicherweise damit zusammenhängen, daß wir heute mit der Tagesordnung schneller als geplant durchgekommen sind. Vielleicht kommt später noch jemand.
Ich möchte mit einem abgewandelten Zitat beginnen:
„Es geschieht nichts Gutes, außer man tut es.“
Dieses Zitat könnte der durchgängig rote Faden in der Stellungnahme des Senats zu den Ersuchen der Drucksachen 16/731, 16/787 und 16/1887 sein. Die Stellungnahme zeigt aber auch, daß es ein mühsamer Weg ist, alle Forderungen und Wünsche unter einen Hut zu bringen und danach auch noch durchzusetzen. Da ich mich seit 1993 – damals noch mit Frau Kuhbier, die einige von Ihnen noch kennen werden – mit Gehörlosen und deren Problemen auseinandersetze, weiß ich, wovon ich rede.
Seit 1988 setzt sich das Europäische Parlament für die Anerkennung der Gebärdensprache ein. 1996 sprach sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder für die Anerkennung aus.Es folgten die Regierungschefs der Länder, die im Jahre 1997 eine schrittweise Umsetzung der Entschließung des Europäischen Parlaments beschlossen.
In Hamburg ist diese Bestrebung Bestandteil des Koalitionsvertrages. Warum erwähne ich das so ausführlich? Hamburg bietet seit Beginn des Schuljahres 1993/94 im Rahmen eines Schulversuches in der Samuel-HeinickeSchule die Gebärdensprache an. In einem Unterrichtsfach wird dort der Unterricht sogar bilingual – das heißt laut und gebärdensprachlich – angeboten. Es ist das Ziel, daß sich die Teilnehmer in der Welt der Hörenden und auch der Gehörlosen bewegen können.Der Versuch läuft über sechs Jahre und wird in diesem Jahr auslaufen. In einem Zwischenbericht von Professor Günther wurde der bisherige Verlauf sehr positiv bewertet.Die Kinder befinden sich mittlerweile in der Sekundarstufe.
Dennoch – das ist sicherlich nicht förderlich – gibt es nach wie vor in Hamburg einen unerbittlichen Streit der unterschiedlichen Methodenanhänger sowohl für die Lautsprache als auch für die Gebärdensprache. Meines Erachtens sollten wir den Abschluß und die Auswertung des Versuches abwarten und danach den weiteren Weg den Betroffenen überlassen.
Erfreulicherweise ist es auch durch den gezielten Einsatz von Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern gelungen, in Hamburg gehörlosen Jugendlichen Berufsschulunterricht anzubieten. Außerdem fördert das Hamburger Berufsförderungswerk pro Jahr rund 40 gehörlose
Menschen, um ihnen einen Weg in das Berufsleben zu ermöglichen. Ich freue mich besonders über den letzten Punkt. Als ich meine Lehre antrat – das ist schon einige Jahre her –, war es unmöglich, einen gehörlosen jungen Menschen in eine Lehre aufzunehmen. Deshalb sind die genannten Maßnahmen Fortschritte, die den betroffenen Menschen zwar nicht schnell genug gehen, aber aus meiner Sicht im Laufe der Jahre erheblich sind.
Um gehörlosen Eltern die Teilnahme an schulischen Veranstaltungen oder Elternvertretungen und ähnliches zu ermöglichen, finanziert die BSJB über den Gehörlosenverband den Einsatz von Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetschern. Eine Auswertung des dort vorhandenen Datenbestandes durch die BAGS hat die Auskömmlichkeit der Mittel bestätigt.
Nach dem Hamburger Hochschulgesetz berücksichtigen die Hamburger Hochschulen die besonderen Bedürfnisse von behinderten Studenten. Dieses ist auch erforderlich. Zum Beispiel haben in den letzten Jahren 50 Hörgeschädigte durch die Hilfe der Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher studieren können. An der Universität gibt es des weiteren eine besondere Studienberatung für gehörlose Studenten.Außerdem gibt es an den Hamburger Hochschulen ein Netz von Ansprechpartnern und Beratungsstellen, an die sich Behinderte wenden können. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich – weil wir dort schon mit einigen anderen diskutiert haben –, daß es dort eine Interessenvertretung gehörloser Studierender, die Gruppe iDeas, gibt, die sich besonders für ihre Belange einsetzt.
Im Rahmen der beruflichen Eingliederungshilfe werden nach dem BSHG viele dieser individuellen Hilfen finanziert. Hamburg hat sich seit der Einrichtung des Instituts für Deutsche Gebärdensprache als Zentrum der Gebärdensprache mit einer Ausstrahlung weit über die Landesgrenze hinaus entwickelt. Besonders Professor Prillwitz ist es zu verdanken, daß viele Entwicklungsprojekte im Bereich der Gebärdensprache von Hamburg aus ihren Ausgang nahmen. Gerade das von Hamburg eingerichtete und ausgestattete Institut für Deutsche Gebärdensprache hat wesentlich zur Anerkennung und Verbreitung dieser Sprache beigetragen.
Außerdem hat Hamburg durch seine führende Stellung – als erste und lange einzige Stadt in der Bundesrepublik – für Gebärdensprachkompetenz zum besonderen Studium von Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern beigetragen. Dennoch gibt es immer noch zu wenige Menschen, die diese Fachrichtung anstreben. Es ist bedauerlich, aber nicht zu ändern. Wir können keinem Menschen vorschreiben, was er studieren will, soll oder möchte.
Um den Defiziten bei den Dolmetscherinnen und Dolmetschern zu begegnen und diese abzubauen, versucht Hamburg gegenzusteuern. Seit 1998 wird bei Einsätzen von über 1,5 Stunden eine Doppelbesetzung bezahlt. Außerdem wurden die Honorare gemäß der bundesweiten Empfehlung der Deutschen Hauptfürsorgestelle auf 60 DM und die Fahrkosten auf die Höhe des Stundensatzes angehoben. Die Probleme mit der Umsatzsteuer wurden auch ausgeräumt. Wichtig ist, daß mit diesen Maßnahmen die zum Teil erheblich differierenden Honorarbedingungen zwischen BAGS und BSJB vereinheitlicht wurden.
Die Finanzierungen der bisherigen Maßnahmen konnten mit den in 1999 zur Verfügung stehenden Budgets erfolgen. Für das Jahr 2000 werden hierfür laut Aussage des Senats Mehrkosten in Höhe von circa 77000 DM erforderlich, die
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in den Haushaltsveranschlagungen berücksichtigt worden sind.
Ich weiß, daß trotzdem weiterhin der Wunsch nach einer Erhöhung der Honorare gemäß dem Zeugenentschädigungsgesetz besteht. Aber ich möchte noch einmal auf meinen Redebeginn zurückkommen. Ich sagte, daß der Weg, alle Wünsche sofort zu befriedigen, sehr schwer sei. Dazu kommt, daß der Senat prüft, ob über einen zentralen Dolmetscherdienst vielleicht effektiver gearbeitet werden könnte. Ich persönlich kann mir die Kritik nicht verkneifen, Frau Senatorin, warum die Prüfung so lange dauern muß, denn der Gehörlosenverband hat gemeinsam mit dem Berufsförderungswerk seit längerem ein Konzept erarbeitet. Ich erwarte, daß die zuständige Behörde endlich in die Hufe kommt, damit wir Schritt für Schritt den Wünschen unserer gehörlosen Menschen näherkommen und Hamburg seinen guten Ruf als behindertenfreundliche Stadt behält und weiter ausbaut.