Sehr geehrte Damen und Herren! Am 1. Mai ist der ehemalige Abgeordnete und Vorsitzende des Kulturausschusses Rolf Mares im Alter von 71 Jahren verstorben.
Rolf Mares hat das Hamburger Kulturleben fast vier Jahrzehnte mitgeprägt und mitgestaltet wie kaum ein anderer: Als langjähriger Verwaltungsdirektor der Staatstheater Thalia Theater, Deutsches Schauspielhaus und vor allem der Hamburgischen Staatsoper, als Theaterdirektor am Winterhuder Fährhaus und als Vorsitzender des Kulturausschusses in der Hamburgischen Bürgerschaft.
In der Person von Rolf Mares vereinte sich der sachliche Blick des Finanzexperten mit der Leidenschaft für die Kultur. In kaum einer Theaterpremiere fehlte Rolf Mares, seine Stimme hatte Gewicht bei Künstlern und Politikern gleichermaßen. In der Hamburgischen Bürgerschaft hat er sich in der vergangenen Wahlperiode als ein profunder Kenner der Hamburger Kulturszene über die Fraktionsgrenzen hinweg viel Respekt und Anerkennung erworben. Sein klares Urteil und sein Sinn für Fairness werden in unserer Stadt fehlen. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg wird Rolf Mares ein ehrendes Andenken bewahren.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die Tagesordnung um den Bericht des Bauund Verkehrsausschusses zur Änderung des Gemeinschaftstarifs des Hamburger Verkehrsverbundes ergänzt werden soll. Es handelt sich um die Drucksache 17/781. Diese wurde als Tagesordnungspunkt 28a nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen.
In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen mitteilen, dass ich der Präsidentin des Thüringer Landtages, Frau Christine Lieberknecht, in der vergangenen Woche ein Schreiben gesandt habe, in dem ich ihr im Namen der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg die tief empfundene Anteilnahme angesichts der entsetzlichen Tat am Gutenberg-Gymnasium am 26. April in Erfurt ausgesprochen habe. Ich habe ihr weiter auch mitgeteilt, dass unser Mitgefühl den Familien und den Freunden der Opfer, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern des Gutenberg-Gymnasiums gelte und hoffte, dass es den Abgeordneten und ihr als Präsidentin gelingen werde, den betroffenen Menschen Trost zu spenden und hilfreich zur Seite zu stehen.
Bei der Trauerfeier in Erfurt, die am 3. Mai stattgefunden hat, hat der Erste Vizepräsident Herr Röder die Bürgerschaft vertreten.
Nun rufe ich das Thema der Aktuellen Stunde auf und bitte um Wortmeldungen. Frau Koop, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt sicherlich keinen hier im Raume, der nicht erschreckt und entsetzt ist von dem, was in Erfurt passiert ist. Die Tatsache, dass es in einem Raum geschehen ist, den wir mit Ordnung und Schutz verbinden, macht uns Angst; Angst, weil uns unsere Hilflosigkeit vor Augen geführt wird, dass wir wissen, vor einem solchen Ereignis können wir uns nicht schützen und kann uns auch niemand schützen.
Auf diese diffuse Angst, die wir nicht fassen können, kann man sehr unterschiedlich reagieren. Es hat eine Flut von Kommentaren gegeben, von wortgewaltig bis wohltuend zurückhaltend und von emotional aufgeladen bis einfühlsam. Manche haben mit Wut reagiert, mit Forderungen nach strengeren Kontrollen, nach Abriegelung von Schulen, nach schärferen Gesetzen und mehr. Das ist verständlich, aber in der Schärfe nicht immer nachvollziehbar.
Uns allen gemeinsam ist aber eine Informationssucht. In Zeitungen, Magazinen und in den Fernsehberichten haben wir nach dem Monströsen in diesem jungen Täter gesucht. Aber je mehr Informationen wir bekommen haben, desto alltäglicher wird sein Leben und desto näher ist er uns gerückt. Das verstärkt noch die Angst.
Wir werden mit etwas konfrontiert, was wir verdrängen und was wir vielleicht nicht wahrhaben wollen. Bei aller Ungeheuerlichkeit und bei aller Unfassbarkeit des Geschehens ist es doch nicht, wie viele behaupten, unvorstellbar. Wer hat sich nicht schon in einer Situation der Bedrängnis oder der Demütigung oder des Versagens gewünscht, sich mit einem Schlag aus dieser Situation zu befreien? Wer hat nicht schon mit Gewaltphantasien gespielt und wer hat nicht schon einmal in Wut ausgerufen: Den bringe ich um!
Wir werden mit einer Leichtfertigkeit im Umgang mit Gewalt konfrontiert und wir wissen nicht, was in den Köpfen unserer Kinder vorgeht. Aber, diese Phantasien, die man entwickeln kann, führen wir nicht aus. Sie werden in Schach gehalten von der Vernunft, nicht nur aus Angst vor Strafe und auch nicht nur aus Angst vor Folgen, sondern aus einem Wertegerüst heraus, das eigentlich ganz klein angefangen hat mit „das macht man nicht“, bis zum Schwergewicht „Du sollst nicht töten“, ein Wertegerüst, das uns von Eltern, Lehrern und auch von Kirchenangehörigen gegeben worden ist. Dieser Wertekonsens bietet aber auch die Hoffnung, dass, wie schwergewichtig auch meine Verfehlungen waren, es sich wieder auflösen und es sich noch einmal wenden kann. Die Hoffnung und das Vertrauen, dass ich trotz meines Versagens, trotz meiner Fehlbarkeit, meiner Unvollkommenheit weiterhin von meiner Umwelt angenommen werde, dass ich geachtet und geliebt werde, ist für uns wichtig. Wie muss es in einem Menschen aussehen, der dieses Vertrauen nicht mehr hat? Wie ist es um eine Gemeinschaft bestellt, die dieses Vertrauen und diese Hoffnung nicht mehr vermitteln kann? Wir merken in Augenblicken wie diesen, wie gefährdet unsere Gesellschaft ist, wie zerbrechlich unsere Ordnung und unser Schutz durch Institutionen sind.
Wir werden heute sicherlich noch eine Fülle von klugen Analysen, Ratschlägen und auch Lösungsvorschlägen hören. Es strömt von allen Seiten auf uns ein und die Politik ist zum Handeln aufgefordert. Dieses Thema eignet sich indes nicht zum parteipolitischen Abschlag. Darüber sind wir uns, glaube ich, auch im Klaren.
Aber wir sind nicht allein als Politikerinnen und Politiker gefordert. Jeder von uns kann versuchen, seine Angst und seine Hilflosigkeit zu bekämpfen, eine Angst, die auch die Angst vor uns selber und vor den verborgenen schrecklichen Möglichkeiten in uns ist. Jeder Einzelne kann mithelfen, unser Gemeinschaftsleben wieder zu verbessern. Es gibt keinen staatlichen, keinen institutionellen Schutz, keinen anderen Schutz als den, dass wir besser aufeinander Acht geben, dass wir uns gegenseitig wahrnehmen und respektvoller miteinander umgehen, ein Respekt, der im Übrigen keine Einbahnstraße ist.
Wenn ich meine Kinder achte, dann habe ich auch Respekt verdient. Es ist vielleicht nicht viel, was ich hier gesagt habe, aber es kann jeder von uns sofort anfangen und vielleicht auch heute in der Debatte beherzigen.
Darf ich Sie bitte noch einmal darauf hinweisen, dass es im Plenarsaal und auch ansonsten im Raum und auf den Zuschauerrängen ein absolutes Handyverbot gibt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zuerst kommen das Entsetzen und die Trauer. Warum mussten so viele Menschen sterben? Wie kann den Angehörigen schnell und auch auf längere Zeit geholfen werden? Was muss für die Lehrerinnen und Schülerinnen getan werden, die ansehen mussten, wie Menschen erschossen wurden, die stundenlang in Unsicherheit im Schulgebäude verbracht haben. Dann die Frage: Was ist da eigentlich passiert und wie konnte es dazu kommen?
Man findet folgende erste Informationen. Wir wissen, der volljährige Täter bekam einen Schulverweis, von dem die Eltern nicht wussten. Wir wissen, ohne Abitur hätte der Täter überhaupt keinen Schulabschluss in Thüringen erreicht.
Wir wissen, der Täter benutzte einen Schützenverein, um sich Schießkenntnisse zu verschaffen. Wir wissen, er erhielt eine Waffenberechtigungskarte, kaufte sich Waffen und meldete dieses nicht. Wir wissen, Waffengeschäft und Verkäufer zeigten den Waffenverkauf ordentlich an, aber das Amt reagierte nicht. Wir wissen, der Täter spielte mit harten Videospielen, wir wissen, er verkleidete sich wie eine Kämpferfigur in diesem Spiel.
Dieses Wissen gibt Fingerzeige und wir versuchen herauszufinden, was für uns Konsequenzen sein könnten. Wir stellen uns die Frage, was konkret könnte dazu beitragen, solche Taten zu verhindern oder unwahrscheinlicher zu machen. Dies ist eine extreme Tat und dennoch macht sie allgemeinen Regelungsbedarf deutlich. Jeder Einzelne von uns, Frau Koop sagte es, Eltern, Lehrer, Aufsichtsbehörden und der Gesetzgeber – also nicht zuletzt wir, die Parlamente – sind gefragt.
Warum merken wir es nicht, wenn sich jemand in seine eigene Welt zurückzieht. Warum versagen wir, wenn solche irrsinnigen Rachepläne geschmiedet und offensichtlich lange im Geheimen geplant werden. Wir müssen zuhören,
hören, was die Schweigsamen, die Kontaktarmen nicht sagen, sie zum Reden bringen, verhindern, dass sie schweigsam bleiben.
Was sind mögliche Ansatzpunkte? Bei volljährigen Schülerinnen kann es nicht angehen, dass nicht entweder die Eltern oder ein Lehrer als Beistand informiert werden und begleiten, was nach einem Schulverweis geschieht. Warum erhält in Thüringen als einzigem Bundesland ein Mensch, der das Abi nicht besteht, überhaupt keinen Schulabschluss? Was ist dies für ein Fall ins Bodenlose.
Warum wird mit Familien nicht frühzeitig über Alternativen geredet. Erziehende Eltern und Lehrer müssen hier enger zusammenarbeiten, müssen qualifiziert werden, solche Krisen zu erkennen, und mit dem Kind/Jugendlichen gemeinschaftlich Alternativen diskutieren. Der Mensch ist ein Wertvoller, auch ohne Abitur.
Trotz des beginnenden Wahlkampfs scheint es möglich, auch an den betreffenden Gesetzen konsensual zu arbeiten. Der Bundeskanzler ist aktiv geworden, hat mit den Ministerpräsidenten und den Medienverantwortlichen Gespräche geführt. Es zeichnen sich verschiedene Initiativen ab.
Die Heraufsetzung des Alters für den Kauf einer Waffe ist das Mindeste, was geschehen muss. Ein Verbot bestimmter Spiele, eine Indizierung, ist aus Jugendschutzgesichtspunkten angezeigt. Ein Konsens gegen die Gewaltverherrlichung im Fernsehen muss erreicht werden. Diese Leichtfertigkeit im Umgang mit Gewalt müssen wir ächten.
In diese Richtung gehen die Forderungen der SPD-Fraktion. Wir fordern den Senat auf, entsprechende Initiativen im Bundesrat zu unterstützen. Darüber hinaus müssen Schulen waffenfreie Orte sein, aber keine Sicherheitsfestungen. Es sollte deshalb die Möglichkeit in Schulen geben, auch anonym den Waffenbesitz von Mitschülerinnen anzuzeigen. Volljährige Schülerinnen bedürfen des informierten Beistands durch Lehrerinnen und/oder Eltern. Auch hier fordern wir den Senat auf, aktiv zu werden. – Danke.
Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns anlässlich einer neuen Dimension an Schwere und Grausamkeit einer Gewalttat mit allen Fraktionen einigen können, nur dieses Thema heute zu besprechen. Ich finde dies ebenso gut und richtig wie unsere Übereinkunft, heute weitgehend auf Attacken zu verzichten. Wem sollte man auch die Schuld an einem so entsetzlichen Amoklauf geben? Wollen wir nicht in einem Überwachungsstaat leben, wie ihn einst George Orwell beschrieb oder wie er in der ehemaligen DDR praktiziert wurde, dann lässt sich eine solche Tat vielleicht nicht hundertprozentig ausschließen. Aber das heißt nicht, dass man nicht alle möglichen Aspekte einmal neu beleuchten und neu überdenken muss.