Beide Drucksachen möchte die CDU-Fraktion an den Schulausschuss überweisen. Wer begehrt das Wort? – Herr Woestmeyer.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir diese erste Debatte der regulären Tagesordnung, die mit der Bildungspolitik genauso wichtig ist wie die Europapolitik, in etwas gemäßigteren Tönen hinbekommen. Es wäre – ebenso wie bei der Europapolitik – sehr schade, wenn durch Debattenbeiträge oder Zwischenrufe unnötige Schärfe hineinkommt.
Reden wir also noch einmal über PISA 2000. Wohl kaum eine Studie war so wertvoll für die politische Diskussion in unserer Stadt, für die politische Diskussion in unserer Republik, wie das Program for International Student Assessment. Aus PISA lernen heißt für uns Lernen lernen, denn der Blick zurück zu PISA 2000 kann nur bedeuten, für PISA 2006 oder viel besser noch für PISA 2012 zu lernen. Unser Ziel ist doch ein gemeinsames. 2006 müssen wir raus sein aus dem peinlichen Mittelfeld, in dem sich Deutschland im Jahr 2000 befand. 2012, wenn wir die Olympischen Spiele zu Gast in unserer Stadt haben, sind es doch unsere heutigen Schüler, die jetzt zwischen zehn und 20 Jahre alt sind, die dann zwischen 20 bis 30 Jahre alt sein werden, deren Spitzenleistungen wir sportlich in unserer Stadt bejubeln wollen, über deren Hamburger Medaillen wir uns freuen wollen. In zehn Jahren – 2012 – sind aber auch die jetzt Fünfjährigen, die jetzt vor dem ersten Schulbesuch stehen, 15 Jahre alt,
also genau in dem Alter, das PISA zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht hat. Dort gibt es zwar keine Medaillen bei aller Freude über die Rechenkunst, die Sie offensichtlich nachvollziehen können. Da bin ich ja dankbar, dass das auch auf dieser Seite der Fall ist.
Bei aller Freude über diese Rechenkunst sollten wir uns aber auch über das Ziel klar sein. Da gibt es bei PISA 2012 keine Medaillen zu gewinnen, aber ein Platz auf dem Treppchen, ein Platz unter den Top drei sollte doch unser gemeinsames Ziel sein. Wir sagen ja zu Tests und Leistungsvergleichen. Wenn die OECD an die Tür der Bil
dungsbehörde klopft, dann sind sie uns herzlich willkommen. Wir machen Leistungsvergleiche, um festzustellen, wo wir uns weiter verbessern können. Wer bei PISA schlecht abschneidet, braucht keine Angst zu haben, sich sagen zu lassen, wo die Probleme liegen.
Die alte SPD-Behördenleitung ließ diese Offenheit allerdings allzu oft vermissen. Oberste Priorität hatte oft die Quantität und nicht die Qualität. Immer wieder bekam man zu hören, wie viele Abiturienten es in dieser Stadt gibt, aber nicht die Menge der Abiturienten ist entscheidend, die Qualität macht es.
Wer sich mit einem Hamburger Abitur an der Universität von St.Gallen beworben hat, der hat gemerkt, dass im internationalen Maßstab ein Hamburger Abitur weniger zählt als ein gleiches aus München. Für diesen Schüler kommt diese Einsicht doch viel zu spät. Ihn wird es nicht trösten, dass man sich in dieser Stadt damit gebrüstet hat, wie viele außer ihm noch Abitur gemacht haben.
Immer wieder bekam man zu hören, dass die Bildungsausgaben pro Kopf in Hamburg viel höher sind als in allen anderen Bundesländern, selbst dann, wenn man gerechterweise zu diesem Vergleich nur die auch wirklich vergleichbaren Stadtstaaten hinzuzieht. Das ist insofern richtig, als es ja in einer Stadt auch viele wichtige Integrationsmaßnahmen gibt, die geleistet werden müssen. Aber die Schülerin, die sich mit einem Hamburger Hauptschulabschluss bei einem Hamburger Tischler bewirbt und die schon bei der Rechtschreibung ihres Bewerbungsschreibens scheitert, die hat all dieses Geld in allen Jahren ihrer Schulzeit nicht gespürt. Für diese Schülerin kommt auch hier die Einsicht zu spät. Sie wird es nicht trösten, dass man sich in dieser Stadt damit gebrüstet hat, wie viel man für Schüler anderer Schulformen ausgegeben hat.
Nicht das Geld allein, nicht die Menge entscheidet, wenn unten zu wenig ankommt. Deshalb müssen wir im Vergleich die Fehler suchen und auch das Tempo beibehalten, mit dem sich Rudolf Lange dieser Fehler annimmt.
Richtig ist auch, dass die Schulbehörde weitere Leistungsvergleiche anpackt. LAU 11 und der Berufsschülertest ULME sind zwei Studien, die uns weiteren Aufschluss darüber geben werden, wo wir noch besser mit dem Bildungsetat umgehen müssen. Jeder fünfte Euro dieses Haushaltes wird für Bildung ausgegeben und gegenüber 2001 und auch gegenüber 2002 steigt der Bildungshaushalt 2003. Aber er steigt nicht einfach an, er steuert auch um und er steuert auch da um, wo uns PISA den ganz konkreten Auftrag gegeben hat.
Die Kultusministerkonferenz hat als ein wesentliches Handlungsfeld genannt, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz ergriffen werden müssen, und zwar früh, schon vor dem Eintritt in die Schule. Dazu bearbeitet die Behörde ein ganzes Maßnahmenbündel, das Sie aus der Drucksache 17/1369 ersehen können. Man nimmt sich auf ganzer Breite dieses Themas an, in der Erzieherinnenausbildung, am Institut für Lehrerfortbildung, in Zusammenarbeit mit den Vorschulen, beim Senatsamt für
die Gleichstellung. Sie sehen, wie hier aus einem Koalitionsvertrag, der dies auch bewusst aufgegriffen hat, schnell praktische Politik geworden ist. Es wird – zunächst modellhaft – ein Screening-Verfahren entwickelt, mit dem sich Spracherwerbsverzögerungen, wie das ein bisschen kompliziert heißt, einfach erkennen lassen. Doch das Erkennen bedeutet dann nicht einfach ein Aussortieren. Es werden künftig ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um diese Defizite zu beheben und die Kinder zu integrieren. Wer als Kind in die erste Grundschulklasse eintritt, hat ein Recht darauf, Deutsch sprechen zu können, und zugleich auch die Pflicht, im Unterricht Deutsch sprechen zu müssen.
Der Maßnahmenkatalog der Kultusminister geht weiter und in diesem Punkt will ich der Kultusministerkonferenz gerne mal folgen. Alles andere, was dort in den letzten zehn Jahren zustande gebracht wurde, ist ja nicht so rühmlich. Aber ich nenne hier die Kultusministerkonferenz auch ganz bewusst. Ich will Ihnen, werte Kollegen von der SPD, auch zeigen, dass wir tun, was auch SPD-Kultusminister in anderen Ländern für gut befinden. Ich will Sie einladen, diesen Weg mit uns zu gehen. Schließlich braucht es einiges, damit die Kultusministerkonferenz mit ihrem sonst wenig hilfreichen System der Einstimmigkeit mal etwas Gemeinsames formuliert.
PISA sagt auch – zweite Konsequenz –, die soziale Herkunft entscheidet über den Bildungsweg. PISA konnte nicht messen, wie viel sich da auch in manchen Köpfen von Bildungsbürgern noch tun muss, aber PISA sagt, dass der Staat mit einem Ausbau der Ganztagsschulangebote helfen kann. Hier hilft der Staat vor allem Alleinerziehenden, eine gewisse Verlässlichkeit in der Betreuung ihrer Kinder bieten zu können. Der Möchtegern-noch-malKanzler Gerhard Schröder hat dies auch erkannt und 4 Milliarden Euro für die Länder für dieses Ziel zugesagt. Nun, mit den Versprechungen, gerade wenn es mal nur um vier Millionen geht – ich nehme mal die Arbeitslosen –, hat Herr Schröder ja so seine Probleme. Aber er bestärkt uns in unserem Vorhaben, jedes Jahr drei Schulen in Hamburg zu Ganztagsschulen umzuwandeln. Das sind dreimal mehr, als die SPD-Regierung in Hamburg zuvor geschafft hat. Vielleicht sind es dreimal weniger, als der Kanzler verspricht, nur, wir haben unsere Regierungszeit noch vor uns, er hat sie möglicherweise hinter sich.
PISA bringt noch mehr Erkenntnisse. Ich bin froh, dass der Maßnahmenkatalog, den der Senat in dieser Drucksache mitgeteilt hat, zu lang ist, um ihn hier wirklich würdigen zu können.
Um so bedauerlicher ist es jedoch, dass uns entscheidende Ergebnisse fehlen, nämlich die aus Hamburg. Gerade vier Schulen waren in Hamburg an PISA international beteiligt und die 108 Schulen, die wir in die nationale Ergänzungsstudie, in PISA E, geschickt haben, bringen uns leider fast keine so wichtigen Erkenntnisse. Alle Schulformen – außer den Gymnasien – haben die Beteiligungsquote zum Teil weit verfehlt. Es ist ein schwacher Trost, dass sich da nur die Berliner ähnlich dämlich angestellt haben, wie wir das gemacht haben.
In der Antwort auf die Große Anfrage der Regierungsfraktionen ist zwar erkennbar, dass sich der alte Senat bemüht hat, dieses Quorum zu erreichen, aber fest steht, dass es nicht erreicht worden ist. Man hat aus meiner Sicht drei ganz entscheidende Fehler gemacht.
Erstens: Wir haben im Hamburger Schulgesetz den Paragraphen 100, der regelt, dass eine Teilnahme an Tests verpflichtend durchgeführt werden kann. Warum einigt man sich, ohne Not mit den anderen Ländern, auf die Freiwilligkeit? Das Ergebnis ist doch auch, dass nicht nur wir uns mit den anderen Bundesländern nicht messen können, sondern dass die sich auch nicht mit uns messen können und die wollen doch den Vergleich. Denen hätte es doch Recht sein müssen, dass wir hier alles tun, damit wir auch dabei sind und nicht als Spielverderber in der Ecke stehen.
Zweitens: Jetzt kommt heraus, dass das Max-PlanckInstitut für Bildungsforschung, das sind die PISA-Organisatoren, vorher darauf hingewiesen hat, dass solche Erhebungen in Großstädten schwieriger durchzuführen seien als in Flächenländern. Warum hat es die alte Behörde dann an Maßnahmen mangeln lassen, diesem Umstand entschieden entgegenzutreten? Warum reden hinterher alle über PISA? Es wäre Aufgabe der Behörde gewesen, vorher über PISA zu reden.
Selbst als bildungspolitische Ereiferer zum Boykott aufgerufen haben, kam kein entschiedenes Wort der Senatorin.
Drittens: Der Test dauerte einen beziehungsweise zwei Tage. Das Sammeln der Daten braucht auch seine Zeit, sagen wir einige Wochen. Die detaillierte Auswertung braucht sogar Monate und das ist auch gut so. Schließlich wollen wir aus den wertvollen Ergebnissen auch wertvolle Erkenntnisse ziehen. Aber dass an einer Schulform, an der Gesamtschule, eine Beteiligung von gerade mal 60 Prozent zustande kommt, das muss ich doch schon frühzeitig merken. Wenn ich nur 60 Prozent Kaffeepulver in meine Kanne tue, dann sehe ich doch, der wird zu dünn, den kann ich am Ende gar nicht trinken. Warum hat die Behörde nicht darauf bestanden, frühzeitig in Kenntnis gesetzt zu werden, statt sich nachher über zu dünnen Kaffee zu beklagen?
Man hätte doch einen Löffel obendrauf geben können. Rudolf Lange hat dann zügig alles getan, damit eine Nacherhebung in dieser Stadt stattfinden konnte. Es war dann die OECD und nicht die Schuld der jetzigen Behördenleitung, die gesagt hat, der Kaffee ist nicht nur dünn, der ist bereits kalt. Kalt und dünn haben wir ihn von der alten Behördenleitung vorgesetzt bekommen. Das wird sich nicht wiederholen.
Meine Damen und Herren! Die neue Regierung steht dazu. Nicht nur Bildung hat Priorität, auch der Bildungsvergleich ist wichtig. Rudolf Lange hat bereits den Grundstein für einheitliche Bildungsstandards in den Bundesländern in Deutschland gelegt. Dazu gehört auch, dass man sich mit anderen misst, dass man sich mit anderen vergleicht und dass man sich kritisch prüft. Wir haben keine Angst vor
einem Vergleich. Wir werden alles tun, um dabei zu sein, wir werden alles tun, um 2012 ganz vorne dabei zu sein. – Danke.