Protocol of the Session on September 19, 2002

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bart. Alles, was dem entgegensteht, werden wir sicher nicht verfolgen.

Erstes – negatives – Beispiel: Sie haben es angerissen, eine weitgehende Entlassung von Flächen aus dem Zuständigkeitsbereich von Strom- und Hafenbau wird nicht verfolgt werden. Im Gegenteil. Wir sind dem Bürgermeister und dem Senat ausgesprochen dankbar, dass zur Ausweitung der Harburger Binnenhafengebiete – Channel Harburg – auch die Flächen von Strom- und Hafenbau keine heilige Kuh mehr sind, die nicht angerührt werden dürfen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD in Harburg hat geäußert, dass er unter der vorigen Verantwortung seiner Partei zehn Jahre lang vergeblich darum gekämpft hat. Der Bürgermeister hat mit seinen Äußerungen neuen Schwung in die Diskussion gebracht und die Investitionsbereitschaft in diesem Bereich gefördert. Das halte ich für gute Politik.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Nun sollte man aber den Bogen nicht überspannen und meinen, dies könne man überall ungebremst so weiterlaufen lassen und auch überall so machen.

Zweites – positives – Beispiel: Eine ganze Reihe von Bebauungsplanverfahren in Wilhelmsburg – Wilhelmsburg 80 und 81 – werden weitergeführt, zum Teil unter Berücksichtigung aktueller Marktentwicklung. Wilhelmsburg hat neben den hinreichend bekannten Problemquartieren in Kirchdorf, in Georgswerder und rund um die Dove Elbe auch wunderschöne und hoch attraktive Gebiete zum Wohnen – Wohnen im Grünen, Wohnen am Wasser –, die der wachsenden Stadt dienen können und sollen und die in City-Nähe nur von der City selbst übertroffen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Der Redner gibt seine Zustimmung zu erkennen.)

Herr Dose, bitte.

Herr Abgeordneter, sehen Sie es mit mir auch so, wenn Sie den Brückenschlag erwähnen, dass es sehr hilfreich wäre, wenn man über die Norderelbe für Fußgänger und Radfahrer eine Verbindung entlang der Autobahnbrücke zwischen den Vier- und Marschlanden und Wilhelmsburg hätte besonders für die Naherholung der Wilhelmsburger, zum Beispiel Baden am Hohenberger See?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dose, in Person stimme ich Ihnen durchaus zu. Ich halte das für einen sinnvollen Vorschlag, der es wert ist, verfolgt zu werden, aber dieses ist im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Stadt sicherlich ein Punkt, der im Haushaltsausschuss noch diskutiert werden muss.

(Michael Neumann SPD: Keine Fußgängerbrücke, aber eine U-Bahn! – Krista Sager GAL: Da müssen Sie keine teure U-Bahn bauen!)

Drittes Beispiel: Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Hier ist nicht nur Hamburg, sondern auch der Bundesverkehrswegeplan berührt. Bei den Schwierigkeiten, die wir selbst bei der Finanzierung der vorrangigen und

weitgehend unstrittigen Vorhaben mit dem Bund haben, frage ich, wer ernsthaft dafür Mittel einwerben möchte und sich dann auch noch ernsthafte Realisierungschancen ausrechnet. Ich halte den ganzen Vorschlag für einen ausgemachten Quatsch.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die Wilhelmsburger haben weiß Gott andere Probleme, als dass sie Verständnis für derart unsinnige Verpulverung von Steuergeldern aufbringen können. So ein Vorschlag ist typisch für akademische Theoretiker, die krampfhaft unkonventionell sein wollen. So ein Vorschlag würde zu Oskar Lafontaine passen, aber den haben sogar Sie in die Wüste geschickt.

(Barbara Duden SPD: Reden Sie doch mal zu Wil- helmsburg!)

Dieser Vorschlag bringt außer neuen Problemen gar nichts und er wird auch von den Mehrheiten vor Ort abgelehnt.

Damit wären wir beim nächsten Teil des Rahmens: Stärkung der regionalen Ebene und Subsidiaritätsprinzip. Sollen doch die repräsentativen Gremien vor Ort – Herr Wehnert, Sie haben sie genannt: der Beirat, der Ortsausschuss, die Bezirksversammlungen – sagen, wo sie die Prioritäten sehen und wie sie dafür eintreten. Wir haben, räume ich ein, in Hamburg eine für Ungeübte sehr komplexe und schwer überschaubare Verwaltungsstruktur. Aber, die Bezirksfraktionen wissen sehr gut, wen sie in den Fachbehörden und übergeordneten Instanzen ansprechen und einspannen können, um sich Gehör zu verschaffen. Das ist gut so.

Natürlich müssen wir in diesem Hause die Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Aber Sie müssen auch anerkennen, dass es schon eine ganze Reihe sehr sinnvoller Maßnahmen gibt, die durchgeführt werden. Sprachförderungen sind genannt in Tagesheimen, in Vorschulen, in Grundschulen. Dies möchte ich ausgesprochen positiv hervorheben.

Ein Bezirk Elbinseln, wie er im Weißbuch gefordert wird, macht überhaupt keinen Sinn, solange nicht die Zuständigkeiten und Rechte der Bezirke so strukturiert und stabilisiert sind, dass diese auch verantwortlich handeln können.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Diese Stärkung der Bezirke hat Vorrang vor der Schaffung neuer.

Gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung. Ohne die Ergebnisse der Zukunftskonferenz abwerten zu wollen, ist eine gewisse Asymmetrie unverkennbar. Die Bedürfnisse der Wirtschaft, der Hafenwirtschaft, des Containerumschlags und des überregionalen Verkehrs finden sich nur sehr spärlich wieder. Lassen Sie deshalb die Bezirke, die Fachbehörden und uns in Ruhe mit der Prüfung und der Umsetzung fortfahren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort erhält der Abgeordnete Silberbach.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Dr. Diethelm Stehr CDU)

A C

B D

Herr Wehnert, ich habe genau zugehört. Sie haben wirklich gesagt, seit März gibt es das Weißbuch und der Senat handelt immer noch nicht. Die Probleme von Wilhelmsburg sind seit Jahrzehnten bekannt und der Senat hat in dieser ganzen Zeit nicht gehandelt. Jetzt erwarten Sie vom Senat, er soll in sechs Monaten handeln.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Herr Wehnert, Sie müssen sich albern dabei vorkommen, wenn Sie so etwas vortragen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Barbara Duden SPD: Und Sie auch!)

Konferenzen, Arbeitsgruppen und Ähnliches setzt man in der Politik meistens ein, wenn spektakuläre Ereignisse dazu führen, dass Probleme nicht mehr verschwiegen werden können.

(Antje Möller GAL: Hier war es aber anders!)

Wenn Wahlen bevorstehen, wie es im Jahre 2001 der Fall war, wird diese Praxis noch dadurch beflügelt. Dies war auch der Grund, warum die Zukunftskonferenz Wilhelmsburg ins Leben gerufen wurde. Der Auslöser für diese Zukunftskonferenz war der grausame Tod des kleinen türkischen Jungen, der durch einen Kampfhund getötet wurde, und der Doppelmord im gleichen Wohnviertel.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Möller?

Nein.

Die Probleme des Stadtteils Wilhelmsburg waren aber schon lange vorher bekannt, nur war die verantwortliche Politik nicht bereit, dieses wahrzunehmen. Ich werde Ihnen jetzt erläutern, wie die Probleme in Wilhelmsburg entstanden sind, damit erstens aus den Fehlern gelernt wird und zweitens entsprechende Maßnahmen verhindern, dass noch mehr Deutsche und integrationswillige ausländische Mitbürger aus Wilhelmsburg wegziehen. Die Punkte, die ich nennen werde, treffen auch auf viele andere Hamburger Stadtteile zu, die vergleichbare Probleme haben. Wie sind die Schwierigkeiten in Wilhelmsburg entstanden?

Alte und heruntergekommene Wohnquartiere in Neuhof und der Neubau der Köhlbrandbrücke waren der Grund, dass die deutschen Bürger hier aus- und die ausländischen Mitbürger in die leer stehenden Wohnungen eingezogen sind. Das setzte sich schließlich Straßenzug um Straßenzug im Wilhelmsburger Reiherstieg fort. Auch in den modernisierten Wohnungen veränderten sich die Wohnbelegungen, weil deutsche Bürger, die Arbeit und wenig Kinder hatten, durch das Raster für die sozialgebundenen Wohnungen fielen. Die Folge war, ob sie wollten oder nicht, sie mussten sich außerhalb Wilhelmsburgs eine andere Wohnung suchen.

(Antje Möller GAL: Hanebüchener Unsinn!)

Zusätzlich zogen die sozialen Aufsteiger überwiegend in das Hamburger Umland, weil in Wilhelmsburg fast keine Baugrundstücke zur Verfügung gestellt wurden. Diese Entwicklung setzt sich heute leider fort, wenn auch zum Teil aus anderen Gründen.

Im alten Reiherstieg-Viertel leben heute in einigen Wohnquartieren bis zu 80 Prozent Bürger ausländischer Herkunft mit überwiegend türkischer Nationalität, die soziokulturell so weiterleben möchten, wie sie es von ihrer Heimat gewohnt sind, und dieses ist nicht die moderne Türkei der Großstädte.

Diese ausländischen Mitbürger kommen überwiegend aus Gebieten, die in der Zeit vor Atatürk stehen geblieben sind. Auf dieses Thema gehe ich aber noch gesondert ein.

Heute kann jeder Deutsche oder auch integrationswillige ausländische Mitbürger eine Wohnung in Wilhelmsburg bekommen, doch keiner will sie in den genannten Gebieten haben. Dieses trifft auch auf die angrenzenden Gebiete zu, wo die Mischung deutscher und ausländischer Mitbürger noch stimmt. Aber die Angst besteht, dass in ein paar Jahren die Verhältnisse genauso sind wie ein paar Straßenzüge weiter.