Da können Sie sich aufregen, das ändert nichts an den Tatsachen. Nicht nur die Sozialdemokratie hat eine Vergangenheit, sondern auch Sie haben eine Vergangenheit.
Das wollen wir doch mal festhalten. Es ist so, dass Sie am 19. September, vier Tage vor der Wahl, vieles versprochen und nichts gehalten haben. Dass Sie nicht richtig kapieren, worum es in manchen Anträgen geht, zeigt sich auch bei dem dritten Antrag. Vielleicht sollten Sie sich einfach mal die Zeit nehmen, ein paar Zeilen zu lesen, denn dann würden Sie begreifen, dass es in dem dritten Antrag darum geht, dass man kurzfristig in den Schulen etwas tut, weil
dieser Malwettbewerb am 15. Oktober ausläuft. Da ist nämlich die Einsendefrist zu Ende. Wenn Sie das ganze Ding jetzt erst einmal in den Ausschuss schieben wollen – ich weiß ja nicht, wann Sie oder wann wir tagen –, dann glaube ich nicht, dass wir es bis dahin schaffen.
Deswegen hatte ich in der letzten Woche Senator Lange angeschrieben mit der Bitte, sich doch noch einmal im Sinne der behinderten Menschen darum zu kümmern. Frau Senatorin Schnieber-Jastram hat eine entsprechende Kopie bekommen. Eine Reaktion ist ausgeblieben. Das kann man deuten, wie man will.
Herr Weinberg, das, was Sie hier heute gesagt haben, zeigt, dass Sie nicht der richtige Mensch für die Interessen behinderter Menschen in Hamburg sind. Ich glaube, im Bundestag sind Sie da in der Tat besser aufgehoben. Das müssen wir mal ganz deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Elke Thomas CDU: Das war ein Punkt für uns!)
Nun verstehen Sie das nicht so, dass ich sage, dass Herr Scholz verlieren soll. So meinte ich das jetzt nicht.
Bei den Beratungsstellen ist es doch gar nicht der Punkt, dass es jetzt eine Arbeitsgruppe gibt. Dass die Arbeitsgruppe eingerichtet worden ist, ist doch alleine den Protesten zu verdanken. Die Gesundheitsämter sollten zentralisiert werden und dann sind die Bezirke darangegangen und haben gesagt, bevor wir sie zentralisieren, wollen wir bei den Beratungsstellen sparen. Dieses Beratungsangebot ist gesetzlich vorgeschrieben. Dass dieses Beratungsangebot dezentral vorliegt, hat auch seinen Grund, denn es geht darum, die Menschen vor Ort zu beraten und zu verhindern, dass es lange Wege gibt, um sie zu besuchen, auch in ihrer eigenen Wohnung. Das war doch das Problem, dass hier durch die Hintertür eine Streichung um die Hälfte vorgenommen werden sollte, weil wir uns darum gekümmert haben und nicht die Senatorin. Die Senatorin hat nichts dazu gesagt. Sie hat auch im Sozialausschuss nichts dazu gesagt. Weil wir und auch die entsprechenden Behindertenverbände uns darum gekümmert haben, ist diese Arbeitsgruppe jetzt gegründet worden. Aber die entlässt uns doch nicht aus der politischen Verantwortung, dass wir uns um die behinderten Menschen kümmern. Wir Sozialdemokraten werden uns auch weiterhin darum kümmern.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/1271 federführend an den Bau- und Verkehrsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beschlossen.
Wer möchte die Drucksache 17/1374 an den Sozialausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch das ist einstimmig geschehen.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/1375 an den Sozialausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch dieses ist bei einer Enthaltung einstimmig beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf: Senatsantrag zur Übertragung des Eigentums am Grundstück Grindelhof 30 – Talmud-Tora-Schule – von der Freien und Hansestadt Hamburg auf die Jüdische Gemeinde in Hamburg. Nachforderung von 500 000 Euro beim Titel „Zuschüsse an die Jüdische Gemeinde Hamburg für Baumaßnahmen“.
[Senatsantrag: Haushaltsplan 2002 Übertragung des Eigentums am Grundstück Grindelhof 30 – Talmud-Tora-Schule – von der Freien und Hansestadt Hamburg auf die Jüdische Gemeinde in Hamburg, Körperschaft des öffentlichen Rechts Nachforderung von 500 000 Euro beim Titel 1100.893.01 „Zuschuss an die Jüdische Gemeinde Hamburg für Baumaßnahmen“ – Drucksache 17/1368 –]
Meine Damen und Herren! An dieser Stelle begrüße ich Frau und Herrn Stoler und Herrn Dilmanian, drei Vertreterinnen und Vertreter der Jüdischen Gemeinde, die unserer Debatte von der Senatsloge aus folgen werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die vorliegende Drucksache hier im Hause eine große Mehrheit finden wird, und möchte deshalb weniger auf die Inhalte dieser Drucksache eingehen, sondern mir ein paar Gedanken zur Zukunft, aber auch Vergangenheit dieser Talmud-Tora-Schule in unserer Stadt machen.
Eigentlich erfüllt es mich mit großer Freude und mit viel Stolz, dass wir in Hamburg wieder eine jüdische Schule erhalten.
Es weckt aber nach wie vor auch viel Schamgefühl in mir vor dem schrecklichen Geschehen der Vergangenheit. Wenn wir dieses Thema diskutieren, kommen wir nicht umhin, uns nach andauerndem Aufbau jüdischen Lebens auch gleichzeitig mit dessen Hintergrund und der Vergangenheit zu beschäftigen.
Kurz vor seinem Selbstmord schrieb der ehemalige Staatsrat der Finanzbehörde, Leo Lippmann, im Juni 1943:
„Ich habe die erste Niederschrift meiner Erinnerung im Frühjahr 1935 mit dem Wort des Apostels Paulus geschlossen: Hoffnung aber lässt nicht zu Schanden werden. Heute kann ich nicht mehr glauben, nicht mehr die Erwartung hegen, dass auch für meine Frau und mich einmal wieder bessere Zeiten kommen werden, Zeiten, in denen wir wieder voll als Menschen anerkannt und als Menschen nur nach unseren menschlichen Qualitäten und Taten beurteilt werden.“
Es hat sehr, sehr lange gedauert, finde ich, ehe wir in Hamburg jetzt, nach über 63 Jahren, so weit sind, dass wir diese jüdische Schule wieder öffnen. Die Zeilen von Leo Lippmann sind für mich ein erschütterndes Dokument dessen, was die Juden an schrecklichen und bösartigen Dingen mitgemacht und erlitten haben.
Heute, 63 Jahre später, stehen wir vor einem kleinen zarten Neuanfang jüdischen Schullebens in unserer Stadt, fast eine ganze Generation später.
Bornplatz, die jüngst verlegten Gedenksteine im Grindelviertel, die Gebäude der Talmud-Tora-Schule, alles stumme Zeugen der systematischen Auslöschung des Hamburger Judentums.
Die junge Marion Birmann, die bis Oktober 1938 die fünfte Klasse der israelischen Töchterschule im Karolinenviertel besuchte und dann nach Polen deportiert wurde, schrieb in einem letzten Brief an ihre Klasse und ihre Lehrerin:
„Jetzt will ich Euch erzählen, wie wir hier hergekommen sind. Freitag morgen, als Frau Josias, die Schulsekretärin, mich aus der Klasse holte, ging ich mit Herrn Meier zur Feldbrunnenstraße 18 zur Wache. Dort warteten schon meine Eltern auf mich und meine Geschwister. Als alle da waren, fuhren wir mit einem Polizeiwagen nach Altona in eine Kaserne. Dort bekamen wir Essen und Trinken. Abends gegen acht Uhr fuhren wir nach Polen. Wir konnten leider nicht mehr aus dem Zug sehen, weil alles dunkel war. Eine Bank hinter uns saß eine Dame, die sagte zu jedem, nach Hause. Jeder sagte ihr, gleich sind wir zu Hause. Auch weinte sie.“
Wir haben niemals wieder etwas von dieser Marion gehört. Mit diesem Kind sind 10 000 andere Hamburger Juden in den Tod gegangen. So schnell, wie sich die Jüdische Gemeinde in Hamburg nach dem Krieg auch wieder konstituierte, so lange hat es fast zeitraffermäßig gedauert, bis auch jüdisches Schulleben in dieser Stadt wieder möglich sein wird. Möge sich die kleine, zarte Pflanze der TalmudTora-Schule am Rothenbaum in unserer weltoffenen Stadt Hamburg gut entwickeln. Den neuen Schülern, den Eltern, den Lehrern und der Gemeinde wünsche ich viel Kraft und Freude beim Neuaufbau und rufe Ihnen von dieser Stelle aus Schalom zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Die Talmud-ToraSchule in Hamburg hat ihre Pforten wieder geöffnet und den Schulbetrieb wieder aufgenommen, ein für uns alle wichtiger und sehr bedeutsamer Schritt. Die Jüdische Gemeinde wächst, hat vor einigen Jahren ihren Kindergarten eröffnet und kann nun folgerichtig auch den Schulkindern wieder ein Schulangebot machen. Wir begrüßen dieses ausdrücklich.
Selbstverständlich unterstützt die SPD-Fraktion auch die unentgeltliche Übereignung des Grundstücks und Gebäudes am Grindelhof und den Zuschuss an die Jüdische Gemeinde. Wir erinnern uns, dass es Menachem Mendel Frankfurter, ein Geschäftsmann, war, der Anfang des 19. Jahrhunderts die Gründung der – wie sie damals hieß – Israelitischen Armenschule, der Talmud-Tora-Schule, veranlasst hatte. Die Schule vermittelte bereits damals als eine der ersten Reformschulen in Hamburg neben den religiösen Grundlagen des Judentums das bürgerliche Wissen als Zeichen der Hinwendung zur weltlichen Bildung.