Protocol of the Session on September 3, 2003

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Das stimmt. Die von mir zuvor genannte Redezeit stand mir vor dem Redebeitrag von Herrn Dobritz zur Verfügung.

Ich habe meine Rede auf die Hälfte gekürzt,

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

aber dennoch müssen einige Dinge einfach gesagt werden.

Ein neues Wahlrecht verändert – wer kann es übersehen – auch die Aufstellungsbedingungen der Abgeordneten im Wettbewerb zueinander. Am Ende gewählt zu werden, kann auch als zusätzliche Herausforderung und Legitimation für das Mandat verstanden werden.

Der Ihnen vorliegende Antrag wird von einer anderen Zielsetzung bestimmt. Die Stärkung der Rechte von Wählerinnen und Wählern ab der nächsten Bürgerschaftswahl steht eindeutig im Vordergrund. Der Weg zu einer Einführung von Wahlkreisen, das heißt die Stärkung von Bürgerrechten, war für die SPD jedoch nicht weit. Andere Parteien hatten sehr viel weitere Wege zu gehen.

Diese Vorgänge sind aber – so hoffe ich – heute nur noch Geschichte. Entscheidend ist, dass dieser Antrag vorliegt und dass sich eine breite parlamentarische Mehrheit für die verbindliche Einführung von Wahlkreisen zur nächsten Bürgerschaftswahl ausspricht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie sollten mich belohnen, indem Sie ein bisschen zuhören. Das Gestrichene in meinem Konzept kann ich auch noch lesen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Ablesen solcher Aufzeichnungen nach der Geschäftsordnung untersagt ist.

Herr Vorsitzender, ich habe das Durchgestrichene im Kopf.

(Heiterkeit bei Burkhardt Müller-Sönksen und Leif Schrader, beide FDP)

Die nächste Bürgerschaftswahl findet spätestens 2005 statt, sie ist aber auch zu einem früheren Zeitpunkt denkbar.

Mit diesem Antrag legt sich die Bürgerschaft fest. Sie wird einen Weg einschlagen, der keine Interpretationen zulässt. Für den Fall eines Volksentscheids wird die Bürgerschaft dem Volk ihren Entwurf alternativ zu den Vorstellungen der Initiatoren zur Abstimmung stellen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch für den Fall, dass die Initiative die erforderlichen Stimmen beim Volksbegehren nicht erhält und es demnach nicht zu einem Volksentscheid kommt, wird – so die Intention des Antrages – die Bürgerschaft ein neues Wahlrecht zur nächsten Bürgerschaftswahl einführen. Es wird auf jeden Fall zur nächsten Bürgerschaftswahl möglich sein, stadtteilnahe Abgeordnete auch direkt zu wählen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der parlamentarische Weg zur Einführung von Wahlkreisen in Hamburg ist frei. Hamburg wird zukünftig das 14. Bundesland sein, in dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Abgeordneten direkt ins Parlament wählen können.

Was wird sich für die Wähler ändern? Welche Ziele werden mit diesem neuen Wahlrecht verfolgt? Herr Dr. Maier

hat im letzten Jahr ausgeführt – ich erinnere mich an eine Debatte vom November letzten Jahres –, dass es die erste Aufgabe der Bürgerschaft sei, eine aktive Teilnahme an der Demokratie zu produzieren.

So richtig diese Aussage auch ist, dennoch möchte ich einer möglichen falschen Erwartung entgegentreten, dass sich nämlich allein mit einem neuen Wahlrecht eine grundlegende Änderung der Teilnahme an der Demokratie herstellen lässt. Es ist vielmehr so, dass nicht ein neues Wahlrecht das Volk verändert, sondern das Volk kann sich selbst ein neues Wahlrecht schaffen.

Mit den im Antrag festgelegten Aussagen sind folgende Überlegungen verbunden:

Erstens: In den 13 Bundesländern, in denen ein personalisiertes Verhältniswahlsystem besteht, wird überwiegend eine Hälfte direkt und die andere Hälfte der Abgeordneten über eine Liste gewählt. Wir wollen uns bei der Einführung von Wahlkreisen und den Änderungen des Hamburger Wahlrechts an dem Wahlsystem der anderen Bundesländer orientieren.

Zweitens: Kumulieren und Panaschieren sind nicht nur im Volk wenig verankerte Begrifflichkeiten, sie stehen auch im krassen Widerspruch zu einem durchschaubaren und verständlichen Wahlsystem.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen ein Wahlsystem, das durchschaubar ist, es muss für die Wählerinnen und Wähler verständlich sein.

Wenn wir uns jetzt schon die vielen ungültigen Stimmen bei den Wahlen anschauen und uns vorstellen, dass nach dem Vorschlag der Initiative jeder Wahlberechtigte fünf Wahlkreisstimmen und fünf Stimmen für die Landesliste hat – also insgesamt zehn –, dann kann man eine Vorstellung davon bekommen, wie sich nach Einführung dieses Wahlsystems die Anzahl der ungültigen Stimmen entwickelt.

Ich möchte einmal ein häufig benanntes Bundesland anführen. In Bayern lag die Anzahl der ungültigen Stimmen in den Jahren 1950 bis 1998 ziemlich konstant bei rund 260 000. Der Spitzenwert lag sogar bei 384 000 ungültigen Stimmen. Die GAL hat in Hamburg im Jahre 2001 circa 73 000 gültige Stimmen erhalten und selbst die CDU wäre mit ihren 223 000 Stimmen bei dieser hohen Anzahl ungültiger Stimmen überboten worden. Wir wollen einen Stimmzettel, der überschaubar und geeignet ist, die Anzahl der ungültigen Stimmen in Grenzen zu halten.

(Beifall bei der SPD)

Drittens: Die Politik und die Verwaltung sind in vielen Teileinheiten organisiert worden. Viele Bürgerinnen und Bürger klagen darüber, dass sie nicht mehr genau wissen, wer welche Zuständigkeit hat.

Nach den Vorstellungen der Initiative könnte beispielsweise der Bezirk Bergedorf ein Wahlkreis werden. Vor Ort sind Abgeordnete notwendig, die nicht nur ein Gesicht haben, sondern auch zuhören und handeln können. Natürlich sind auch heute schon einige vor Ort, doch einen verbindlichen und zuständigen Abgeordneten im Wahlkreis, den man direkt wählen kann, schafft eine andere Beziehung zwischen Bürgern und Abgeordneten. Wir wollen, dass Bürger ihre Abgeordnete oder ihren Abgeordneten stadtteilnah wählen können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Viertens: Wie durchschaubar und fair ist das Wahlsystem gegenüber den Wahlberechtigten, wenn Wähler einen Kandidaten der Partei A wählen, diese Partei jedoch nicht genügend Kandidaten im Wahlkreis benannt hat, der Sitz dann aber an die Partei B geht? Diese Wählerin oder dieser Wähler wollte aber gerade diese Partei nicht wählen. Hier stellt das Wahlrecht eine Beziehung zwischen dem Wähler und dem Abgeordneten her, die überhaupt nicht vom Wähler gewünscht wurde.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP und bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Nun ein kleiner scherzhafter Beitrag: Einen Kandidaten per Losentscheidung zu finden, wäre vergleichbar fairer, denn jeder wüsste um dieses Verfahren. Es hätte jedoch den Nachteil, dass man nicht weiß, wo die eigene Stimme landet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir wollen die direkte Beziehung zwischen dem Wähler und dem Abgeordneten in einem Wahlkreis auch durch einen zurechenbaren Wahlakt herstellen.

Nach den Vorstellungen der Initiative darf von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl eines Wahlkreises diese um 33 1/3 Prozent nach unten beziehungsweise nach oben abweichen. Man kann sich schnell merken: Es verbleiben 66 2/3 Prozent. Man kann es anders ausdrücken: Die Spannweite der Abweichung liegt demnach zwischen 66 2/3 Prozent und 133 1/3 Prozent, was im Extremfall dazu führen kann, dass die Stimmen in einem Wahlkreis nur die Hälfte der Stimmen eines anderen Wahlkreises bewirken.

Wir wollen, dass jede Stimme annähernd mit der gleichen Gewichtung im Parlament landet.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der FDP)

Wir wollen den Zuschnitt und die Größe der Wahlkreise nach objektiven Kriterien festlegen und den Einfluss der Wahlberechtigten auf die Zusammensetzung des Parlaments insgesamt stärken. Ob mit einem neuen Wahlrecht gleichzeitig eine aktivere Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an der Demokratie gefördert oder sich zumindest die Einstellung zur Politik positiv verändern wird, werden wir alle sehr viel später feststellen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Reinert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dem Vorredner sehr dankbar, dass er mir so manchen Punkt erspart.

Es entspricht der demokratischen Tradition dieses Hauses, dass man versucht, ein Wahlrecht auf eine breite Grundlage zu stellen. In dieser Tradition bewegen wir uns weiter. Wir wollen den Bürgern gegebenenfalls dieses Wahlrecht – als Kontrast zu dem, was sich die GAL zu Eigen gemacht hat – zur Abstimmung vorlegen. Ich bin froh darüber, dass wir hier eine Auseinandersetzung führen, wie Demokratie weiterentwickelt werden kann, der