Protocol of the Session on February 12, 2004

Login to download PDF

(Antje Möller GAL: Da müssen Sie mal genauer lesen!)

Das Bundesverfassungsgericht hat auch klargestellt,

(Werner Dobritz SPD: Ich fand Ihre Rede gestern Abend viel besser!)

hören Sie zu, sonst verstehen Sie es wieder nicht – dass es dem Gesetzgeber freisteht, den Rahmen abzustecken, in dem die Einschränkung erfolgt. Es ist wichtig, dieses klarzustellen. Das heißt, es geht hier nicht um Bekleidung, auch nicht um Schmuckstücke, die man um den Hals trägt – wie etwa ein Kreuz an einer Kette – und es geht schon gar nicht um Kreuze an der Wand. Dies ging bei der Diskussion in den Medien munter durcheinander. Das Symbol Kreuz ist längst ausgeurteilt. Hier hat das Bundesverfassungsgericht längst entschieden, dass das Kreuz abgenommen werden muss, wenn jemand dieses wünscht.

Schon gar nicht geht es um Adventskränze oder Tannenbäume, die als heidnische Bräuche weder religiöse Symbole darstellen noch Bekleidung sind. Schließlich – auch das muss man wissen – betrifft das Verbot nicht die konfessionellen oder die Privatschulen.

A

B

C

D

Der Zeitpunkt, ein solches Gesetz einzubringen, ist richtig. Wenn nicht rechtzeitig eine Regelung getroffen wird, dann wird es in absehbarer Zeit zu Konflikten kommen. Es befindet sich eine Anzahl von Kopftuchträgerinnen im Lehramtsstudium. Andere Länder wie Hessen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin sind dabei, entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen oder wollen dies tun.

Außerdem ist dann – wenn andere Länder vorangehen – zu erwarten, dass die Lehramtsbewerberinnen aus anderen Bundesländern nach Hamburg kommen werden. Hamburg war sicher unter Rotgrün dafür bekannt, dass die Probleme immer erst groß werden mussten – die größte Drogenszene, die Hauptstadt des Verbrechens und die gescheiterte Integration in Wilhelmsburg –, bevor man sie zu lösen begann. Das muss nicht so sein. Man kann handeln, bevor die Konflikte entstehen und bevor das Problem so groß wird und man zu spät kommt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Antje Möller GAL: Das hat alles was mit dem Kopftuch zu tun, das die Lehrerin trägt? Das ist doch Unsinn!)

Unser Gesetz ist auch kein Schnellschuss, wie bereits in der Presse zu lesen war. Wir arbeiten seit vielen Monaten intensiv an dem Thema, und zwar so, wie man es von Politikern erwarten kann, die vorausschauend handeln. Wir haben uns mit den Ansichten der Islamwissenschaftler, der türkischen Gemeinde und den Gesetzesentwürfen der anderen Bundesländer juristisch auseinander gesetzt, um deren Fehler zu vermeiden.

Wenn man hört, dass sich die CDU noch nicht ausreichend mit dem Thema befasst hat, dann mag es sein, ist aber keine Entschuldigung dafür, um dieses Gesetz im Ausschuss zu beerdigen. Andere Bundesländer sind schneller; auch dort ist die CDU mit dabei.

Nach der Wahl – so ist meine Befürchtung – wird das Thema nicht mehr händelbar sein. Herr von Beust schweigt,

(Zuruf von der SPD: Wie immer!)

er ist auch nicht anwesend.

(Ingo Egloff SPD: Wo ist Ole?)

Er wirbt für Darbovens Milchkaffee und für eine Kneipe auf der Reeperbahn.

(Barbara Ahrons CDU: Was soll das denn? Das ist ja wohl etwas daneben!)

Aber er schweigt zu einem Thema, das das Bundesverfassungsgericht als eine der größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit bezeichnet hat.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und vereinzelt bei der SPD)

Ich glaube, eine klare Position zu dieser Frage wäre nicht schlecht. Die Menschen wollen dazu etwas hören, sie wollen nicht wissen, wie viel Bier man trinken muss, um lustig zu werden.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Wie viel brauchen Sie?)

Der Bürgermeister verzichtet – wenn auch nicht ganz – auf politische Themen, denn immerhin hat er eine Koalitionsaussage zugunsten der FDP gemacht. Diese hat sich

aber strikt gegen ein Kopftuchverbotgesetz ausgesprochen. Insofern kann man Rückschlüsse ziehen.

(Erhard Pumm SPD: Woher kommen diese neuen Erkenntnisse?)

Eine weitere Baustelle in der Schulbehörde möchte der Senator von der FDP ebenfalls nicht haben; auch das ist verständlich, aber keine Entschuldigung, wenn man vorausschauend Politik für die Bürger dieser Stadt machen will. Mit einer FDP-Regierungsbeteiligung wird es kein Kopftuchverbot geben, ebenso wenig mit der GAL und vermutlich auch nicht mit einer großen Koalition, denn die SPD ist in dieser Frage gespalten.

Es besteht aus diesem Grund nur jetzt die letzte Chance, parteiübergreifend – wie es bei einer solchen Frage durchaus sein sollte – ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Nach der Neuwahl besteht dafür möglicherweise keine Chance mehr.

(Michael Neumann SPD: Sie wissen also, dass Sie nicht wieder reinkommen!)

Es wäre schade, wenn Hamburg die Chance vergibt, in dieser Frage noch tätig zu werden. Das gleiche Dilemma gibt es in Berlin, wo die SPD ein solches Gesetz dringend einführen möchte, aber die PDS verhindert es. Das Gleiche wird der SPD hier mit der GAL und möglicherweise auch der CDU mit der FDP passieren.

(Michael Neumann SPD: Herr Frühauf geht von Rotgrün aus!)

Ich kann nur an Sie appellieren: Tun Sie einen Schritt in die richtige Richtung, kneifen Sie nicht, haben Sie Mut, das Thema zu diskutieren und eine Entscheidung zu treffen. Deshalb schieben Sie dieses Thema nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf.

Nun wird uns Frau Kiausch – das habe ich an Ihrem Handzeichen gesehen – erzählen, warum sich der Kanzler und das Bundesverfassungsgericht irren und warum früher alles besser war. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Frau Kiausch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Frühauf, muss ich Ihnen sagen, dass Sie sich irren. Ich werde nämlich nicht auf den Kanzler und auch nicht weiter auf das Bundesverfassungsgericht eingehen,

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sie lavieren sich da durch!)

sondern ich werde mich einer juristischen Deutung des Gerichtsurteils – das im Übrigen, das darf man nicht vergessen, zwei Voten hat – enthalten.

Das Kopftuchverbot ist ein außerordentlich wichtiges Thema. Ich lehne es ab, mich auf viele Menschen zu berufen, die hier schon festgelegt sind. Meine Fraktion ist nicht festgelegt und ich bin froh darüber, denn es ist eine Frage, die jeder Einzelne mit sich selbst ausmachen und dann mit anderen darüber diskutieren muss. Wenn Sie das schon getan haben, dann ist es Ihre Sache.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU und der FDP)

Für mich ist nur eines sicher, dass dieses, wenn man ein Verbot haben will, einer gesetzlichen Landesregelung bedarf. Alles andere ist offen. Deswegen stelle ich auch nur Fragen und versuche, die Problematik zu beleuchten.

Es geht doch schon damit los, wie man das Kopftuch betrachtet. Ist es ein religiöses Bekleidungsstück oder ein Teil der Religionsausübung? Ist es ein Symbol der Ungleichheit zwischen Mann und Frau oder ist es das Symbol für eine politische Einstellung, nämlich zum Islamismus.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sie hätten mal das Urteil lesen sollen; das steht da alles drin!)

Wenn man ein Verbot will, verehrter Herr Frühauf, dann muss man sich zumindest tendenziell für eine dieser Deutungen entscheiden und daraus seine Schlüsse ziehen. Denn eine objektive Begriffseinstellung kann man dazu nicht gewinnen, die Beurteilung des Kopftuches wird immer subjektiv sein.

Wenn es dann schon so ist: Welche Rolle misst man dann eigentlich dem subjektiven Grund bei, der eine Frau dazu bringt, ein Kopftuch zu tragen? Spielt das eigentlich keine Rolle? Juristisch kriegen Sie das weggebügelt, das weiß ich auch, Herr Frühauf. Aber für mich ist das schon eine Frage. Wenn es objektiv nicht definierbar ist, dann muss man die subjektiven Gründe auch gelten lassen und sich darüber Gedanken machen.

Wie ist es mit der Religionsfreiheit? Wird sie beeinträchtigt oder nicht? Wie hoch schätzen wir – das ist ein ganz anderer Komplex – eigentlich die Toleranz und die Religionsfreiheit in einer Weltstadt und Metropole, die Hamburg schließlich sein will, ein? Das ist ein Gesichtspunkt, den man immerhin einmal ventilieren kann.

Ist es eigentlich der richtige Weg, wenn man sich für eine bestimmte – nämlich politische – Deutung entschieden hat, das Symbol zu verbieten? Hier habe ich allergrößte Zweifel, dass dies der richtige Weg ist. Ich frage mich, ob es dann auch nur in einer relativ kleinen Gruppe, nämlich bei beamteten Lehrerinnen, so sein soll? Das ist die Frage. Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass man das will. Aber man kann mit einer gewissen Berechtigung auch die Frage stellen – wenn man Befürchtungen in der Schule hat –, ob nicht in erster Linie die Aufsichtsorgane und Eltern gefordert sind? Das wäre auch eine Antwort.