Protocol of the Session on February 25, 2004

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(Michael Neumann SPD: Der Antrag ist zwei Jahre alt. Sie haben ihn im Ausschuss versauern las- sen!)

Aber das ist so häufig die Art sozialdemokratischer Politik – das bekommen wir auch momentan auf Bundesebene schön von Ihnen vor Augen geführt und erinnert mich so ein bisschen an Ausbildungsplatzabgabe –, die Ideen, meist liberaler Natur, sind gut, aber die Umsetzung ist mehr als mangelhaft.

Die hier geplante staatliche Stiftung ist der falsche Weg. Sie wird keine unmittelbare Verbesserung für die Opfer von Straftaten bringen, sondern das hier vorgesehene Geld wird im Verwaltungsüberbau und in dieser von Ihnen geplanten Stiftung versickern.

(Michael Neumann SPD: So'n Quatsch! – Doris Mandel SPD: Was kennen Sie denn für Stiftungen. Die sind bestimmt von der FDP!)

Rückfragen bei allen hamburgischen Trägern haben ergeben, dass sich keiner dieser Stiftungen unmittelbar direkt anschließen will, sondern es haben einige nur nicht komplett ausgeschlossen, dann, wenn Sie eine solche Stiftung einführen, sich ihr auch anzuschließen. Aber das sind zwei verschiedene Dinge.

Wir brauchen keine staatliche Stiftung „Opferschutz in Hamburg“, denn die in Hamburg arbeitenden Opferschutzeinrichtungen sind gut organisiert und verzahnt. Wenn wir mehr Geld in die Hand nehmen wollen und das wollen wir gern mit Ihnen zusammen, werden wir auch gemeinsam schauen, wo wir es einsparen können.

(Michael Neumann SPD: Sie haben doch schlichtweg das Geld anders ausgegeben! Zuruf von Rolf-Dieter Klooß SPD)

Herr Klooß, das Geld muss dafür verwandt werden, die ehrenamtlich vorhandenen Strukturen, die verzahnt und vernetzt sind, weiterhin zu fördern und zu stärken und nicht mit einer weiteren Organisation und Kommunikationsschnittstelle zu schwächen. Irgendwann kann man durch zuviel Organisation auch eine Schwäche herstellen.

(Michael Neumann SPD: Deswegen sind Sie auch total unorganisiert!)

Unsere Ablehnung des SPD-Antrages ist daher nicht als Entscheidung gegen den Opferschutz, sondern als Unterstützung und Forderung der vorhandenen gut arbeitenden Einrichtungen zu verstehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Bodo Theodor Adolphi.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Spethmann, unselige Allianz mit Opferschutz zu verbinden, macht meines Erachtens nachdenklich. Dafür ist das Thema Opferschutz zu Ernst.

Was heißt eigentlich Opferschutz? Ein Opfer von Straftaten kann kaum vor der Tat geschützt werden. Daher meint Opferschutz eigentlich etwas ganz anderes, nämlich im Wesentlichen Hilfe und Betreuung des Opfers. Opferschutz bedeutet also Hilfe nach der Tat und soll wenigstens eine ähnliche Unterstützung des Opfers gewähren, wie Täter ansonsten im Sinne von Täterschutz erhalten.

Seit vielen Jahren gilt es als selbstverständlich, dass Straftäter verschiedene Hilfen erhalten, obwohl sie Täter waren und sind. Trotz ihrer Tat reicht ihnen die Gesellschaft die Hand und kommt zur Hilfe. Wo ist aber diese Bereitschaft der Gesellschaft, wenn es darum geht, dem Opfer zu helfen und ihm Unterstützung zu gewähren, wenn bei Straftaten das Opfer oder dessen Familie psychisch nachbetreut werden muss, bei Körperverletzungsdelikten unabsehbare Krankenhausaufenthalte die Folge sind oder bei Kapitalverbrechen die völlige Existenzvernichtung absehbar ist und beim Täter finanziell nichts zu holen ist.

Der zur Behandlung vorliegende Antrag gewährt dem Opfer noch lange keine Befriedigung aus einem Opferfond, der die Außenstände beim Täter später eintreibt, analog zu den Unterhaltsvorschusskassen. Also von einer solchen wünschenswerten Forderung der Opferschutzeinrichtung in Deutschland sind wir noch meilenweit entfernt. Es geht hier aber darum, dass der Rahmen der Opferhilfe eine staatliche Pflichtaufgabe werden muss, denn Opferrechte sind Menschenrechte. Ihre Erfüllung darf nicht vom jeweiligen Kassenstand abhängen. Daher ist in Hamburg wenigstens eine zentrale Beratungsstelle für Opfer aller Deliktbereiche einzurichten.

Verschiedene Organisationen – ich nenne hier beispielhaft den „Weißen Ring“ – bieten in der Frage des Opferschutzes ihre Hilfe an. Diese Opferschutzeinrichtungen leisten eine hervorragende Arbeit. Aus der Sicht des „Weißen Rings“ sind jedoch insbesondere verbesserte Entschädigungsmöglichkeiten im Strafverfahren und ein wirksamer Opferschutz im Verfahren gegen Jugendliche, aber auch schutzbedürftiger Opferzeugen, der schonende Umgang mit Opferzeugen und nicht zuletzt eine bessere Ausgestaltung der Informationsrechte und Pflichten des Verletztens als vordringlich anzusehen.

Wir in der Ronald-Schill-Fraktion sind ebenfalls dieser Meinung, dass eine weitere Opferschutzstiftung in Hamburg, die die derzeitigen Informationsangebote erweitert, fortentwickelt, verbessert und koordiniert, sehr wohl notwendig ist und sinnvoll erscheint. Weder existiert in Hamburg eine zentrale Ansprechstelle für Opferschutzfragen, noch erhalten – wie der Presse zu entnehmen ist – Jugendliche und deren Eltern in Hamburg ausreichende Hilfe und Beratung in Verfahren gegen Jugendbanden. Weder ist gewährleistet, dass Opfer in ganz Hamburg, so ergab selbst die Anhörung, ein Angebot der Zeugenbetreuung erhalten, noch gibt es eine zentrale, koordinierende Einrichtung des Opferschutzes.

Noch ein Satz zum Geld. Das Geld ist in diesem Fall unbestritten im Topf Einnahmen aus Gewinnabschöpfung vorhanden. Also kann und muss aus diesem Bereich, der

gerade dem Opferschutz dienen sollte, das Geld auch kommen und nicht andere Haushaltslöcher schließen. Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Antrag mit den im Rechtsausschuss erfolgten Änderungen Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön.

(Beifall bei der Ronald-Schill-Fraktion und verein- zelt bei der SPD)

Das Wort wünscht Frau Mandel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben, insbesondere Herr Klooß, aber auch Herr Adolphi, schon auf wesentliche Dinge für diese Stiftung zur Hilfe für Opfer von Straftaten hingewiesen. Ich möchte noch einige Argumente hinzufügen, die absolut dafür sprechen, dass wir in Hamburg eine Stiftung einrichten, mit der wir auch private Spenden sammeln können, um den Opfern besser helfen zu können.

Die meisten Opfer sind Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Der Bericht der Gewaltkommission der Bundesregierung von 1990 stellt erstmals offiziell fest, dass Gewalt in der Familie die in unserer Gesellschaft am häufigsten vorkommende und ausgeübte Gewalt ist. Ganz überwiegend werden Frauen Opfer von männlicher Gewalt. In 90 bis 95 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt sind Frauen die Opfer und Männer die Täter. Kinder sind nicht nur mitbetroffen von der Gewalt in den Familien. Das Beobachten von Gewalt gegen die Mutter führt bei einem Kind zu den gleichen Traumatisierungen, als wenn das Kind tatsächlich selbst schwer körperlich misshandelt oder missbraucht worden wäre. Die Folgekosten von Männergewalt werden in der Bundesrepublik auf etwa 14,8 Milliarden Euro jährlich beziffert. Hierin enthalten sind Kosten für Justiz, Polizei, ärztliche Behandlung und Ausfall an den Arbeitsplätzen.

Auch Opfer – und das haben meine Vorredner gleichermaßen erwähnt, aber ich möchte das nochmals betonen – haben einen Anspruch auf Resozialisierung in ihr Alltagsleben hinein. Dieser Anspruch ist gesamtgesellschaftlich erst in den letzten Jahren überhaupt anerkannt worden. In den vergangenen Jahren gab es auf Länder-, aber auch auf Bundesebene erhebliche Bemühungen, den besonderen Bedürfnissen von Opfern von Straftaten gerecht zu werden.

In Hamburg werden zum Opferschutz seit zwei Jahren nur Sonntagsreden gehalten, Frau Spethmann.

(Beifall bei der SPD)

In 2003 ist die Zahl der Vergewaltigungen und der besonders schweren sexuellen Nötigung um mehr als 23 Prozent katastrophal angestiegen. Gleichzeitig sind die Ausgaben für den Opferschutz, Frau Spethmann, der aus den genannten Gründen vor allem Frauen zugute kommt, von Ihnen beträchtlich und ganz erheblich zusammengestrichen worden. So erhalten die Frauenhäuser im Jahre 2004 17 Prozent weniger Geld als 2001. Und das bei erheblich gestiegenen Fallzahlen und gestiegenen Betriebskosten. Das ist Ihr Verständnis von Opferschutz.

Alle Beratungseinrichtungen für Opfer und therapeutische Angebote sind trotz ebenfalls stetig steigender Fallzahlen finanziell massiv gekürzt worden. Vielleicht, weil die Opfer

so gut wie immer nur Frauen und Kinder sind oder, weil dieses Faktum nicht in das Bild der von Ihnen propagierten heilen Familie passt.

(Michael Neumann SPD: Nestwärme!)

Ihre Realitätsverweigerung entspricht auch dem Motto von Frau Schnieber-Jastram, wonach es in dieser Stadt kein Problem ist, eine Frau zu sein. Wir Frauen sind Ihre Lippenbekenntnisse zum Opferschutz endgültig leid, Frau Spethmann.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Wir Männer auch!)

Ihre Kürzungen in diesem Bereich strafen Ihre Sonntagsreden Lügen. Die Verwendung der Gewinne aus der Abschöpfung von Straftaten als Einnahme für den Gesamthaushalt unserer Stadt ohne Berücksichtigung der Opfer ist ein Skandal und einfach nur zynisch. Da gebe ich Herrn Adolphi Recht.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen eine Hamburger Stiftung „Hilfe für Opfer von Straftaten“, Frau Dr. Lappe, damit mehr Geld, auch von privaten Spendern, in dieser Stiftung gesammelt werden kann. Aber der Grundstock und die Anschubfinanzierung für eine solche Stiftung sollen selbstverständlich aus den Einnahmen der Gewinnabschöpfung aus den Straftaten erfolgen. Das ist doch nicht verkehrt. Aber jetzt haben Sie, meine Damen und Herren von CDU, doch endlich die Gelegenheit, ernst zu machen mit Ihren Lippenbekenntnissen zum Opferschutz. Lassen Sie den Opfern von Straftaten wenigstens einen Teil des Geldes zugute kommen, das über die Gewinnabschöpfung durch die Justiz abgegriffen wird. Folgen wir dem positiven Beispiel aus Baden-Württemberg und Niedersachsen – Sie schauen ja sonst auch immer gern nach Süden – und stimmen Sie diesem Antrag auf Gründung einer Stiftung zur Hilfe für Opfer von Straftaten zu. – Danke.

(Beifall bei der SPD und bei Bodo Theodor Adolphi Ronald-Schill-Fraktion)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, lasse ich jetzt abstimmen. Vorher bitte ich noch die Abgeordneten, an ihre Plätze zurückzukehren, damit wir einen besseren Überblick von hier oben haben, wie sich die Mehrheiten gestalten. – Darf ich Sie also bitten, auf Ihre Plätze zurückzukehren.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer der Ausschussempfehlung zustimmt, der möge bitte die Hand heben und ein wenig oben lassen, damit wir durchzählen können. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Vielen Dank. – Einen Augenblick bitte noch, wir haben unterschiedliche Ergebnisse.

Meine Damen und Herren, das Abstimmungsergebnis ergibt eine Ablehnung der Ausschussempfehlung.

Jetzt lasse ich in der Sache selbst abstimmen, und zwar den Antrag aus der Drucksache 17/474. Ich bitte um das Handzeichen für die Zustimmung? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist eine identische Abstimmung. Somit ist der Antrag mit Mehrheit und bei einigen Enthaltungen abgelehnt.

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 47 und 46, Drucksachen 17/4257 und 17/4256, Anträge der

A C

B D

CDU-Fraktion: Aussichtsplattform und Dokumentationszentrum für die HafenCity und Philharmonie auf Kaispeicher A.

[Antrag der Fraktion der CDU: Aussichtsplattform und Dokumentationszentrum für die HafenCity – Drucksache 17/4257 –]