Protocol of the Session on May 11, 2006

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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten zwei Tagen konnte

man von einer bundesweiten Kritik des Bundesrechnungshofs an dem Ganztagsschulprogramm der früheren Bundesregierung in Höhe von 4 Milliarden Euro lesen, einer Maßnahme, die sehr viel dazu beigetragen hat, dass Ganztagsschule in Deutschland inzwischen eine gängige und gute Sache geworden ist.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das Interessante ist, dass die Kritik des Bundesrechnungshofs für Hamburg leider in Teilen zutrifft, denn auch hier ist gutes Geld in schlechte Konzepte gegangen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Das war Jahrzehnte so!)

Eben nicht, sondern gerade erst seit Sie an der Regierung sind,

(Bernd Reinert CDU: Im Gegenteil!)

und zwar deswegen, Herr Kollege Reinert, weil man nämlich feststellen kann – das wird auch von Ihrer Regierung nicht bestritten –, dass in Hamburg von 59,5 Millionen der Bundesmittel, die wir bisher in Hamburg bewilligt haben, 56 Prozent in die Versorgung von 66 Hamburger Gymnasien gegangen ist, damit diese Gymnasien mit Cafeterias ausgestattet werden konnten.

Das ist an sich gut, weil der Hamburger Senat will – das ist hier im Hause, glaube ich, auch unbestritten –, dass die Schüler nicht mehr nach neun, sondern nach acht Jahren Abitur machen. Dazu müssen sie eine entsprechende Schulzeitverlängerung mitmachen.

(Karen Koop CDU: Was spricht dagegen?)

In dieser Frage, Herr Reinert, sind aber alle Hamburger Gymnasien zwangsbeglückt worden. Die durften gar nicht entscheiden, ob sie Ganztagsschule werden wollen oder nicht, sondern sie mussten das einfach machen.

(Robert Heinemann CDU: Das ist auch gut so!)

Dazu hat man dieses Geld genommen und sie in einer "Light-Form", wie wir immer gesagt haben, in der minimalsten Form, Herr Heinemann, die es überhaupt gibt, zu einer Ganztagsschule gemacht: An drei Tagen gibt es etwas mehr Unterricht, aber im Wesentlichen – das haben die Große Anfrage und die Ergebnisse, die der Senat hier vorgelegt hat, gezeigt – …

(Unruhe im Hause – Glocke)

Ich habe nichts dagegen, dass Sie sich austauschen, aber in dieser Lautstärke bitte draußen, denn hier redet nur der Abgeordnete, der das Wort erteilt bekommen hat.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Die Tatsache bleibt: Sie hätten dafür Hamburger Steuergeld nehmen müssen und keine Bundesmittel zweckentfremden dürfen. Es ist zwar insoweit alles in Ordnung, aber trotzdem hat das Ganze einen faden Beigeschmack, denn die Mittel werden nicht so verwendet, wie man es sich für eine konzeptionell andersgeartete Schule im Sinne von Ganztagsschule gewünscht hätte. Wenn der Senat in der Drucksache von einer anderen Rhythmisierung des Unterrichts spricht, ist es lachhaft, wenn man sich die Realität in den Gymnasien ansieht. Dort ist wirklich nur an drei oder vier Tagen in der Woche verlängerter Unterricht, mit einer entsprechenden Suppenküche unter

füttert. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Christa Goetsch GAL – Karen Koop CDU: Aber es ist ein Anfang!)

Dann gibt es natürlich auch Herrn Senator Uldall, der gesagt hat, es ginge nicht nur um sinnvolle Projekte, sondern auch um Gerechtigkeit. Dazu sagt die Antwort auf unsere Große Anfrage eine ganze Menge aus. Bundesweit, habe ich jetzt gerade feststellen dürfen, sind 6,7 Prozent aller deutschen Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in Ganztagsform, in Hamburg sind es 30 Prozent. Wir haben hier eine gewaltige Schieflage. Das zeigt in eklatantem Maße, dass es dieser Regierung nicht darum geht, die Mittel so zu verteilen, wie es von der Bundesregierung gedacht worden ist, dass entweder alle Schulformen gleichmäßig davon profitieren oder insbesondere die Schülerinnen und Schüler, die nach PISA als Risikoschüler eingestuft werden, oder Grundschüler, die besonders zu fördern sind, entsprechend vorrangig bedient worden sind. Das Ergebnis ist deutlich geworden: Nur 9,4 Prozent aller Investitionsmaßnahmen sind in Grundschulen gegangen. Da sind 246 Standorte und 31 Prozent aller staatlichen Schülerinnen und Schüler. Wenn Sie das für gerecht und sinnvoll verteilt halten, dann weiß ich nicht, wie Ihre Maßstäbe sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karen Koop CDU: Das ist eine Gesamtschulbevorzugung, Herr Buss!)

Der nächste Punkt, meine Damen und Herren. Von einer regionalen Standortplanung – jede Region sollte wenigstens ein echtes Ganztagsschulangebot vorhalten – ist in der Antwort in dieser Drucksache nichts zu spüren. Sie verweisen darauf, dass es 104 Stadtteile gibt und man möge sich das einmal angucken. Ein an dieser Frage wirklich interessierter Senat hätte die Chance ergriffen zu sagen, wir haben genau das schon getan, wir haben es auch weiterhin in der Planung und wir können Ihnen sagen, dass wir die und die Stadtteile vorrangig im Auge haben, und wir versuchen, zu einer entsprechenden regionalen Verteilung zu kommen. Das ist nicht zu erkennen. Es ist nur der Versuch, dieses zu verschleiern, indem man sagt, es gibt 104 Stadtteile, dazu könne man gar nichts Genaues sagen. Auch hier passt es eben nicht.

Der nächste Punkt, meine Damen und Herren: Sie haben mehr als zwei Jahre Zeit gehabt, Rahmenvereinbarungen zu schaffen. Das ist das Wesentliche, was man braucht, um funktionierende Ganztagsschule so hinzubekommen, sodass Schüler und Eltern, aber insbesondere auch die Schulleitungen, die das Ganze umsetzen sollen, davon so profitieren, um das Gefühl zu haben, dass es eine sinnvolle Maßnahme ist, die bei denen, die es brauchen, auch ankommt. In diesen zwei Jahren haben Sie es geschafft, gerade zwei Rahmenvereinbarungen mit entsprechenden Trägern hinzubekommen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Peinlich!)

Das ist mehr als peinlich, Kollege Petersen, das finde ich auch.

Es ist bezeichnend, wie Sie an dieser Geschichte dranhängen, nämlich auch nur halbherzig, mit überhaupt keiner konzeptionellen Idee.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Gerade wenn es um die Bedingungen geht, wie Ganztagsschule von Ihnen gemacht werden soll, ist in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage deutlich geworden, dass die wenigen Grundschulen, die es gibt, zehn zusätzliche Wochenstunden bekommen – statt jetzt 27 Unterrichtsstunden 37, das ist alles in Ordnung –, aber auf der Basisgröße von mindestens 25 Schülerinnen und Schülern, wobei die Realität höher ist. Die Frage ist ganz einfach zu klären. Sagen Sie mir, Herr Heinemann und Frau Senatorin, deutlich, wie Ihrer Meinung nach mit 25 bis 27, wenn nicht sogar mit 30 Grundschülerinnen und -schülern ein stimmiges, sinnvolles Ganztagsschulkonzept im Sinne von Förderung, unter dem Gesichtspunkt der PISARisikofragen, zu machen ist, weil es immer um die gesamte Klassengröße geht. Sie müssen mir einmal beweisen, wie das machbar sein soll, meine Damen und Herren. Da kommt doch nichts davon rüber.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Heinemann, damit wir nicht nur kritisieren, will ich Ihnen auch das entsprechende Beispiel dafür geben, wie man es richtig machen kann und wie Sie es auch hätten machen können. Das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz als Flächenland macht es diesem Hamburger Senat seit fünf Jahren vor – also schon länger, als es dieses Bundesprogramm gibt –, wie man attraktive Ganztagsangebote mit hoher Zustimmung der Eltern aufgebaut bekommt.

(Robert Heinemann CDU: Vor fünf Jahren hatten Sie noch die Regierung!)

Obwohl fast alle Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz eine offene Form anbieten, das heißt also, ständig darum kämpfen und werben müssen, dass die Eltern ihre Kinder für dieses offene System der Ganztagsschule anmelden und dann auch dabei bleiben, wird dieses so stark nachgefragt, dass das Land und die Schulträger gar nicht mehr mit der Bewilligung der entsprechenden Zusagen nachkommen, weil die Schulen wegen der Vielzahl der Rahmenverträge, die das Land Rheinland-Pfalz im Vorwege, meine Damen und Herren, mit den entsprechenden Trägerinnen und Trägern gemacht hat. Von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald über den Caritasverband bis hin zum Tanzschulverband des Landes Rheinland-Pfalz werden dort attraktive, verbindliche Angebote gemacht, auf die sich alle Schulen verlassen und auf die sie immer zurückgreifen können. Hinzu kommt noch eine echte Hausaufgabenhilfe am Nachmittag, der absolute Renner für die Eltern, und nicht, was sie in den Gymnasien immer so verschämt finden, in der Mittagspause so ein bisschen Hausaufgabenhilfe.

Das sind Dinge, die diese Schulform und dieses Konzept für die Abnehmer von Ganztagsschule attraktiv machen. Deshalb rennen die Leute den Schulträgern und dem Land die Bude ein und sagen, wir möchten unter solchen Bedingungen auch bitte Ganztagsschule werden und nicht wie in Hamburg nach dem Motto "Geiz ist geil, macht doch ein bisschen Ganztagsschule". So sieht es aus, wenn man es vernünftig macht. Das wird dann eine Ganztagsschule, die auch ihren Namen verdient.

Um diese ganzen Unstimmigkeiten auszudiskutieren und zu klären, wäre es sinnvoll, Sie würden dem GAL-Antrag einer Überweisung an den Schulausschuss folgen, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Meyer-Kainer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Buss, im Gegenteil zu Ihnen bin ich der Auffassung, dass Hamburg im Rahmen der Ganztagsschule sehr gut aufgestellt ist.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist für mich das Ergebnis der Großen Anfrage, die wir heute diskutieren. Bevor ich jedoch darauf eingehe, zu Beginn einige Eckdaten.

Zum Schuljahr 2005/2006 haben wir insgesamt 68 Ganztagsschulen, darunter 22 GHR-Schulen, neun reine Grundschulen und 13 Gesamtschulen. Hinzu kommen alle Gymnasien und das ergibt 130 Ganztagsschulen von insgesamt 413 staatlichen Schulen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist ja wohl ein Witz!)

Nahezu ein Drittel unserer Schulen arbeitet folglich ganztägig.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist eine Wahr- nehmensstörung!)

Hören Sie bitte erst einmal zu, Herr Petersen.