Protokoll der Sitzung vom 16.06.2004

Das ist doch ein Hohn gegenüber den Eltern, den Schülerinnen und Lehrerinnen in dieser Stadt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie allein das Beispiel sehen, dass zukünftig für die Vorschule Geld bezahlt werden soll, dann ist von vornherein das Ende der Vorschule bewusst eingeläutet wor

den. Gerade für bildungsfernere Schichten ist die Vorschule eine äußerst wichtige Einrichtung, um Bildungsdefizite und -rückstände auszugleichen. Es ist ein Paradebeispiel, dass Sie am falschen Ende sparen. Ich kann das noch weiter ausführen; die Kinderkuren hat Neumann schon angesprochen.

Kommen wir doch einmal zur Volkshochschule. Das war Herrn Drews liebstes Kind, aber er ist nicht mehr in Amt und Würden. Hier sollen nun auch die Hauptschulabschlüsse gestrichen werden. In einem Ihrer Anträge zum Haushalt 2003, Herr Engels und Herr Weinberg sind als Antragsteller genannt, steht, dass die Bürgerschaft beschließen möge, zusätzlich zu den Hauptschulabschlusskursen noch zwei Realschulabschlusskurse einzurichten und zu prüfen, in welchem Umfang eine Ausweitung des Angebots der Hauptschulabschlusskurse möglich sei.

Da sieht man einmal, wie kurz Sie springen und wie kurz die Halbwertszeit in Ihrer CDU-Fraktion ist. Das hat nichts mit Bildungsschwerpunkt, sondern etwas mit Sparschwerpunkt zu tun. Es ist meines Erachtens auch schlicht unmoralisch, dass Sie vor allen Dingen den ärmeren Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Bildung verwehren.

Und da wagen Sie noch von gemeinschaftlicher Verantwortung zu sprechen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nochmals, ich kann es nicht oft genug zitieren, Sie schaden mit Ihrem Sparschwerpunkt dem Gesamtwohl der Stadt. Ich finde, die Bürgerinnen und Bürger haben Grund genug, misstrauisch zu sein.

Sie sprechen alle naslang von Integration und streichen erst einmal die Sprachförderung. Jetzt streichen Sie auch noch ein erfolgreiches Projekt, nämlich die Erzieherinnenausbildung für Migrantinnen. Das ist ein Projekt, was bundesweit hoch anerkannt ist. Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Da frage ich mich, wo bleibt denn eigentlich der Aufschrei Ihres Integrationsbeirats, meine Damen und Herren der Großen Parteien.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Mustafa Yoldas, Vorsitzender der SCHURA – dem Dachverband der Muslime –, der nicht im Integrationsbeirat in Hamburg sitzt, sagte bei der Einweihung des muslimischen Friedhofs zutreffend, dass er nicht wolle, dass die Einwanderer und Einwanderinnen erst nach ihrem Tod integriert werden. Das wollen wir auch nicht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr von Beust, Sie sagen – Zitat:

"Alle Ressorts haben einen Beitrag geleistet. Niemand hat für sich einen Schonbereich in Anspruch genommen."

Diese Aussage ist falsch. Zum einen gibt es bei Ihnen sehr wohl einen Sonderbereich, der ausgenommen ist, nämlich der Wirtschaftsbereich. Hier wird kein einziger Cent an Subventionen gestrichen. Hier wird ohne Ende subventioniert, obwohl die Mieten und Pachten tatsächlich faktisch so subventioniert werden, wo durchaus Spielraum wäre, ohne dass das Boomen des Hafens in irgendeiner Form gefährdet wäre. Da könnte man ohne weiteres sparen, ohne zu schaden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Zum anderen brauchen gerade Kinder und Jugendliche im Bildungsbereich nicht nur Schonung, sondern auch eine Schwerpunktsetzung. Das sind keine dreistelligen Millionenbeträge, Herr Reinert, oder Sie haben die Anträge nicht gelesen. Was meinen Sie, was ich für einen Stress mit Herrn Dr. Maier bekommen würde, wenn ich irgendeinen Cent ausgeben würde, der nicht gedeckt ist. Lesen Sie erst einmal unsere Anträge.

Diese Schwerpunktsetzung finden Sie in unserem Leitantrag, alles gedeckt bis zum letzten Cent.

Bei den Bürgerinnen und Bürgern wächst berechtigterweise das Misstrauen, weil Sie Ihre Absichten verschleiern und Misswirtschaft betreiben.

Interessant wäre es auch zu erfahren, wann Kita und Schule im Mittelpunkt stehen werden, wenn doch ein unerklärliches 50 Millionen-Haushaltsloch beim Schulbauprogramm auftaucht. Wir haben nun letzte Woche dramatisch mitbekommen, dass Bauvorhaben, die dringend notwendig sind und auf die die Schulen sehr lange gewartet haben, auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das allein ist schon ein Ärgernis. Aber das viel größere Ärgernis ist, Herr von Beust, dass Sie im letzten Jahr den Schülern, Eltern und Lehrern in dieser Stadt erklärt haben, dass die Umbaumaßnahmen stattfinden. Und das zu einem Zeitpunkt, wo Sie schon längst wussten, dass das Geld nicht vorhanden ist, wo der Senat den Etat des Schulbaus schon in den Keller gefahren hatte. Wie gesagt, das Chaos hat eine Adresse.

Selbst im Haushaltsausschuss eines Parlaments werden Angaben vom Senat verweigert, wie es dazu kommen konnte. Bis heute müssen wir eigentlich davon ausgehen, dass das Haushaltsrecht gebrochen wurde. Bei so einer Politik kann ich nur sagen, dass die Menschen das Recht haben, misstrauisch zu sein. Beim Schulbauprogramm herrscht ein solcher Lug und Trug. Das habe ich bisher noch nicht erlebt.

Ich komme zur Kindertagesbetreuung. Man kann Ihnen nicht vorwerfen, dass dieser im Mittelpunkt steht. Die Kinder und Eltern dieser Stadt hätten allerdings herzlich gern auf diese Art von Schwerpunkt verzichten können.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Seit zweieinhalb Jahren kocht das Kita-Chaos in dieser Stadt. Sie haben nun den Eltern einen Rechtsanspruch versprochen, und zwar ohne Qualitätsabsenkung. Was jetzt den Kitas bevorsteht, sage ich mal ganz drastisch, ist eine kaltblütige Notoperation am offenen Herzen, ohne das Wohl des Patienten im Auge zu haben. Wenn Sie sich überlegen, dass der Zuschuss für die Krippenplätze um 30 Prozent gekürzt wird, dann bekommen wir Gruppengrößen von 20 Kleinkindern. Ich weiß nicht, ob Sie jemals mit 20 Kleinkindern in einer Kita zusammen waren. Das hat weder etwas mit guter Betreuung, geschweige mit frühkindlicher Bildung zu tun. Den Preis zahlen die Kinder.

(Barbara Ahrons CDU: Wenn kein Geld da ist, muss man damit leben!)

Ja, Frau Ahrons, dann müssen Sie weniger machen und dürfen nicht so einen Blödsinn versprechen und die Bürgerinnen und Bürger mit Versprechungen täuschen, die Sie nicht einhalten können.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Barbara Ahrons CDU: Sie tun immer so, als ob wir das ext- ra machen!)

Gestern war zusätzlich eine Sondersitzung des Jugendausschusses. Da hat es sich doch gezeigt, dass Sie es nicht besser können. Ab dem 01. August sollen Eltern ihre Kinder in Krippen geben. Heute, sechs Wochen davor, weiß man weder wo, wie und wann man einen Platz bekommt. Und auch ohne Konteradmiral Lange fährt die CDU ganz allein das "Kita-Schiff" in den Schlingerkurs.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Barbara Ahrons CDU: Unverschämtheit!)

Man kann sich nicht immer auf die alten Sachen beziehen. Ich will gar nicht auf den Dauertag der offenen Tür von Frau Schnieber-Jastram eingehen. Diese Geschichte mit dem Kinderknast haben wir ja schon lang und breit in der Öffentlichkeit diskutiert, dass es hoffnungslos gescheitert ist.

Gehen wir weiter zum LBK. Auch ein wunderbares Beispiel, wo die Hamburgerinnen und Hamburger höchst misstrauisch waren, vor allen Dingen, ob Sie, Herr von Beust, die Interessen des Gemeinwohls tatsächlich im Blick hatten. Daher haben sich die Bürgerinnen und Bürger sicherheitshalber schon mal in einem Volksentscheid entschieden und das Ergebnis ist erschlagend gewesen. 76 Prozent sind gegen einen Mehrheitsverkauf. Deutlicher kann ein Votum gar nicht ausfallen. Was macht der Senat? Er weicht aus, legt sich nicht fest und will Alternativen prüfen. Nun liegt ein so genanntes Alternativangebot vor. Herr Peiner, ich würde Sie gern fragen, ob Sie auf solche Scheinofferten, die Sie hier gestellt haben, eingehen würden. Ich glaube, das hätten Sie nicht getan.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ein ernsthaftes Angebot sieht anders aus. Es enthält nicht nur Bedingungen und Verpflichtungen, sondern auch Rechte und Vorzüge. Und dass Ihr so genanntes Angebot, Ihre Scheinofferte durchweg von den ursprünglich interessierten Unternehmen abgelehnt und wörtlich – Zitat:

"als Witz"

bezeichnet wurde, wird auch Sie nicht überraschen. Im Gegenteil, es passt Ihnen hervorragend in den Plan, um gegen den Mehrheitsverkauf agieren zu können. Das verurteilen wir hier nochmals aufs Schärfste.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Man müsste Ihnen, Herr von Beust, nochmals deutlich zum Mitschreiben sagen: Sie handeln hier gegen den erklärten Willen des Volkes, um es pathetisch auszudrücken. Durch solche Scheinofferten könnten Sie kaum deutlicher zeigen, wie sehr Ihnen der Wählerwille egal ist, wenn er Ihnen nicht in den Kram passt. Man könnte frei nach Brecht sagen: "Wählen Sie sich doch ein neues Volk, dass Ihre Interessen besser vertritt."

Aber apropos Gemeinwohl, Gesamtwohl der Stadt, wie es so zynisch in Ihrer Pressemitteilung heißt: Die Kürzungen bei den Weiterbildungsträgern zeigen, dass Sie den Zukunftsaufgaben der Stadt, auch der wachsenden Stadt, nicht gewachsen sind. Mit 84 000 Arbeitslosen und einer Arbeitslosenquote von 11 Prozent sind die Arbeitslosen die großen Verlierer des CDU-Senats. Diesen Menschen haben Sie zusätzlich im Handstreich einen Großteil ihrer

finanziellen Förderung für die Weiterbildung gestrichen. Besonders betroffen sind hier natürlich wieder einmal die Frauen, weil Sie den hervorragend arbeitenden Projekten von heute auf morgen das Aus verkündet haben. Mit dieser Entscheidung nehmen Sie den Betroffenen ihre Zukunftschancen auf soziale und wirtschaftliche Integration.

Sie verkünden zwar unablässig die wachsende Stadt, aber der Kahlschlag bei den Weiterbildungsträgern macht deutlich, dass Sie die Stadt strukturell schrumpfen lassen. Sie verbauen Langzeitarbeitslosen und Berufsrückkehrerinnen individuelle Perspektiven und Umschulung und verstärken den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Hamburg. Wachstum sieht anders aus.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr von Beust, Sie sprechen immer darüber, dass Sie von den Menschen bei der Arbeitssuche mehr Eigeninitiative haben wollen. Das können Sie gern verlangen, aber dann können Sie ihnen nicht die Grundlage entziehen. Das ist unfair und schäbig.

Ich muss hier an dieser Stelle sagen, dass auch die Schulbehörde einfach sträflich die Weiterbildung fallen gelassen hat. Es gibt in der Schulbehörde keinen mehr, der dieses Thema ernst nimmt. Eben hat Herr Reinert von der Metropolregion gesprochen.

Man muss sich mal die Stiftung berufliche Bildung, die Frauenweiterbildung und die Koordinationsstelle vorstellen. Das ist genau die Koordinationsstelle für die lernende Metropolregion. Da hängen ohne Ende EU-Gelder und Bund-Länder-Gelder dran. Es ist fachlich überhaupt nicht zu verstehen. Das sind rein ideologische Gründe oder Dummheit.

(Beifall bei der GAL)

Und dass Sie, Herr von Beust, bei Ihrer Regierungserklärung vor einigen Wochen noch von seniorengerechter Stadt gesprochen haben und jetzt ab 30. Juni. jegliche Mittel der Seniorenbildung in der Weiterbildung berauben, das ist auch wiederum eine blanke Täuschung der älteren Hamburgerinnen und Hamburger in dieser Stadt. Aber Ideologie macht bekanntermaßen beratungsresistent, wie sich auch in anderen Bereichen zeigt.

Herr Neumann hat schon die Streichung der Sozialtherapien in Altengamme und Bergedorf angesprochen. Die Insassen sollen in den Regelvollzug. Mir und uns, der GAL-Fraktion, ist dieses Thema wichtig, weil es mit dem Menschenbild zu tun hat, dass Sie von Strafgefangenen haben. Das wurde schon im Schwarz/Schill-Senat deutlich, an den Sie sich alle nicht mehr erinnern wollen.

Wenn Sie sich den Leitgedanken der Resozialisierung im Strafvollzugsgesetz anschauen, wird mit der de facto Schließung der Sozialtherapie die Resozialisierung vollständig aufgegeben und nur noch reiner Verwahrvollzug eingeführt. Das ist fachlich überhaupt nicht zu erklären. Wir waren in Hamburg bisher vorbildhaft. 80 Prozent derjenigen, die an der Sozialtherapie teilnehmen, finden erfolgreich wieder den Weg in die Gesellschaft zurück. Im geschlossenen Regelvollzug sind die Zahlen genau umgekehrt. Diese Abschaffung ist katastrophal.