Wir brauchen eine gesellschaftliche Integration der Migrantenkinder, die bisher nicht gelungen ist. Wir sehen das an den Abschlüssen. Wir brauchen für alle ein hohes Bildungsniveau unter Reduzierung der Risikoschüler und wir brauchen dringend mehr Akademikerinnen und Akademiker, um auf das europäische Niveau zu kommen. Diese Herausforderungen werden Sie mit diesem System, mit der Zementierung von zwei Säulen, nicht bewältigen.
Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel: Wir haben in der letzten Woche die Regionalstudien bekommen. Gehen Sie nach Finkenwerder, gehen Sie an die Schultore der
Gesamtschulen und der Gymnasien und fragen Sie die Schüler, wie viele Bücher sie zu Hause haben. Ich sage Ihnen, der Schüler, der fünf Bücher hat, geht in die Gesamtschule in Finkenwerder und der Schüler, der mehr als 100 Bücher hat, geht ins Gymnasium. Das ist durch die Regionalstudien in allen Stadtteilen deutlich geworden. Es wird nach sozialer Herkunft gespalten. Wer geht denn jetzt in die Stadtteilschule? Wie wollen Sie die soziale Spaltung in einem Sozialraum wie Finkenwerder aufheben? Zwischen beiden Schulen liegen soziale Welten. Gehen Sie den anderen Weg in der Schulentwicklung, nämlich auch in der Entwicklung des Gymnasiums. Kein Mensch will das Gymnasium abschaffen. Es geht darum, dass im Gymnasium genauso individuell gefordert und gefördert wird, was bisher nicht in ausreichendem Maße gelingt. Wir haben die Orientierung an den Mittelköpfen und nicht an den Spitzen, die gefordert werden, und wir haben die Schwachen, deren Talente genauso entwickelt werden müssen. Das ist der Mangel an unserem System.
Um das nicht nur mit meinen Worten zu sagen, möchte ich Herrn Professor von Saldern zitieren. Er sagte, aus seiner Sicht sei ein Zweisäulenmodell keine Lösung. Er halte ein solches Modell für wissenschaftlich und moralisch verwerflich. Insbesondere sei der frühe Selektionszeitraum wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Man nehme diesen Kindern wichtige Lebenschancen und das sei einer Demokratie nicht würdig.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Lothar Späth enden, ehemals Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Er sagte:
"Wir müssen weg von einem Bildungssystem, das sich darauf ausrichtet, überdurchschnittliche Schüler von unterdurchschnittlichen zu trennen, hin zu einem System, das individuelle Schwächen ausgleicht und Talente fördert."
Das lässt sich weder durch das althergebrachte Dreiklassensystem noch durch den herkömmlichen Frontalunterricht gewährleisten. In diese Richtung müssen wir gehen, beispielsweise in Richtung der Max-Brauer-Schule, die es geschafft hat, ein neues System als Gesamtschule hin zu einer neuen Schule zu entwickeln. Wie die heißt, ist mir – ehrlich gesagt – vollkommen egal, hauptsächlich sie nimmt die Kinder mit und lässt deren Talente sich entfalten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach Ihren Einlassungen, Frau Senatorin, sind wir Sozialdemokraten gut beraten gewesen, uns der Einladung an den grünen Tisch im 16. Stock zum Ausbaldowern, wie es in Hamburg weitergehen soll, zu verweigern und das Ganze parlamentarisch in einer Enquete-Kommission zu behandeln.
Insgesamt ist uns ein akzeptabler Wurf gelungen. Historisch mag man darüber spekulieren. Ich mag solche großen Worte nicht, insbesondere auch, weil Frau Goetsch darauf hingewiesen hat, wie wenig historisch
das ist, was die CDU nun schließlich hinnehmen musste, nämlich den Scherbenhaufen Ihrer gegliederten Schulen wegzuräumen
und einer Stadtteilschule zuzustimmen, die – man höre und staune – eine integrierte Schulform ist. Man könnte auch von einer Art Gesamtschule sprechen. Sie mögen es nicht gern hören. Sie stimmen zu und Sie müssen zustimmen, weil Sie keine Alternative mehr haben.
Leider sind sie nicht um die Schüler angereichert, denen Sie klassische gymnasiale Bildung widmen wollen und die durch das Angebot daran gehindert werden, sich mit anderen Schülern sozial und in der Entwicklung zusammenzutun.
Wir Sozialdemokraten haben eine klare Position. Wir wollen diese Stadtteilschule zum Nutzen vieler Schülerinnen und Schüler. In der Enquete-Kommission haben wir dazu eine Reihe unserer Forderungen durchgesetzt. Vor Kurzem sagten Sie noch, Herr Heinemann, die Ausstattung der Stadtteilschule sei so, wie eben Gesamtschulen und Hauptschulen ausgestattet seien. Nein, sie sind ausdrücklich besser ausgestattet, so haben wir es am Samstag beschlossen.
Vor Kurzem sagten Sie noch in Ihren Vorlagen, dass die Fachraumstandards der Stadtteilschule nicht am Standard der Gymnasien ausgerichtet sein müssten. Wir haben beschlossen – zunächst gegen Ihre Überzeugung, dann aber mit Ihrer Zustimmung –, dass sie sich an den gymnasialen Standards ausrichten müssen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Stadtteilschule die Wissenschafts- und Studienorientierung haben wird, die gute Gesamtschulen auch jetzt schon haben, und nicht dahinter zurückfallen dürfen. Auch dieses sollte sich zunächst als Stadtteilschule mehr oder weniger in Praxisorientierung erschöpfen.
Nicht allen fällt diese Wende leicht. Frau Senatorin Dinges-Dierig hat vor Kurzem in der Anmelderunde in einem bundesweiten Nischensender "Deutschlandradio Kultur" noch einmal gesagt,
wir wissen heute, dass die Gesamtschule ein Etikettenschwindel war und ist. Das ist ein miserabler Angriff auf Gesamtschulen und die mit ihr verbundenen Eltern, die immerhin ein Drittel der Hamburger Elternschaft darstellen. Vor allem war es eine üble Attacke auf das Personal dieser Schule, denn wo Etikettenschwindel draufsteht, sind auch Etikettenschwindler drin, das sollte man ja assoziieren. Das ist dreist, Frau Senatorin. Sie müssen Ihren Frieden mit integrierten Schulformen erst noch machen.
Gute Schule besteht aus gutem Unterricht. Das ist eine Binsenweisheit. Das ist so richtig wie unvollständig, denn guter Unterricht allein funktioniert in der Hauptschule so wenig, dass selbst die CDU diese Schule abschaffen muss. Auch anderswo ist gute Schule mehr als nur Unterricht. Warum würde man sonst Ganztagsschulen einrich
ten, die weit über guten Unterricht hinausgehen? Schulstrukturen und -inhalte sind miteinander verknüpft.
Aus unserer Sicht soll der Zustand Stadtteilschule und Gymnasium vorübergehend sein. Unser Ziel ist tatsächlich eine Schule für alle und der Weg ist über eine Entwicklung vor Ort möglich. Wer nach der Abschaffung der Gymnasien fragt, der wird von uns immer wieder die Antwort hören: Nein. Aber Gymnasien werden sich verändern müssen und wenn wir bestimmen, nicht für sogenannte Lerneliten, sondern in Richtung einer Schule, die sich vor Ort für alle entwickelt.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu einer Schulform sagen, die hier – scheinbar – gar nicht zur Debatte steht: Die Förder- und Sprachheilschulen.
Unserem Vorschlag, sie sukzessiv in die allgemeinbildenden Schulen einzubeziehen – beginnend mit der integrativen Grundschule –, hat die CDU heftig widersprochen. Das ist bitter für diese Schüler und entlarvend für diese Partei.
Ihr großes Vorbild Sachsen hat in Wirklichkeit gar kein zweigliedriges Schulsystem, sondern ein dreigliedriges. Nirgendwo in Deutschland werden mehr Schüler auf diese Randschule, Förderschule, abgeschult als dort, 10 Prozent eines Jahrganges. Das ist genau der Anteil, den Ihre Hauptschulen bisher hatten.
Für die CDU ist die Entwicklung zum zweigliedrigen Schulsystem der Endpunkt einer Entwicklung. Für uns ist es der Anfang einer Entwicklung zur "Schule für alle". – Danke schön.
Herr Lein, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie noch einmal allen Leuten klar gemacht haben, was den Hamburger Schulen droht, wenn Sie hier das Sagen hätten. Es ist nämlich deutlich geworden, dass die Gymnasien, wenn Sie hier das Sagen hätten, keine Gymnasien mehr wären. Die Gymnasien müssten alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen und dürften niemanden mehr abschulen. Wir hätten also zwei Schulen für alle, die man wunderbar zu einer Einheitsschule für alle machen könnte. Von daher ist klar: Mit Herrn Lein gäbe es in Hamburg keine Gymnasien mehr. Das muss man bei dieser Gelegenheit deutlich sagen.
Wenn Sie hier schon aus der Enquete-Kommission berichten, dann bitte ich Sie, dass Sie es richtig machen. Sie behaupten zum Beispiel, wir seien gegen verbesserte Fachraumstandards gewesen. Das ist völliger Unsinn. Sie haben das gefordert – völlig richtig –, wir haben dem zugestimmt – auch völlig richtig –, aber wir haben nicht einmal ansatzweise irgendwo Bedenken gehabt.
Wir haben angeblich auch beschlossen, die Stadtteilschulen sollten besser ausgestattet werden als es heute Haupt-, Real- oder Gesamtschulen sind. Das ist falsch, das haben wir nicht beschlossen. Wir haben beschlossen, dass Stadtteilschulen besser ausgestattet werden als Gymnasien. Auch da sollten wir immer bei der Wahrheit bleiben. Sie können es nachlesen.
Frau Goetsch, mir ist wichtig, dass Sie noch einmal in die Vergangenheit gucken. Sie haben gesagt, wir hätten immer die Schulstrukturdebatte abgelehnt. Das ist richtig, das steht sogar in unserem Papier. Der Grund ist, dass Hamburgs Schulen durch Schulstrukturdebatten nicht besser werden. Hamburgs Schulen wurden dadurch besser, dass wir eine umfassende Bildungswende eingeleitet haben, um das, was sie über Jahrzehnte – Sie nur über ein paar Jahre – verbockt haben, ins Lot zu bekommen. Das heißt, wir mussten uns auf Leistung konzentrieren und wir mussten die Themen angehen, die wirklich zur Gerechtigkeit führen. Die Senatorin hat sie alle aufgezählt. Dazu gehört, dass die Kinder frühzeitig geför- dert werden und dass sie beispielsweise die deutsche Sprache erlernen.