Herr Abgeordneter, ich würde einen Augenblick warten, weil es hier sehr viele Gespräche gibt, viele wollen gehen, vielen Dank.
Ein Hamburger Bürgermeister hat einmal gesagt: Die Form ist die Mutter der Demokratie. Man könnte auch sagen, die Form bestimmt die Demokratie.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. Heute wird die CDU erneut die Form der Hamburger Demokratie entscheidend und einschneidend verändern. Mit dem heute von der CDU vorgelegten Gesetzentwurf wird der Schlusspunkt unter die Demontage des Volkswahlrechts gesetzt.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte Hamburg nicht nur das modernste Wahlrecht, Hamburg hatte sogar das demokratischste Wahlrecht in Deutschland. Wir waren in der beneidenswerten Lage, ein Wahlrecht zu haben, das erstmals unser Souverän, das Volk, direkt erlassen hatte. Von diesem Volkswahlrecht ist nur noch wenig übrig. Wenn die CDU heute ihr unseliges Werk vollbracht hat, dann wird nichts mehr davon übrig sein.
Drei Jahre lang haben die CDU-Parteipolitiker Herr Fischer, Herr Reinert, Herr Röder und zuletzt auch noch Herr von Beust nichts unterlassen, um das Volkswahlrecht zu demontieren. Sie sind dabei nicht nur bis an die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen gegangen, sie haben diese Grenzen auch überschritten. Sie haben ein Gesetz gemacht, das vom Verfassungsgericht in einem sehr wichtigen Teil für verfassungswidrig erklärt wurde.
Was ist Ihre Reaktion, meine sehr verehrten Kollegen von der CDU? Sie machen einfach weiter wie bisher, als wäre nichts gewesen. Sie gehen hin und reißen aus dem Wahlrecht auch noch den letzten Rest des vom Volk beschlossenen Inhalts heraus.
Nichts anderes bezweckt der heute von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf. Sie wollen dem Volkswahlrecht dort, wo es noch zuckt, den Todesstoß versetzen.
Die von Ihnen eingeführte niedersächsische Regelung ist ein gigantischer Bluff. Er ist eine versuchte Volksverdummung ohne Beispiel. Sie tun so, als könnten die Wählerinnen und Wähler mit ihren fünf Stimmen im Wahlkreis zwischen den Kandidatenvorschlägen der Parteien auswählen. Tatsächlich sorgen Sie durch diese Regelung durch die Hintertür dafür, dass es dazu auf keinen Fall kommt. Eine freie Personenwahl wird es in Zukunft nicht geben. In Zukunft - das heißt, bereits bei der nächsten Bürgerschaftswahl - entscheidet wieder einzig und allein die Partei, wer in das Parlament darf. Den Wählenden bleibt dann nur das Abnicken der Entscheidung.
Der GAL-Vorschlag dagegen, der allen vorliegt, ist der einfachste und klarste und die richtige Konsequenz des Urteils des Hamburger Verfassungsgerichts. Wir streichen die Parteistimme im Wahlkreis
und vermeiden damit, Herr Reinert, das, was Sie jetzt vorlegen, ein Regelungskonvolut, womit Sie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt von dem Einfluss, der ihnen das Volkswahlrecht zugestanden hat, weit, weit entfernen.
Meine Damen und Herren! Unser Wahlrecht ist klar und deutlich. Jede Stimme zählt, ohne Wenn und Aber, jede Stimme für jede Kandidatin, für jeden Kandidaten. Da braucht man nicht zu überlegen, wie das jetzt gemeint ist, was alles passieren könnte, wenn man diese oder jene Kandidatin wählt. Es ist einfach und - das Wichtigste - es sichert den Wählenden in dieser Stadt den Einfluss zu, den Sie erwarten dürfen, wenn Sie so ein umfangreiches Wahlrecht, wie das, was jetzt dabei herausgekommen ist, vorliegen haben.
Ich will Ihnen das deutlich sagen, denn wir haben schon oft erlebt, dass die Abgeordneten in diesem Hause, insbesondere von der Regierungsfraktion, nicht so recht wussten, über was sie hier entscheiden. Es ist ganz einfach. Bei den Grünen haben Sie weiterhin eine Stimme für die Landesstimme - das wird die Mehrheit in diesem Hause entscheiden - und fünf Stimmen für den Wahlkreis; dort bestimmen Sie die Person aus Ihrem Wahlkreis, wie das die Bürgerinnen und Bürger auch von den Bundestagswahlen her kennen. Es gibt also ganz klare Regelungen.
Die Experten von wahlrecht.de haben im Verfassungsausschuss bei der Expertenanhörung unseren Vorschlag als den bezeichnet, der den Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt den meisten Einfluss sichert. Sie haben das an mehreren Simulationen bewiesen. Vom Geist des Volkswahlrechts bleibt bei dieser Variante am meisten übrig. Sie haben auch bewiesen, dass bei dem CDUVorschlag davon nichts übrig bleibt.
Ich habe voller Freude vernommen, dass sich viele jetzt bemühen, das Wahlrecht zu erklären. Ganz besonders gefreut habe ich mich über eine Vorstellung. Am 9. Juli, so habe ich gelesen, wird der Kandidat Naumann aus Maine einen Versuch unternehmen, den Menschen das Wahlrecht in Hamburg zu erklären. Das ist eine bewundernswerte Vorstellung. Ich bin gespannt, wie die SPD das machen wird. Herr Naumann erklärt den Hamburgern aus seinem Reha-Ort in Maine das Wahlrecht. Darauf haben wir Hamburger wirklich gewartet.
Genau deswegen bin ich sicher, dass Sie heute, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, natürlich unseren Vorschlag ablehnen werden. Sie wollen das Gegenteil. Sie wollen alle Macht für die Parteien und null Einfluss für die Wählerinnen und Wähler dieser Stadt. Damit bleibt die CDU bei ihrem Kurs, der die Hamburger Demokratie schwächt. Sie hoffen weiterhin auf das schlechte Gedächtnis der Wählenden. Doch wer in Hamburg versucht, die Bürgerinnen und Bürger von der politischen Mitbestimmung auszuschließen oder sie zurückführen will, diese Handelnden werden in der Regel abgestraft. Das haben wir in diesem Frühjahr erlebt, als zweimal 100 000 Menschen für die Volksbegehren unterschrieben haben, die ihnen wenigstens das noch sichern, dass überhaupt noch Volksentscheide in dieser Stadt zustande kommen können. Das war ein deutliches Votum gegen Ihre Demontage der Demokratie in dieser Stadt.
Wir werden im Vorfeld des Volksentscheids und bis zum Wahltag dafür sorgen, dass dieser Sündenfall in der Hamburger Demokratie nicht in Vergessenheit gerät.
Glauben Sie mir, die Menschen werden fragen, wer ihnen dieses Wahlrechtsmonster - denn so muss man es bezeichnen -, das mehr Demokratie vorgaukelt, aber nicht einlöst, eingebrockt hat. Sie werden fragen, warum die Stadt mit ihren Steuergeldern Millionen Euro für einen digitalen Wahlstift ausgibt, um die Auszählung in dieser Stadt zu vereinfachen, obwohl die Personenstimmen im Grunde ohnehin nicht zählen. Sie werden auch fragen, warum sie eine ganze DIN-A4-Seite brauchen, wie uns im Ausschuss kürzlich der Landeswahlleiter auf Nachfrage mitgeteilt hat, um zu verstehen, wie sie ihre Stimmen abgeben sollen und was das eventuell bewirkt. Sie werden auch noch zu Recht fragen, warum die Stadt fast eine Million Euro ausgibt, um ihnen das zu erklären.
Am Ende dieser Antworten auf diese Fragen geben wir als Trost für die Wählenden in Hamburg ein Versprechen. Da Sie es sich herausgenommen haben, gegen jeden politischen Anstand und gegen jede demokratische Tradition in der Bundesrepublik Deutschland das Wahlrecht gegen das übrige Parlament durchzuboxen, werden Sie mit unserer Rücksicht nicht rechnen dürfen,
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Müller, über den Wortbeitrag, den Sie gerade gehalten haben, könnte man mit zweierlei Maß urteilen: Entweder gehören Sie zu denjenigen, die überhaupt nicht begriffen haben, worum es bei den drei vorliegenden Vorschlägen geht, oder aber Sie haben einen dreisten Versuch unternommen, die Wähler in dieser Stadt zu täuschen. Welche Variante Sie haben wollen, dürfen Sie sich selbst aussuchen. Ich neige zu einer Mischung aus beidem.
Ich möchte einen Punkt vorweg stellen, weil man ihn nicht unwidersprochen stehen lassen kann. Sie haben zum Schluss gesagt, der Wähler steht jetzt vor einem Wahlrechtsmonster und dafür trüge allein die Mehrheit dieses Hauses die Verantwortung. Das kommt mir so vor wie derjenige, der die Äpfel klaut und dann sagt, haltet den Dieb, der war es.
Liebe Kollegen, wir haben hier ein Wahlrecht, das in seiner Komplexität bisher so in keinem anderen deutschen Bundesland vorhanden ist.
Herr Abgeordneter, ich muss Sie leider unterbrechen. Im Plenum ist es ruhig und es wäre nett, wenn Sie etwas leiser sprechen würden.
Dieses komplexe Wahlrecht hat nicht die Mehrheit dieses Hauses geschaffen, dieses komplexe Wahlrecht, das sehr, sehr viele Menschen in dieser Stadt bisher wenig verstehen, hat eine Initiative geschaffen, die gerade die GAL bedingungslos und ohne jede Kritik unterstützt hat. Sie tragen für dieses Wahlrecht die Hauptverantwortung und Sie werden diejenigen sein, die das vor den Menschen dieser Stadt rechtfertigen müssen.
Die heute vom Verfassungsausschuss vorgeschlagenen Modelle, nämlich die 1 : 1-Übernahme des niedersächsischen Kommunalwahlrechts ist die einzig sinnvolle Alternative. Dafür gibt es gute Gründe. Das niedersächsische Modell ist bereits erprobt und wurde von allen Experten in der Anhörung des Verfassungsausschusses als verfassungskonform angesehen. Es erfüllt ausdrücklich die im Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts aufgestellten Kriterien für eine hinreichende Normenklarheit.