Politik schafft Rahmenbedingungen, wie man Kinder- und Jugendkriminalität bekämpfen kann. Einige Maßnahmen, die dieser Senat in den letzten Jahren geschaffen hat, habe ich bereits erwähnt, aber es gibt natürlich - das ist gestern auch vorgestellt worden - weitere Rahmenbedingungen. Wir werden aber nie verhindern können, dass es auch gewisse Richter gibt, egal ob Familienrichter oder Jugendrichter,
- nein, das ist keine Ausrede, das ist eine Tatsache, lieber Kollege Dressel -, die sich aus ihrer persönlichen Entscheidung ein Urteil bilden müssen und dann eine Entscheidung treffen. Diese Entscheidung, die schwer abgewogen wird, ist manchmal richtig, manchmal aber auch falsch; dafür kann die Politik aber nichts. Die Jugendlichen, die wir am Wochenende auf dem Kiez bei dieser Tat festgestellt haben, sind alle bekannt. Die CDUFraktion hat Anträge gestellt, auch auf Bundesebene, um schnellere Einweisung in eine geschlossene Unterbringung zu ermöglichen. Die sind von Ihrer Partei allesamt abgelehnt worden.
Sie blockieren, wenn es darum geht, kriminelle Kinder und Jugendliche von der Straße zu bekommen. Unsere Partei ist dabei, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu fordern.
Liebe Kollegin Möller, das Thema Schulschwänzer. Es ist richtig, nicht jeder, der einmal die Schule schwänzt, wird kriminell, aber alle Kriminellen, zumindest die meisten, waren einmal Schulschwänzer. Deswegen ist es richtig, dass wir uns um die Schulpflicht kümmern, dass wir die Lehrer mehr in die Verantwortung nehmen, dass wir frühzeitig intervenieren, dass wir die Kinder und Jugendlichen frühzeitig beobachten und im Zweifelsfall auch gemein
Klaus-Peter Hesse (fortfahrend) : - Das ist mein Schlusssatz. - Einsperren und Psychopharmaka sind der richtige Weg für bestimmte Jugendliche und wir werden dieses weiter machen und es nicht so laufen lassen, wie Sie es jahrelang getan haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hesse, ich denke, mit diesem letzten Satz, Einsperren und Psychopharmaka, haben Sie sich wirklich absolut selber disqualifiziert.
Nach zweieinhalb Jahren Arbeit im Untersuchungsausschuss Geschlossene Unterbringung ist es geradezu erschütternd, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Psychopharmaka und Einsperren seien unsere Methoden, wie wir mit diesen Jugendlichen umgehen. Sie haben sich disqualifiziert.
Das Niveau, über das wir hier reden, und wie wir reden, haben Sie sich selber zuzuschreiben. Das verdanken Sie Herrn Warnholz und Ihrem Senator, der sich hier in einer Art und Weise hinstellt, die dem Thema nicht angemessen ist.
Erschütternd fand ich auch, Herr Hesse, dass Sie gesagt haben, Sie hätten sich um die Jugendlichen gekümmert. Aber was ist denn jetzt? Jetzt bekommen Sie die Quittung. Wie sah Ihr Kümmern aus? Es kann doch gar nicht sein, dass Sie sich ausreichend gekümmert haben, wenn wir zunehmend diese Vorfälle haben, wie wir sie am Wochenende erleben durften. Die Kultur des Hinsehens, die wir jetzt nach sieben Jahren haben, ist armselig. Es ist unbestritten, dass gute Konzepte Zeit brauchen. Aber wenn wir gespannt auf dieses Konzept des Senats warten und es uns dann vorgestellt wird, kann ich nur sagen: Es ist absolut enttäuschend. Mein Fazit ist: Mit Masse gewinnt man keine Klasse. Ob da vier Senatoren und Senatorinnen sitzen - es ist eben nicht das Richtige dabei herausgekommen, weil Sie das Übel nicht an der
Wurzel angreifen. Ich will es jetzt noch einmal auf eine sachliche Ebene zurückführen. Es ist nicht nur Oppositionsgemecker und auch nicht nur, weil wir jetzt im Wahlkampf stehen, sondern es ist die Analyse zahlreicher Studien - die Sie offensichtlich nicht gelesen haben -, die zeigt, dass eine ganz große Rolle bei der Jugendgewalt natürlich soziale Faktoren spielen. Armut, mangelnder Zugang zu Bildung, unerreichbare berufliche Perspektiven, schlechte Wohnsituation und soziale Ausgrenzung - genau das kann Jugendgewalt erzeugen. Da, wo soziale Faktoren zusammengeballt negativ sind, kann Jugendgewalt entstehen.
Ich will damit nicht die Taten der Jugendlichen entschuldigen, die wir immer wieder der Presse entnehmen können und die sich ereignen. Ich habe selber einen 19-jährigen Sohn und mir ist jedes Mal nicht wohl, wenn er auf den Kiez geht, weil ich natürlich dieselben Ängste habe, die andere Eltern auch haben. Aber Ihr Konzept trägt eindeutig die Handschrift des Innensenators nach dem Motto: Die Polizei wird es schon regeln. Nur nach diesem Motto sollen Polizisten den Unterricht zur Aufarbeitung von Gewalttaten in der Schule übernehmen. Und sie haben auch die Federführung bei der Fallkonferenz. Eine Fallkonferenz ist im Prinzip etwas Gutes. Vernetzung ist das, was wir auch wollen.
Aber Federführung unter der Polizei ist nicht das, was wir in unserem Konzept zur Prävention von Jugendgewalt wollen. Ich glaube, wir sollten auch den Begriff Prävention noch einmal klären, der ist bei Senator Nagel eindeutig falsch. Wenn die Durchsetzung der Schulpflicht und das Anzeigen von Schulhofrangelei bei ihm schon Prävention ist,
Wir setzen bei der Prävention gegen Jugendgewalt auf eine Qualifizierung des Fachpersonals - Kita und Lehrer. Das ist ganz wichtig. Völlig außer Acht lassen Sie auch - das will ich hier noch einmal sagen -, dass Jugendgewalt in der Regel Gewalt von Jungen ist. Es ist doch eine zunehmende und wirklich ernst zu nehmende Entwicklung, wenn sich Jungen zu ihren Tanzabenden mit Messern bewaffnen, als wären sie - wie meine Kollegin Frau Möller sagte - auf der Jagd.
Das ist doch etwas, was wir keinesfalls tolerieren können. Aber genau deswegen, weil wir dies Problem erkannt haben, müssen wir doch auch Maßnahmen finden, die jungenspezifisch sind. Das heißt, wir müssen die unterschiedlichen Rollen, die unterschiedlichen Vorstellungen von Männlichkeit, Themen wie Stärke oder Schwäche und Rollenklischees bearbeiten. Das, Senator Nagel, fehlt in Ihrem Konzept völlig. Ich habe mir sowieso beim Lesen des Konzepts immer wieder die Frage gestellt, ob Senatorin Schnieber-Jastram nur eine Maßnahme bringen durfte oder ob ihr wirklich nicht mehr eingefallen ist.
Gerade der Blickwinkel aus dem Bereich der Sozialpädagogik ist nämlich die Lösung zum Problem der Jugend
gewalt. Der völlig richtige Ansatz der "early-starters" ist in dem gesamten Konzept der einzige Ansatz, den ich begrüßen würde. Aber genau hier merkt man auch, dass Sie Ihrem eigenen Konzept nicht trauen. Lediglich in drei Bezirken wollen Sie diesen Ansatz "early-starters" umsetzen und präventiv in Familien wirksam werden. Aus unserer Wahrnehmung heraus muss der Bereich präventiver Arbeit viel mehr umfassen. Das haben wir in unserem GAL-Konzept auch ausgeführt. Dazu gehört insbesondere das, was Sie in Hamburg zusammengestrichen haben, nämlich die Straßensozialarbeit, die mobile Jugendarbeit, die Cliquenarbeit, das Hineingehen von Sozialpädagogen in die Szene der Jugendlichen. Senatorin SchnieberJastram, Sie haben dafür gesorgt, dass genau das auf unseren Straßen nicht mehr stattfindet.
Ich will auch noch einmal deutlich sagen: Es geht gar nicht nur um den Kiez. Ich kann Ihnen auch noch andere Beispiele nennen, zum Beispiel aus dem gutbürgerlichen Volksdorf, meinem Wohnort sozusagen. Dort gibt es eine Diskothek, in der es insbesondere in den Ferien regelmäßig zu Konflikten kommt, weil sich dort angetrunkene und gewaltbereite Jugendliche aufhalten.