Protocol of the Session on November 21, 2007

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"(…) der Scientology Kirche"

dann ist das problematisch.

Es ist keine Kirche und wir dürfen auch nicht durch laxe Sprachwahl dafür sorgen, dass so etwas vielleicht immer stärker in Benutzung kommt. Das ist ein eingetragener Verein, der nicht das Kirchenprivileg genießt.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Nun soll diesem Verein das e.V. entzogen werden. Ich glaube, das ist gut so. Zumindest sollte die Innenministerkonferenz ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in die Wege leiten. Ich will nicht in einem Oberseminar die Vereinsgesetze zitieren, ich erspare mir das in diesem Haus. Aber ich glaube, dass es wichtig und konsequent ist, dass wir bereit sind, alles auszuloten. Wie immer kommen dann aus Übersee und vielleicht sogar aus Europa besorgte Reaktionen zu unserem Rechtsverständnis in dieser Sache. Tatsächlich genießt die Scientology-Organisation in den USA und anderswo einen Status, den sie bei uns nicht hat. In den USA gab es ein jahrzehntelanges Verfahren bis man dann das Steuerprivileg, das übrigens dann auch ganz andere Organisationen haben, wie die Kirche Satans oder andere Organisationen erreicht hat.

Diese öffentlichen Ratschläge von Übersee können wir gut ertragen. Hier gilt deutsches Recht und deutsche Rechtsstaatlichkeit, und nicht die Selbsteinschätzung einer Organisation ist ausschlaggebend für den Status womöglich als Kirche oder als eingetragener Verein.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Schade, fast ärgerlich ist, dass die CDU dieses Thema nicht im Innenausschuss erörtern will.

(Aydan Özoguz SPD: Ja!)

Frau Martens hat zu Anfang gesagt, wie wichtig eine öffentliche Debatte ist. Der Innenausschuss ist übrigens auch öffentlich.

(Hans-Detlef Roock CDU: Aber hier ist doch auch Öffentlichkeit!)

Man könnte die Öffentlichkeit ausschließen, wenn man das will, aber im Prinzip sind Innenausschussdebatten öffentlich, jedenfalls sehe ich das so. Die Frage ist, wovor Sie eigentlich Sorge haben. Dass wir uns umbesinnen könnten? Oder dass tatsächlich mehr Abgeordnete tiefer in das Thema einsteigen und vielleicht noch einmal die Argumente Bayerns, die möglicherweise die ausschlaggebenden für diesen Vorstoß sind, hinterfragen und sich selbst ein Bild machen, was denn tragfähige Gründe sein können? Oder dass wir womöglich Scientologen als Sachverständige einladen und dann die Ausschussmitglieder umgekrempelt würden? Oder dass Ihre Pressestelle zweimal tätig sein muss? Heute und dann noch einmal nach einer Ausschusssitzung? Das ist alles leicht zu entkräften, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, die Abgeordneten der CDU, der Regierungsfraktion, sind einfach nur bequem. Ich will es mir ersparen, dieses andere Wort mit "faul" zu benutzen, weil ich mir sonst

vielleicht eine Rüge einfangen würde.

Wir stimmen also zu. Die Ausschusserörterung wäre allerdings angemessener gewesen. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Dr. Steffen.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt einiges zu dem Thema Scientology gehört. Wir haben über verschiedenste Aspekte geredet. Um das ganz klar vorwegzuschicken: Auch wir teilen die Sorge im Hinblick auf Gefahren, die von Scientology, insbesondere für Leute ausgehen können, die dort als Mitglieder geworben werden, die Gefahren, die dann von diesen Leuten ausgehen, wenn sie dort länger in Behandlung sind. Was man hierzu an Berichten lesen kann, ist in der Tat sehr besorgniserregend und eine große Gefahr für die Personen, die in die Fänge dieser Organisation geraten. Aus dem Grunde gibt es überhaupt nichts an dem zu deuteln, was hier über die Arbeitsgruppe Scientology gesagt wurde, die in Hamburg ihre Arbeit macht. Diese Arbeit ist sehr wichtig und ist wichtig in der Aufklärung, damit möglichst wenige Leute überhaupt erst in die Fänge dieser Organisation geraten. Sie ist noch wichtiger für Leute, die das hinter sich haben, die aussteigen wollen, ausgestiegen sind und dann möglicherweise Belästigungen durch diese Organisation oder schlimmeren Nachstellungen ausgesetzt sind. Das ist extrem wichtig. Daran gibt es nichts zu deuteln.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU und der SPD)

Hier ist immer wieder die Frage über die Anerkennung dieser Organisation als Kirche aufgekommen, was in anderen Staaten der Fall ist, aber in Deutschland nicht der Fall ist. Das ist heute auch nicht das Thema. An dieser Stelle haben wir auch keine zwei Meinungen. Es ist heute auch nicht die Frage zu diskutieren, ob es sinnvoll, geboten und rechtmäßig ist, dass diese Organisation durch den Verfassungsschutz beobachtet wird. Sie hatten da aus einem Urteil zitiert, das genau diese Frage zum Gegenstand hatte.

Die Frage, die Sie mit dem Antrag aufgeworfen haben, ist eine andere, nämlich die des Vereinsverbots. Die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot sind nun einmal deutlich höher gehängt als die Voraussetzungen dafür, einen Verein durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Durch den Verfassungsschutz werden eine Menge Organisationen beobachtet und bei Weitem - nicht bei allen - sind die Voraussetzungen gegeben, dass ein solches Verbot durchgeht. Es gab in den letzten Jahren eine Handvoll Verbote gegen Organisationen im rechtsextremistischen Bereich, aber bei dem Versuch, die NPD als Partei verbieten zu lassen, hingen die Hürden so hoch, dass dieses Verfahren, obwohl quasi alle Verfassungsorgane daran mitgewirkt haben, letztlich gescheitert ist. Man kann natürlich auch sagen, vielleicht weil sie alle mitgewirkt haben.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Aber die Anforderungen an ein Vereinsverbot sind letztlich die gleichen wie bei einem Parteienverbot und es reicht nicht aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine entsprechende verfassungsfeindliche Bestrebung vorlie

A C

B D

gen, sondern es muss auch nachgewiesen werden können, dass diese Bestrebungen tatsächlich vorhanden sind.

Jetzt haben wir diesen Aufschlag gehabt, Herr Nagel hat gesagt, man müsse diese Organisation sofort verbieten, wir müssen ran an das Thema. Dann haben eine Menge Innenminister in der Bundesrepublik gesagt, dass sie davon eher abraten würden. Deswegen werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. Er ist nämlich entweder unnütz oder sogar schädlich. Man möge sich einmal vorstellen, die Polizei hätte irgendeinen Straftäter im Auge und würde glauben, na, der hat doch bestimmt irgendein dickes Ding am Laufen. Dann würde er erst einmal eine Pressekonferenz machen und würde sagen, wir werden demnächst einmal anfangen, eine Hausdurchsuchung zu machen und dann gucken wir vielleicht auch mal auf seine Konten, ob da irgendetwas gewesen ist und ab nächster Woche machen wir noch eine Telefonüberwachung.

So professionell ist Ihr Vorgehen in dieser Angelegenheit, dass Sie, bevor der Bundesinnenminister das entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, hier eine öffentliche Diskussion starten. Es bedarf keines Beschlusses der Hamburgischen Bürgerschaft, damit der Bundesinnenminister eine Prüfung durchführt, die klärt, ob Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen. Ich gehe davon aus, dass der Bundesinnenminister das machen wird. Er wird von Ihrer Grundeinstellung sicherlich nicht abweichen. Wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass tatsächlich die Voraussetzungen für ein Verbot vorliegen, dann wird er das Verbot aussprechen; es braucht weder die Hamburgische Bürgerschaft noch die Innenministerkonferenz.

(Beifall bei der GAL)

Langwierige Diskussionen behindern eher ein derartiges Ermittlungsverfahren. Deswegen kann ein solcher Beschluss, ein solcher politischer Vorgang, sogar schädlich sein, wenn am Ende der Debatte, die Sie öffentlich über das Verbot führen, anstatt über die konkreten Gefahren und die konkreten Abwehrmaßnahmen zu reden, nach der Innenministerkonferenz kleinlaut herauskommt, das werden wir wohl nicht hinbekommen. Da wird sich Scientology natürlich die Hände reiben und das als Persilschein werten. Dieses Vorgehen ist im Kampf gegen Scientology unprofessionell und deswegen sollte man sich auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Aufklärung und Hilfe für Aussteiger.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Maier.

Einen Gesichtspunkt möchte ich doch noch einbringen.

Wir alle halten Scientology wahrscheinlich für eine widerwärtige Psychosekte

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Schöne Formulie- rung!)

und sind besorgt angesichts einer Praktik, die darauf hinausläuft, Individuen die Autonomie und die Freiheit ihrer Entscheidung zu nehmen, sie in Hierarchien, in Kollektive einzubauen, ihren Willen zu winden und ins Widerwärtige zu drehen. Das empfinde ich ganz genauso und hier spricht jemand, der Erfahrung mit Sekten hat.

(Wolfhard Ploog CDU: Oha!)

Warum sind wir aber das einzige Land in der westlichen Welt, das glaubt, den Verein deswegen verbieten zu müssen? Ist das nicht eher ein Ausfluss deutschen Paternalismus? Sie können den Willen der Menschen zur Mündigkeit und zur Freiheit nicht von Staats wegen sicherstellen, sondern jede und jeder Einzelne muss das für sich tun. Darum hilft meiner Auffassung nach kein Verbot. Ich teile alle Argumente, die gebracht worden sind und die Till Steffen jetzt noch einmal in Bezug auf die Frage verstärkt hat, dass es vielleicht gar nicht so sinnvoll ist, ein Verbot ins Auge zu fassen. Aber jenseits der Verfahrensfragen: Fühlen wir uns denn als Republik durch diese Psychosekte wirklich gefährdet? Das wäre doch komisch. Eben wurde auf die USA verwiesen. Dieser riesige Staat, der - sozusagen als letzter Garant - in der Weltgeschichte mehrfach als Verteidiger der Freiheit aufgetreten ist, ist von Sekten gegründet worden, die mit der Mayflower gelandet sind. Deshalb haben die Amerikaner ein anderes Verhältnis dazu und ein Vertrauen in ihr freiheitliches Empfinden. Das sollten wir auch an den Tag legen und alle Überlegungen für ein Verbot vom Tisch nehmen, wohl aber bei jeder sich uns bietenden Gelegenheit dem Quatsch entgegentreten. Das ist aber eine Aufgabe für jeden von uns und keine Aufgabe für staatliche Organe. - Danke schön.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Spethmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das, was die GAL heute abliefert, ist schon ein bisschen erstaunlich. Ich habe gedacht, hier sitzt die FDP. Ich glaube nicht, dass das, was Sie hier vertreten haben, auf der Grundlinie der GAL oder der Grünen auf Bundesebene liegt. Wenn Sie so bei der Frage des Verbots der NPD argumentieren, dann graust es mich.

Herr Maier, Sie haben ein Freiheitsdenken an den Tag gelegt, das ich als Mitglied einer freiheitsliebenden Partei so nicht akzeptieren kann. Das ist für mich kein Kaninchenzüchter- oder ein Kleingartenverein, das ist eine kriminelle Vereinigung mit ganz anderen Machenschaften.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Sie waren beide sehr spitzfindig. Die GAL und die Grünen sind sonst immer die öffentlichen Bedenkenträger und die öffentlichen Akklamatoren irgendwelcher Probleme. Mahnmale und Ähnliches wollen Sie immer gern haben, aber in dieser Frage wollen Sie noch nicht einmal einen Antrag stellen. Das ist merkwürdig und das passt nicht in Ihre normale Linie.

(Dr. Willfried Maier GAL: Doch das passt!)

Einen Punkt möchte ich hier noch erwähnen. Denken Sie an die Opfer, die in die Fänge dieser Sekte geraten sind, und ihre Familienangehörigen. Es gerät nicht der "normale" Mensch hinein, sondern Menschen mit gewissen Abhängigkeitsbestrebungen oder anderen Problemen. Denken Sie an die und denken Sie daran, welche Mühe es macht, denen zu helfen. Gehen Sie nicht von der Freiheit aus, sondern helfen Sie denen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD - Dr. Willfried Maier GAL: Das ist unerträg- lich!)