Ich bin der Meinung - und das ist der Grund, warum wir immer für Noten plädiert haben -, dass Noten auch zur Einordnung von Lernentwicklungsberichten sehr hilfreich sein können, gerade auch für Eltern, die der deutschen Sprache oder auch nur der deutschen Zeugnissprache nicht so mächtig sind, damit sie die Berichte der Lehrer entsprechend einordnen können.
Das gilt natürlich um so mehr, als Sie, die Sie immer für mehr Berichtszeugnisse und gegen Noten plädiert haben, in Hamburg niemals irgendeine Qualitätsoffensive gestartet und dafür gesorgt haben, dass Hamburgs Lehrer irgendwann einmal einheitlich nach Standards ausgebildet werden, wie man eigentlich Lernentwicklungsberichte schreibt. Von daher haben wir eine unglaublich heterogene Qualität, was die Lernentwicklungsberichte in Hamburg anbelangt, und das ist natürlich eines der Probleme.
Trotzdem wissen wir, obwohl wir Noten als notwendige Ergänzung zu den Lernentwicklungsberichten haben wollen, dass natürlich auch die Noten ihre Schwächen haben neben ihren Stärken. Deshalb liegt die Zukunft in einer anderen Form von Leistungsbeschreibung, in der genauen Messung oder Darstellung von Kompetenzen; diese Entwicklung beobachten wir bundesweit. Mit der Einführung von Bildungsstandards durch die Kultusministerkonferenz werden erreichte Kompetenzen künftig der zentrale Bezugspunkt von Leistungseinschätzungen. In den Schulen sind hierzu Kompetenzraster zu entwickeln, die für Eltern, Lehrer und Schüler transparent machen, welche Kompetenzen zu erwerben sind, welche Kompetenzen ein Kind bereits erworben hat und was die nächsten Kompetenzen sind, die ein Kind erwerben kann.
In Hamburg haben sich einige Schulen schon auf diesen Weg gemacht, ein sehr mühevoller Weg, der mit hohem Engagement und im Moment noch mit viel Suchen verbunden ist, der überall in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. Ich habe aber den Eindruck, dass in Hamburg in vielen Schulen und gerade auch in den Schulen mit Integrationsklassen eine hohe Bereitschaft besteht, über Kompetenzraster zu innovativen Formen der Leistungseinschätzung zu kommen. So weit waren wir vor zwei, drei Jahren noch nicht, aber auch die bundesdeutsche Diskussion ist weiter gegangen. Wir haben in Hamburg inzwischen erste Erfahrungen gemacht, aber wir hätten unter normalen Gesichtspunkten dieses Thema heute noch nicht gestartet. Dieses Thema hätte aus meiner Sicht stattdessen mit etwas mehr Vorlauf in der nächsten Legislaturperiode gestartet werden sollen. Aber aufgrund der Wünsche der Eltern und der Schulen haben wir uns entschieden, schon jetzt mit Schulversuchen zu Kompetenzrastern zu starten, was natürlich für die Schulen mit einem entsprechenden Aufwand verbunden ist, weil diese entsprechend entwickelt werden müssen.
Wir wollen daher den Senat heute bitten, einen solchen Schulversuch zu starten, der es Schulen auf freiwilliger Basis und unter wissenschaftlicher Begleitung ermöglicht, statt auf Noten auf innovative Formen der Kompetenzmessung und der Kompetenzbeschreibung zu setzen. Es ist klar, dass diese Kompetenzbeschreibungen so gestaltet sein müssen, dass sie eine Entscheidung über die
weitere Schullaufbahn begründen. Es ist kein Zurück zum Larifari, sondern es sind klare Rückmeldungen, viel klarere, als sie heute durch Noten gemacht werden können, und damit können wir in Hamburg auch Vorreiter für Deutschland werden.
Trotzdem wollen wir bei dieser Gelegenheit den Schulen noch an einer weiteren Stelle größere Freiheiten einräumen. Sie wissen, dass wir im Jahr 2006 den Schulen bereits die Möglichkeit gegeben haben, in der Sekundarstufe I Halbjahreszeugnisse durch Zielklärungsgespräche, durch Lernentwicklungsberichte und durch Lernvereinbarungen mit Schülern und Eltern zu ersetzen. Wir haben das in der Grundschule nicht gemacht, weil es für die Klassen 1 und 2 kein Thema ist und wir in Klasse 4 diese Halbjahreszeugnisse mit Noten für die weitere Schullaufbahn für sehr relevant halten. Aber in Klasse 3 besteht natürlich dieser Zusammenhang nicht und von daher wollen wir in Klasse 3 diese zusätzliche Freiheit einräumen.
Man sieht, dass die Diskussion um Notenzeugnisse und Lernentwicklungsberichte eigentlich eine Diskussion der Vergangenheit ist. Sie wird sich spätestens dann erledigt haben, wenn wir auf dem noch vor uns liegenden Weg zu Kompetenzmessungen und -beschreibungen ein deutliches Stück vorangekommen sind. Ich stehe in engem Kontakt mit der Elternkammer, auch mit dem Vorsitzenden der Elternkammer zu diesem Thema. Die sehen auch, dass dieser Schritt, den wir heute gehen, ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Die Diskussion um die Frage, ob man wirklich Leistung will, ob man auch zu Leistung steht, werde ich Ihnen hingegen nie ersparen und die werden wir immer wieder mit Ihnen führen. Ich fand es in der gesamten Debatte rund um Integrationsklassen sehr kontraproduktiv, wenn mich Briefe erreichen, in denen wenig zum Thema Integration gesagt wird, aber gegen das "ideologisch festgefahrene Leistungsdenken" der Bildungsbehörde gewettert wird oder wenn es heißt, Zensuren seien Quatsch und das sei alles Unsinn.
Das hat nichts mehr mit Sorge um eine bestmögliche Integration von Kindern zu tun, sondern ist genau der Rückfall in eine kuschelpädagogische Rhetorik, die wir in Hamburg über Jahrzehnte gehabt haben und die uns genau dahin gebracht hat, wo Sie uns 2001 die Schulen hinterlassen haben. - Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, ich bleibe ganz bewusst nicht bei Ihrem Stil und weiß auch, dass es Ihnen schwerfällt, sich in einer fachlichen Debatte zu all den Punkten zu bekennen, auch wenn es Ihnen heute, das will ich anerkennen, gelungen ist, diskutable Argumente für Ihren Zusatzantrag vorzubringen.
Herr Heinemann, es macht sich immer gut, grinsend auf dem Podium zu stehen und zu wissen, dass man den gesamten Sachverstand der Behörde hinter sich hat und jederzeit auf irgendwelche Schulrechtler zurückgreifen
kann, die sagen, da und da ist ein Kinken in der entsprechenden Vorlage. Wenn man in der Sache wirklich ein Interesse an einer Änderung des Schulgesetzes hat, dann ist es doch kein Problem, einen Antrag der Opposition, der in der Sache zwar richtig, in einigen Punkten aber für die Schulrechtler diskutabel ist,
an den Schulausschuss zu überweisen, Herr Reinert, und es entsprechend zu korrigieren. Dann kommt es aus dem Ausschuss zurück und es erfolgt bei einer Gesetzesänderung normalerweise eine Lesung im Parlament.
Das eigentliche Thema ist in der Tat, warum plötzlich in den Integrationsklassen Noten erteilt werden sollen. Diejenigen, die schon länger dabei sind, wissen, dass es seit 1984, also seit fast 25 Jahren, zahlreiche Elterninitiativen gegeben hat, die erreicht haben, dass behinderte Kinder nicht mehr an einer Sonderschule eingeschult werden, sondern zumindest ihre Grundschulzeit gemeinsam mit nicht behinderten Kindern in einer Grundschule ihrer Region absolvieren können. Das ist ein großer Fortschritt und Hamburg ist bundesweit dafür gelobt worden, dass man unter der SPD-Regierung diese Möglichkeit eingeräumt hat.
In der weiteren Arbeit dieser Integrationsklassen, wie sie dann genannt wurden, führte die allgemeine Diskussion über die Zensierung zu der Erkenntnis, dass eine erfolgreiche integrative Arbeit nur dann möglich ist, wenn man die notwendige Beurteilung der schulischen Leistung nicht in Noten, sondern in Berichtszeugnissen vornimmt. Seit über 20 Jahren wird nun so verfahren und Hamburg wurde wiederum bundesweit als Beispiel genommen, diesen neuen Weg so zu gehen. Niemand von den Eltern ist gezwungen, sein Kind in einer Integrationsklasse anzumelden. Deshalb war es auch, Herr Heinemann, unter den Eltern dieser Klassen immer ein Konsens, dass das Prinzip der Berichtszeugnisse einen wesentlichen Gesichtspunkt der wirklichen Integrationspädagogik ausmacht. Niemand wird ausgegrenzt, alle Kinder sind als Menschen gleichwertig und deshalb bekommen alle ein in der Form gleiches Zeugnis, das selbstverständlich aber in der Beschreibung der individuellen Leistungen höchst unterschiedlich ausfällt. Das ist der wahre Kern von Integrationspädagogik.
Nun kam Herr Heinemann und wollte dieses seit über 20 Jahren bewährte Prinzip der Integrationspädagogik aus - Herr Heinemann, ich sage es so deutlich, wie es ist - ideologischen Gründen abschaffen. Sie wollten aus Prinzip eine Leistungsbewertung durch Noten durchsetzen, obwohl Sie wissen, wie wenig objektiv eine Notenvergabe sein kann; das haben Sie gerade noch einmal dargestellt und ich habe es als Lehrer selbst erlebt. Sie wollen aus Prinzip, dass in Integrationsklassen unterschiedliche Zeugnisse ausgegeben werden, eines mit Noten für die nicht behinderten Kinder und ein Berichtszeugnis für die behinderten Kinder. Sie beschämen damit die behinderten Kinder, indem Sie ihnen durch diese unterschiedlichen Zeugnisse eindringlich vor Augen führen: du bist behindert, du bist anders. So kann es doch nicht gehen, denn damit, meine Damen und Herren von der CDU, untergraben Sie aufs Deutlichste den Integrationsgedan
Mit dieser geplanten Vorgehensweise machen Sie alle Arbeit zugunsten der Eingliederung Behinderter in der Schule zunichte. Dies hat schließlich auch dazu geführt, dass sogar die Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen Ihr Vorgehen scharf kritisiert hat.
(Heiterkeit bei der CDU - Bernd Reinert CDU: Das ist wie bei Kaiser Wilhelm! Sie kennen nur Deut- sche!)
- Wenn Maria Böhmer etwas sagt, ist das dann nur für die einen gültig oder wie? Das kann doch nicht wahr sein. Eine gewisse Objektivität gilt doch wohl noch für die Bundesbeauftragte für Integration.
Wir als SPD stehen an der Seite der vielen Eltern mit Kindern in Integrationsklassen, die diese Protestbriefe an den Bürgermeister geschrieben haben. Wir unterstützen diese Eltern dabei, die Volkspetition auf den Weg zu bringen, damit es ein für allemal zu Ende ist, mit einem CDU-Antrag wieder Noten einführen zu wollen. Das ist für uns eine klare Sache, wir werden sie darin unterstützen. Auch durch diesen Zusatzantrag sehe ich noch lange nicht das Ende der Geschichte gekommen, denn, Herr Heinemann, wir trauen Ihnen in dieser ganzen Geschichte nicht so ohne Weiteres und Ihre Aussagen haben das auch noch nicht so klar gemacht.
Jetzt zu unserem Antrag. Warum haben wir dieses Moratorium gestellt, das Ihnen natürlich nicht passt? Ganz einfach: Ihre eigene Behörde hat seit einem Jahr das geänderte Schulgesetz doch selbst nicht angewandt. Sie wollten bis in die höchsten Ränge der Behörde gar nicht, dass dieses wirklich so angewendet wird. Während der damaligen Beratung sind uns Signale gesendet worden, es würde eine entsprechende Rechtsverordnung kommen und man möge es nach Möglichkeit nicht zur Kritik machen. Tatsache ist doch, dass ein ganzes Schuljahr lang in allen Integrationsklassen Hamburgs keine Notenzeugnisse ausgegeben worden sind, weil alle Schulaufsichten sich darauf berufen haben, dass es eine entsprechende Regelung gibt und man so weitermachen könne wie bisher. Dann kam diese Gerichtsgeschichte und mit einem Mal ist es allen wie Schuppen von den Augen gefallen, oh Gott, wir haben das leider verpennt. Mitten im Schuljahr sollten plötzlich die Integrationsklassen die Pferde wechseln und das ist ein Verfahren, das nicht geht. Sie können nicht mitten im Schuljahr solche Klassen mit so etwas belasten und deswegen ist ein Moratorium in dieser Frage genau der richtige Weg, wenn man schon nicht das Schulgesetz ändern will, was Sie ja abgelehnt haben.
Deswegen wollen wir wenigstens bis über die Wahl hinaus ein Moratorium und dann kann man über eine Schulgesetzänderung in einer neuen Regierung neu verhandeln, dann macht es auch Sinn.
ich für die Sozialdemokraten fest, dass dies eine eindeutige 180-Grad-Kehre zu der dargestellten Vorgeschichte ist. Gestern waren Sie für Noten, heute sind Sie für Kompetenzraster.
Immerhin hat der Druck insoweit gewirkt, als das Nachdenken über diese neue Form der Bewertung endlich auch bei Ihnen schneller vorangegangen ist. Damit kehren Sie in der Tat zu europäischem Standard zurück, was innovative Schuldidaktik und Schulmethodik angeht. Dies wird schon in den Berufsschulen angewandt, die auf europäischer Ebene zusammenarbeiten, da hat es seinen Platz und das muss man nur noch über die KMK einbringen. Die entsprechenden Anträge liegen zum Teil bereits vor, aber die Schulminister wollen es zum Teil gar nicht.
Aber Hamburg geht anscheinend in dieser Frage den richtigen Weg und da werden wir Ihnen auch folgen. Aber wird es tatsächlich so sein, dass alle Integrationsklassen noch eine Genehmigung im Eilverfahren bekommen werden, sodass sie zum Halbjahr auf Notenzeugnisse verzichten können, wenn Sie diesen Antrag stellen? Dazu haben Sie in dieser Debatte nichts gesagt.
Ich muss noch einmal ganz deutlich sagen, dass es insgesamt keinen richtigen Sinn macht. Eigentlich müsste man im Schulausschuss noch einmal genauer beraten, wie das gedacht ist, wie die Rechtsverordnung darüber sein soll, wie das mit dem Schulversuch vor sich gehen soll. Sie würden jetzt normalerweise sagen, das ist ein Schnellschuss, Herr Buss, das ist alles noch gar nicht ausgegoren, aber das gilt dann komischerweise nicht für Sie. Die Schulen brauchen klare Handlungsrahmen, die sie in dieser Frage nicht geliefert bekommen, und trotzdem müssen sie sich darauf verlassen. Sie wollen sie jetzt ködern, indem Sie sagen, lasst euren Widerstand sein, wir haben eine entsprechende Änderung, ihr könnt ja Schulversuch werden. Ob das wirklich jede Schule werden kann und unter welchen Bedingungen, haben Sie in Ihrem Beitrag nicht klar gesagt.
Von daher sind wir dafür, dieses hier zu beschließen, Herr Heinemann, aber nachträglich an den Schulausschuss zu überweisen, damit wir Klarheit in der Sache bekommen. Es macht auch Sinn, darüber zu beraten, damit die Schulen Bescheid wissen, wie es anschließend gemacht werden soll; das gehört sich einfach so.