Wir haben uns in den letzten vier Jahren, seitdem ich in der Bürgerschaft sein darf, häufig über Arbeitsmarktpolitik unterhalten. Wir haben viele Anträge und Anfragen gestellt. Es sollte deutlich geworden sein, auch bei den Zuhörern im Parlament, die vielleicht nicht davon betroffen sind, dass die ARGE einfach nicht funktioniert, und zwar insgesamt nicht funktioniert.
Inzwischen sind ARGE und Hartz IV - das können Sie doch nicht abstreiten - so etwas wie ein Synonym für unsinnige Bürokratie geworden; das begegnet uns draußen. Auch vom Ergebnis her - das muss uns doch zu
denken geben, die wir diese Arbeitsmarktpolitik bundesweit umgestellt haben - ist diese Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe enttäuschend. Früher gab es zumindest eine parallele Entwicklung. Wenn der Arbeitsmarkt positiv reagiert hat, dann gab es auch ein Absinken der Sozialhilfeempfänger. Das findet heute nicht mehr statt, sondern Sie haben trotz der steigenden Arbeitsplätze ein Ansteigen der Hartz-IV-Empfänger und das muss uns letztendlich zu denken geben.
Es gibt vielfältige Gründe dafür, warum das so ist. Ein Grund dafür ist, dass in diesen Job-Centern heute auch Familien betreut werden, dass heute die Verantwortung für die Sozialhilfe, für die Familie in den Job-Centern liegt. Wir haben inzwischen 50.000 Kinder, die von diesen JobCentern betreut werden, und diese Zusammenarbeit von Job-Centern und Jugendämtern, die eigentlich Auftrag war, findet heute zum Beispiel überhaupt nicht statt und das nehmen Sie in Ihrer Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht wahr.
Das Gleiche gilt für die Einschätzung der ARGE, dass immerhin ungefähr 55 Prozent der erwerbsfähigen Hilfeempfänger integrationsfern sind oder einen erheblichen Stabilisierungsbedarf haben. Sie brauchen gute Vermittlung, sie brauchen sorgfältig ausgewählte Integrationsmaßnahmen und vor allen Dingen - auch das müsste eigentlich ein Senator für Arbeitsmarktpolitik einmal in seinem Leben berücksichtigt haben - brauchen sie massive flankierende Hilfen zur Lösung von Gesundheits- und Suchtproblemen, zur Überwindung von Schulden, zur Klärung von Familienproblemen.
Wichtig ist auch ein ganztägiges Angebot für Kinderbetreuung; das fordere ich zum Schluss hier ein. Hier brauchen wir integrative Ansätze zur Problemlösung, und zwar ein wirkliches Fallmanagement in der ARGE. Dieses haben Sie bisher vernachlässigt, Sie haben dieses Instrument bisher nicht betreut und nicht befördert.
Wir wollen nicht - das möchte ich ausdrücklich zum Antrag der SPD sagen -, dass die Stadt und die Agentur weiterhin nebeneinander vor sich hinwurschteln, sondern dass mit dem integrativen Ansatz der Hilfe aus einer Hand endlich Ernst gemacht wird. Deshalb wird es mit uns keinen Weg zu Job-Centern geben, die ein Modell getrennter Aufgabenwahrnehmung umsetzen wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Hochheim, Sie haben gesagt, das mit der ARGE laufe alles ganz fantastisch und es gebe überhaupt keinen Bedarf, weil es vor zwei Jahren ein Konzept zur Umstrukturierung gab. Ich weiß nicht, mit wem Sie so sprechen, aber ich würde Ihnen vorschlagen, einmal mit den Menschen zu reden, die als Kunde zur ARGE gehen, und auch mit vielen Menschen, die bei der ARGE im direkten Kundenkontakt arbeiten. Ich will Ihnen einmal eine Geschichte erzählen, denn bei uns melden sich viele Menschen, die mit der ARGE in Kontakt und manchmal auch in Konflikt geraten sind und das läuft nicht alles so gut.
Da kommt also eine über fünfzigjährige Frau, lange krank, zu ihrem persönlichen Ansprechpartner bei der ARGE und möchte gerne arbeiten. Nun wissen wir, dass es nicht so einfach ist, eine Arbeit im allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, also schlägt man ihr vor, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Das möchte sie auch gerne, weil sie wieder etwas tun möchte. Sie ist lange krank gewesen und ihr Gesundheitszustand ist auch nicht so toll. Sie wird also weiter geschickt von der ARGE zur HAB und dort geht es dann weiter. Man überlegt, was man mit ihr machen könnte und nun kommt sie zu einem der größeren Träger, dritte Station. Dieser Träger hat Regiearbeitsplätze und Kooperationsarbeitsplätze, sie kommt also auf einen Arbeitsplatz, der wiederum von einer weiteren Einrichtung betreut wird. Das wäre alles gar nicht schlimm, wenn sie dort integriert würde und eine sinnvolle Tätigkeit machen könnte.
Nun wird sie aber wieder krank, auch das ist nicht ungewöhnlich für jemanden, der Hartz-IV-Empfänger ist, häufig ist die Gesundheitssituation nicht besonders stabil.
Und nun hat diese Frau ein ganz einfaches Anliegen: Sie möchte ihre Krankmeldung loswerden und das gestaltet sich zu einer Odyssee, weil sich eigentlich niemand so recht vorstellen kann, wer das entgegennehmen soll. Der Träger, bei dem sie noch nicht war, weil sie vor Arbeitsaufnahme krank geworden ist, kennt sie nicht und fühlt sich nicht zuständig. Die HAB sagt, ihre Tätigkeit sei beendet. Der Träger, bei dem sie sozusagen übergeordnet gewesen wäre, sagt, nein er sei auch nicht zuständig, er habe sie ja weitergegeben. Die HAB sagt, ihre Aufgabe sei eigentlich schon längst beendet und team.arbeit.hamburg sagt, sie solle nicht immer anrufen, weil man auch andere Gespräche hätte, und sie solle das Ganze schriftlich machen. Dann wird sie auf die Hotline verwiesen. Das ist dann die fünfte Stelle. Sie findet niemanden, der mit ihr darüber redet, was sie machen kann, sie ist schlichtweg verzweifelt, hat Angst, dass man ihr die Leistungen kürzt und weiß nicht mehr weiter. Das ist ein Beispiel für den Umgang. Wahrscheinlich hat jeder der Mitarbeiter, der dabei war, nach seinen Vorschriften und nach dem gehandelt, was sein Vorgesetzter ihm gesagt hat, denn die Mitarbeiter in der ARGE - und das sage ich sehr deutlich - sind nicht schuld an den Zuständen und daran, wie sie dann am Ende häufig diejenigen behandeln müssen, die zu ihnen kommen.
Ich habe jetzt nur einen Fall beschrieben. Ich könnte Ihnen aber eine Handvoll von Fällen anfügen. Ich könnte Sie auch darauf verweisen, dass Sie einmal lesen, was zum Beispiel die Arbeitslosentelefonhilfe in ihren vierteljährlichen Berichten schreibt, nämlich wie verzweifelt, wie unglücklich und schwer enttäuscht Menschen sind, die sich sehr lange mit der ARGE auseinandersetzen müssen. Jeder, der ein Wahlkreisbüro hat, jeder Abgeordnete, kennt solche Fälle, weil Menschen in ihrer Verzweiflung dann meinen, sie könnten vielleicht über die Politik etwas erreichen und Hilfe, einen Ansprechpartner bekommen.
Ich glaube, wenn man solch eine Einrichtung wie die ARGE mit Mitarbeitern bestückt, die mal eben in Schnellkursen geschult werden, und dort sehr viele Menschen mit kurzfristigen Verträgen beschäftigt, die ihre eigene Zukunft gar nicht einschätzen können - das ist jetzt ein bisschen besser geworden, aber es gibt immer noch viele Menschen, die nur auf Zeitvertragsbasis beschäftigt
sind -, dann darf man sich auch nicht wundern, dass das in solch einem sensiblen Bereich nicht klappt. Das wollen wir ändern und dem gilt unser Antrag.
Ich weiß - und vielleicht würden wir es auch machen, wenn wir an der Regierung wären, ich hoffe nicht, aber vielleicht -, dass man sich über jeden Arbeitsplatz und die Veränderung am Arbeitsmarkt freut. Herr Senator Uldall, ich kann das verstehen, aber Sie müssen doch gleichzeitig die Zahlen darüber sehen, dass die Menschen zunehmend von dem nicht mehr leben können, was sie in Vollzeit in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in dieser Stadt verdienen. Es will mir nicht in den Kopf, wie Sie in der Lage sind, das immer wieder komplett auszublenden und das geht vielen von uns so.
Natürlich ist ein Minijob, ein Midijob, ein Teilzeitjob, gering bezahlt auch ein Vollzeitjob, manchmal besser als nichts, aber es ist kein Erfolg für Arbeitsmarktpolitik, sondern in vielen Fällen ist es eine Schande, zu welchen Bedingungen Menschen arbeiten müssen.
Ich möchte noch einen Fall nennen. Gestern haben wir hier über unser eigenes Personal diskutiert. Ein Wachmann oder jemand, der unten an der Garderobe für 6,60 Euro arbeitet, verdient im Monat, wenn er Vollzeit arbeiten würde, was die meisten hier gar nicht können, so wenig, wenn er Familie hat, dass er am Abend zur team.arbeit.hamburg läuft und sich das Geld draufzahlen lassen muss. Nicht einmal in diesem Fall haben Sie ein bisschen Einsicht und sind bereit, das gemeinsam mit uns zu ändern und das finde ich wirklich schlimm.
Ein letzter Teil, weil wir heute drei Drucksachen gleichzeitig diskutieren. Frau Dr. Hochheim hat es sich sehr einfach gemacht und gesagt, das seien Appelle an Arbeitgeber und was solle denn das. Wir haben uns die Anfrage sehr genau angeschaut und haben festgestellt, dass die Situation von älteren Menschen am Arbeitsmarkt zwar besser geworden ist, aber wir wissen auch, dass das Risiko für Ältere, dann auch länger arbeitslos zu sein, und das Risiko, wenn sie einmal Hartz-IV-Bezieher sind, da nicht wieder herauszukommen, sehr groß ist. Wir lesen, hören und wissen viel über die demografische Entwicklung in diesem Land. Ich glaube, dieses Thema, wie man mit der demografischen Entwicklung in den Unternehmen und der demografischen Entwicklung umgeht, wenn man über Arbeitsmarkt redet, ist schon ein bisschen mehr Betrachtung wert. Wir haben das in unserem Antrag vorgelegt. Frau Dr. Hochheim, Sie haben es sich sehr einfach gemacht. Das war wirklich sehr billig und ich hoffe, dass vielleicht andere Teile der Fraktion ein bisschen zur Vernunft kommen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Debatte heißt "Bilanz der Arbeitsmarktpolitik". Ich glaube, dass man mit einer Arbeitsmarktbilanz nie hundertprozentig zufrieden sein kann. Immer wird es viele Punkte geben, wo eine Verbesserung notwendig ist. So wird es immer
ein Ringen um die besten Lösungen geben, wie wir auch die ungelösten Fragen der Arbeitsmarktpolitik einem positiven Ergebnis zuführen können.
Bilanz der Arbeitsmarktpolitik: Herr Dees, Sie sind ein gestandener und erfahrener Wirtschaftler und wissen, dass eine Bilanz aus Tausenden von Zahlen besteht. Sie haben eben nicht Tausende, aber doch viele Zahlen genannt. Aber Sie wissen auch, dass es bei einer Bilanz am Ende darauf ankommt, was unter dem Strich steht.
Hier nenne ich jetzt wirklich die Zahlen, die Sie auch genannt haben - ich interpretiere sie anders als Sie -, aber diese Zahlen heißen: Arbeitsplatzzahlen rauf, Arbeitslosenzahlen runter.
Es wurde von der Kollegin Dräger gesagt, man freue sich mit jedem, der einen neuen Arbeitsplatz bekommen habe. Ich sage auch, dass wir uns mit jedem freuen, das heißt, wir freuen uns mit Zehntausenden von Familien, die durch diese Entwicklung in den letzten drei Jahren wieder eine berufliche Basis gefunden haben.
Frau Dr. Hochheim hatte darauf hingewiesen, dass die Entwicklung bei den Langzeitarbeitslosen, bei den älteren Arbeitnehmern und bei den Behinderten besonders erfreulich ist. Hier haben wir Rückgänge von 25 beziehungsweise 30 Prozent. Auch diese Problemgruppen, die uns immer besondere Sorgen bereitet hatten, werden von dieser Entwicklung mit erfasst.
Wenn man sich fragt, worauf das zurückzuführen ist, so sage ich, dass das verschiedene Punkte sind. Es sind neue Ideen, mit denen die ARGE, an der man sicherlich vieles verbessern kann, Frau Köncke, an das Arbeitsmarktproblem herangegangen ist. Ich erinnere zum Beispiel an das Hamburger Modell, mit dem Tausende von Arbeitsuchenden den Zugang zum Ersten Arbeitsmarkt wieder gefunden haben mit einer sehr hohen Integrationsquote. Aber es war neben vielen anderen Gesichtspunkten auch etwas, was mir besonders viel Freude bereitet hat, nämlich dass wir nicht abgewartet haben, bis sich ein Unternehmen meldet und sagt, ich biete euch zwei, drei Arbeitsplätze zur Besetzung an, sondern dass wir offensiv in die Unternehmen gegangen sind und gesagt haben, bitte überlegt, ob ihr nicht für diese oder jene Leistung eine zusätzliche Position schaffen könnt, die regulär mit einem Arbeitsuchenden zu besetzen ist. Diese Art von Akquisition von Arbeitsplätzen hat es früher so nicht gegeben und sie ist sehr erfolgreich gewesen. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die Arbeitsgemeinschaft türkischer Arbeitnehmer, die mir versprochen hatte, mehrere hundert Arbeitsplätze auf diese Art und Weise bei den türkischen mittelständischen Betrieben einzuwerben, ihr hochgestecktes Ziel erreicht hat. Ich kann nur sagen: Kompliment und Danke schön.
Aber ich will noch einen anderen Gesichtspunkt nennen, nämlich dass wir uns mit voller Konsequenz und Nachhaltigkeit eingesetzt haben, wenn Unternehmen wirklich in
Gefahr waren. Ich erinnere da an Beiersdorf, an Airbus und die Hamburger Aluminiumwerke und vor zwei Tagen haben wir bei der Norddeutschen Affinerie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dieses Unternehmen eine sichere Gesellschafterstruktur hat, damit diese 2.200 Arbeitsplätze in Hamburg gesichert sind und die Beschäftigten mit Ruhe wieder ihrer Arbeit nachgehen können und nicht verschreckt werden durch irgendwelche neuen Meldungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Ziel als Wirtschafts- und Arbeitssenator ist es immer gewesen, die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg zu verbessern. Natürlich sieht eine Opposition die Leistungen eines Regierungsmitglieds ganz anders als wir uns selber einschätzen. Das ist nur natürlich, das gehört zum vernünftigen Parlamentsbetrieb dazu. Aber ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir uns, die wir heftig miteinander gerungen haben, gegenseitig nie die gute Absicht abgesprochen und dem anderen irgendetwas Böses oder Schlechtes unterstellt haben, sondern dass es wirklich eine konstruktive Suche nach Lösungen war. Auch wenn wir mal etwas abgebürstet haben, wie man es mit der Mehrheit kann, Herr Egloff, ist es eben doch so gewesen, dass immer etwas hängen bleibt und man davon etwas übernimmt, um dieses in positives Handeln mit umzusetzen. So bedanke ich mich ausdrücklich auch für manche gute Anregung, die wir in unserem Handeln dann haben umsetzen können.