Im zweiten Quartal sah die Welt dann etwas anders aus. Da hieß es dann, die HSH Nordbank sei ohne eigenes Verschulden doch ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen.
Aber keine Sorge, das Geschäftsmodell der Bank sei solide und erfolgreich und deshalb könne man auch, ohne die Bürgerschaft überhaupt um Zustimmung zu bitten, 300 Millionen Euro zusätzliches Eigenkapital in die Bank einzahlen, das würde sich am Jahresende durchaus rentieren, denn die Gewinne der Bank seien sicher. Das haben Sie uns noch im zweiten Quartal 2008 im Haushaltsausschuss berichtet.
Und es sind noch im Jahr 2008 – das sagt Ihr CDU-Finanzministerkollege in Schleswig-Holstein in aller Offenheit – Transaktionen vorgenommen worden mir erheblichem Abschreibungsbedarf und wir wissen bis heute nicht, weil Sie es uns nicht berichten, welche Transaktionen das sind.
Wenn das KPMG-Gutachten und der Jahresabschluss 2008 so ausfallen, wie es mittlerweile die Spatzen von den Dächern pfeifen, dann ist die Vermögenslage Hamburgs tiefgreifend betroffen. Und es sind die finanziellen Grundlagen, Herr Kerstan, wichtiger Projekte in der Bildungspolitik – wir haben gerade über die Stadtbahn gesprochen –, die in Gefahr sind. Es geht auch um ein paar wichtige andere Dinge: Ein kostenloses Mittagessen zum Beispiel in den Kindergärten,
die Abschaffung des Büchergelds, die Abschaffung der Studiengebühren und dringende Maßnahmen in den sozialen Brennpunkten, von denen dieser Senat uns seit Jahren erzählt, er könne sie nicht bezahlen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tschentscher, ich finde es ganz erstaunlich, dass Sie behaupten, Sie betreiben keine Schuldzuweisungen und würden deshalb die Schuldzuweisungen des Senators
von sich weisen. Der Senator hat keine Schuldzuweisungen betrieben. Das haben Sie getan. Der Senator hat Ihnen nur gesagt, dass diejenigen, die an der Entscheidungsfindung über die Ausrichtung der HSH Nordbank und ihrer Vorläuferinstitute mitgewirkt haben, nicht nur Christdemokraten waren, sondern dass ganz im Gegenteil bei der Entwicklung des Geschäfts und der Weiterentwicklung und Ausrichtung der HSH Nordbank alle politisch verantwortlichen Parteien gemeinschaftlich gewirkt haben nach bestem Wissen und Gewissen und ernsthafter Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein.
Die Idee war, das sich langsam, aber sicher als obsolet erweisende Modell einer Landesbank zu überführen in eine Geschäftsbank und sich mittelfristig von ihr zu trennen und irgendwann einmal an die Börse zu gehen. Sicherlich ist es für Hamburg ein tragisches Geschick, dass dieser Börsengang nicht stattgefunden hat und die Stadt sich nicht von ihren Anteilen trennen konnte, bevor diese Krise eingetreten ist. Aber dafür kann niemand in der SPD und auch niemand in der CDU etwas.
Ich würde mich sehr freuen, da Sie sich insbesondere über die Auslandsgesellschaften mokieren, wenn Sie das sozialdemokratische Urgestein, Herrn Stuhlmann, einmal konsultierten, der etwas von diesen Dingen versteht; der war auch einmal für das Institut tätig. Unter seiner Ägide sind wesentliche Bereiche dieses Unternehmens entwickelt worden, als es noch Hamburgische Landesbank war. Sie regen sich über Institute auf den Cayman Islands und sonstigen Orten auf, die Sie Steuerparadiese nennen. Sie meinen, das Institut dürfe nur regional tätig sein. Dieses Institut ist regional tätig, es ist für die Schifffahrt tätig, aber die Schifffahrt schippert nicht nur im Hamburger Hafen herum, sondern ist auf einem Weltmarkt tätig. Und ein Institut, das Reedereien betreuen will, um Schiffe zu finanzieren, muss diese Reedereien auch in ihrem laufenden Geschäft betreuen. Dazu ist es beispielsweise notwendig, im Ausland an wichtigen Stellen Niederlassungen zu haben, das ist nicht ungewöhnlich. Das hat Herr Stuhlmann auch erkannt, das hat er richtig gemacht und seine Nachfolger haben das auch gemacht, das ist nichts Verwerfliches. Vor allen Dingen ist nicht zu implizieren, man hätte außerhalb des Rahmens dessen, was diese Bank machen darf, agiert und das hätte der Aufsichtsrat verhindern müssen. Das ist nicht nur nicht ernst zu nehmen, diese Art von Kritik ist schlichtweg albern.
Und dass eine Bank, die auf dem Weltmarkt tätig ist, die beispielsweise Schiffe in US-Dollar finanziert, sich auch in US-Dollar refinanzieren muss, damit sie wettbewerbsfähig ist, ist auch nicht ungewöhnlich und das tut man zum Beispiel bei institu
tionellen Anlegern in den USA. Die haben aber kein Interesse, Steuertatbestände in Deutschland zu schaffen. Deshalb geht man über solche Vehikel wie zum Beispiel Refinanzierungsgesellschaften auf den Cayman Islands. Das macht nicht nur die HSH, das machen hunderttausend andere Banken auch, es ist nicht ungewöhnlich.
Es ist auch nicht ungewöhnlich für eine ehemalige Landesbank, auf einem internationalen Markt tätig zu sein, und zwar für ihre regionale Hamburger Schifffahrts-, Luftfahrts- und Transportkundschaft; das ist kein Hexenwerk. Lassen Sie sich das einmal von Herrn Stuhlmann erklären, vielleicht vertrauen Sie dem, denn der ist Ihnen zumindest politisch näher und von dem werden Sie auch nicht glauben, dass er Sie aus politischen Gründen belügt.
Aber wenn Sie die Geschäftspolitik der Bank angreifen, dann fragen Sie Herrn Stuhlmann, warum er zu Zeiten, als es noch die Gewährträgerhaftung der öffentlichen Hand gab, die verhältnismäßig preisgünstige Refinanzierung durch die Gewährträgerhaftung genutzt hat, um auf dem Weltmarkt Anlagen zu tätigen, sich zum Beispiel an PrivateEquity-Fonds auf den Cayman Islands zu beteiligen. Aus dieser Zeit stammt nämlich dieses Modell, die günstige Refinanzierung der Landesbanken zu nutzen, um auf dem Weltmarkt rentierliche Anlagen zu tätigen und auf diese Art und Weise Gewinne zur Vermehrung des Staatsvermögens zu erwirtschaften. Das hat lange Zeit gut funktioniert, darüber hat sich niemand mokiert, ganz im Gegenteil. Wenn die das nicht getan hätten, sondern Schatzbriefe beim Bund gezeichnet hätten, um möglichst sicher das ihnen zur Verfügung stehende Geld anzulegen, dann hätten Sie die zum Teufel gejagt, möglicherweise zu Unrecht, wie sich heute herausstellt. Ich will nicht sagen, dass die alles richtig gemacht haben, aber Sie behaupten, Sie betrieben keine Schuldzuweisungen. Das ist aber das Einzige, was Sie tun, Sie haben nicht einen Lösungsvorschlag vorgelegt.
Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie Hamburg und die HSH Nordbank aus dieser Krise besser herauskommen können. Sie bewerfen den Senator mit Dreck, das ist das Einzige, was Sie tun.
Nur weil ich eben Herrn Stuhlmann zitiert habe: Ich gebe dem überhaupt keine Schuld an der Misere der HSH Nordbank.
Beide Institute, die Landesbank Schleswig-Holstein und die Hamburgische Landesbank, sind in dieser Art des Kreditersatzgeschäftes lange tätig gewesen, und zwar mit Zustimmung aller im Aufsichtsrat vertretenen Personen. Das haben übrigens auch andere Banken gemacht, nicht nur die Landesbanken. Dass sich das im Ergebnis heute als nicht besonders renditeträchtig herausstellt, um das einmal gelinde zu sagen, ist richtig, aber es ist nicht die Schuld des Senators. Sie werfen ihm eine falsche Kommunikationspolitik vor. Herr Senator Freytag ist, mit Verlaub, nichts weiter als ein ganz normales Mitglied des Aufsichtsrats. Er ist nicht stellvertretender Vorsitzender, er ist auch nicht Vorsitzender, er ist eigentlich für die Kommunikation der HSH Nordbank nach außen nicht zuständig.
Dafür ist der Vorsitzende zuständig oder der Vorstandsvorsitzende. Dennoch hat er, um seiner Verantwortung gerecht zu werden, regelmäßig, wenn er eine Neuigkeit aus dem Aufsichtsrat berichten konnte, die Bürgerschaft darüber informiert, natürlich nicht über die Neuigkeiten, die es noch nicht gab. Sie können über die Pleite von Lehman nicht berichten, wenn Lehman noch nicht pleite ist und Sie können auch in der HSH Nordbank auf Geschäfte mit Lehman keine Abschreibung vornehmen. Das ist schlichtweg unzulässig, solange Sie ein Triple-A-Rating haben. Jetzt können Sie sich natürlich darüber streiten, ob es richtig ist, sich auf die Ergebnisse der Arbeit international anerkannter Rating-Agenturen zu verlassen. Sie haben vollkommen recht, heute wissen wir mehr, es war nicht richtig, sich darauf zu verlassen, und zwar insbesondere deshalb, weil in vielen Ländern die Regularien nicht die richtigen waren.
Das ist genau der Ansatzpunkt, über den wir reden müssen. Welches Regularium müssen wir aufstellen und wie können wir unsere Geschäftspartner in der ganzen Welt davon überzeugen, dass wir eine international einheitliche Regelung für die Geschäfte an den Finanzmärkten bekommen müssen. Das ist unsere Aufgabe und nicht, irgendwelche Schuldzuweisungen zu betreiben.
Noch einmal: Der Senator hat zu jeder Zeit, wenn er eine Neuigkeit hatte, die verkündbar war, die Bürgerschaft informiert, zuletzt in der Sitzung des Haushaltsausschusses, in der Sie auch zugegen waren.
(Michael Neumann SPD: In Kiel gehen die Uhren anders! In Kiel gibt es offensichtlich andere Informationsstände!)
In Kiel gehen die Uhren anders, das mag sein. Dort haben Sie zum Beispiel einen Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Kubicki, der die Rolle des Herrn Tschentscher übernimmt, weil die SPD da mit in der Verantwortung ist. Da kann kein SPD
Mann die CDU mit Dreck bewerfen, da muss die SPD herhalten. Die haben wir hier aber nicht vertreten und das ist schade.
(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Sie können sich uns nackt auf den Bauch binden und trotzdem würden wir nicht mit Ihnen koalieren!)
Wir hätten gerne die FDP statt Ihrer Partei in der Bürgerschaft, es kann sein, dass das besser wäre, aber wir sind auf einem guten Wege.
Sie sind es im Moment jedenfalls nicht, Sie sind nicht unser Wunschpartner für eine Koalition. Wir haben nämlich nicht das Gefühl, dass Sie ausreichend Kompetenz mit in die Koalition bringen würden.
Herr Tschentscher, was Sie hier vorgetragen haben, war wirklich stark im Vortragen, aber sehr schwach in der Sache und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie zu einem Vortrag zurückkommen würden, der zukunftsgerichtet ist, der Lösungsansätze beinhaltet und aufhört, einfach nur Mitglieder des Senats zu beschädigen.
Herr Dr. Bischoff hat durchaus erkannt, dass es besser ist, darüber nachzudenken, wie man aus einer solchen Situation herauskommt. Vor allen Dingen hat er eines begriffen: Menschen einfach mit Schuldzuweisungen zu überziehen und das auch noch substanzlos, verbessert nicht das eigene Renommee und diese Peinlichkeit wollte sich Herr Dr. Bischoff nicht antun, so wie Herr Tschentscher es heute erfolgreich getan hat.