Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Das Wort bekommt Herr Kienscherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator, das waren sehr viele Allgemeinplätze, die Sie hier geäußert haben, eine Wohlfühlrede. Schwarz-Grün hatte schon immer dieselben Ziele in der Sozialpolitik.

(Nebahat Güclü GAL: Da haben Sie nicht richtig zugehört!)

Frau Güclü, hören Sie doch zu, zu Ihnen komme ich noch.

Letztendlich war es eine Rede nach dem Motto: Alles wird gut, lasst uns nur mal machen. Doch die Realität in dieser Stadt sieht leider anders aus, das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

(Frank Schira CDU: Eben!)

Deswegen hätten wir uns gewünscht, dass Sie ein wenig konkreter geworden wären.

Sie haben gesagt, der demografische Wandel sei nicht nur ein Thema, das auf Bundesebene behandelt werden müsse, sondern das müsse auch in Hamburg einmal ankommen; das fordern wir schon die ganze Zeit. Ihre Vorgängerin hat immer von einem Konzept der seniorengerechten Stadt gesprochen. Wir haben nachgefragt und dann stellte sich heraus, dass es das nicht gab. Sie haben von der seniorenfreundlichen Stadt gesprochen, das gab es ebenfalls nicht so wirklich.

In Ihrem tollen Koalitionsvertrag ist fast alles angesprochen worden, was sich überhaupt in dieser Stadt bewegen kann.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Nur kein Neid!)

Sie kommen in diesem Koalitionsvertrag nun zu dem Ergebnis, das alles müssten letztendlich die Bezirke schaffen, aber wir als Senat würden das positiv begleiten. Die einen empfinden das als Bedrohung. Wir sagen, hier wollen Sie sich einfach aus der Verantwortung stehlen, und das geht nicht.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, dass Sozialpolitik etwas mit Querschnittsaufgaben zu tun hat. Aber dann kümmern Sie sich gerade im Bereich Senioren endlich einmal darum, dass es barrierefreie Wohnungen gibt. Es kann doch nicht sein, dass in Hamburg nur 1656 entsprechende Wohnungen vorhanden sind,

von denen zurzeit nur drei frei sind. Das ist doch keine verantwortungsvolle Sozialpolitik, Herr Senator.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben hier die Chance gehabt, offen und konkret darüber zu reden. Sie haben nichts darüber gesagt, dass Sie in den letzten Jahren den barrierefreien Ausbau im ÖPNV um die Hälfte heruntergefahren haben.

(Wolfgang Beuß CDU: Schreien Sie doch nicht so! – Frank Schira CDU: Wir verstehen Sie doch!)

Ich kann das auch leiser sagen.

Da hätten Sie etwas tun müssen, da haben Sie aber zu wenig getan.

Dann zum Thema Pflege, Pflegestützpunkte und Zukunftsvorsorge. Auch da haben Sie gesagt, allen Menschen soll es irgendwie besser gehen. Seit zwei Jahren – Sie haben auch noch die Verbände angesprochen, die mit Ihnen partnerschaftlich zusammenarbeiten – fleht die Hamburgische Pflegegesellschaft, flehen Diakonie und Caritas, etwas im Bereich Pflege zu tun. Ein aktueller Fachkräftemangel droht. Sie haben das zwei Jahre lang ignoriert und erst jetzt zugestanden, dass wir in der Tat in den nächsten Jahren 450 Pflegekräfte zu wenig haben. Sie wissen doch, welche fatalen Folgen das für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt hat. Da bringt es auch nichts – es klingt fast wie Hohn –, wenn Sie davon reden, der Pflegeberuf sei ein attraktiver Beruf für junge Frauen mit Zukunftschancen, er sei sicher und im Vergleich zu einer Verkäuferin gut bezahlt. Das zeigt doch, dass Sie von dem Beruf überhaupt keine Ahnung haben.

(Beifall bei der SPD)

Den physischen und psychischen Belastungen, die wir in dem Bereich haben, und dem Umgang mit Tod muss man anders begegnen. Da muss man auch den Willen haben, sich als Senator einzumischen und dafür zu sorgen, dass es mehr Ausbildungsplätze gibt, dass es mehr Auszubildende gibt. Deswegen sind wir für einen Pakt für Ausbildung mit 100 zusätzlichen Auszubildenden. Das wäre die richtige Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im Mai letzten Jahres nachgefragt, wie es mit dem Heimgesetz aussieht – Frau Blömeke, mit diesem Thema kommen Sie gleich sicher noch – und Sie konnten nichts sagen. Im Juni haben Sie der armen Frau Kresse vom "Hamburger Abendblatt" erzählt, dass das Heimgesetz schon in der Schublade liege, sozusagen fertig sei, und Sie hofften, dass es im Jahre 2008 noch verabschiedet werde. Wo ist es? Bis heute haben wir kein Heimgesetz in dieser Stadt und das, obwohl Sie wus

(Senator Dietrich Wersich)

sten, dass wir durch die Föderalismusreform einen dringenden Handlungsbedarf in diesem Bereich haben. Auch hier haben Sie versagt, haben Sie Reformen hinausgezögert.

(Beifall bei der SPD)

Das größte und perfideste ist das Thema Blindengeld. 2004 kürzt dieser Senat das Blindengeld um 25 Prozent.

(Frank Schira CDU: Warum wohl? – Michael Neumann SPD und Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, warum denn?)

Und jetzt, Herr Schira, heben Sie das Ganze um einige Euro an, man könnte noch sagen, das ist ja ganz toll. Der Ansatz der nächsten Jahre liegt aber immer noch deutlich unter dem aktuellen Ansatz. In dem Bereich sparen Sie sogar 1,5 Millionen Euro. Das ist Ihre sozial verantwortliche Politik.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn wir von Seriosität reden, dann möchte ich einmal zu Ihnen kommen, Frau Güclü.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Wenn Sie sich zum Thema Blindengeld hier hinstellen und auch in Ihrer Pressemitteilung verbreiten, dass durch die Anpassung des Blindengeldes im Jahre 2008 Minderjährige genauso viel bekämen wie Personen über 18 Jahren, dann kann ich Ihnen nur sagen, das ist im Jahre 2004 erfolgt. Das haben Sie nicht richtig begriffen; Punkt eins.

(Martina Gregersen GAL: Das ist durch die Rentenanpassung gekommen!)

Punkt zwei: Sie behaupten nach wie vor, in Ihrem Koalitionsvertrag hätten Sie unter anderem festgehalten, eine Einbürgerungskampagne vornehmen zu wollen. Dann kommen Sie doch bitte einmal nach vorne und zeigen uns die entsprechende Stelle im Koalitionsvertrag. Die gibt es nicht und das zeigt auch, wie wenig glaubwürdig Ihre Politik ist.

(Beifall bei der SPD)

Es fällt einem sehr viel ein, wenn man erst einmal redet; als letztes das Thema Sozialkarte beziehungsweise Sozialticket.

(Heiterkeit bei der CDU)

Da wollte ich Sie eigentlich loben und sagen, Herr Kerstan, dass unsere Fraktion Ihr Modell gut findet.

(Zurufe von der CDU und der GAL: Oh, ah!)

Aber wir hätten uns von dieser Seite, Herr von Frankenberg, aber auch vom Senator, gewünscht, Sie hätten eingestanden, dass es ein riesiger Fehler war vor einigen Jahren, den Menschen Mobilität wegzunehmen. Auch das gehört zu einer verantwortungsvollen und ehrlichen Sozialpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Stattdessen kämpfen Sie um die Begrifflichkeiten, Herr Senator, und sagen, das heiße jetzt Sozialkarte und nicht Sozialticket. Es war ein Fehler und es ist gut, dass er korrigiert wird, aber wir wären froh, wenn Sie es endlich einmal eingestehen würden. Dazu sind Sie aber nicht bereit.

Alles in allem haben Sie eine wunderschöne, allgemein verbindliche Rede gehalten. Sie haben aber auf die konkreten Fragen und die konkreten Probleme keine Antwort gefunden. Sie haben den Menschen in dieser Stadt wirklich nichts Konkretes präsentiert, wie Sie den demografischen Wandel schaffen wollen und wie Sie dafür sorgen wollen, dass die Senioren in Hamburg entsprechend würdig alt werden können.

Sie haben es auch versäumt, im Bereich Pflege deutlich zu machen, wie wir es verhindern können, dass die Pflege von der Qualität her gefährdet wird. Das haben Sie verpasst, das ist schade für die Stadt, für die Bürgerinnen und Bürger. – Danke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es lohnt sich, aus diesem großen Bereich Soziales noch einmal die Punkte zum Thema Pflege anzusprechen, die Herr Kienscherf auch gerade angesprochen hat.

Ich möchte aber zuerst gerne noch einmal zu Herrn Joithe kommen. Herr Joithe berichtet hier über Einzelschicksale aus dem Bereich des Arbeitsmarktes. Die Debatte, Herr Joithe, sollten wir morgen führen, wenn auch der Einzelplan behandelt wird. Da gehört es hin und nicht hierher.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Allerkleinstes Karo!)