Wir haben das mit der Großen Anfrage gemacht und schon der Titel verrät, dass wir viele Bereiche abgefragt haben. Ich muss durchaus zugestehen, dass der Senat die eine oder andere brauchbare Antwort geliefert hat und ich bin auch dankbar, dass wir die Drucksache im Sozialausschuss beraten werden. Lassen Sie mich trotzdem auf einige Aspekte eingehen, die wir in unserer Anfrage berücksichtigt haben, und auch auf die Antworten des Senats.
Wir haben mit dieser Drucksache eine umfangreiche Übersicht der ambulanten Dienste und der stationären Einrichtungen in dieser Stadt erhalten und erstmals eine detaillierte Übersicht über die Kostenstrukturen in diesen Einrichtungen. Dabei konnten wir feststellen, dass es insbesondere bei den Investitionskosten, also umgangssprachlich der Kaltmiete, sehr deutliche Unterschiede gibt – eine Spanne von 130 Euro bis zu 600 Euro pro Monat. In diesem Bereich haben wir eine Entwicklung, die dazu führen wird, dass diese Kosten und damit die Belastungen der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahren steigen werden. Deswegen fordern wir den Senat und Sie als Plenum auf, darüber zu reden, wie wir diese stationäre Struktur entwickeln wollen und wie wir es sicherstellen können, dass diese Struktur auch weiterhin bezahlbar bleibt, und zwar auch für den einzelnen Pflegebedürftigen und seine Angehörigen.
Die Anfrage zeigt, dass es unerlässlich ist, dass wir als Stadt Hamburg auch weiterhin öffentliche Gelder in den Bau und Umbau von Pflegeheimen investieren.
Wir halten es für falsch, Herr Senator Wersich, wenn sich Ihre Behörde, wie angedeutet, aus der Finanzierung und Förderung der traditionellen stationären Einrichtungen völlig herauszieht. Natürlich ist es auch aus unserer Sicht wichtig und richtig, innovative Wohnformen zu unterstützen. Gleichwohl wird weiterhin ein großer Teil der Pflegebedürftigen in diesem traditionellen Bereich untergebracht werden.
Es kann nicht sein, dass Investitionskosten von einem Monat auf den anderen von 6 Euro pro Tag auf 18 Euro pro Tag ansteigen, wie es sich bei Vitanas, den ehemaligen Heimen von PFLEGEN UND WOHNEN, andeutet; das ist eine glatte Verdreifachung. Dadurch kommen wir zu einer Verknappung preisgünstiger stationärer Einrichtungen und treibt pflegebedürftige Menschen in die Sozialhilfe und belastet die Angehörigen noch mehr. Das wollen wir nicht.
Wir haben auch – ganz wichtig – die Personalsituation in den Heimen abgefragt. Wir haben schon mehrmals in der Bürgerschaft darüber diskutiert. Noch vor drei Jahren ist der Senat davon ausge
gangen, dass die Welt diesbezüglich in Ordnung und die Warnungen der Experten unbegründet seien; er lag falsch. Heute wissen wir – die Anfrage hat das noch einmal bestätigt –, dass alleine bei der ARGE Hamburg 260 offene Stelle für Altenpflegerinnen und Altenpfleger gemeldet sind. Das sind 260 Pflegekräfte, die zurzeit im stationären Bereich fehlen. Da bringt es auch keine Entlastung, wenn man sagt, wie Sie es vielleicht tun werden, es gäbe immerhin 160 Menschen, die in diesem Bereich Arbeit suchen. Wir haben netto einen deutlichen Angebotsüberschuss und zudem eine enorme Dunkelziffer. Wenn Sie mit den einzelnen Einrichtungen und den ambulanten Pflegediensten sprechen, dann werden Sie feststellen, dass die Lage nach wie vor prekär ist und von Tag zu Tag prekärer wird. Hier muss endlich besser gehandelt werden.
Was dort geschehen ist, reicht nicht aus. Natürlich können wir der Anfrage entnehmen – Sie werden darauf sicherlich noch einmal eingehen –, dass es Ihnen mit dem "Bündnis für Altenpflege" gelungen ist, die Ausbildungszahlen zu steigern. Das wollen wir Ihnen auch gar nicht absprechen, das ist Ihnen in der Tat gelungen. Dieser leichte Anstieg bei den Ausbildungszahlen führt aber nicht dazu, dass Sie das, was in den letzten Jahren weggebrochen ist, auch an Umschulungen, kompensieren können. Das "Bündnis für Altenpflege" kann darum nur ein erster Schritt sein, dem weitere Schritte folgen müssen und die sind Sie bis heute schuldig geblieben.
Es wird darum gehen, wie wir es schaffen, mehr junge Menschen für den Altenpflegeberuf zu begeistern. Da wird es natürlich um die Bezahlung gehen, aber auch um Zukunftschancen. Was bieten wir diesen jungen Menschen, damit sie langfristig in der Pflege bleiben?
Einer der wichtigen Aspekte für einen langfristigen Verbleib dieser jungen Menschen in der Pflege ist, dass sie Zukunftsperspektiven haben, dass sie beispielsweise auch dazu befähigt werden, sich wissenschaftlich fortzubilden. Wir finden es daher gut, dass es in Altenpflegeschulen die Möglichkeit gibt, innerhalb der Ausbildung die Fachhochschulreife zu erwerben. Schlecht ist allerdings, dass sechs Hamburger Schulen dies nicht anbieten und daher zurzeit 430 junge Menschen ausgebildet werden, die keine Möglichkeit haben werden, entsprechend wissenschaftlich voranzukommen. Wir alle wissen – das jedenfalls legen die Untersuchungen klar dar –, dass diese Menschen eher bereit sind, aus der Pflege wegzugehen. Das können wir uns als Gesellschaft aber nicht leisten. Von daher sind Ihre Antwort, Sie als Senat sähen dort keine Handlungsnotwendigkeit und Ihr Tipp, die Schülerinnen und Schüler sollten halt die Schule wechseln, völlig
Wir müssen uns auch dem Problem stellen, dass die ambulanten Betriebe immer noch zu wenig ausbilden. Sie wissen selber, Herr Senator, dass die von Ihnen mit dem "Bündnis für Altenpflege" abgeschlossene Selbstverpflichtung nicht geglückt ist; sie ist nicht eingehalten worden. Wir können nur appellieren, darüber nachzudenken, dass es nicht sein kann, dass ambulante Betriebe, die ausbilden, weiterhin im Wettbewerb benachteiligt sind. Betriebe, die ausbilden, müssen gefördert werden. Sie dürfen nicht dadurch Nachteile erleiden, dass sie sich um die Zukunft der Branche kümmern.
Die Antwort des Senats hat viele Daten geliefert. In bestimmten Bereichen hat sie aber auch gar keine Daten geliefert, zum Beispiel dazu, wie es bei der Unterbringung Pflegebedürftiger außerhalb Hamburgs aussieht oder bei dem bei Ihnen so beliebten Thema Freunde und Nachbarn als Altenpfleger. Wir hätten nach Ihrem großspurigen Auftreten in der Presse erwartet, dass in Ihrer Behörde Daten vorliegen, die so etwas untermauern, oder dass Sie zumindest eine Schätzung abgeben können. Sie antworten aber, es gäbe keine Daten und keine Schätzung. Herr Senator, so kann man keine verantwortungsvolle Politik machen. Halten Sie sich lieber zurück, anstatt mit solchen Thesen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Zu einem weiteren ganz wichtigen Bereich haben Sie keine Daten geliefert, und zwar inwieweit Betroffene und Angehörige durch die Pflege finanziell belastet werden und Menschen dadurch in Sozialhilfe geraten.
(unterbrechend) : Entschuldigen Sie, Herr Kienscherf. Ich denke, Pflege ist ein Thema, bei dem man doch auch einmal zuhören könnte. Wenn man das nicht tun will, dann kann man auch gern vor die Tür gehen und dort die Gespräche weiterführen. Ich bitte ausdrücklich um etwas mehr Ruhe im Saal.
Gerade bei diesem Thema, wie werden die Kosten refinanziert, wie werden Betroffene belastet, wie werden Angehörige belastet gibt es eine große Unsicherheit in dieser Stadt. Wir haben gefragt, welche Daten es darüber gibt. Sie haben gesagt, es lägen keine Daten vor. Wir müssen aus unserer
Sicht versuchen, an Daten zu kommen, denn es muss doch unser Ziel sein, dass sich die Belastung der Pflegebedürftigen und die Belastung ihrer Angehörigen in Grenzen halten und wir es schaffen, künftig weniger Sozialhilfebezug zu erreichen anstatt mehr.
Angesichts dessen, dass wir keine Daten darüber haben, inwieweit auf Angehörige zugegriffen werden kann, finde ich es bemerkenswert, was in den letzten Monaten von Ihnen initiiert worden ist und gestern im Sozialausschuss einen traurigen Höhepunkt fand. Im November letzten Jahres haben Sie bekannt gegeben, dass Sie unter anderem an die einkommensabhängige Einzelförderung in der Pflege herangehen wollen; in anderen Ländern heißt das Pflegewohngeld. Das ist ein Instrument, mit dem versucht werden soll, Sozialhilfebezug zu verhindern. In Hamburg sind davon 7300 Menschen mittelbar betroffen, 2000 Menschen erhalten ausschließlich diese Förderung in Höhe von rund 403 Euro im Monat; das entspricht rund 4800 Euro jährlich und ist eine Menge Geld. Diese Unterstützung wollten Sie streichen. Das hat bei vielen Bewohnern in den Alten- und Pflegeheimen und bei deren Angehörigen in den letzten Monaten für eine riesige Verunsicherung gesorgt. Gleichzeitig mussten viele Pflegeheimbewohner erleben, dass Pflegeheime deutlich ihre Miete erhöht haben, sodass sich alle ausrechnen konnten, dass sie um mehrere Hundert Euro im Monat zusätzlich belastet werden würden. Der Landes-Seniorenbeirat und andere Verbände haben an Sie geschrieben. Sie haben sich dann relativ lange zurückgehalten und vor einem Monat eine Drucksache eingereicht, in der Sie der Bürgerschaft letztendlich vorschlagen, diese Regelung umgehend zu beseitigen und die Bezirksämter aufzufordern, innerhalb von vier Wochen auf noch vorhandenes Vermögen und unterhaltspflichtige Angehörige zurückzugreifen, ohne dass man vorher mit den Betroffenen gesprochen hat. Das ist ein unglaublicher Vorgang.
Wir haben diese Drucksache gestern im Sozialausschuss beraten, eine Drucksache, die Sie anscheinend schon seit Monaten vorbereitet hatten. Ich kann in dem Fall den beteiligten CDU- und GALAbgeordneten nur meinen Glückwunsch aussprechen, denn insbesondere die CDU-Abgeordneten haben mitgeteilt, dass sie dies nicht mitmachen werden. Beide Fraktionen haben es abgelehnt, Ihr Konzept umzusetzen. Das ist erst einmal eine gute Nachricht, es zeigt aber auch, wie verantwortungslos Sie manchmal handeln, Herr Senator.
weil sie insbesondere nicht verstehen können, dass die Menschen, die heute im Hilfebezug sind, diese Beträge nicht mehr erhalten sollen, dass ihr Vermögen vom einen auf den anderen Tag einkassiert werden soll und die Angehörigen auf einmal zur Kasse gebeten werden sollen.
Beide Fraktionen haben sich für eine Altfall- oder Übergangsregelung eingesetzt. Die konnten Sie gestern aber nicht vorlegen. Trotzdem wollten Sie gestern über das Gesetz beschließen lassen, wollten diesem formal zustimmen und auch uns dazu nötigen. Gleichzeitig sagten Sie aber, während der Plenarsitzung würden Sie eine Alternative vorlegen, das müsse ausreichen und dann könne man sich entscheiden, ob man dafür oder dagegen sei. Ich weiß nicht, wie Sie auf ein solches Verfahren gekommen sind, mit Demokratie hat das überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus und Elisabeth Baum, beide DIE LINKE – Mi- chael Neumann SPD: Eine Schande ist das!)
Wir als SPD-Fraktion haben daraufhin gestern beantragt, die endgültige Befassung zu verschieben und dem Senator und den Regierungsfraktionen einzuräumen, in zwei Wochen über das neue Konzept zu beraten. Das haben Sie abgelehnt. Daraufhin hat die SPD-Fraktion eine öffentliche Anhörung beantragt, um Ihnen dort die Gelegenheit zu geben, über Ihr neues Konzept mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Angehörigen und Experten in dieser Stadt zu reden. Das ist ein Minderheitenrecht. Dieses haben die Fraktionen der GAL und CDU abgelehnt und darauf bestanden, die Abstimmung am gestrigen Tag durchzuführen. Das ist ein unglaubliches Verhalten beider Fraktionen.
Ich weiß, dass Sie, Frau Blömeke, und auch die CDU aufgrund des Grummelns innerhalb des Senats, ob denn das nicht vielleicht dazu führen könne, dass das Gesetz nicht in Kraft tritt, das auch gemacht haben. Die Bürgerschaftskanzlei hat mitgeteilt, dass dieses Verfahren illegal war.
Meine Damen und Herren! Fernab von dem, ob es legal oder illegal ist, ob Sie Rechtsbruch betreiben oder nicht, geht es hier auch um moralische Verpflichtungen, die Sie gegenüber den Menschen in dieser Stadt haben. Und ich verstehe es gerade seitens der GAL nicht, die sich früher immer für Bürgernähe und Bürgeranhörungen eingesetzt hat, dass Sie öffentliche Anhörungen blockieren wollen beziehungsweise dann dem Ausschuss sagen: Natürlich können Sie eine öffentliche Anhörung machen, aber das ändert nichts daran, dass wir das ohnehin in der Bürgerschaft beschließen wollen. Ein solches Verhalten der GAL hätte ich noch vor einem Jahr für undenkbar gehalten.