Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 12. Es handelt sich um die Große Anfrage der CDU-Fraktion aus der Drucksache 19/6232: Europäischer Sozialfonds.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Europäischer Sozialfonds (ESF) – Drs 19/6232 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend an den Europaausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Frau Ahrons, bitte.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einem für Sie vielleicht etwas klareren Thema, weil es da einige offene Zahlen gibt.

Zur Debatte der Großen Anfrage zum Europäischen Sozialfonds habe ich mich über die Antworten des Senats auf unsere Fragen sehr gefreut. Der Senat stärkt den Hamburger Arbeitsmarkt gezielt mit den von der EU zur Verfügung gestellten Geldern. Das sichert Hamburg bestehende Arbeitsverhältnisse und schafft auch neue Beschäftigung, etwas, worauf wir sehr viel Wert legen und das der CDU besonders wichtig ist.

Der ESF hat hauptsächlich die Funktion, Arbeitnehmer höher zu qualifizieren und so deren Befähigungsfähigkeit zu verbessern. Damit kann die Arbeitslosigkeit bekämpft und können Menschen in Beschäftigung gehalten werden. Ebenso können Ausbildungsmaßnahmen mit dem Ziel gefördert werden, die Arbeitskräfte und die Unternehmen in Europa besser zu befähigen, den neuen globalen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, um Wohlstand und Lebensstandard in den Gebieten der EU besser auszugleichen, ein wichtiges Ziel.

(Jens Kerstan)

Der ESF stellt Hamburg hierfür von 2007 bis 2013 Mittel in Höhe von 87,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die sind allerdings nicht ganz umsonst, denn Hamburg muss eine nicht ganz unerhebliche Ko-Finanzierung gewährleisten. Deshalb ist es mir auch so wichtig, dass die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, so effizient und effektiv wie möglich eingesetzt werden. Die Maßnahmen müssen erfolgversprechend sein und tatsächlich dort greifen, wo wirklicher Förderbedarf besteht. Das tut der Hamburger Senat. Er stimmt alle Maßnahmen in enger Absprache mit allen betroffenen Behörden und relevanten Institutionen ab wie zum Beispiel team.arbeit.hamburg, Agentur für Arbeit und die Sozial- und Wirtschaftspartner in dieser Stadt. All diese Stellen tauschen sich regelmäßig darüber aus, wo drängende Probleme sind und wie besonderen Zielgruppen in Projekten geholfen werden kann.

Solche Projekte sind zum Beispiel Existenzgründungsprojekte für Menschen mit Migrationshintergrund, Firmenhilfe für Selbstständige in Krisenzeiten, ein interkulturelles Frauen-Wirtschaftszentrum und Qualifizierungs- und Weiterbildungsprojekte für Arbeitnehmer von durch Krisen betroffenen Branchen. Diese Arbeit, meine Damen und Herren, ist wirklich erfolgreich. Von den in der aktuellen Förderperiode bis heute initiierten 121 ESF-Projekten wurden mit Stand Mai 2010 insgesamt 116 Projekte in 1900 kleinen und mittleren Unternehmen erfolgreich umgesetzt. Nur fünf Projekte wurden nicht weiter verfolgt.

Die Maßnahmen, in die die Mittel fließen und geflossen sind, sind zielgruppenorientiert und es sind passgenaue Lösungen. Sie werden einem kontinuierlichen Monitoring und am Ende einer Erfolgskontrolle unterzogen. Und sie sind, was mir besonders wichtig ist, flexibel, können sich rasch aktuellen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen stellen und ergänzen so die Arbeitsmarktpolitik des Senats genau dort, wo aktueller Bedarf ist.

So hat sich beispielsweise das erste Wettbewerbsverfahren 2007 mit dem Schwerpunkt der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gewidmet. Beim zweiten Verfahren in 2008 lag der Fokus bei Jugendlichen im Übergang zwischen Schule und Beruf. Das dritte Wettbewerbsverfahren im Jahre 2009 unterstützt die Hamburger Konjunkturoffensive 2009/2010.

Meine Damen und Herren! Es ist mir wichtig, dies zu betonen, weil es um Menschen und Unternehmen unserer Stadt geht, und genau auf sie ist die Arbeitsmarktpolitik des Senats ausgerichtet, etwas, das vor einigen Jahren unter der SPD-Regierung noch völlig anders gelaufen ist. Es wurde mit der Gießkanne hier und dort gefördert, ohne die genauen Probleme zu kennen, ohne konkrete Zielgruppen zu bestimmen und vor allem ohne Erfolgskontrolle. Das kostete die Stadt nicht nur viel Geld,

sondern hat noch nicht einmal für nachhaltige und dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt gesorgt – ein Weg, den die CDU zum Glück und mit viel Erfolg verlassen hat.

Schauen wir uns die aktuellen Arbeitsmarktzahlen einmal an. Wenn wir uns vor Augen halten, mit welchen dramatischen Einbrüchen wir infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in Hamburg gerechnet haben, kann man ein bisschen aufatmen. Die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg ist im Vergleich zum Vormonat weiter zurückgegangen. Im Juni waren 73 500 Menschen arbeitslos, das sind 1500 weniger als im Mai. Das entspricht aktuell einer Arbeitslosenquote von 8 Prozent. Dies sind immer noch viel zu viele Arbeitslose und eine zu hohe Quote. Aber sie ist deutlich besser als noch vor wenigen Monaten prognostiziert. Vor ein bis zwei Jahren lag die Quote um 1 Prozent höher bei 9 Prozent und das war noch vor der Krise.

Ich bin mir darum sehr sicher, dass wir auf Bundes- und Landesebene die richtigen arbeitsmarktpolitischen Weichen gestellt haben und die flankierenden ESF-Mittel reichen. Trotz der positiven Entwicklung gibt es strukturelle Herausforderungen in Hamburg, die wir immer wieder gezielt angehen müssen. So haben 53 Prozent der arbeitslosen Hamburger keine abgeschlossene Berufsausbildung, 27 Prozent sind langzeitarbeitslos. Besondere Angebote benötigen nach Ansicht der Agentur für Arbeit in Hamburg vor allem Jugendliche ohne Hauptschulabschluss.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Das aktuelle ESF-Wettbewerbsverfahren 2010 ist darum ausgerichtet auf die Standortsicherung und auf die Förderung von Menschen, die es gerade in Krisenzeiten schwerer haben, eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Das breit gefächerte Maßnahmenpaket des Programms enthält beispielsweise Projekte zur Förderung von Ausbildung, von Forschung und Entwicklung, aber auch Maßnahmen zur Stärkung des Mittelstands und der lokalen Ökonomie.

Ich bin mir sicher, dass auch diese Programme in Zusammenarbeit mit der Hamburger Wirtschaft an den richtigen Stellen wirken werden. Und für die Zukunft ist es meines Erachtens wichtig, auch weiterhin passgenaue Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund anzubieten. Jugendliche, die mit schlechter Qualifikation dastehen, müssen wir sehr eng weiter begleiten. Darüber hinaus brauchen wir ein ganzheitliches Beratungs- und Hilfsangebot von der Gründungsphase über die Nachgründungsphase bis hin zur Betriebssicherung, und möglichst alles zentral aus einer Hand. Zudem müssen Projekte wie das Mittelstandsförderinstitut oder die Firmenhilfe weiterlaufen, denn die haben sich bewährt.

Alles in allem zeigen die ESF-finanzierten Maßnahmen, wie die Hamburger Wirtschaft und die hier lebenden und arbeitenden Menschen durch eine engagierte Politik des Senats von EU-Förderung enorm profitieren können. In diesem Sinne soll der Senat weitermachen. Den Wunsch der SPD nach Überweisung an die Ausschüsse lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Frau Badde hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren!

"Der ESF ist der älteste der EU-Strukturfonds und wurde bereits durch die Römischen Verträge von 1957 errichtet. Damit hatte die Europäische Gemeinschaft von Anfang an eine soziale Dimension. Mit dem ESF unterstützt die EU den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Seine Arbeit bedeutet ein halbes Jahrhundert gelebte europäische Solidarität und trägt maßgeblich zum Zusammenwachsen Europas bei."

Dieses Zitat stammt aus der Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion zum 50-jährigen Bestehen des ESF im Jahre 2007. Und dies gilt unvermindert und umso mehr in Zeiten der Krise. Frau Ahrons hat dies auch zunächst betont, ebenso wie sie die Finanzierung dargestellt hat. Für Hamburg stehen bereits im Zeitraum 2007 bis 2013 rund 91 Millionen Euro ESF-Gelder zur Verfügung. Mit der Ko-Finanzierung durch die Stadt bedeutet dies zusammen rund 180 Millionen Euro. Diese große Summe verdeutlicht bereits die Größe der Aufgabe. Auf einzigartige Weise findet eine Verzahnung der europäischen, der bundesstaatlichen und der föderalen Ebene im Sinne einer übergeordneten europäischen Beschäftigungsstrategie statt.

Um uns noch einmal kurz die Ziele vor Augen zu führen, an denen wir auch die Maßnahmen des Senats messen müssen: Die Leitlinien der EU bei der beschäftigungspolitischen Strategie werden festgelegt als Verbesserung der Anpassungsfähigkeit von Beschäftigten und Unternehmen, als Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt, als Förderung der sozialen Eingliederung insbesondere auch für benachteiligte Personengruppen, sowie als Förderung von Partnerschaften für Reformvorhaben im Bereich Beschäftigung und Eingliederung. Ein nationaler strategischer Rahmenplan setzt diese Ziele in ein operationelles Programm um und dies ist inzwischen auch auf Hamburger Ebene unter Beteiligung aller Akteure umgesetzt worden.

Dies wurde der Bürgerschaft 2007 mitgeteilt. An dieser Umsetzung der ESF-Maßnahmen im euro

papolitischen Interesse hatte es aber aufseiten der CDU lange gemangelt. Während SPD und GAL in den Jahren 2005 und 2006 in mehreren Anträgen die Entwicklung des arbeitsmarktpolitischen Programms eingefordert hatten, stellten sich CDU und BWA damals taub. Am Ende wurde dann ein sehr schmalbrüstiger Antrag von der CDU eingebracht, der genau zwei Punkte beinhaltete: ESF-Mittel sollten vorrangig der Schaffung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen und außerdem habe eine stetige Effizienzuntersuchung mit einem externen Controlling zu erfolgen. Letzteres, Frau Ahrons hat das sehr betont, hat jedoch sehr lange auf sich warten lassen und die Ergebnisse eines externen Controllings sind zumindest dem Parlament noch nicht in ausreichendem Maße – trotz der neun Jahre CDU-Regierung – vorgelegt worden. Das ist auch kein Wunder, hatte doch der damalige Wirtschaftssenator Uldall keine Gelegenheit gescheut, die ESF-Förderung als "regionale Subventionitis" zu verdammen und die europäische Bürokratie anzuprangern. So ist dann auch in der Folge mit der Vergabe der ESF-Mittel verfahren worden, nach Gusto und völlig intransparent. So musste die EUKommission im Jahre 2008 erhebliche Mängel bei der Durchführung der ESF-Förderung feststellen. Die Folge war, dass alle Projektträger in der Förderperiode 2000 bis 2006 zum Teil mehrfach nachträglich überprüft werden mussten. Gerade das bedeutete hohen bürokratischen Aufwand infolge schlechter Verwaltung. Nur Mithilfe externer Beratung, die den Senat und damit den Bürger einiges gekostet hat – genau 1,6 Millionen Euro –, konnten Rückforderungen bis zu 10 Millionen Euro verhindert werden.

Wir freuen uns, dass die CDU mit ihrer Anfrage bewiesen hat, dass sie ihre kritische Haltung zur ESF-Förderung überwunden hat. Auch die technische Umsetzung hat sich verbessert, das Wettbewerbsverfahren wurde eindeutig geregelt und die Abwicklung entsprechend dem Rechnungshofbericht auf die BWA rückübertragen.

Der Inhalt der Anfrage klingt – entschuldigen Sie, der Eindruck drängt sich auf – wie bestellt für eine gute Außendarstellung. Die Probleme der Vergangenheit werden nicht erwähnt und der Leser vermisst einen Überblick über die insgesamt geförderten Projekte in der jetzigen Ausschreibungsperiode. Auch zur Abwicklung der Projekte sowie zur Beteiligung Hamburgs an den ESF-Projekten des Bundes wird keine Frage gestellt.

Die SPD betrachtet nach wie vor den Ansatz der direkten Wirtschaftsförderung durch ESF-Mittel, wie bei den Projekten zur Beratung für den Mittelstand, aber auch zur Cluster-Förderung, als fragwürdig. Diese sind mehr auf Vernetzung und Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit ausgerichtet als auf Anpassungs- und Eingliederungsstrategien für die Beschäftigten. Eine solche Wirtschaftsförderung

(Barbara Ahrons)

müsste unseres Erachtens direkt aus dem Haushalt erfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Was außerdem fragwürdig erscheint, ist die Einrichtung von Beratungszentren in Form von Projekten. Die Koalition hat auch hier ein Lieblingsprojekt aus der Koalitionsvereinbarung untergebracht, das Interkulturelle Frauenwirtschaftszentrum. So begrüßenswert der politische Ansatz ist, hoffe ich, dass auch an eine Zeit nach dem ESF gedacht wurde. Was von uns uneingeschränkt positiv bewertet wird, sind die Bemühungen um die Integration von Migrantinnen und Migranten, besonders aber auch – Frau Ahrons hat das betont – um die Integration von Jugendlichen in Arbeit und Ausbildung. Es bedarf keines Hinweises auf Bildungsberichte, um die Notwendigkeit zu begründen, Jugendliche in Ausbildung zu vermitteln und ihre Qualifikation für Ausbildung und Arbeit zu erhöhen. Kein Jugendlicher unter 25 Jahren darf ohne Ausbildung, Qualifikation oder Arbeit sein.

Deutlich wird, wenn man die Maßnahmen und deren Vielschichtigkeit betrachtet – Frau Ahrons hat dies ausdrücklich betont –, die ungeheure Kompetenz, die die Agentur für Arbeit in diese Maßnahmen einbringt. Dies wird in der Antwort auf die Große Anfrage, aber auch im Arbeitsmarktbericht des Senats vom Februar dieses Jahres deutlich. Daher stellt sich für uns als SPD die Frage, warum wir diese Kompetenz ohne Not zurückweisen und in einer Optionskommune die komplexen Probleme ganz allein bewältigen sollten.

Es wäre sinnvoll, diese umfangreichen Maßnahmen und auch die Zielsetzungen noch einmal im Ausschuss zu erörtern, und wir beantragen daher die Überweisung an den Wirtschafts- und Europaausschuss. – Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Der Abgeordnete Waldowsky hat das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Häufig verstellen Klischees unseren Blick auf die Welt und das betrifft sicherlich auch die Europäische Union. Wenn man den durchschnittlich politisch interessierten Menschen fragt, wofür die EU ihr Geld ausgibt, dann bekommt man Antworten wie "für Agrarsubventionen zur Förderung von großen Agrarfabriken" oder aber auch "zur Finanzierung riesiger Verwaltungsund Beamtenapparate in Brüssel und anderswo".

(Hans Lafrenz CDU: In Griechenland!)

In den Augen vieler Menschen erscheint die EU als ein bürgerferner Moloch, bei den Menschen vor Ort kommt kaum etwas an. Die Große Anfrage der

CDU beweist auch hier wieder das Gegenteil. Der Europäische Sozialfonds, Frau Badde erwähnte es schon, ist 1957 zusammen mit den Römischen Verträgen geschaffen worden und zeigt, dass Sozialpolitik von Anfang an für die Europäische Gemeinschaft und spätere Europäische Union ein zentraler Punkt war.

Ein Fördervolumen in Höhe von 75 Milliarden Euro innerhalb von sieben Jahren stellt rund 10 Prozent des EU-Haushaltes dar. Das beweist, dass Sozialpolitik ein beachtlicher Faktor in der europäischen Politik ist, ein Faktor allerdings, der auch noch erweiterungs- und steigerungsfähig ist. 80 Prozent dieser 75 Milliarden Euro, die die EU bereitstellt, gehen in strukturschwache Gebiete Europas. Auch dies ist ein Beweis dafür, dass die Europäische Union sich ihrer sozialen Verantwortung stellt. Den reichen Regionen wie Hamburg wird allerdings auch ein Anteil zur Verfügung gestellt. Hier siegt das Subsidiaritätsprinzip, so wie wir das auch in vielen anderen Bereichen der Europäischen Union erwarten. Das Geld kommt von der EU aus Brüssel, aber wir vor Ort entscheiden, wo es sinnvoll eingesetzt werden kann und wie wir etwas für die Menschen bei uns bewegen können. Es sind für Hamburg immerhin 87 Millionen Euro und die Kollegin Ahrons hat schon darauf hingewiesen, dass wirklich etwas vor Ort ankommt und wie viele Projekte gefördert werden. Es sind 121 Projekte und über 25 000 Menschen in diesen Projekten, die bereits seit 2007 in dieser Förderperiode von den ESF-Mitteln profitiert haben.

Die ESF-Mittel sind wichtig, wichtig ist aber auch, dass Hamburg sich trotzdem in der Sozialpolitik nicht vor der Verantwortung drückt, denn diese Mittel erfordern Komplementärmittel. 50 Prozent der sozialen Maßnahmen, die aufgrund des Europäischen Sozialfonds betrieben werden, werden von Hamburg mitfinanziert, teilweise finanziert Hamburg sogar zwei Drittel der Maßnahmen. Eine ganze Reihe von wichtigen Projekten werden durch diesen Sozialfonds in Hamburg überhaupt erst möglich gemacht. Ich möchte beispielhaft ein paar davon nennen, die gerade uns Grünen wichtig sind. So wenden sich 33 Projekte ausschließlich oder schwerpunktmäßig an Hamburger mit Migrationshintergrund. Beispielsweise bekommen immigrierte Beschäftigte im Pflegebereich, deren frühere Berufsausbildung im Ausland nicht anerkannt wird, durch solche Fördermaßnahmen nun eine berufliche Chance. Dann gibt es die Ausbildungsinitiative im Handwerk. Viele Handwerksbetriebe, die von Migranten geleitet werden, sind aus verschiedensten Gründen nicht ausreichend in der Ausbildung engagiert; die Betriebe werden besucht, um das zu fördern. Ganz besonders sympathisch ist die Initiative zur Förderung der Berufschancen von Flüchtlingen, die noch keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben und trotzdem schon auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.

(Elke Badde)

Auch hier fließen EU-Mittel und komplementär dazu Hamburger Mittel.

Ich möchte auch noch die zwei Programme zur beruflichen Qualifikation von Strafgefangenen nennen, um ihnen nach der Haftentlassung die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Weitere Gelder gehen in die Quartiere; zum Beispiel werden Langzeitarbeitslose für die Arbeit in sozialen und kulturellen Projekten in benachteiligten Quartieren qualifiziert. Das ist ein Beispiel für Quartierspolitik, die durch ESF-Mittel ermöglicht wird. Es gibt auch Beratungsstellen zur Förderung von Nahversorgungszentren. Auch dies zeigt, dass diese Mittel nicht nur den Menschen helfen, sondern auch den Quartieren. Am ESF zeigt sich, dass Europa beim Bürger ankommt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die SPD hat die Überweisung an die Ausschüsse beantragt. Mir hat sich noch nicht so ganz erschlossen, warum das sein muss. Die Große Anfrage ist vom Senat gut beantwortet worden und es ist in der Debatte auch kein großer Dissens deutlich geworden oder Handlungsbedarf, der in den Ausschüssen noch weiter geklärt werden müsste. Gerade zwischen CDU, SPD und GAL gibt es doch große Gemeinsamkeiten in Fragen der Europapolitik. Sie haben noch kleinere Nachjustierungen gefordert, aber ich glaube nicht, dass das im Ausschuss geklärt werden muss.

Ich würde gern noch einmal auf meine Kollegen von der LINKEN eingehen. In dieser Fraktion sitzen die großen Europakritiker und ich möchte den Kollegen Bischoff, der gleich sprechen wird, auffordern, seine Sicht der Dinge darzustellen. Wenn ich mir die Position der LINKEN zur Europapolitik anschaue, dann sehen sie die EU als eine Gemeinschaft, in der der Neoliberalismus gesiegt hat und die im Prinzip eine Institution zugunsten der Wirtschaft ist und nur den wirtschaftlich Starken nützt. Jetzt bin ich einmal gespannt, wie Sie das auch vor dem Hintergrund der Antworten sehen, die wir auf diese Große Anfrage bekommen haben. Die EU dient gar nicht den wirtschaftlich Starken oder nur der Wirtschaft, das ist falsch. Die haben nämlich die EU gar nicht nötig gehabt.

Gehen wir einmal zurück in die Zeit des Nationalismus, in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg, ins Jahr 1913. Wie war denn das in Europa? Das Großbürgertum und die Adligen haben sich in Europa schon immer frei bewegt. Sie haben sich in Baden-Baden getroffen oder im Sommer an der Côte d'Azur oder bei kulturellen Events in Paris. Sie haben auch keine Kommunikationsschwierigkeiten gehabt, das Großbürgertum und die Adligen haben auf Französisch parliert. Und die Wirtschaft brauchte vor 1914 auch nicht unbedingt eine europäische Einigung. Deutschland war auch damals schon Exportweltmeister auf dem Kontinent und konnte seine Wirtschaft ohne große Probleme ent