Protokoll der Sitzung vom 29.09.2010

Abgegebene Stimmzettel 104. Herr Frick erhielt 82 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen bei 13 Stimmenthaltungen.

Das Wahlergebnis der Wahl eines stellvertretenden Mitglieds für die Härtefallkommission hat folgendes Ergebnis. Vorgeschlagen wurde Herr Sören Schumacher.

92 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen. Insgesamt wurden 105 Stimmzettel abgegeben.

(Christiane Schneider)

Schließlich das Wahlergebnis der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Kultur, Sport und Medien. Vorgeschlagen war Frau Dr. Jana Jentzsch.

Abgegebene Stimmen 105. Bei 10 Enthaltungen und 7 Nein-Stimmen ist Frau Dr. Jentzsch mit 88 Stimmen gewählt worden.

Damit sind alle Vorgeschlagenen mit der ausreichenden Anzahl der Stimmen gewählt.

Ich rufe nun die Punkte 9 und 50 der Tagesordnung auf, Große Anfrage der SPD-Fraktion, Drucksache 19/6495: Mietbetrug durch Vermieter bei SGB-II-Leistungsempfängern – was tut der Senat? Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 19/7292: SGB-II-Leistungsempfänger vor Mietbetrug durch Vermieter besser schützen.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Mietbetrug durch Vermieter bei SGB-II-Leistungsempfängern – was tut der Senat? – Drs 19/6495 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: SGB-II-Leistungsempfänger vor Mietbetrug durch Vermieter besser schützen – Drs 19/7292 –]

Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Sozialausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Kienscherf, Sie haben das Wort.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo ist eigentlich Herr Wersich?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Genau heute vor einem Jahr, am 29. September 2009, berichtete das Straßenmagazin "Hinz & Kunzt"

(Ingo Egloff SPD: Wo ist Herr Wersich?)

erstmals über die Machenschaften des Vermieters Kuhlmann. Wir alle konnten dort nachlesen, was man zu diesem Zeitpunkt kaum noch für möglich gehalten hat, dass es in unserer Stadt Menschen gibt, die in Kellerräumen hausen müssen, dass es Menschen gibt, die Gesundheitsgefährdungen in großem Maße ausgesetzt sind, dass es Menschen gibt, mit deren Not Geschäfte gemacht werden, dass es skrupellose Vermieter gibt, die die Not dieser Menschen ausnutzen, die Gesellschaft letztendlich betrügen und damit Millionen Euro einnehmen. Uns als Sozialdemokraten hat das damals sehr schockiert und wir sagten damals und auch heute sehr deutlich: Dieses ist durch nichts zu rechtfertigen, wir als Gesellschaft müssen alles dafür tun, dass es dazu nicht weiter kommt.

(Beifall bei der SPD und bei Wolfgang Joi- the-von Krosigk [DIE LINKE] – Michael Neu- mann SPD: Sehr richtig!)

Deswegen war unsere Erwartung, aber auch die der Stadt insgesamt, dass sich von den zuständigen Stellen in Hamburg darum gekümmert wird, die Menschen aus ihrem Elend herauszuholen und man alles tut, um diesen skrupellosen Vermietern das Handwerk zu legen. Heute, ein Jahr nach dieser ersten schockierenden Berichterstattung, müssen wir feststellen, dass es noch immer große Probleme in diesem Bereich gibt,

(Michael Neumann SPD: Nix passiert!)

dass noch immer viele Fragen ungeklärt sind, dass wir noch immer nicht wissen, wie viele Millionen Euro diese Abzockmieter letztendlich von uns, von den Steuerzahlern, zu Unrecht erhalten haben. Aber vor allem, und das finde ich besonders schockierend, müssen wir auch heute noch im Straßenmagazin "Hinz & Kunzt" nachlesen, dass die Probleme, die es damals gab, heute nach wie vor existieren und es noch immer Menschen gibt, die in unerträglichen Zuständen leben müssen – ein Jahr nach der Aufdeckung dieses Skandals. Es ist weiterhin unerträglich, dass nichts passiert ist.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Schäbig ist das, schäbig! Wo ist Herr Wersich?)

Nun will ich aber nicht sagen, dass das alles nur unerträglich und unglaublich ist, wobei ich die Menschen in dieser Stadt verstehe, die fragen, warum sich eigentlich in den letzten zwölf Monaten der zuständige Fachsenator nicht einmal zu diesem Thema geäußert habe.

(Michael Neumann SPD: Herr Wersich, wo ist der überhaupt?)

Ich verstehe die Menschen, die heute zu Recht erbost darüber sind, dass anlässlich dieser Debatte der zuständige Fachsenator nicht da ist. Noch stärker kann man es nicht ausdrücken, wie ernst man als Senator dieses Thema nimmt oder welche Angst man vor den Fragen des Parlaments oder der Öffentlichkeit hat.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Zu Recht!)

Trotzdem, das möchte ich besonders in Richtung GAL sagen,

(Michael Neumann SPD: Könnt ihr mal zu- hören, Jens?)

haben wir natürlich erleichtert aufgenommen, dass sich die GAL mit diesem Thema ernsthaft im Sozialausschuss befassen will; das ist direkt einmal etwas Positives, das kommt selten vor. Ich muss auch Herrn von Frankenberg loben, dass er diese Diskussion im Fachausschuss ermöglichen will. Wir als Parlament sind in diesem Bereich gefordert, genauso wie beim Thema Heimgesetz oder Einzelförderung. Hier haben wir nicht all das er

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

reicht, was wir als Sozialdemokraten erreichen wollten, aber wir sind sehr selbstbewusst gegenüber der Fachbehörde aufgetreten und haben das eine oder andere erreicht. Wenn wir zusammenstehen, wenn wir alle gemeinsam wollen, dass sich die Zustände ändern, dann ist es der richtige Weg und dafür bedanken wir uns bei Ihnen, dass Sie diesen Weg mit der Überweisung an den Ausschuss ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl möchte ich zu dieser Angelegenheit mit einer gewissen Zurückhaltung ein paar Anmerkungen machen. Man muss an dieser Stelle sehr wohl kritisch anmerken oder nachfragen, wie es eigentlich der Senat oder die Fachbehörde bei diesem wichtigen Thema mit der Wahrheit halten. Ich will nicht irgendetwas behaupten, sondern ich will nur aus den Antworten vortragen, die uns der Senat gegeben hat. Ich sagte, dass Ende September in "Hinz & Kunzt" in einem langen Bericht darüber geschrieben wurde, wie unerträglich die Zustände sind und dass es in Hamburg möglich ist, für ein Kellerloch eine Quadratmetermiete von 25 Euro zu erhalten, wie es sonst nur in Uhlenhorst oder Winterhude möglich ist. Es wurde deutlich darauf hingewiesen, dass der Vermieter Kuhlmann letztendlich dafür die Verantwortung trage. Die SPD-Fraktion hat gefragt, ob dem Senat bekannt sei, dass es Probleme gibt, und der Senat hat am 3. November geantwortet. Auf die Frage, ob dem Senat Probleme derartiger Art, wie in "Hinz & Kunzt" berichtet, mit Kuhlmann und der Grundstücksverwaltung bekannt seien, hat der Senat ganz eindeutig mit Nein geantwortet. Aber es gäbe Hinweise, dass der ARGE oder team.arbeit.hamburg ein Pressebericht vorliege. Das war alles. Wir Sozialdemokraten haben natürlich dem Senat geglaubt beziehungsweise nach ein oder zwei Monaten festgestellt, dass dies nicht wahr sein kann. Nach weiteren Nachfragen räumte der Senat sieben Monate später ein, wiederum auf die Frage, wann ihm das Problem mit dem Vermieter Kuhlmann bekannt gewesen sei, dass ihm die grundsätzliche Problematik im Oktober bekannt gewesen wäre.

(Michael Neumann SPD: Hat er also das Parlament angelogen! So was, das gibt es doch nicht!)

Im November haben Sie noch behauptet, Ihnen sei nichts bekannt, sieben Monate später war es dem Senat bekannt. Auf eine weitere Anfrage hin hat der Senat dann auch noch eingeräumt, es habe sogar rege Kommunikation im Oktober 2009 gegeben.

Meine Damen und Herren! Wenn man dieses Thema ernst nimmt und wenn man wirklich, wie Herr Ahlhaus sagt, zum Wohle der Menschen zusammenarbeiten will,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nachbarschaft verbindet!)

dann muss man auch den Menschen gegenüber die Wahrheit sagen; das erwarten wir zu Recht.

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls war es keine Erfolgsgeschichte, wie man mit diesen ersten Verdachtsfällen umging. Es gibt ein beeindruckendes Interview vom ZDF mit einer Pressesprecherin, die anscheinend vorgeschickt wurde – die Frau tat einem richtig leid.

(Michael Neumann SPD: Die kriegt Geld da- für!)

Es wurde gefragt, wie damit umgegangen worden wäre. Es wurde daraufhin gesagt, man hätte mit dem Vermieter gesprochen und er hätte gesagt, es tue ihm leid, das sei ein Einzelfall gewesen und sei ein wenig unglücklich gelaufen. Das ZDF fragte dann nach, ob bei dem Vermieter nicht nachgefragt wurde. Es wurde geantwortet, das hätte man getan, aber der Vermieter hätte versichert, dass es keine weiteren Fälle gäbe.

Wenn es um Kindeswohlgefährdung oder ähnliche Dinge geht, spricht der Senator immer vom worst case. Hier ist man anscheinend von dem best case ausgegangen und meinte wohl, bevor man noch näher nachfragen würde, sollte man dem Ganzen lieber glauben. Wenn man hier verantwortungsvolle Politik machen will, dann muss man nachfragen und sich die Wohnungen anschauen. "Hinz & Kunzt" hatte im Oktober 110 Wohnungen benannt; das hätte die Aufgabe der Behörde sein müssen. Auch diese Frage muss geklärt werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Behörde hat lange Zeit darauf hingewiesen, dass man nichts machen könne und die Mieter allein verantwortlich dafür seien. Das ist so, es gibt ein Stück Privatautonomie und es ist auch so, dass der Mieter der Vertragspartner des Vermieters ist und das wollten wir auch alle. Aber man muss sich einmal anschauen, worauf die Behörde und die Stadt verwiesen haben: Die Mieter sollten sich an den Mieterverein wenden und dann werde alles gut. Man weiß aber, dass dies ein Großteil der Mieter überhaupt nicht tut, weil sie Angst haben, dann irgendwo anders unterkommen zu müssen und es vergleichbare Wohnungen vielleicht gar nicht gibt. Wenn man sich dann anschaut, was mit den Mietern passiert ist, die sich tatsächlich an den Mieterverein gewandt haben und versucht haben, gegen diesen Vermieter vorzugehen – 50 Prozent von ihnen, in einigen Objekten bis zu 100 Prozent, ist gekündigt worden –, dann zeigt dies doch, dass die Sorge der Mieter berechtigt war und die Stadt mehr Verantwortung auf sich hätte nehmen und den aktiven Part hätte ergreifen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch verwunderlich, wenn es letzten Freitag heißt, man hätte sich mit dem einen Vermieter geeinigt und erhielte 110 000 Euro zurück. Was sind hier 110 000 Euro? Für den Vermieter Kuhlmann ist das eine Monatsmiete. Der Vermieter Kuhlmann hat aber auch allen gegenüber erklärt, dass er seit vielen Jahren Wohnungen an ALG-II-Empfänger vermiete. Von daher ist diese Summe doch ein Tropfen auf den heißen Stein. Hier geht es nicht um 110 000 Euro, sondern es geht um Millionen Euro und die Stadt ist gefordert, alles zu tun und sich das Geld zurückzuholen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht natürlich auch um die Frage, warum monatelang nichts getan wurde. Es geht auch um die besondere Rolle von Herrn Kuhlmann als Vermieter und Deputierter. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn dann geantwortet wird, dass der Behörde im Oktober diese Tatbestände bekannt gewesen wären, dass man aber keinen Anlass gehabt hätte, um mit dem Kollegen und Deputierten Kuhlmann zu reden. Auf unsere Nachfrage hin, ob dieser Deputierte noch weitergewirkt hätte – zum Beispiel im Bereich Kosten der Unterkunft, aus denen er seine Mieten erhalten hat, wo es um Fachanweisungen und andere Dinge geht –, hat uns die Behörde bestätigt, dass der Vermieter Kuhlmann in diesem Bereich weiterhin tätig gewesen ist und auch weiterhin Informationen von der Behörde abgefragt habe. Da kann man nicht sagen, der Vermieter Kuhlmann habe die Straftat begangen, der Deputierte Kuhlmann jedoch nicht. In solch einem Fall muss man mit etwas mehr Fingerspitzengefühl handeln, ich formuliere das einmal vorsichtig.

(Dr. A. W. Heinrich Langhein CDU: Der hat keine Straftat begangen!)

Und man muss dafür sorgen, dass wegen der schon damals bekannt gewordenen Fälle, bei denen er zugegeben hat, dass etwas falsch gelaufen sei, dieser Mann aus der Deputation herausgenommen wird. Da hilft es auch nicht, auf die Bürgerschaft zu verweisen. Wir ernennen zwar die Deputierten, aber Sie wissen alle, dass die Deputierten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und wir im Einzelnen nicht beurteilen können, was sie entsprechend in der Behörde tun. Auch da hätte sich die SPD-Fraktion von der Behörde eine klare und deutliche Entscheidung gewünscht; das ist leider unterblieben.

(Beifall bei der SPD)

Last but not least zeigt das Ganze – das ist besonders schockierend –, dass die Stadt heute mit diesen Vermietern, auch mit dem Vermieter Kuhlmann, nach wie vor Geschäfte macht. Nach wie vor ist es so, dass die Stadt für ALG-II-Empfänger Wohnungen von Kuhlmann anmietet. Warum ist das so? Der Mieterverein zu Hamburg, der von der