Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

Von diesen 6 Milliarden Euro sind über 2 Milliarden Euro krisenbedingt, Stichwort Weltwirtschaftskrise. Auch das wissen Sie. Wir haben im Krisenjahr 2009 mit 294 Millionen Euro eine geringere Neuverschuldung gehabt, als ein SPD-geführter Senat im Jahr 1996 mit über 900 Millionen Euro. Dabei war das ein ganz normales Jahr ohne irgendeine Krise. Auch das gehört zum Thema "ehrlich gesagt" dazu, Herr Neumann.

(Dora Heyenn)

Wir haben nach der Regierungsübernahme kontinuierlich den negativen Finanzierungssaldo abgebaut bis zu einer Nettoneuverschuldung von Null in 2007 und 2008. Unser Konzept der Wachsenden Stadt ist aufgegangen. Wir haben eine positive Entwicklung der Einwohnerzahl und der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, eine steigende Wirtschaftskraft und steigende Steuereinnahmen.

Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode darauf festgelegt, ab 2013 keine neuen Schulden mehr zu machen. Noch Ende letzten Jahres schien das krisenbedingt nicht möglich zu sein und wir hatten vor, das möglicherweise auf 2015 zu verschieben, aber die positive Entwicklung zeigt uns, dass wir es einhalten können. Unsere Reaktionen auf die Wirtschaftskrise waren angemessen und erfolgreich. Unsere Konjunkturprogramme und der Sonderfonds Konjunkturstabilisierung mit Tilgungsverpflichtung nach 2015 hat Hamburg vor den schlimmsten Folgen bewahrt.

Wir haben mit einem Konsolidierungsprogramm in der Größenordnung von 500 Millionen Euro umfassend dazu beigetragen, den negativen Finanzierungssaldo abzubauen. Bei allem, was ich den Grünen an unangemessenem Verhalten vorwerfen kann, hier haben sie ihre Verantwortung erkannt und sind nicht sofort davor geflüchtet.

Die Opposition hat inhaltlich in diesem Bereich schlichtweg nicht stattgefunden. Unser Konsolidierungspaket wurde insbesondere von der SPD scharf angegriffen, aber nun sieht die von ihr kürzlich vorgestellte Haushaltspolitik vor, dieses fast vollumfänglich zu übernehmen – vielen Dank für diese späte Anerkennung, Herr Neumann –, nur die Studiengebühren und die Kita-Elternbeiträge sollen als Wahlgeschenke kassiert werden. Das ergibt ein mittleres dreistelliges Millionenvolumen und dafür gibt es keinen realistischen Deckungsvorschlag. Zusammen mit der an Sinnlosigkeit schwer zu überbietenden Konzeption für den Netzrückkauf und der Ablehnung des Sondervermögens Schulbau zeigt das, dass die SPD nicht nur die seit Jahrzehnten überfällige Schulsanierung nicht weiterführen will, sondern die Verschuldungsspirale wieder voll in Gang setzen wird.

Die 1-Prozent-Wachstumsregel, der Sie sich verschreiben wollen, wäre – wenn Sie ernst gemeint wäre, was wir Ihnen sowieso nicht glauben – nicht nur die größte Wachstumsbremse für Hamburg, sie würde auch einen radikalen Kahlschlag im öffentlichen Dienst und bei den Leistungen für die Bürger bedeuten. Das ist das vollkommene Gegenteil zu dem gelebten Bekenntnis der Union zu einer konsequenten Fortsetzung einer auf Haushaltskonsolidierung, Wirtschafts- und Stadtentwicklung fokussierten Politik zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit in der Stadt.

Lieber Herr Neumann, Sie haben in Ihrer Oppositionsführung bis heute durchgängig einen Fehler wiederholt, nämlich sich inhaltlich zu nichts zu positionieren. Wir werden diesen Fehler weder machen, sollten wir nicht mehr regieren, noch haben wir ihn in unserer Regierungszeit gemacht, wie Sie es schon vor dem Regierungswechsel getan haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Tschentscher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind nun doch in einer Art Wahlkampfdebatte und das stört schon,

(Frank Schira CDU: Das macht doch nichts!)

weil wir eigentlich für die nächsten vier bis zehn Jahre erhebliche Probleme haben. Keine andere Partei in Hamburg, keine dieser Fraktionen hat ihre finanziellen Vorschläge so sorgfältig dargelegt wie die SPD in diesem Wahlkampf.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das Konzept, dass der Ausgabenanstieg den Einnahmenanstieg im mittelfristigen Trend nicht übersteigen darf, als verantwortungslos bezeichnen, dann verstehen wir jetzt, warum Sie in zehn Jahren bei guter Konjunktur ein 10-Milliarden-Euro-Defizit angehäuft haben, weswegen Sie 7 Milliarden Euro neue Schulden gemacht haben,

(Thies Goldberg CDU: 10 Milliarden Euro haben wir an Zinsen für Ihre Schulden ge- zahlt!)

für 4 Milliarden Euro Vermögen verkauft und 2 Milliarden Euro Vermögen vernichtet haben. Das ist doch die nüchterne Bilanz, mit der wir ab 2011 starten.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg ist deshalb keineswegs besser aus der Krise gekommen als alle anderen. Die Stadt ist in der Hafenwirtschaft schwer angeschlagen, in Konkurrenz zu Antwerpen und Rotterdam allemal. Wir sind angeschlagen durch die Pleite der HSH Nordbank und wir sind im Haushalt höher verschuldet, als Hamburg es je in der Geschichte gewesen ist. Das liegt im Wesentlichen daran, dass Sie noch bei bester Konjunktur ein Defizit von 1,4 Milliarden Euro geplant hatten. Als die Krise dann einsetzte, standen Sie in kurzen Hosen da. Sie haben keinen eigenen finanziellen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten können, von der die Fachleute sagen, wenn man etwas tun wolle, dann müsse man es gleich zu Anfang tun. Sie waren völlig unvorbereitet und das vermeintliche Hamburger Konjunkturprogramm bestand aus sogenannten Verpflichtungsermächtigungen. Da

(Thies Goldberg)

muss man erst einmal erklären, was das ist. Praktische und konkrete Investitionsmaßnahmen, die frühzeitig einsetzen konnten, hatten Sie nicht und auch das Bundeskonjunkturprogramm haben Sie nicht zeitnah umsetzen können. Die Wirtschaftsbehörde war so hilflos, dass sie noch nicht einmal die Bürgschaftsanträge der kleinen oder mittleren Unternehmen bearbeiten konnte. Das war Ihre hilflose Reaktion in der schwersten Wirtschaftskrise, die Hamburg erlebt hat.

(Beifall bei der SPD – Viviane Spethmann CDU: Wo haben Sie das denn alles her?)

Vermutlich gibt es deshalb kein anderes Bundesland, das die mittelständische Wirtschaft so alleingelassen hat, wie Sie es getan haben. Wir könnten noch lange über die Parolen von CDU und GAL streiten. Es gibt Fakten, die härter als alle Rhetorik sind, und das erste ist die Konzernbilanz Hamburgs. Da hatte die Stadt noch vor wenigen Jahren ein positives Eigenkapital von mehreren Milliarden Euro. Das Eigenkapital ist jetzt negativ und das bedeutet in klaren Worten, dass Sie eine reiche Stadt übernommen und sie kaufmännisch betrachtet in wenigen Jahren in die Pleite gewirtschaftet haben.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Das ist doch Blödsinn!)

Das wiederum hat etwas zu tun mit den vielen faulen Geschäften, die der Senat gemacht hat. Der Asklepios-Eigentümer Broermann gehört nach dem LBK-Deal des Senats zu den reichsten Personen Deutschlands. Laut dem Magazin "Forbes" zählt er sogar mittlerweile zu den reichsten Männern weltweit. Die Hamburger Steuerzahler und die LBK-Mitarbeiter wissen, auf wessen Kosten dieser private Reichtum entstanden ist.

(Viviane Spethmann CDU: So etwas kann nur ein Sozialdemokrat sagen!)

Herr Goldberg, man muss zuweilen noch einmal daran erinnern, dass Sie gegen die kluge Entscheidung von über zwei Dritteln der Bürgerinnen und Bürger die öffentlichen Krankenhäuser verkauft haben und dabei das schlechteste Geschäft der Hamburger Geschichte von Senatsseite aus geliefert haben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch ein zweites System, das ein klares Licht auf das Ergebnis von zehn Jahren CDU-Politik in Hamburg wirft. Die Wirtschafts- und Finanzkraft eines Bundeslandes drückt sich nämlich im Länderfinanzausgleich aus. Noch vor wenigen Jahren hat Hamburg hier hohe dreistellige Millionenbeträge eingezahlt. Es ist kein gutes Gefühl, wenn man anderen Geld geben muss, aber es ist eben Ausdruck der Wirtschafts- und Finanzkraft, die ein Bundesland im Vergleich zu anderen Bundesländern hat, und zwar objektiv und unabhängig von

Rhetorik. Dort sind wir in wenigen Jahren fast runter auf null. Das bedeutet, dass die reiche Kaufmannsstadt Hamburg jetzt an der Schwelle zum Empfängerland von Zahlungen aus Bayern und Baden-Württemberg steht. Das ist objektiv das Ergebnis von zehn Jahren CDU-Wirtschafts- und -Finanzpolitik in Hamburg und damit können Sie sich vor keinem Wähler blicken lassen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU hat die Debatte "Hamburg vor der Entscheidung" angemeldet. Herr Schira, ich habe in Ihrem Wortbeitrag den kleinen Hinweis vermisst – das haben Sie vergessen –, warum diese Entscheidung eigentlich ansteht. Diese Entscheidung steht an, weil das politische Projekt, das in den letzten drei Jahren in dieser Stadt zum ersten Mal bundesweit stattgefunden hat, sich aus vielerlei Gründen nicht hat erfüllen können. Und die Entscheidung steht vor allem an, weil wir als Grüne die Reißleine gezogen haben.

(Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

Der Bürger, Frau Ahrons, ist sehr froh darüber, dass er jetzt entscheiden kann. Von daher war unsere Entscheidung im November richtig und sie ist weiterhin richtig.

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Das Entscheidende ist aber die Frage, warum sich die politischen Gewichte in dieser Stadt eigentlich so verschieben. Woher kommt es, dass der Zuspruch zur SPD so heftig ist? Woher kommt es, dass Sie so viel an Zuspruch verlieren? Woher kommt es, dass die kleineren Parteien, DIE LINKE genauso wie die FDP, sich hier möglicherweise in einem neuen Verhältnis zueinander aufstellen, und woher kommt auch unsere eigene Zustimmung? Was macht das neue Wahlrecht und was können wir eigentlich tun, um zu verhindern, dass es tatsächlich zu einer niedrigen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei dieser Wahl kommt, weil sie möglicherweise äußerst müde sind in Anbetracht dessen, wie wir hier diskutieren und versuchen, die letzten 40 oder 45 Jahre hamburgischer Politik zu analysieren, statt tatsächlich darüber zu reden, was die politischen Notwendigkeiten hier und heute in dieser Stadt, aber auch bundesweit sind? Das sollten unsere Themen sein. Wir müssen über Schulpolitik, Sozialpolitik, den Arbeitsmarkt und meinetwegen auch über Innenpolitik reden.

(Thies Goldberg CDU: Das ist aber nicht neu!)

(Dr. Peter Tschentscher)

Wenn wir über Ihren Haushaltsplan-Entwurf reden sollen, Herr Tschentscher, dann sind das doch ziemliche wackelige Säulen, die Sie da aufgestellt haben. Zum Thema 1 Prozent: Damit kann nicht annähernd finanziert werden, was Sie der Stadt schon alles als fest finanziert und feststehend für die nächsten Jahre verkaufen wollen. Das ist etwas, das auch nicht gut tut in dieser Debatte.

Reden wir also darüber, warum wir in den letzten drei Jahren die Notwendigkeit einer Schulreform durchaus gemeinsam – anscheinend jedenfalls – gesehen haben, doch nicht, weil das ein grünes Projekt war, sondern weil die Mehrheit in dieser Stadt erkannt hat, dass wir uns Schulen, die so viele Schülerinnen und Schüler unterwegs verlieren, nicht mehr leisten können. Wir brauchen andere Schulen und wir brauchen nichts, das jetzt das Signal gibt, es habe ein Chaos gegeben und damit beenden wir es. Es kommt aus meiner Sicht von beiden großen Parteien nichts Neues an Impulsen in Richtung einer Weiterführung der Schulpolitik.

(Frank Schira CDU: Stadtteilschulen!)

Das nächste Thema. Frau Heyenn hat eben schon sehr deutliche Worte zur Sozial- und Arbeitsmarktpolitik gefunden. Wenn man sich das Desaster ansieht, das sich auf Bundesebene gerade abspielt, dann gibt es auch hier trotz langwieriger Vermittlungsverfahren scheinbar keine Einigungsmöglichkeiten zwischen den auf Bundesebene verantwortlichen Fraktionen. Das ist doch ein Armutszeugnis für die Politik auf Bundesebene. Schlimmer geht es kaum.

(Michael Neumann SPD: Schlimmer geht's nimmer!)

Schlimmer geht's nimmer.

Ich sehe, dass diese Aussage, schlimmer ginge es nimmer, alle hier ein bisschen erstarren lässt, aber was haben wir denn für sozialpolitische Notwendigkeiten auch in Hamburg und wo finden wir denn die Lösungen und Konzepte dafür? In welchem der Programme der beiden großen Parteien steht denn, was konkret sozialpolitisch gemacht werden soll? Ich finde da nicht viel und verweise auf unser Programm, das an der Stelle konkret ist.

(Beifall bei der GAL)

Das sei noch einmal ein kleiner Hinweis, dass wir weiterhin als Korrektiv in dieser Stadt notwendig sind, durchaus auch an der Seite des größeren Regierungspartners.

Ein letzter Satz noch: Am unverständlichsten für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt ist es, dass unser gewesener großer Koalitionspartner im Nachhinein all das plötzlich für nichtig und hinfällig erklärt, hinsichtlich dessen in den letzten drei Jahren ständig signalisiert wurde, dass wir dazu gemeinsam stehen und das gemeinsam entwickeln.

So erreichen wir weder größeres Vertrauen in die Politik noch geben wir ein Signal der Verlässlichkeit.

(Beifall bei der GAL)