Protocol of the Session on December 16, 2014

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(Beifall bei der LINKEN und der SPD – An- na-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das habe ich nie gesagt!)

Bei Ihren Zahlenspielereien, es sei nicht erwiesen, dass der Lernerfolg größer sei, wenn weniger Schüler in einer Klasse sind, habe ich auch ein Déjà-vu. Hier gab es einmal eine Senatorin, die hieß Dinges-Dierig, und die hat genau das Gleiche gesagt. Sie war aber auch nie in Schulen, das ist der große Unterschied.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Der zweite Bereich, in dem wir gern mehr tun würden, sind die beruflichen Schulen. Da Frau Schneider mir sagt, ich hätte nicht mehr allzu viel Zeit, werde ich das jetzt ein bisschen abkürzen. Sie haben als SPD etwas Gutes auf den Weg gebracht, was das anbetrifft, nämlich die Ausbildungsumlage für die Ausbildung in Pflegeberufen. Sie haben auch geschrieben, das sei ein ganz großes Erfolgsmodell und dass in Pflegeberufen die Anzahl der Ausbildungsplätze gestiegen sei. Wenn Sie wollen, dass das, was der Bürgermeister versprochen hat – jeder Jugendliche müsse einen Ausbildungsplatz bekommen –, Realität wird, dann brauchen wir nicht nur eine Ausbildungsumlage für die Pflegeberufe, sondern dann brauchen wir eine Ausbildungsumlage für alle Berufe, weil wir es den jungen Menschen in Hamburg schuldig sind, dass sie eine berufliche Perspektive haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Scheuerl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Senator Rabe, sehr geehrter Herr Bürgermeister! Wenn man den Haushaltsplan-Entwurf für den Bereich Schule und Bildung liest, dann drängt sich einem der Eindruck auf, das Motto heiße "Weiter so", und so ist es offenbar auch gemeint von der SPD. Herr Holster als Sprecher für die SPD hat vorhin gesagt, das bedeute auch so etwas wie keine neuen Schulreformen.

(Hansjörg Schmidt SPD: Struktur!)

Und Strukturreformen.

Da drängt sich mir dann doch der Eindruck auf, dass es hier unterschiedliche Wahrnehmungen gibt. Deswegen habe ich Ihnen einmal das Schwarzbuch Senator Rabe mitgebracht, wo die Schäden, die Senator Rabe und die SPD-Fraktion als absolute Regierungsfraktion in den letzten fast vier Jahren im Hamburger Schulsystem angerichtet haben, zusammengestellt sind. Diese Schäden gehen deutlich über das hinaus, was 2009 von der schwarz-grünen Koalition beschlossen wurde und teilweise im Volksentscheid von 2010 ausgebremst werden konnte. Was Sie dabei von der CDU-Fraktion unterscheidet, ist, dass die CDU-Fraktion manche Fehler von damals erkannt hat, wie insbesondere den Fehler, die Möglichkeit des Sitzenbleibens und Klassenwiederholens abzuschaffen. Die CDU beantragt, das wieder einzuführen; Sie wehren sich vehement dagegen.

Aber ich möchte kurz einmal die Schulformen durchgehen, weil vielen von Ihnen möglicherweise inzwischen schon entfallen ist, was unter Senator Rabe und der SPD in den letzten fast vier Jahren alles angerichtet worden ist. Die Grundschulen: Eine der ersten Amtshandlungen ist es gewesen, die Schreibschrift als verbindlichen Unterrichtsinhalt in den Grundschulen abzuschaffen. Eine der nächsten Amtshandlungen ist es gewesen, die Kinder mit Kita-Gutscheinen, die sich zunächst noch aussuchen konnten, in welchem Hort sie nachmittags pädagogisch betreut werden,

(Dirk Kienscherf SPD: Die sind doch kaum untergekommen, wir hatten doch nur 30 Pro- zent Versorgung!)

in die Nachmittagshortaufbewahrung in den Schulräumen zu zwingen, völlig unabhängig davon, ob sie draußen vielleicht einen besseren Hortanbieter hatten. Dann wurden die KESS-Indizes von einer Kleinstabteilung in der Behörde neu festgelegt, was dazu geführt hat, dass zahlreiche Grundschulen mit geringeren Mitteln ausgestattet wurden. 67 Grundschulleiter haben sich darüber beschwert, obwohl – das ist bekannt – die Grundschulleiter nicht besonders streitsüchtig sind, wenn

(Dora Heyenn)

es darum geht, gegen den Senator vorzugehen. Wir haben außerdem eine Reihe von Dingen, die nicht abgeschafft worden sind, obwohl die SPDFraktion und Herr Senator Rabe hätten handeln können. Das betrifft zum Beispiel den fachfremden Unterricht im Fach Mathematik in den Grundschulen. Fast die Hälfte der Lehrkräfte in Mathematik hat nicht die Fakultas in Mathematik und unterrichtet trotzdem in den Grundschulen. Die desolate Methode Lesen durch Schreiben ist trotz Anhörung im Schulausschuss nicht aus dem Bildungsplan verbannt worden. Der Senator weigert sich, benotete Diktate wieder einzuführen, und er weigert sich ferner beharrlich, die Korrektur von Rechtschreibfehlern im Fach Deutsch vor der Klasse 3 verbindlich wieder einzuführen.

Bei den Stadtteilschulen sieht es nicht besser aus. Bei den Stadtteilschulen konzentrieren sich alle immer darauf, dass man dort auch Abitur machen könnte. Seit vier Jahren liegt es völlig brach, an den Stadtteilschulen auch gute Haupt- und Realschulabschlüsse zu fördern. Es wird, das ist eine der Ursachen, vom Senator und von der Behörde nicht auf eine ausreichende äußere Differenzierung an den Stadtteilschulen geachtet, und die Inklusionsklassen, das haben meine Vorredner auch schon ausnahmslos kritisiert, sind unzureichend ausgestattet und haben nicht genug Doppelbesetzung.

So richtig zugelangt haben SPD und Senator Rabe bei den Gymnasien. Seit 2014 sind die externen verbindlichen Zweitkorrekturen abgeschafft worden, und seit 2014 sind auch die internen verbindlichen neutralen Zweitgutachten abgeschafft worden. Ich habe das abgefragt, und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Schulen bewerten seither tendenziell zu gut und immer besser. Das steigert zwar die Statistik, es schadet aber der Qualität des Hamburger Abiturs.

Schlimm sieht es an den Sonder- und Förderschulen aus. Die Inklusionsdrucksache – wir erinnern uns an die lebhaften Diskussionen – hat dazu geführt, dass zahlreiche Standorte aufgelöst und zusammengelegt worden sind. Noch schlimmer sieht es für die eigentlich betroffenen Kinder aus. Sie haben die individuelle Förderressource für Kinder, die sonderpädagogischen Förderbedarf in den Bereichen Lesen oder Sprache oder emotionale und soziale Entwicklung haben, abgeschafft und stattdessen mit dem Gießkannenprinzip eine systemische Ressource über die Stadt verteilt, die hinten und vorne nicht reicht.

Wir Abgeordneten werden heute über den Haushaltsplan-Entwurf beschließen. Die Wähler werden im Februar 2015 über die Zukunft der Hamburger Schulpolitik und der Schulen beschließen, und ich hoffe, es wird kein "Weiter so" geben. – Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburgs Schulpolitik muss sich besonderen Aufgaben stellen, beispielsweise der, dass wir eine besonders vielfältige Schülerschaft haben. 45 Prozent unserer Schulkinder haben beispielsweise Migrationshintergrund, mehr als in jedem anderen Bundesland, und wir sind froh darüber, denn ohne diese Kinder wären die Schulen leer und Hamburgs Chancen nur halb so groß. Deswegen müssen wir aber auch dafür sorgen, dass alle Schülerinnen und Schüler gleiche Chancen haben.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg bietet als internationale Metropole jungen Menschen viele Chancen, fordert aber auch ein hohes Leistungsniveau und erstklassige Bildung. Und eine weitere Besonderheit: In Hamburg sind nicht so viele Eltern wie vielleicht in anderen Bundesländern jeden Tag schon ab 13 Uhr zu Hause. Deshalb sind drei Ziele für uns maßgeblich: Wir wollen in Hamburg hervorragende Ganztagsschulen, wir wollen Schülerinnen und Schüler energisch fördern, um Benachteiligung zu überwinden, und wir setzen auf Leistung, auf bessere Bildung und bessere Schulabschlüsse. Das sind die Ziele unserer Schulpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Frau von Berg hat richtigerweise festgestellt, dass es eine nüchterne Schulpolitik ist und dass wir auf Fakten und auch auf Zahlen schauen. Ich glaube, das ist richtig, und es tut der Schulpolitik gut, wenn wir uns ein Stück weit von Grabenkämpfen lösen und das Schulsystem analysieren. Ich weiß, dass Sie von der Opposition der gleichen Meinung sind. Eine kleine Zahl darf ich mir deshalb nicht verkneifen: 913 Schriftliche Kleine Anfragen haben Sie bisher gestellt und vermutlich über 1 Million Zahlen dabei erfragt, sagt meine Präsidialabteilung. Wenn ich mir das so anhöre, dann scheint es wohl so zu sein, dass auch Sie zu Recht sagen, wir bräuchten Fakten und Vernunft. Vielleicht passten Ihnen nur die Zahlen nicht, die Sie dabei herausbekommen haben. Ich will sie Ihnen gerne nennen, sie sind gut.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns auf fünf Handlungsfelder konzentriert. Erstens: Wir haben alle Hamburger Schulen zu Ganztagsschulen entwickelt. 180 Grund- und Stadtteilschulen sind es in den letzten vier Jahren gewesen, übrigens mehr als alle Vorgängersenate in den letzten 30, 35 Jahren zusammen geschafft haben. Diese Schulen haben wir gut ausgestattet, mit 20 Prozent mehr Personal, Sie wissen es, und mit bislang über 140 neu gebauten Schulkantinen.

(Dr. Walter Scheuerl)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Und wir haben den Eltern in der Tat die Wahlfreiheit gelassen. Aber das war richtig, denn sie haben etwas gewählt, von dem wir sicher waren, dass sie es wählen würden. Alle Schulkonferenzen haben mit dem Votum der Eltern für die Ganztagsschule gestimmt, und 75 Prozent aller Grundschulkinder nehmen jetzt wegen ihres Elternvotums am Ganztag teil. Das zeigt, wie richtig und wichtig dieser Ausbau war.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind dabei weit vorangekommen, aber wir wollen in der Tat nicht stehen bleiben. Wir werden an allen Schulen regelmäßig Beratungen mit Experten durchführen. Wir werden den Vor- und Nachmittag stärker verzahnen. Wir werden auch die Schulen vernetzen, damit gute Beispiele die Runde machen, und die Räume weiter verschönern. Aber ich will auch darauf hinweisen: Nur weil wir Tempo beim Ganztagsausbau gemacht haben, sind heute über 40 000 Grundschüler nachmittags in der Schule. Vor vier Jahren wurden in den Horten und den wenigen Ganztagsschulen zusammen gerade 20 000 Schüler nachmittags betreut. Ich finde deshalb, dass es richtig war, aufs Tempo zu drücken. Wenn es etwas Richtiges und Notwendiges zu tun gibt, dann darf Politik nicht feige sein, und deswegen haben wir hier gehandelt.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Bereich, in dem wir etwas getan haben, ist der Schulbau. Unsere Schulen müssen schöner werden, und geerbt haben wir, das ist unbestritten hier im Parlament, einen Sanierungs- und Neubaustau, der damals von Schwarz-Grün auf 4 Milliarden Euro geschätzt wurde. Alle haben das beklagt, aber leider wenig dagegen getan. Wir haben in den letzten vier Jahren die Investitionen in den Schulbau verdoppelt.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Von 2011 bis zu diesem Jahr haben wir bereits 1,2 Milliarden Euro investiert, und wenn Sie sich den Haushaltsplan-Entwurf angeschaut haben, dann werden Sie feststellen, dass für 2015 und 2016 Rekordinvestitionen von 800 Millionen Euro geplant sind. Wir versprechen mit diesem Haushalt, dass in Hamburg Schluss ist und wir auch nicht wieder in den alten Schlendrian zurückfallen, sondern wir unsere Schulen gemeinsam schöner machen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Der dritte Bereich: Eine Stadt mit einer so bunten und vielfältigen Schülerschaft muss alle Schüler, insbesondere auch die benachteiligten, energisch fördern. Wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst; drei kurze Beispiele.

Erstes Beispiel: Wir haben als einziges Bundesland kostenlosen Nachhilfeunterricht an allen Schulen eingeführt. Wer eine Fünf hat, wird gefördert, unbürokratisch, kostenlos und schnell.

Zweites Beispiel: Wir unterstützen 23 Schulen in benachteiligten Stadtteilen mit einem Zehn-Millionen-Euro-Programm und fördern die Schülerinnen und Schüler gezielt dort, wo es am wichtigsten ist.

Drittes Beispiel: Wir setzen die Inklusion um, die übrigens – ich erinnere die CDU gerne daran – von allen damals im Parlament vertretenen Fraktionen gemeinsam beschlossen wurde. Ich glaube, das ist ein richtiger Beschluss gewesen, weil die Inklusion endlich auch den Schülerinnen und Schülern eine Chance auf einen Schulabschluss bietet, die bisher an Sonderschulen abgeschoben wurden und dort wenig Chancen hatten. Inklusion überwindet gesellschaftliche Barrieren, statt sie weiter zu erhöhen. Ich weiß, dass Inklusion nicht einfach ist. Das braucht Zeit. Wer allerdings bei jedem Problem sagt, wir müssten wieder umkehren oder bräuchten mal eben 15 Millionen Euro für mehr Personal, der ist vielleicht auch nicht ganz konsequent, denn Inklusion kann und muss man lernen. Entscheidend ist daher auch, die Lehrkräfte bei der Umsetzung zu beraten und zu unterstützen. Aber ich sage auch deutlich: Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif. Wir haben deshalb sehr viel Geld in die Hand genommen. Über 350 zusätzliche Pädagogen sind nur für die Inklusion eingestellt worden, und wir haben über 1000 Schulbegleiter mehr an den Schulen als 2011. An Grund- und Stadtteilschulen arbeitet heute jede zehnte Lehrkraft nur für die Inklusion. Das ist mehr als in jedem anderen Bundesland. Hier müssen wir uns nichts vorwerfen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Viertes Beispiel: Viele Jugendliche finden nach der Schule keine Ausbildungsstelle. Deswegen haben wir uns um diesen Bereich besonders gekümmert. Alle Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschulen werden bereits im Unterricht gezielt auf den Übergang in Beruf oder Studium vorbereitet. Und wer nach der Schule keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, dem helfen wir mit verbesserten Übergangsmaßnahmen an den Berufsschulen beim Sprung in die Berufswelt. Vor allem aber haben wir an der Nahtstelle zwischen Schule und Beruf die neue Jugendberufsagentur gegründet. Fachleute aus Arbeitsagentur, team.arbeit.hamburg, Berufsschulen und Bezirken beraten hier alle Schulabgänger. Erstmals ist damit sichergestellt, dass niemand verloren geht. Unser Erfolg kann sich sehen lassen. Statt wie früher 1300 schafften in diesem Jahr 1800 Schülerinnen und Schüler den direkten Sprung in die Ausbildung, weitere 900 schafften es im zweiten Anlauf ein Jahr später. Damit ist Hamburg das erste Bundesland, das junge Menschen nahtlos auf dem Weg in die Ausbildung begleitet.

(Senator Ties Rabe)

Bundesweit wird unser Modell bestaunt und gelobt. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Der letzte Punkt ist der wichtigste. Gute Bildung braucht guten Unterricht; das haben alle Vorredner bekräftigt. Auch dafür haben wir viel getan; ich will wenige Beispiele nennen.

Wir haben über 300 zusätzliche Lehrer eingestellt, um die Klassengrößen der Grund- und Stadtteilschulen erheblich zu verkleinern und den Lehrkräften der Stadtteilschulen mehr Vorbereitungszeit für guten Unterricht zu geben.

Wir haben weiterhin Initiativen für eine Verbesserung der Rechtschreibung, der Begabtenförderung und des Mathematikunterrichts gestartet.

Wir haben auch dafür gesorgt, dass jeder die Chance hat, das Abitur zu machen. Das Abitur soll nicht leichter werden, im Gegenteil, aber es soll für alle, auch für Kinder, denen man das in der dritten Klasse noch nicht ansieht, eine Möglichkeit geben, das Abitur zu machen. Deshalb haben wir die Zahl der Oberstufen an den Stadtteilschulen verdoppelt.