Protocol of the Session on December 17, 2014

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Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Dann können wir mit dem dritten und letzten Tag unserer Haushaltsberatungen beginnen. Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Debatten einsteigen, möchte ich darauf hinweisen, dass wir nach der vierten Debatte, also dem Bereich Justiz und Gleichstellung, die Sitzung für die gemeinsame Abendessenspause unterbrechen werden. Das wird ungefähr zwischen 19.00 und 19.30 Uhr der Fall sein.

Ich rufe als Erstes auf den

Einzelplan 4 Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diesen Einzelplan in drei Teilen zu beraten, zunächst den Bereich Arbeit, dann Soziales und Integration und schließlich Familie, Kinder und Jugend.

Die Debatte um den Bereich Arbeit eröffnet Frau Dr. Föcking von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Als ich am Freitag Ihren Antrag zum Bereich Arbeit las, war ich doch sehr verwundert. Was Sie da als einzige Forderung zum Arbeitsmarkt verkaufen wollen, gehört zum Eigenartigsten und Mutlosesten, was Sie in dieser Legislaturperiode aufgeschrieben haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie fordern den Senat nämlich auf zu berichten. Er soll uns berichten über den Stand des Hamburger Mindestlohngesetzes – Zitat –:

"[…] im Lichte der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns auf Bundesebene […]".

Was, bitte schön, heißt denn das? Wir haben ein neues Bundesgesetz, und der Senat soll uns erzählen, wie die Hamburger Regelungen dem anzupassen sind,

(Katja Suding FDP: Das hätten Sie mal vor- her checken sollen!)

wie er also das tut, was er ohnehin tun muss. Das ist kein Antrag, das ist allenfalls ein Posten fürs Merkheft, damit Schüler Scheele seine Hausaufgaben auch nicht vergisst.

(Beifall bei der CDU und der LINKEN)

Und weil das für den engagierten Lehrer und Kollegen Schwieger ein bisschen wenig Hausaufgaben sind, wird in Punkt 2 dann noch das Thema für den nächsten Aufsatz vergeben: Lieber Senat, schrei

be bitte auf, wie das, was wir uns unter guter Arbeit vorstellen, in Hamburg umgesetzt werden könnte. Das soll die zentrale arbeitsmarktpolitische Forderung der Regierungsfraktion sein? Das hätten Sie auch mit einem Anruf bei der Sozialbehörde erledigen können.

(Beifall bei der CDU)

Genauso mutlos wie Ihr Auftrag ist aber auch der Haushaltsplan-Entwurf selbst. Darin stehen zwar richtige und wichtige Ziele – Fachkräftesicherung, gute Arbeit für alle und Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit; wer wollte dem widersprechen –, doch wenn es um die Umsetzung dieser Ziele geht, um die Kennzahlen, plant der Senat den Stillstand. Immer die gleichen Zahlen: kein Abbau der Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung, keine Steigerung der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen, kein Mehr an erfolgreichen Existenzgründungen, kein größerer Erfolg bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, und, was vielleicht am bedrückendsten ist, keine Abnahme der Zahl der Empfänger von Hartz-IV-Leistungen. Das ist keine aktive Arbeitsmarktpolitik, das ist geplanter Stillstand.

(Beifall bei der CDU)

Dabei gäbe es genug zu tun. Doch wie sieht die Bilanz des SPD-Senats aus?

(Zurufe von der SPD: Gut!)

Die Arbeitslosigkeit pendelt seit Jahren um die 72 000. Trotz eines dynamischen Arbeitsmarkts in Zeiten guter Konjunktur bleibt dieser Sockel. Noch größer ist das Problem, wenn wir die echte Unterbeschäftigung mitberücksichtigen, also auch diejenigen, die derzeit in Fortbildungsmaßnahmen sind und eben keinen regulären Job haben. Dann zählen in Hamburg sogar über 130 000 Menschen als unterbeschäftigt. Die Quote liegt in Hamburg bei 9,8 Prozent, deutlich über der von München und Stuttgart und auch über der von Frankfurt und Nürnberg. Bei der Unterbeschäftigung liegt Hamburg damit nicht weiter vorn, da liegt Hamburg weiter hinten.

(Beifall bei der CDU)

Und was hat die SPD getan? Das von der Stadt mitgeleitete Jobcenter hat zwei Jahre nacheinander die Mittel des Bundes für Hamburger Langzeitarbeitslose nicht einmal ausgeschöpft und musste viele Millionen Euro nach Berlin zurücküberweisen. Aufgescheucht durch kritische Nachfragen aus der Opposition hat es 2013 das Geld dann so früh ausgegeben, dass im Sommer Arbeitslose zeitweilig unterversorgt blieben. Das ist hektischer Aktionismus, aber doch keine gute Politik.

Gern schmückt sich der Senat mit der Jugendberufsagentur und tingelt damit mittlerweile auch durch andere Bundesländer. Nur: Diese Jugendberufsagentur wurde seinerzeit von der CDU gewollt

und von der SPD zunächst abgelehnt, und noch arbeitet die Agentur längst nicht optimal. Ihre Mitarbeiter sind zwar jetzt unter einem Dach versammelt, doch gehören sie jeweils zu verschiedenen Arbeitgebern, von Arbeitsagentur bis Bezirksamt. Sie folgen also verschiedenen Vorgaben, und damit entstehen Reibungsverluste. Das hilft vor allen Dingen nicht diesen Jugendlichen, um die es doch in erster Linie geht, um die, die größere Probleme haben, die einen Ausbildungsplatz brauchen und Hilfen zur Erziehung.

(Beifall bei der CDU)

Und ausgerechnet Jugendliche mit ganz besonderen Schwierigkeiten, nämlich schwerbehinderte oder obdachlose Jugendliche, werden gerade nicht von der Jugendberufsagentur betreut. Auch da könnten Sie etwas ändern. Sie haben die Agentur aber bisher vor allem zur Einsparung genutzt, weil es viele Doppelangebote gerade bei Jugendmaßnahmen gegeben habe. Da werden wir zu gegebener Zeit noch einmal nachhaken.

(Dietrich Wersich CDU: Das werden wir än- dern!)

Ebenfalls mit viel Trara vom Senat angekündigt wurde die Hamburger Fachkräftestrategie. Aber auch anderthalb Jahre nach deren Start scheint sie kaum zu wirken. Denn wenn etwas viele Hamburger Arbeitgeber derzeit umtreibt, dann ist es der Fachkräftemangel in der Stadt. Jedes vierte Hamburger Unternehmen sucht händeringend qualifizierte Arbeitskräfte. Umgekehrt sind unter den Arbeitslosen immerhin fast die Hälfte Fachkräfte. Da passt doch etwas nicht zusammen.

Noch ein Beispiel, vielleicht mein Lieblingsbeispiel: Mit viel Aufwand und noch mehr Geld hat der Senat das Modell NAVIGATOR 16A geschaffen. 40 Sozialbetreuer sollen Ein-Euro-Jobber beraten, wie sie die richtige Fachberatung für ihre oft großen Probleme finden können – eigentlich eine Aufgabe des Jobcenters. Die Ein-Euro-Jobs baut der Senat übrigens gerade weiter ab. Die 40 Sozialbetreuer werden aber für rund 2 Millionen Euro pro Jahr weiterbestallt. Was hier unter dem Mantel der Arbeitsmarktpolitik daherkommt, diente eigentlich nur dazu, unkündbaren Mitarbeitern der HAB eine neue Aufgabe zu geben. Die hat sich aber mittlerweile als nicht sinnvoll erwiesen. Man könnte die HAB-Mitarbeiter stattdessen etwa bei der Ausbildungsassistenz einsetzen, doch das mag Senator Scheele wohl nicht hören und schmeißt lieber das Geld weiter zum Fenster hinaus.

(Beifall bei der CDU)

Gar nicht so teuer sind unsere Vorschläge.

(Jan Quast SPD: Aber nicht gegenfinan- ziert!)

Wir fordern zunächst einmal, dass der Senat auch bei dem wichtigen Ziel der Integration von Migran

ten in den Arbeitsmarkt ehrgeizigere Ziele und Kennzahlen vorgibt. Das spornt an und verhindert den Stillstand.

Dann wollen wir die Arbeitsvermittlung deutlich effektiver machen. Der gemeinsame Arbeitgeberservice soll so umorganisiert werden, dass die Kontakte zu den Arbeitgebern und den Arbeitsuchenden jeweils bei einem Mitarbeiter liegen. Dann finden beide Seiten sehr viel schneller zusammen, und diese Umorganisation kostet sogar gar nichts.

Vor allem aber fordern wir, dass die Berater im Jobcenter wieder besser darüber Bescheid wissen, was in den einzelnen Hamburger Wirtschaftsbranchen wirklich läuft. Welche Arbeitskräfte werden tatsächlich benötigt? Wofür müssen Arbeitslose aus- oder weitergebildet werden? Welcher Bildungsträger ist seriös und welcher nicht? Derzeit gibt es da erhebliche Defizite, die sogar dazu geführt haben, dass offenbar ein Anbieter im Bereich der Luftsicherheit die teuren Bildungsgutscheine missbraucht und viele hoffnungsvolle Arbeitslose enttäuscht hat. Sie hatten monatelang für ihre Ausbildung gearbeitet und mussten dann erfahren, dass das alles vergeblich war. So etwas darf nicht wieder passieren.

(Beifall bei der CDU)

Da müssen die Fachkräfte von team.arbeit.hamburg den Markt und die Anbieter kennen und deshalb fortgebildet werden. Außerdem sollten regelmäßige Branchengespräche mit allen Akteuren eingeführt werden. Bezahlt werden kann das, wenn die Stellen der bezirklichen Arbeitsmarktkoordinatoren gestrichen werden. Diese ebenfalls teuren und überflüssigen Stellen hat der Senat für die Arbeitsgelegenheiten vor Ort eingeführt. Er hat aber offenbar selbst gemerkt, dass diese Arbeit gar nicht gebraucht wird, und will sie wohl nur bis Ende März ausfinanzieren. Wir wollen die Streichung schon ab Januar.

Sie sehen, das sind ganz konkrete Maßnahmen, um Hamburger Arbeitslose schneller und wirksamer zu unterstützen. Das löst nicht alle Probleme, aber doch ganz gewichtige. Das kann der Senat auch sehr schnell anpacken. Den Aufsatz zur Arbeitsmarktpolitik für den Kollegen Schwieger und die SPD-Fraktion kann er ja außerdem schreiben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Schwieger von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! In der Physik bedarf es eines festen Punktes, um einen Hebel anzusetzen. In der Politik bedarf es eines politischen Orientierungspunktes, um eine erfolgreiche Regie

(Dr. Friederike Föcking)

rung auszuhebeln, und den vermisse ich nicht erst seit Montag.

(Beifall bei der SPD – Birgit Stöver CDU: Beim Senat!)

Frau Dr. Föcking, mutlos war die Arbeitsmarktpolitik in den letzten dreieinhalb Jahren überhaupt nicht, und mutlos wird sie auch in den nächsten fünf Jahren nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Meinen Mitarbeiter wird es freuen – mich auch –, dass Sie unterstellen, der Senat schreibe Aufsätze für mich; dafür wird mein Mitarbeiter nicht bezahlt.