Protocol of the Session on January 21, 2015

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von der SPD-Fraktion

Wohnungsbau in Hamburg: Schon viel erreicht – und noch viel vor!

von der CDU-Fraktion

Alarmierende Wirtschaftsdaten, Kürzungen bei der Uni – Weiter so heißt Abstieg

von der GRÜNEN Fraktion

Offenbarungseid des Senats bei der Inklusion – betroffene Kinder endlich besser fördern

und von der FDP-Fraktion

Spardiktat und Studienplatzabbau: Hamburgs Universität wird vom SPD-Senat ruiniert

Ich rufe nun zunächst das erste Thema auf, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE. – Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Wie wollen wir leben? Wie wollen wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, die auf die Kooperation der Mitglieder angewiesen ist wie keine Gesellschaft zuvor? Die Gesellschaft, in der wir leben, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Sie ist bunt und vielfältig, fast so bunt und vielfältig wie die Welt. Es gibt keine vernünftige Alternative zum Zusammenleben, keine Alternative dazu, dieses Zusammenleben solidarisch und friedlich zu gestalten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Wir sind, mit allen Unterschieden, eine Gesellschaft. Alle angeblichen Alternativen für Deutschland, die die Vielfalt der Gesellschaft infrage stellen, zerstören den Zusammenhalt, bereiten der Gewalt den Boden und drohen, in Barbarei zu münden.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Von zwei Seiten droht dem friedlichen Zusammenleben gegenwärtig große Gefahr. Zum einen von Bewegungen wie al-Qaida oder IS, die auch in dieser Stadt Anhänger und Anhängerinnen werben und für ihren terroristischen Kampf rekrutieren. Die Vernichtungswut dieser Bewegungen richtet sich gegen alle, die nicht ins eigene Weltbild passen, gegen Nichtgläubige, gegen Andersgläubige, gegen Menschen gleichen Glaubens, die sich ihnen nicht unterwerfen. In ihr Weltbild passt nichts Buntes, nichts Vielfältiges, nichts Freies und nichts Kritisches. Zum anderen droht Gefahr von Bewegungen wie Pegida, Legida, Bagida oder wie sie sonst noch heißen, Bewegungen, die glauben, vor der Islamisierung des Abendlandes warnen zu müssen.

Der französische Philosoph Sartre sagte einmal über den Antisemitismus, dass er mehr über den Antisemiten als über den Juden aussage. Ähnlich ist es mit der Islamophobie. Die Islamophobie erklärt nichts über den Islam, nichts über Muslime, nichts darüber, was in der Welt und in den muslimischen Gemeinden hier in Deutschland, hier in Hamburg stattfindet, aber viel darüber, was in einigen Teilen der Gesellschaft los ist. Viele Menschen kommen mit den erfahrenen Brüchen nicht klar, mit der Globalisierung, den krisenhaften Entwicklungen, dem zunehmenden Verlust der Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen und den Veränderungen der selbst erfahrenen Umwelt, Veränderungen auch durch Einwanderung.

Das ist der Boden, den rechte Parteien wie die AfD beackern und auf dem Bewegungen wie Pegida aufkommen. Diese Bewegungen begreifen Vielfalt und Buntheit der Gesellschaft als Bedrohung, und sie bedrohen sie. Sie sehen sich durch die Terrorakte in Paris bestätigt und tun so, als hätten sie mit der Zurückdrängung der vermeintlichen Islamisierung die Lösung für das Problem. Das Gegenteil ist der Fall. Auch diese Bewegungen verfolgen das Ziel einer homogenisierten, also nicht bunten, nicht vielfältigen Gesellschaft. Sie stellen die Gleichwertigkeit und die gleichen Grundrechte aller hier lebenden Menschen grundsätzlich infrage. So treiben sie dem IS oder al-Qaida eher Anhänger zu, als dass sie ihnen das Wasser abgraben. Diesen Bewegungen geht es nicht um Lösungen vermeintlicher oder wirklicher Probleme, sondern um Mobilisierung des Ressentiments gegen große Teile der Gesellschaft.

Wir sind froh, dass sich Woche für Woche viele Menschen dieser Mobilisierung entgegenstellen und aller Welt zeigen, dass sie die Vielfalt unserer Gesellschaft und die Rechte aller Menschen verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Sie zeigen, dass die politische Trennlinie in diesem Land nicht zwischen uns, den Herkunftsdeutschen, und den Migrantinnen und Migranten der ersten, zweiten, dritten oder gar vierten Generation verläuft, sondern dass diese politische Trennlinie zwischen denen verläuft, die die gesellschaftliche Realität anerkennen und sie solidarisch gestalten, und denen, die sich dieser Realität verweigern und die Vielfalt aus der Gesellschaft ausschließen wollen. Mit ihnen müssen wir die Auseinandersetzung hart und unerbittlich führen, auch mit eigenen Wählerinnen und Wählern übrigens.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber niemand von uns hat Grund, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Sowohl die Anziehungskraft jihadistischer Strömungen, vor allem auf Jugendliche, als auch die sozialen Ängste vieler Menschen, die von rechten Parteien und Agitatoren aufgegriffen und mobilisiert werden, haben Ursachen. Sie verweisen auf soziale Zerwürfnisse, auf Ausschlussmechanismen, darauf, dass viele, vor allem migrantische Jugendliche, wirtschaftlich abgehängt, sozusagen überflüssig sind auf Diskriminierung und schwer überwindbare Barrieren beim Zugang zu demokratischer Teilhabe. Sie verweisen uns auch auf Fehler, Versäumnisse und Versagen von Politik. Wenn wir über das, was der Titel dieser Aktuellen Stunde aussagt, einig sind, werden wir uns über die politischen Schlussfolgerungen daraus dann gern auch weiterhin streiten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Herr Dr. Dressel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die brutalen Morde von Paris haben die ganze freie Welt erschüttert, Millionen haben in Frankreich, in Deutschland und in vielen anderen Ländern getrauert, auch in Hamburg. Und auch wir als Bürgerschaft trauern heute mit. Natürlich sind viele wütend auf die Täter, auf islamistische Terroristen, die den Islam als Vorwand für ihre widerlichen Taten missbrauchen. Und viele sind zu Recht wütend auf Rechtspopulisten, die auch in Deutschland, in Dresden und anderswo, einige auch in Hamburg, versuchen, aus solchen furchtbaren Taten politisches Kapital zu schlagen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten gemeinsam alles dafür tun, dass es niemandem gelingt, einen Keil in unsere Gesellschaft, in unsere freie und offene Gesellschaft, in unser solidarisches und tolerantes Hamburg zu schlagen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Hass darf nicht mit Hass beantwortet werden. Das ist unser gemeinsamer Auftrag.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Deshalb danke ich der LINKEN für die Debattenanmeldung und will auch den Dank in die andere Richtung des Hauses weitergeben, an den Kollegen Wersich, der nach der Attacke auf die "Hamburger Morgenpost" einen wichtigen und richtigen Satz gesagt hat: Wir dürfen uns weder einschüchtern noch aufhetzen lassen. Das ist in der Tat richtig. Wir müssen besonnen reagieren, aber entschlossen, wenn es um die Verteidigung unserer Werte geht. Und das sage ich auch gerade in Zeiten des Wahlkampfes. Wir müssen alles dafür tun, dass solche Themen nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht werden.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir müssen gemeinsam unsere Freiheit, unsere Grundrechte und unsere Werte verteidigen: die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Gerade wir als Freie und Hansestadt Hamburg, als eine sehr wichtige deutsche Medien- und Pressestadt, sind in einer besonderen Verantwortung. Es ist mir aber, wenn ich das insgesamt anschaue, nicht bange um unsere Stadtgesellschaft. Ich verweise auf die wirklich beeindruckende Demonstration für Toleranz und Vielfalt in der vorigen Woche auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz. Sie wurde von Kazim Abaci zusammen mit sehr vielen Menschen aus der Zivilgesellschaft organisiert. Das war ein ganz tolles, wichtiges und beeindruckendes Zeichen für Vielfalt und Toleranz in dieser Stadt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir haben in diesen schwierigen Zeiten durchaus einen großen Schatz in Hamburg, der uns helfen kann. Wir können in Hamburg sagen, dass wir die Hauptstadt des interreligiösen Dialogs in Deutschland und vielleicht auch darüber hinaus sind. Wir haben einen Vertrag mit den muslimischen Gemeinden, in dem das Grundgesetz und die Grundrechte, die Grundwerte unserer Verfassung, die Basis bilden, die Absage an jeden Extremismus, egal, von wem, egal, warum. Und dass zum Beispiel die Religionsgemeinschaften gemeinsam ein Friedensgebet abgehalten haben, um gegen IS ein Zeichen zu setzen, ist doch etwas, das Mut macht, gerade in einer solchen Phase. Der interreligiöse Dialog in dieser Stadt ist hervorragend und ein sehr wichtiges Zeichen gegen den Terror.

(Christiane Schneider)

(Beifall bei allen Fraktionen)

Es ist doch kein Zufall, dass es auf dieser Basis, nämlich dieses gemeinsamen Vertrages, gelungen ist, ein gemeinsames Konzept mit den muslimischen Gemeinden, der alevitischen Gemeinde gegen den gewaltbereiten Salafismus zu erarbeiten, das in diesem Jahr umgesetzt wird. Das heißt, auch die Problempunkte in der Frage des Islam und des Islamismus nehmen wir uns gemeinsam vor und finden gemeinsam Konzepte, um hier wehrhaft zu sein. Auch das ist ein gutes Zeichen für den interreligiösen Dialog.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GRÜNE)

Deswegen kann es uns gelingen, auf dieser Basis Brücken zu bauen, zweifellos bestehende Probleme auch anzusprechen und viel zu erklären, denn natürlich gibt es Unsicherheiten und Sorgen auf allen Seiten, mit denen wir umgehen müssen. Wir können alle miteinander mithelfen, dass es eben nicht zu einem Kulturkampf kommt, den einige Extremisten auf beiden Seiten in diesen Wochen herbeireden wollen. Hier können wir einen aktiven Beitrag leisten, und zwar genauso, wie es in der Präambel unserer Verfassung steht. Hamburg, steht da, will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern dieser Welt sein. Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser gemeinsamer Auftrag, und daran sollten wir sehr energisch mitarbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Nun bekommt Herr Wersich von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In diesen Tagen sehen wir, dass Gewaltlosigkeit auch in Europa keine Selbstverständlichkeit ist, und dass Hass, Kriegstreiberei und Gewalt nicht für immer verschwunden sind. Der Frieden ist nicht einfach da. Auch der innere Frieden muss von Menschen geschaffen werden, und er muss von Menschen erhalten werden. Und diese Menschen, das sind wir alle. Es ist unser aller Aufgabe, auch den inneren Frieden in unserem Land zu erhalten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dazu müssen wir uns auf unsere Werte besinnen, wir müssen sie definieren, aber wir müssen sie auch verteidigen, gegenüber potenziellen Attentätern genauso wie auch zwischen uns müssen wir diese Werte jeden Tag verteidigen. Es geht um Freiheit und es geht um Respekt. Es geht um die Freiheit des Wortes, aber es geht auch um den Respekt vor den Gefühlen und religiösen Überzeugungen anderer Menschen. Letztlich sind es nur

die Freiheit des Geistes und der Respekt vor dem Nächsten, die es erst möglich machen, einen Ausgleich zwischen den widerstrebenden Interessen und Meinungen der Menschen zu schaffen und gewalttätige Konflikte zu verhindern.

Der Terror in Paris, den wir erlebt haben, ist ein abscheulicher Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit in Europa. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, auch nicht bei unserem Engagement für die Menschen im Nahen und Mittleren Osten. Und wir werden den Extremisten bei uns keinen Platz einräumen. Hamburg und Europa stehen gemeinsam auf derselben Seite, wenn unsere Werte mit Gewalt bedroht werden.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Keine Ideologie, keine Religion und keine Meinung rechtfertigen Gewalt und Terror. Und es ist der Brandanschlag auf die "Hamburger Morgenpost" nicht anders zu bewerten als Brandsätze auf Polizeiautos und Wohnhäuser, wie wir sie vor einem Jahr in Hamburg so oft erlebt haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Auch Gewalt gegen Sachen darf nicht gerechtfertigt werden, und das sage ich ganz bewusst in Richtung der Links-Partei. Auch diejenigen, die eine Diskussionsveranstaltung der "tageszeitung" verhinderten, haben nicht begriffen, worum es bei den europäischen Werten der freien Meinungsäußerung und Demokratie geht.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Dora Heyenn DIE LINKE)