Christiane Schneider

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Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich vertrete den Kollegen Hackbusch.
Ich werde es kurz halten angesichts der gelichteten Reihen.
Frau Vértes-Schütter, Sie möchte ich ausdrücklich erwähnen. Es tut mir nämlich echt leid, aber die Selbstbeweihräucherung der SPD bezüglich der Elbphilharmonie ist nicht nur schwer erträglich, sondern sie ist auch ganz und gar nicht berechtigt.
Die gegenwärtige Fertigstellung ist teuer erkauft. 195 Millionen Euro hat HOCHTIEF dafür zusätzlich von der Stadt bekommen, ohne einen einzigen Stein mehr zu bauen, als HOCHTIEF am Anfang des Projekts zugesagt hat. Damit haben sich die Kosten seit der Machbarkeitsstudie im Jahr 2005 für die Stadt verzehnfacht. Seit dem Vertrag im Jahr 2008 haben sich die Kosten von 143 Millionen Euro auf mindestens 660 Millionen Euro für die Stadt erhöht. Spätestens seit diesem Vertrag hat die Kulturbehörde nichts, aber auch gar nichts dazu gestellt, sprich, HOCHTIEF bekommt für die zugesagte Elbphilharmonie den dreifachen Preis. Daran ist sicherlich vor allem die damalige CDURegierung schuld, die diese Verträge gemacht hat. Deswegen sage ich auch zu Ihrer Rede nichts, Herr Wankum,
aber die SPD hat damals mit ihrer Zustimmung gezeigt, dass sie Opposition nicht kann.
Als Regierung hat sie die Vereinbarung mit HOCHTIEF teuer erkauft, und dann, Frau Vértes-Schütter, möchte ich doch sagen, über Gestaltungskraft und Verlässlichkeit von Politik zu reden, ist – es fehlt mir jetzt das passende Adjektiv.
Die Vereinbarung mit HOCHTIEF ist teuer erkauft, mit Geld, das an allen Ecken und Enden in dieser Stadt fehlt. – Schönen Dank.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich vertrete die Kollegin Özdemir.
Das Hamburg Welcome Center, so ist auf der Webseite zu lesen, wendet sich ausdrücklich an qualifizierte ausländische Zuwanderer – ich zitiere –:
"[…] ausländische Führungskräfte, Expert/ innen, Wissenschaftler/innen, Selbstständige, Künstler und ihre Familien [können] ihre Aufenthalts- und Meldeangelegenheiten direkt im HWC erledigen[…]."
Zitatende.
Im Senatspapier ist zu lesen – ich zitiere wieder –:
"Mit dem HWC soll Hamburg im Wettbewerb der deutschen und europäischen Städte und Wirtschaftszentren um die besten Köpfe und Talente ein attraktives Angebot machen."
Zitatende.
Das ist toll, geradezu beneidenswert. Wer würde sich solch ein attraktives Angebot nicht wünschen? Zum Beispiel die vielen guten Köpfe unter den Mitgliedern der Lampedusa-Gruppe.
Die vielen Talente unter den osteuropäischen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern, die jedoch auf angemessene Bezahlung nicht hoffen können.
Unüberhörbar, unübersehbar sind vergangene Woche, am letzten Samstag, 8000 Menschen von den Landungsbrücken durch die Stadt bis auf den Rathausmarkt gezogen. Es war eine große und großartige Demonstration und ein unübersehbares Zeichen, wie breit und tief die Solidarität in dieser Stadt verankert ist.
Die Forderung der Demonstration war, dass alle, die in Hamburg ein besseres Leben suchen, sich hier tatsächlich auch willkommen fühlen, indem man ihnen das Recht auf Arbeit, das Recht auf menschenwürdiges Wohnen, das Recht, hier zu bleiben, nicht weiter verwehrt. "Never mind the papers".
Diese Rechte müssen für alle gelten, und Sie wissen genau, wie viele Hamburgerinnen und Hamburger sich tagtäglich dafür einsetzen, mit eigenen Mitteln und ohne auf irgendwelche Nachbewilligungen hoffen zu können.
Lassen Sie uns noch kurz über diesen interessanten Faktor Attraktivität reden. Vollkommen unattraktiv macht es eine Stadt, wenn die soziale Infra
struktur weggekürzt wird, angefangen bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und noch lange nicht beendet bei den ständigen Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV. Vollkommen unattraktiv machen eine Stadt unerschwingliche Wohnungspreise und die Tatsache, dass Tausende Menschen wohnungslos sind.
Vollkommen unattraktiv macht eine Stadt das hässliche Gesicht der Armut von vielen Kindern und alten Menschen. Sie möchten bei all der geballten Unattraktivität wegsehen und stattdessen auserlesenen Zuwanderern Ihre Version der heilen Welt vorspielen. Sie setzen lieber auf das Konzept der Zwei-Klassen-Zuwanderung, und genau dafür steht – leider, möchte ich betonen – das Hamburg Welcome Center.
Wir sagen: Eine umfassende Beratung ist der Standard, der für alle Zuwanderinnen und Zuwanderer gelten muss. Wir fordern eine nachhaltige Finanzierung für eine umfassende, rechtliche, soziale, psychologische und medizinische Betreuung von Flüchtlingen. Sie wollen ein Hamburg Welcome Center, wir sagen "Refugees welcome".
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg eine Bemerkung machen, bevor ich auf die Kontroversen zu sprechen komme. Frau Leonhard hat viele gute Worte zu dem Tod des Kindes Yagmur gefunden, denen ich mich ausdrücklich anschließe.
Und als zweite Vorbemerkung: Auch von uns natürlich einen herzlichen Dank an den Arbeitsstab. Ich glaube, das ganze Haus ist einhellig der Meinung, dass er große Unterstützung geleistet hat.
Nun würde ich gern auf die Kontroversen zu sprechen kommen. Von Anfang an waren wir für eine Enquete-Kommission und skeptisch, ob der PUA ein adäquates Mittel ist, um die aus unserer Sicht anstehenden Fragen in der Kinder- und Jugendhilfe zu klären. Vor diesem Hintergrund hatten wir einen Zusatzantrag gestellt, um eine inhaltliche Ausrichtung des PUAs sicherzustellen. Wir haben uns dann um eine konstruktive Mitarbeit im PUA, vor allem um eine fachliche Ausrichtung bemüht. Diese ist nur sehr ungenügend gelungen. Der PUA hat aus Sicht unserer Fraktion viel zu wenig inhalt
lich gearbeitet, sondern bezog sich viel zu sehr auf den Fall und das jeweilige Geschehen.
Die Suche nach Schuldigen hat zu falschen Schlussfolgerungen geführt. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD und der Kitas haben die Aussage verweigert. Das Ergebnis ist: Wieder werden Kontrolle und Dokumentation ausgebaut. Der Überschuss an beidem wurde weiter erhöht. Wieder wird der bestehende Flickenteppich in der Jugendhilfe an einzelnen Ecken um weitere Flicken erweitert. Selbst gemeinsam in die Wege geleitete Fachanhörungen zur Zusammenarbeit von ASD und Kita-Trägern, zu Rückführungskonzepten von Pflegekindern in ihre Herkunftsfamilien und zum Problem der vielen Schnittstellen wurden zu einer Anhörung zusammengezogen. Als alleiniger Schuldige wurde der ASD ausgemacht. Im ASD läuft es nicht rund, aber das liegt an den Bedingungen, unter denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten müssen, und nicht an den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Hohe Fallbelastung, hohe Fluktuation, zu viel an Kontrolle und Dokumentation und eine Software JUS-IT, die die Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frisst, anstatt die Arbeit zu erleichtern. Der ASD braucht unbedingt sofort 50 zusätzliche Stellen.
Mit einem Personalbemessungssystem kann immer noch nachgesteuert werden. Wir wollen langfristig den Umbau des ASD zu einem Fachdienst und den Überschuss an Kontrolle und Dokumentation auf das notwendige Maß zurückführen. Die Software JUS-IT muss überprüft werden, die Jugendhilfeinspektion sollte abgeschafft und das Familieninterventionsteam in die bezirklichen Jugendämter eingegliedert werden. Vor diesem Hintergrund hat unsere Fraktion einen eigenen Minderheitenbericht und eine Broschüre mit 25 eigenen Forderungen vorgelegt. Wir haben bei unserer Arbeit im PUA mit vielen Fachleuten und in der Jugendhilfe engagierten Menschen zusammengearbeitet. Das findet sich in der Broschüre wieder.
Nicht alles, was im Bericht des PUAs steht, ist falsch, aber die Zusammensetzung der Fakten und die inhaltliche Ausrichtung werden weder den Problemlagen der Menschen vor Ort noch den mit dieser Situation konfrontierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerecht. Aus unserer Sicht hat es in diesem Fall ein Gesamtversagen des Systems gegeben. Alle beteiligten Institutionen haben aus ihrer Sicht das Beste gewollt, aber unter den gegebenen schlechten Bedingungen haben sie alle Fehler gemacht. Das gilt auch für die Zusammenarbeit. Viel zu viele Institutionen haben aneinander vorbei gearbeitet. Die Ökonomisierung der sozialen Arbeit führt zu immer neuen Spezialisierungen
und zu einer Entfremdung der zuständigen Institutionen von den Problemen der Menschen vor Ort.
Auch mit der Ökonomisierung der sozialen Arbeit und ihren Auswirkungen auf die inhaltliche Arbeit der Institutionen hat sich weder der PUA "Yagmur – Kinderschutz in Hamburg" noch der Familienausschuss beschäftigt und das, obwohl die SPD zweimal nach Ablehnung unserer Zusatzanträge zum Sonderausschuss Chantal und zum PUA "Yagmur – Kinderschutz in Hamburg" versprochen hatte, das Thema im Familienausschuss zu behandeln.
Aus unserer Sicht muss es nach der Wahl eine Enquete-Kommission geben.
Es muss aufhören, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sich nach dem Tod von fünf Kindern immer noch selbst evaluieren. Das gesamte System muss auf den Prüfstand. Die Fachleute aus der Jugendhilfe müssen einbezogen werden. Die Enquete-Kommission muss sich aus unserer Sicht dabei auch mit den verfestigten Armutsverhältnissen von Familien in vielen Hamburger Stadtteilen beschäftigen. Die soziale Spaltung in dieser Stadt muss auf die Tagesordnung der Kommission. Das ist bei unserem Stadtteilrundgang in Mümmelmannsberg deutlich geworden. In diesem Stadtteil starb Yagmur. Hier fehlt es an vielem. Um nur drei Beispiele zu nennen: Es fehlt an einem Kinderarzt, der ASD ist nicht mehr vor Ort erreichbar und es fehlt an einer Möglichkeit, sich zu treffen. Wir sehen dafür gute Chancen, da SPD und GRÜNE sich für eine solche Kommission ausgesprochen haben, und wir hoffen, dass die SPD und die GRÜNEN sich nach der Wahl noch daran erinnern, dass sie diese vor der Wahl gewollt haben. – Schönen Dank.
Nach Ihrer Rede, Herr de Vries, fehlen mir etwas die Worte.
Das war wirklich allerunterste Schublade, und ich glaube, da höre ich die Sprache der AfD, das will ich ganz deutlich sagen.
Es ist schön, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD klatschen, aber ich schließe mich Frau Möller ausdrücklich an. Wir hatten zuerst wirklich überlegt, ob man dem Antrag zustimmen kann, und dann dachten wir, dass das doch nicht geht, denn es sind schöne Worte, aber die Taten sind dann andere. Dann haben wir überlegt, ob wir uns enthalten. Wir sind dann dazu gekommen, dass wir
uns nicht enthalten, sondern dass wir diesen Antrag ablehnen, weil Sie die Debatte nicht ermöglichen. Ich finde den Antrag auch nicht aufrichtig. Ich will das an einem Beispiel benennen, genau am Beispiel dieser straffällig gewordenen, wirklich sehr problematischen jungen Flüchtlinge, die jetzt auf den Bullerdeich 6 verlegt werden sollen.
Der Bullerdeich 6 ist ein Recyclinghof, er ist umgeben von verfallenen Lagerhallen. Es gibt keine Freizeiteinrichtung in der Gegend.
Ich weiß nicht, was für Schlussfolgerungen Sie daraus ziehen.
Es gibt keine Freizeiteinrichtungen, aber es gibt in relativ enger Nachbarschaft – der Senat sagt, einen Kilometer entfernt – einen Straßenstrich mit seiner gesamten Problematik und natürlich auch der Gefahr, dass Jugendliche direkt in die kriminelle Karriere hineingedrängt werden. Das ist kein Standort, an dem man minderjährige, jugendliche Flüchtlinge unterbringen sollte.
Erst recht nicht, weil der Senat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage von uns im Juni 2014 noch geantwortet hat, dieser Recyclinghof Bullerdeich 6 sei für eine wohnähnliche Nutzung ungeeignet und werde nicht weiter geprüft. Nun aber wird gerade die Unwohnlichkeit dieses Standorts als Ausgangspunkt eines angeblich pädagogischen Konzepts genommen. Dieses Konzept heißt Belohnen und Strafen, und es wird tatsächlich argumentiert, dass die Jugendlichen sehen sollten, wie schlecht es ihnen dort ginge, wie isoliert sie seien, wenn sie straffällig werden. Und wenn sie sich besser benehmen, dann kommen sie erst einmal von einem Zweier-Container in einen Einer-Container. Irgendwann kommen sie dann auch noch in ein anderes Gebiet. Ich sage Ihnen, das ist kein Konzept, das ist keine Hilfe und Unterstützung, das ist kein pädagogisches Konzept, sondern es bedeutet einfach Isolieren, Belohnen und Strafen. Das zeigt, dass wir gegenüber diesen im Großen und Ganzen traumatisierten und sehr problematischen – das will ich gar nicht bestreiten – Jugendlichen als Gesellschaft versagen, wenn wir das machen.
Ich will auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der mir sehr wichtig ist. Ich hatte in der Schriftlichen Kleinen Anfrage gefragt, welches Sicherheitskonzept es gibt. Das ist nämlich ein sehr unwegsames Gelände. Der Senat antwortete, ich solle einmal in die Schriftliche Kleine Anfrage von Herrn de Vries schauen. Da geht das Sicherheitskonzept, die Sicherung der kleinen Betriebe, die es in der Nachbarschaft gibt, diesen Jugendlichen vor. Das ist
auch ein Gesichtspunkt, das will ich nicht bestreiten. Aber ich hatte etwas anderes im Auge. Ich schaue mir ab und an die Seite einer Partei an, die am Samstag hier in der Innenstadt provoziert. Sie hat eine Karte von Hamburg mit sämtlichen Unterkünften. Und wir alle wissen, dass von dieser Partei, die es hoffentlich nicht mehr lange gibt, ständig eine Gefährdung für die Unterkünfte ausgeht. Ich halte es für eine wirklich große Gefährdung, wenn man Jugendliche in solch ein Gebiet bringt und nicht einmal ein Sicherheitskonzept hat, gar nicht auf den Gedanken kommt, dass das gefährlich ist.
Deswegen appelliere ich wirklich dringend an Sie – wir bieten gern Unterstützung an, und es gibt viele Fachleute und Fachverbände –: Arbeiten wir an einem pädagogischen Konzept. Natürlich müssen wir potenzielle Opfer schützen, darin bin ich völlig mit Ihnen einig.
Mit Ihnen bin ich überhaupt kein bisschen einig.
Mit Ihnen bin ich völlig einig, das brauchen wir, aber wir dürfen diese Politik der Isolierung und der Gefahrenaussetzung von Jugendlichen einfach nicht betreiben.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Sie haben es vielleicht mitbekommen, im Dezember demonstrierten Angehörige und Freunde der verschleppten und ermordeten Studenten aus Iguala im mexikanischen Bundesstaat Guerrero vor der Deutschen Botschaft. Auf einem ihrer Transparente war zu lesen – ich zitiere –:
"Eure Waffen haben meine Brüder getötet. Wir wollen sie lebend zurück."
Zuvor hatte die Untersuchung der Leiche eines aufgefundenen, ermordeten Studenten ergeben, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem G36-Sturmgewehr von Heckler & Koch getötet worden war. Das Massaker an den Studenten warf ein Schlaglicht nicht nur auf die Komplizenschaft von Regierung, Polizei und organisierter Kriminalität in Mexiko, sondern auch auf die Rolle und Problematik deutscher Waffenexporte.
2007 hatte Heckler & Koch mehr als 9000 dieser Sturmgewehre an Mexiko geliefert. Zwar hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nur zugestimmt, nachdem vier Bundesstaaten, darunter Guerrero, von der Liste gestrichen worden waren, doch landete die Hälfte der Waffen in den vier verbotenen Provinzen.
Vor ziemlich genau elf Monaten haben wir in der Bürgerschaft eine Debatte über die Problematik von Rüstungsexporten und über die Notwendigkeit eines restriktiven Rüstungsexports…
Können Sie ein bisschen leiser reden, Herr Roock? Störe ich Sie, Herr Roock?
Okay.
Wir haben eine Debatte über die Notwendigkeit eines restriktiven Rüstungsexportgesetzes geführt. Ich erinnere mich gut, sie war zumindest von den drei Fraktionen auf der linken Seite des Hauses engagiert geführt worden, und ich erinnere mich auch gut an Ihre engagierte Rede, Herr Rose. Von diesem Engagement ist in der Folgezeit leider nichts übrig geblieben. Die Anträge der GRÜNEN und der LINKEN wurden an den Wirtschaftsausschuss überwiesen und schlummerten dort viele Monate. Als sie dann im November endlich debattiert wurden, war es mit dem Engagement nicht mehr weit her. Die GRÜNEN waren zur Begründung und Verteidigung ihres eigenen Antrags nicht einmal anwesend. Die SPD ersetzte alle Forderungen unserer Anträge – also die Anträge der GRÜNEN und der LINKEN – durch die Aufforderung, der Senat solle sich für eine strenge Rüstungsexportkontrolle, für den Ausschluss von Rüstungsexporten zum Beispiel in Länder, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden, oder für das Verbot des Exports von kleinen und leichten Waffen einsetzen. Unsere Forderungen wurden also durch zahnlose, unverbindliche Formulierungen oder sogar de facto gegenteilige Forderungen ersetzt. So solle der Senat die Bundesregierung – heißt es dann im Petitum der SPD – bei ihrer Reduzierung von Rüstungsexporten in ge
eigneter Weise unterstützen. Das finde ich fast schon zynisch.
Von einer Politik der Bundesregierung, Rüstungsexporte zu reduzieren, kann kaum die Rede sein, auch wenn der Umfang der Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2014 gegenüber dem Vorjahr etwas zurückgegangen ist. Alarmierend ist aber, dass der Anteil der Drittländer bei den Einzelausfuhrgenehmigungen seit Jahren steigt, und zwar absolut und relativ, und auch 2014 weiter angestiegen ist. Dieser Anteil lag im 1. Quartal des vergangenen Jahres bei 63,5 Prozent gegenüber 50 Prozent im Vorjahreszeitraum.
Zu den Drittländern gehören nicht nur Mexiko, dazu gehören auch und vor allem Länder wie SaudiArabien oder Katar, Länder mit extrem autoritären Regimen. Aber nicht nur das. Es sind auch Länder, aus denen dem IS viele Millionen zugeflossen sind – über einen langen Zeitraum. Auch diese Terrororganisation, der IS, verfügt verschiedenen Berichten, Bildern und Videos zufolge über deutsche Waffen, zum Beispiel ältere Fabrikate deutscher Handgranaten, von denen unklar ist, aus welchen Beständen sie stammen und wie genau sie den Weg zum IS gefunden haben. Aber das ist doch das Problem, sind die Waffen erst einmal in der Welt, ist nichts mehr zu kontrollieren.
Nichts aus den Anträgen der GRÜNEN und von uns, die im Ausschuss abgelehnt worden sind, hat sich erledigt, wirklich nichts. Deshalb haben wir diese Debatte heute erneut angemeldet und dazu auch einen neuen Antrag eingebracht. Unsere regelmäßige Abfrage nach dem Umschlag tödlicher Fracht, die über den Hamburger Hafen in die Welt gelangt, ergibt bei leichten Schwankungen im Vierteljahresrhythmus eine steigende Tendenz, und zwar über einen größeren Zeitraum, seit wir das nämlich abfragen.
Bei unserer letzten Anfrage Mitte Januar lag die Zahl der Munitionscontainer um 35 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Der Senat und auch die SPD berufen sich darauf – man kann es im Ausschussbericht nachlesen –, dass Hamburg für die Waffenexporte über den Hamburger Hafen nicht zuständig sei. So leicht kann man sich das nicht machen.
Schon gar nicht, wenn die Stadt sich per Verfassung auf die durch Geschichte und Lage zugewiesene besondere Aufgabe verpflichtet, im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt zu sein. Die allererste Frage ist doch: Was will eigentlich die Hamburgische Bürgerschaft? Bekennt sie sich und setzt sie
sich gegenüber der Bundesregierung für die ausschließlich friedliche und zivile Nutzung des Hamburger Hafens ein? Oder will sie sich in ihrer Mehrheit nicht dazu bekennen? So oder so, die Bürgerschaft muss Farbe bekennen, deshalb wollen wir diesen Punkt unseres Antrags auch getrennt abstimmen lassen.
Wie viele der deutschen Rüstungsartikel, die Kriege und Konflikte befeuern, gelangen über den Hamburger Hafen in die Welt? Für die öffentliche Meinungs- und Willensbildung ist größtmögliche Transparenz wichtig. Oder glauben Sie etwa, das interessiert die Öffentlichkeit nicht? Man könnte annehmen, dass Sie darauf setzen, denn der Einladung zu einer übrigens wirklich gut besuchten und sehr interessanten Veranstaltung des Ökumenischen Forums HafenCity zu Rüstungsexporten sind nur die GRÜNEN und die LINKEN gefolgt. Die anderen waren einfach nicht da. Das Thema Waffenexporte ist in der öffentlichen Debatte, es wird darin bleiben, und es wird an Bedeutung eher zuals abnehmen. Da lässt DIE LINKE nicht locker.
Es geht also um Transparenz. Den Umschlag von Munition fragen wir regelmäßig ab. Diese Informationen will der Senat zukünftig über das Informationsregister öffentlich machen. Das ist gut, aber in der Sache natürlich kein wesentlicher Fortschritt. Wichtiger ist, was der Senat bisher unternommen hat, um Daten über Waffenexporte über den Hafen vom Bundesfinanzministerium, dem Statistischen Bundesamt und den Zollbehörden zu erhalten. Welches Ergebnis hatte das? Was soll veröffentlicht werden? Hier geht es nämlich nicht nur – in Anführungszeichen – um Munition, sondern tatsächlich um die Waffen, um Panzer et cetera.
Selbst unterhalb der Ebene einer möglichen Teilentwidmung des Hafens für Rüstungsexporte – wir fordern das – gibt es viel zu tun. Und das gilt nicht nur für den Bereich der Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen, sondern ebenso für den weiten Bereich der Rüstungsproduktion, auch in Hamburg. Mein Bundestagskollege Jan van Aken hat durch eigene Recherche
93 Unternehmen in Hamburg und im Umland ausfindig gemacht, die in das Geschäft mit dem Tod verstrickt sind. Und er hat es in einem Rüstungsindex zusammengefasst, den kann jeder im Internet finden.
Wir kennen das Argument Arbeitsplätze. Deshalb fordern wir auch eine aktive Politik des Senats, Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspolitik sind ausschließlich auf die Ansiedlung ziviler Industrieproduktionen auszurichten.
Unterstützen Sie Hamburger Unternehmen und Beschäftigte, die nach Alternativen zur Rüstungsproduktion suchen. Schaffen Sie mit einem Konversionsprogramm Anreize zur Konversion.
Es gibt so viel zu tun, gerade in Zeiten, in denen sich kriegerische Konflikte ausweiten, auch deshalb, weil es allen Konfliktparteien und auch Terrororganisationen wie dem IS so leichtfällt, sich zu bewaffnen. Setzen Sie heute ein Zeichen, nehmen Sie die Verfassung ernst. Hamburg soll im Geiste des Friedens Mittlerin sein und sich weltweiter Aufrüstung und Ausweitung von Kriegen mit allen seinen Mitteln verweigern.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Wie wollen wir leben? Wie wollen wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, die auf die Kooperation der Mitglieder angewiesen ist wie keine Gesellschaft zuvor? Die Gesellschaft, in der wir leben, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Sie ist bunt und vielfältig, fast so bunt und vielfältig wie die Welt. Es gibt keine vernünftige Alternative zum Zusammenleben, keine Alternative dazu, dieses Zusammenleben solidarisch und friedlich zu gestalten.
Wir sind, mit allen Unterschieden, eine Gesellschaft. Alle angeblichen Alternativen für Deutschland, die die Vielfalt der Gesellschaft infrage stellen, zerstören den Zusammenhalt, bereiten der Gewalt den Boden und drohen, in Barbarei zu münden.
Von zwei Seiten droht dem friedlichen Zusammenleben gegenwärtig große Gefahr. Zum einen von Bewegungen wie al-Qaida oder IS, die auch in dieser Stadt Anhänger und Anhängerinnen werben und für ihren terroristischen Kampf rekrutieren. Die Vernichtungswut dieser Bewegungen richtet sich gegen alle, die nicht ins eigene Weltbild passen, gegen Nichtgläubige, gegen Andersgläubige, gegen Menschen gleichen Glaubens, die sich ihnen nicht unterwerfen. In ihr Weltbild passt nichts Buntes, nichts Vielfältiges, nichts Freies und nichts Kritisches. Zum anderen droht Gefahr von Bewegungen wie Pegida, Legida, Bagida oder wie sie sonst noch heißen, Bewegungen, die glauben, vor der Islamisierung des Abendlandes warnen zu müssen.
Der französische Philosoph Sartre sagte einmal über den Antisemitismus, dass er mehr über den Antisemiten als über den Juden aussage. Ähnlich ist es mit der Islamophobie. Die Islamophobie erklärt nichts über den Islam, nichts über Muslime, nichts darüber, was in der Welt und in den muslimischen Gemeinden hier in Deutschland, hier in Hamburg stattfindet, aber viel darüber, was in einigen Teilen der Gesellschaft los ist. Viele Menschen kommen mit den erfahrenen Brüchen nicht klar, mit der Globalisierung, den krisenhaften Entwicklungen, dem zunehmenden Verlust der Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen und den Veränderungen der selbst erfahrenen Umwelt, Veränderungen auch durch Einwanderung.
Das ist der Boden, den rechte Parteien wie die AfD beackern und auf dem Bewegungen wie Pegida aufkommen. Diese Bewegungen begreifen Vielfalt und Buntheit der Gesellschaft als Bedrohung, und sie bedrohen sie. Sie sehen sich durch die Terrorakte in Paris bestätigt und tun so, als hätten sie mit der Zurückdrängung der vermeintlichen Islamisierung die Lösung für das Problem. Das Gegenteil ist der Fall. Auch diese Bewegungen verfolgen das Ziel einer homogenisierten, also nicht bunten, nicht vielfältigen Gesellschaft. Sie stellen die Gleichwertigkeit und die gleichen Grundrechte aller hier lebenden Menschen grundsätzlich infrage. So treiben sie dem IS oder al-Qaida eher Anhänger zu, als dass sie ihnen das Wasser abgraben. Diesen Bewegungen geht es nicht um Lösungen vermeintlicher oder wirklicher Probleme, sondern um Mobilisierung des Ressentiments gegen große Teile der Gesellschaft.
Wir sind froh, dass sich Woche für Woche viele Menschen dieser Mobilisierung entgegenstellen und aller Welt zeigen, dass sie die Vielfalt unserer Gesellschaft und die Rechte aller Menschen verteidigen.
Sie zeigen, dass die politische Trennlinie in diesem Land nicht zwischen uns, den Herkunftsdeutschen, und den Migrantinnen und Migranten der ersten, zweiten, dritten oder gar vierten Generation verläuft, sondern dass diese politische Trennlinie zwischen denen verläuft, die die gesellschaftliche Realität anerkennen und sie solidarisch gestalten, und denen, die sich dieser Realität verweigern und die Vielfalt aus der Gesellschaft ausschließen wollen. Mit ihnen müssen wir die Auseinandersetzung hart und unerbittlich führen, auch mit eigenen Wählerinnen und Wählern übrigens.
Aber niemand von uns hat Grund, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Sowohl die Anziehungskraft jihadistischer Strömungen, vor allem auf Jugendliche, als auch die sozialen Ängste vieler Menschen, die von rechten Parteien und Agitatoren aufgegriffen und mobilisiert werden, haben Ursachen. Sie verweisen auf soziale Zerwürfnisse, auf Ausschlussmechanismen, darauf, dass viele, vor allem migrantische Jugendliche, wirtschaftlich abgehängt, sozusagen überflüssig sind auf Diskriminierung und schwer überwindbare Barrieren beim Zugang zu demokratischer Teilhabe. Sie verweisen uns auch auf Fehler, Versäumnisse und Versagen von Politik. Wenn wir über das, was der Titel dieser Aktuellen Stunde aussagt, einig sind, werden wir uns über die politischen Schlussfolgerungen daraus dann gern auch weiterhin streiten.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich möchte es kurz machen. Klar ist, dass die relativ große Einigkeit, die wir in der ersten Debatte hatten, hier nicht existiert. Deshalb werde ich mich in der Bewertung auch nicht zurückhalten.
Der Senat behauptet – und Sie, Herr Schäfer, haben es eben noch einmal ausgeführt –, er prüfe je
den Fall und berücksichtige die Umstände. In der letzten Woche wurde die Familie Seferovic mit zwei Kindern, ein fünfjähriges Mädchen und ein acht Monate alter Säugling, abgeschoben – mitten im Winter und obwohl bekannt war, dass sie keine Unterkunft hat. Wir haben Kontakt mit der Familie aufgenommen; in der ersten Nacht konnte sie bei ehemaligen Nachbarn unterkommen, aber ihre Zukunft ist ungewiss, die Obdachlosigkeit sicher. Ein Einzelfall? Das wäre schlimm genug. Dieser Fall ist aber nur einer unter mehreren, die mir persönlich bekannt werden, weil mich verzweifelte Menschen und ihre Unterstützer in den vergangenen Wochen relativ häufig aufgesucht haben Der Senat prüft nicht einmal jeden einzelnen Fall. Er berücksichtigt die Umstände nicht. Sie sind ihm, ehrlich gesagt, egal.
Schon gar nicht konnte sich der Senat entschließen, einen generellen Winterabschiebestopp zu beschließen, wie es Schleswig-Holstein und Thüringen taten. Ich will gar nicht mit Thüringen argumentieren, ich argumentiere mit Schleswig-Holstein. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Albig, SPD, sagte zur Begründung des Winterabschiebestopps – ich zitiere –:
"Das entspricht unserem humanen Wertegerüst, dass wir dorthin nicht abschieben, wo Kälte und Situationen, in denen die Kälte unmenschlich werden kann, warten."
Zitatende.
Dieses humane Wertegerüst fehlt dem Senat in Hamburg.
Der schleswig-holsteinische Innenminister Studt, auch SPD, stoppt bis zum 31. März Abschiebungen in Länder – ich zitiere ihn –:
"[…] in denen wegen winterlicher Verhältnisse eine Rückkehr in Sicherheit und Würde nicht gewährleistet ist."
Zitatende.
Für den Senat spielen Sicherheit und Würde keine Rolle.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Frau Jochims, forderte im Dezember von Innensenator Neumann einen Winterabschiebestopp – ich zitiere sie –:
"Beim Winterabschiebestopp geht es […] um humanitäre Hilfe für Menschen angesichts der Kälte."
Zitatende.
Auch das Gebot der humanitären Hilfe spielt beim Senat keine Rolle.
Der Leiter des Diakonischen Werks Hamburg, Landespastor Dirk Ahrens, erklärte – ich zitiere –:
"Wir dürfen nicht riskieren, dass Flüchtlinge abgeschoben werden und dann erfrieren."
Zitatende.
Er fährt fort, dass das, was für Schleswig-Holstein möglich sei, in Hamburg genauso selbstverständlich sein sollte. Das ist es leider nicht. Der Hamburger Senat nimmt das Risiko des Erfrierens in Kauf. Wollen Sie das wirklich auf sich sitzen lassen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Tagen von den Medien verschiedentlich kritisiert worden, dass die Haushaltsdebatte langweilig sei. Ehrlich gesagt trifft das auch teilweise zu. Aber in der Debatte über den Justizhaushalt finde ich, dass Polemik und eine Zuspitzung, die nicht an der Sache orientiert sind, wirklich problematisch ist, und deshalb freue ich mich, dass diese Debatte ein bisschen langweilig, das heißt, sachlich ist. Im Großen und Ganzen ist das eine sachliche Debatte, und darüber bin ich froh. Denn hier geht es vor allem um eine der schwierigsten gesellschaftlichen Problematiken, nämlich um die Aufarbeitung und
Bewältigung von Konflikten und Schuld, um den schwerwiegendsten Grundrechtseingriff, nämlich Freiheitsentzug, der nur akzeptabel ist, wenn gleichwohl die Menschenwürde gewahrt bleibt und die Betroffenen eine Perspektive auf bestmögliche Wiedereingliederung in die Gesellschaft haben.
Ich möchte mich zu drei Komplexen äußern; ich muss meine Zeit mit Frau Artus teilen und kann deshalb nicht zu allem sprechen, zu dem ich gerne sprechen würde.
Mein erster Punkt ist die Situation der Gerichte. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Die Situation an den Gerichten mag im Einzelnen unterschiedlich sein, die Tendenz insgesamt ist jedoch eindeutig: Die Belastung hat gegenüber dem letzten Doppelhaushalt zugenommen. Teilweise nimmt die Zahl der Verfahren zu, auf jeden Fall aber nimmt die Komplexität der Verfahren zu, eigentlich in fast allen Bereichen. Dem wird der Haushaltsansatz nicht gerecht. Die außerordentlich hohe und weiter steigende Belastung der Richterinnen und Richter und, nicht zu vergessen, der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Gerichten ist in der Debatte um den Justizhaushalt sehr deutlich geworden. Das birgt – jetzt überspitze ich ein bisschen, aber es zeigt doch die gefährliche Tendenz – eine große Gefahr. Das Vertrauen in die Regeln einer demokratischen Gesellschaft lebt davon, dass diese Regeln für alle gleich gelten, unabhängig vom Einkommen und vom gesellschaftlichen Status. Wenn Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, die der Gesellschaft meist riesigen Schaden zufügen, wegen unzureichender Ausstattung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften oder auch, wie wir gestern gehört haben, der Kriminalpolizei häufig nicht ausreichend aufgeklärt werden können, wenn andererseits die Sozialgerichte, die mit einem seit Jahren andauernden Anstieg von Klagen die Folgen rechts- und sozialpolitischer Fehlentscheidungen zu tragen haben, Klagen nicht mehr zeitnah abarbeiten können und die Betroffenen mit überlangen Verfahrensdauern und oft damit verbundenen großen Notlagen zahlen, dann gelten diese Regeln de facto eben nicht für alle gleich.
Es gibt verschiedene Anträge zur Aufstockung der Gerichte. Für uns ist es inakzeptabel, wenn die CDU die Verwaltungsgerichte stärken und das durch Kürzungen bei den Ausgaben für die öffentliche Unterbringung finanzieren oder die SPD dasselbe durch Kürzungen bei Transferleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber erreichen will. Das sind keine Lösungen.
Mein zweiter Punkt ist die Wiedereingliederung von Gefangenen in die Gesellschaft. Zwar sind die
schlimmen Zeiten von Kusch und Co. vorbei, aber leider fehlt der SPD zwar nicht das Gottvertrauen, dass Resozialisierungsmaßnahmen auch weiterhin aus EU-Fonds finanziert werden, jedoch der Mut für neue reformerische Anläufe bei der Resozialisierung. Eine große Chance haben Sie, Frau Senatorin, mit der resozialisierungsfeindlichen Entscheidung vertan, den Frauenvollzug nach Billwerder zu verlegen – gegen die Kritik praktisch aller Fachleute
und gegen die gesamte Opposition, und zwar aus Kostengründen, weil Sie damit angeblich Geld sparen. Sie hätten die Chance gehabt, überzählige Haftplätze zum Ausbau des offenen Vollzugs zu nutzen
dann sage ich zum ausreichenden Ausbau –, und damit die Bedingungen verbessern können, die dazu beitragen, dass Inhaftierte nach Verbüßung der Haft ein straffreies Leben führen können. In Ihren vier Jahren herrscht im Strafvollzug leider Stillstand und Mangelverwaltung: unzureichende Therapieangebote, unzureichende Entlassungsvorbereitung, unzureichende Unterstützung nach der Entlassung, vor allem im Hinblick auf Arbeit und Wohnen.
Frau Senatorin, Sie haben einige bundesweite Initiativen zum Thema Gleichstellung ergriffen, aber keine Initiative zur Verbesserung der Resozialisierungsbedingungen. Ich will nur daran erinnern, dass der 37 Jahre alte Auftrag des Gesetzgebers, Gefangene in die Sozialversicherung einzubeziehen, noch immer nicht umgesetzt ist. Ergreifen Sie hier auf Bundesebene die Initiative, es wird Zeit.
Ich möchte diese beiden ersten Punkte zusammenfassen. Wenn Sie im Justizhaushalt weiter kürzen, dann werden Sie am Ende entlassen müssen, und zwar Richter oder Gefangene oder beides.
Mein dritter Punkt. Die Auseinandersetzung um den Umgang mit ehemaligen Sicherungsverwahrten liegt nun schon etwas zurück, aber sie war eine wichtige Auseinandersetzung. Wir von der LINKEN teilen die Auffassung von Justizsenatorin und SPD zur Sicherungsverwahrung nicht, ich möchte aber im Rückblick ausdrücklich sagen, dass wir anerkennen, dass die Behörde und der Senat im Wesentlichen nicht zurückgewichen sind vor gesellschaftlichen Ängsten und Ressentiments, sondern eine im Großen und Ganzen akzeptable Lösung gesucht haben. Manchmal gibt es auch für eine so grundsätzlich angelegte Oppositionspolitik, wie wir von der LINKEN sie machen, gute Gründe, Regie
rungspolitik mit eigenen Initiativen kritisch zu unterstützen. Das haben wir in dieser Sache getan.
Leider bleibt mir nicht die Zeit, die Notwendigkeit einer Stärkung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu begründen, wir unterstützen jedoch die diesbezüglichen Anträge von GRÜNEN und FDP. – Schönen Dank.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich werde mich im Wesentlichen auf zwei Komplexe beschränken und vorweg nur Folgendes sagen: Was zur Flüchtlingspolitik zu sagen ist, hat Frau Möller meines Erachtens gesagt, deshalb werde ich mir das schenken.
Was den Verfassungsschutz angeht, Herr van Vormizeele, so haben Sie Ihre Rede aus den letzten Haushaltsberatungen wiederholt. Ich habe Ihnen darauf schon geantwortet, aber es ist vergebene Liebesmüh, wenn ich das jetzt noch einmal mache.
Ich wundere mich allerdings, dass die SPD klatscht, denn wir wären schon zufrieden, wenn Sie die V-Leute abschalten, so wie es Ihr Innenminister in Thüringen jetzt macht. Das wäre für uns schon ganz gut.
Ich will auf zwei Komplexe eingehen, erstens die Polizei. Da finde ich die Bilanz ebenfalls sehr schlecht, im Gegensatz zu Herrn Voet van Vormizeele allerdings aus entgegengesetzten Gründen und aus ganz anderen Gesichtspunkten heraus, nämlich aus grundrechtlichen Gesichtspunkten. Nach Ihren Vorgängern von Schill bis Ahlhaus, Herr Senator, hätten Sie die Chance und die Aufgabe gehabt, einen Kurswechsel einzuleiten und die Polizei zu einer wirklich modernen Großstadtpolizei zu entwickeln. Sie hätten eine Entwicklung einleiten können weg von einer Mentalität, in der die Bürgerinnen und Bürger weit im Vorfeld konkreter Gefahren vor allem als eines gesehen werden, nämlich als potenzielle Störer. Dieses generelle Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern haben Sie von der CDU in Ihrer Regie
rungszeit enorm befördert. Sie haben beispielsweise damals der Polizei weitere nachrichtendienstliche Mittel zur Überwachung in die Hand gegeben und sie mit starken Befugnissen zur Überwachung und Kontrolle weit im Vorfeld der Gefahrenabwehr ausgestattet. Sie haben die gesetzliche Ermächtigung der Polizei geschaffen, Gefahrengebiete einzurichten, die dann natürlich häufig davon Gebrauch gemacht hat. Sie, Herr Neumann, hätten diesen Kurs ändern können – sicher nicht von heute auf morgen, sicher nicht um 180 Grad, aber Sie hätten damit anfangen können, zum Beispiel bei der Novellierung der Polizeigesetze. Das haben Sie nicht getan.
Dazu haben Sie nicht den Willen und auch nicht die Kraft gehabt. Sie haben nicht den Willen, weil Sie der Auffassung sind – das ist im letzten Jahr sehr deutlich geworden –, dass es in Hamburg keine politischen Konflikte gibt. Das konnten Sie vor knapp einem Jahr gar nicht oft genug betonen. Da es aber natürlich politische und soziale Konflikte gibt – wie denn auch nicht –, haben Sie damit nichts anderes zum Ausdruck gebracht als Ihren Kurs, Konflikte ordnungspolitisch lösen zu wollen, also zuallererst mit der Polizei.
In den letzten vier Jahren ist, zugegeben, die Anzahl eingerichteter Gefahrengebiete zurückgegangen. Aber während Ihrer Amtszeit hat die Polizei das bisher mit Abstand größte Gefahrengebiet errichtet als Demonstration polizeilicher Stärke und als Demonstration, dass Ihr erstes Mittel bei politischen und sozialen Konflikten eben die Polizei ist. Das ist verhängnisvoll.
Ein Problem dabei ist, dass Sie in dem Maße, wie Sie im Zuge der Umsetzung der Schuldenbremse die soziale Infrastruktur gefährden, die Polizei ausbauen und ausbauen müssen. Das ist eine Verschiebung von Geldern aus der Sozial- in die Innenbehörde zulasten aller Beteiligten, auch der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Wenn Sie aber die Polizei in allererster Linie als ordnungspolitisches Instrument zur Behandlung von Konflikten ansehen, dann ist auch klar, warum Sie der Tendenz zur Verselbstständigung der Polizei nicht entgegenarbeiten, sondern ihr nachgeben. In Bezug auf die Polizei nämlich scheint es weder bei der CDU noch bei Ihnen das Primat der Politik zu geben. Alle Versuche, die demokratische Kontrolle der Polizei zu stärken, wurden auch während Ihrer Amtszeit rigide abgeblockt. Das gilt für die individuelle Kennzeichnungspflicht für alle Polizeibeamtinnen und -beamten, also auch in geschlossenen Einheiten. Ich weiß nicht, als wievieltes Bundesland Hessen jetzt die Kennzeichnung auf den Weg bringt. In Hamburg legten und legen die Polizeigewerkschaften und der Personalrat der Polizei ihr Veto ein, und Ihnen fehlen dann der Wille und die
Kraft, diesen Schritt hin zu einer modernen Großstadtpolizei zu machen, zu einer Polizei, der die Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe begegnen.
Ähnliches gilt für die Problematik, dass weder Bürgerinnen und Bürger noch Polizeibedienstete die Möglichkeit haben, bei einer unabhängigen Einrichtung Beschwerden über polizeiliches Handeln oder über Probleme innerhalb der Polizei loszuwerden. Selbstverständlich werden wir deshalb den Antrag der GRÜNEN als einen Schritt in diese Richtung unterstützen.
Die reflexartige Abwehr der Kontrolle der Polizei zeigt sich übrigens auch in der Abwehrhaltung gegenüber wissenschaftlichen Evaluationen, also einer menschenrechts- und rechtsstaatorientierten Bewertung von gesetzlichen Regelungen und polizeilichen Instrumenten, wie wir im Zusammenhang mit der Einführung von Body-Cams – Frau Möller hat es angesprochen – für die Polizei gerade gesehen haben. Angesichts des jüngst bekannt gewordenen Skandals um eine verdeckte Ermittlerin beziehungsweise Aufklärerin oder beides sind wir der Auffassung, dass dieses nachrichtendienstliche Instrument der verdeckten Ermittlung dringend evaluiert werden muss.
Wir stellen verdeckte Ermittlungen durch die Polizei nicht grundsätzlich infrage, aber uns ist wichtig, dass diese Großstadtkeule, dieser große Eingriff in die Privatsphäre von Menschen in ihre Grundrechte, nicht beliebig und vor allem nicht auf fragwürdiger rechtlicher Grundlage eingesetzt werden kann.
Ich komme zum Thema Geld. Weil für Sie, Herr Senator, wie für Ihre Vorgänger die Polizei ein wesentliches Mittel bei sozialen und politischen Konflikten ist, weil Sie wie Ihre Vorgänger darauf verzichten, die Polizei politisch zu leiten, lassen Sie sich vieles von der Polizei diktieren. Wenn von der Polizei die Forderung nach x-Millionen für Ausrüstung erhoben wird, dann sind die x-Millionen mit einem Mal vorhanden. Und sagen Sie nicht, sie sind deshalb vorhanden, weil sie benötigt werden. So verhält es sich nämlich nicht.
Für die Feuerwehr, den anderen großen Bereich in Ihrer Behörde – und damit bin ich beim zweiten Punkt – ist das Geld für dringend benötigte Ausrüstungen, für ausreichendes Personal oder eine gute Standortstruktur nämlich nicht da, jedenfalls nicht ausreichend. Die Feuerwehr ist in der Phase der Umstrukturierung, und sie leistet große Anstrengungen bei der Umstellung auf das neue Schutzziel kritischer Wohnungsbrand. Das selbst gesteckte Ziel ist es, mittelfristig bei 85 Prozent der Einsätze den Einsatzort innerhalb von 8 Minuten mit mindestens zehn Funktionen und innerhalb von 13 Minuten mit mindestens 16 Funktionen zu errei
chen. Längerfristig muss dieses Ziel sogar bei 95 Prozent der Einsätze erreicht werden. Von diesem Ziel ist man noch weit entfernt, aber seit Beginn der Umstellung hat die Feuerwehr einiges erreicht. Doch die Erreichung des Ziels stößt an Grenzen, wenn die finanziellen Ressourcen nicht ausreichen, wenn Personal fehlt, wenn der Erreichungsgrad auf Kosten der Aus- und Fortbildung erhöht wird oder wenn die Standortstruktur unzureichend ist, weil Wachen fehlen.
Eine gut funktionierende und ausreichend ausgestattete Feuerwehr ist ein wichtiger Bestandteil einer dem Gemeinwohl dienenden öffentlichen Infrastruktur. Sie ist ein wichtiges Element der öffentlichen Daseinsvorsorge, denn sie dient dem Schutz des Lebens und der Sachwerte in Gefahrensituationen. Deshalb fordern wir, dass in den nächsten zwei Jahren 144 neue Stellen – und das sind die Stellen, von denen der Berufsverband der Feuerwehr errechnet hat, dass sie fehlen – geschaffen werden, damit die Erreichung des Schutzziels keine Utopie bleibt.
Und wir fordern, dass Sie endlich mit dem Bau neuer Wachen beginnen. Das ist keine Aufgabe, die auf einen Schlag erreicht werden kann, aber Sie müssen endlich damit anfangen.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Ich habe mich gemeldet, um zu begründen, warum wir heute buchstäblich in letzter Minute noch einen Zusatzantrag zu einem Antrag der CDU eingereicht haben. Im Gesamtzusammenhang des Haushalts geht es um einen kleinen Punkt, aber er ist wichtig für die Qualität unserer eigenen Arbeit als Legislative. Es geht um die zumindest teilweise Beseitigung der Unterbesetzung der Bürgerschaftskanzlei. Wir hatten im Ältestenrat vereinbart, dass es einen Vorschlag geben sollte, wie man diesem Problem zu Leibe rückt. Es gab dann auch zwei Vorschläge: erst einen von uns, dann hat die SPD einen Kompromissvorschlag gemacht. Wir haben sofort signalisiert, dass wir diesen Vorschlag unterstützen. Wir hätten uns mehr gewünscht, aber egal, wir haben
diesen Kompromissvorschlag unterstützt. Die GRÜNEN hatten von Anfang an signalisiert, dass sie das jetzt nicht wollen.
Ich will nur sagen, dass es keine Zustimmung von den GRÜNEN gab. Das war für uns von vornherein klar.
Von den anderen Fraktionen, CDU und FDP, kam nichts.
Gestern nun hat die FDP mitgeteilt, sozusagen als Abschiedsgeschenk, dass Sie dagegen sei. Sie haben uns lange hingehalten, denn es ging um die Frage, ob dieser Antrag der SPD nachträglich auf die heutige Tagesordnung gesetzt werden würde oder nicht. Die SPD hat diesen Antrag zurückgezogen und will, was wir nicht ganz verständlich finden, die Problematik nun zusammen mit einem CDU-Antrag im Verfassungsund Bezirksausschuss diskutieren. Dieser CDU-Antrag handelt aber eigentlich von der Problematik der Vergabe von Gutachten.
Schönen Dank.
Wir haben deswegen unseren alten Antrag hervorgeholt. Wir wollen, dass das auf jeden Fall diskutiert wird, dass das nicht irgendwo verschwindet, und wir haben ihn darum als Zusatzantrag zu diesem Gutachtenantrag eingebracht. Wir sind der Auffassung, dass das noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden muss, das muss noch geklärt werden. Das ist mein Appell an das ganze Haus. – Schönen Dank.
Herr Ritter, wie hoch beziffern Sie die gesellschaftlichen Kosten, auch in Geld ausgedrückt, die daraus entstehen, wenn die soziale Infrastruktur so zurückgefahren und zerschlagen wird, wie es in den letzten Jahren der Fall war?
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Vor gut drei Jahren, im November 2011, wurde für die Migrantinnen und Migranten in diesem Land zur Gewissheit, dass die bis dahin unaufgeklärte Mordserie gegen acht türkische und einen griechischen Kleinunternehmer, dass die blutigen Anschläge gegen Orte migrantischen Lebens wie die Kölner Keupstraße ihnen gegolten hatte, dass sie gemeint waren, sie als die vermeintlich anderen. Den Schlachtruf von NDPKadern – ich zitiere – "Wir Deutsche oder die Fremden" setzte der sogenannte "Nationalsozialistische Untergrund" blutig in die Tat um. Durch Terror Furcht zu säen und die migrantische Bevölkerung einzuschüchtern und zu vertreiben, das war das Ziel. Er mordete dort, wo ihm die Gesellschaft am meisten verhasst war, in den Großstädten mit ihrem vielfältigen Leben, auch in Hamburg.
Sieben Untersuchungsausschüsse wurden seither eingerichtet beziehungsweise beschlossen oder angekündigt: im Bund, in Thüringen, Sachsen, Bayern, Hessen, NRW und Baden-Württemberg – nicht in Mecklenburg-Vorpommern und nicht in Hamburg. Vier von ihnen haben inzwischen ihre Arbeit beendet. Sie haben vieles zutage gefördert: die völlige Unterschätzung und Verharmlosung der neonazistischen und rechtsextremen Gefahr, nicht zuletzt durch die Inlandsgeheimdienste, das totale Versagen der Sicherheitsbehörden, die, wie es im Thüringer Abschlussbericht heißt, mögliche gezielte Sabotage und das bewusste Hintertreiben des Auffindens der Zwickauer Zelle, das V-Leute-Unwesen, das katastrophale Versagen der Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung der Verbrechen des NSU, die systematisch in die falsche Richtung ermittelten und oft über Jahre die Opfer und Angehörigen verdächtigten, die die Hinweise auf einen rassistischen, rechtsextremen Hintergrund systematisch negierten und sich stark von Vorurteilen leiten ließen. Ich erinnere an die Äußerung des Hamburger Ermittlungsleiters, der den in Hamburg ermordeten Süleyman Tasköprü vor dem Untersu
chungsausschuss im Bundestag als einen – ich zitiere – "ganz normalen türkischen Mann" bezeichnete: leidenschaftlich, sehr energisch, dominant und nennenswert auch polizeilich in Erscheinung getreten.
Nicht nur DIE LINKE, auch die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, auch die Türkische Gemeinde und viele andere kritisieren im Zusammenhang dieser polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen institutionellen beziehungsweise strukturellen Rassismus. Allen, die bei dieser Kritik aufschreien – und da habe ich viele Aufschreie gehört –, empfehle ich die Lektüre des Buches von Barbara John: "Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen". Darin beschreiben Angehörige der NSUMordopfer, was ihnen selbst widerfahren ist, wie mit ihnen von Staats wegen umgegangen wurde. Sie haben erneut erfahren, dass sie nicht wirklich dazugehören, sie wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Gerade der Opfer und ihrer Angehörigen wegen ist die rückhaltlose Aufarbeitung der gesamten Problematik unverzichtbar.
Die Untersuchungsausschüsse haben also vieles zutage gefördert, noch mehr aber nicht. Sie wurden in ihrer Aufklärungsarbeit noch und noch behindert. Ständig tauchen neue Ungeheuerlichkeiten auf, immer wieder neue V-Leute im Umfeld der Zwickauer Zelle. Es gibt alte CDs mit NSU-Bezug, bei denen sich dann herausstellt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sie seit vielen Jahren kannte. Das kann ich hier gar nicht alles ausführen.
Nicht nur meine Kollegin Petra Pau von der Bundestagsfraktion der LINKEN sagt, dass die Fragezeichen nicht weniger, sondern mehr geworden sind. Auch die Integrationsbeauftragte des Bundes, Frau Staatsministerin Özoguz, sieht, so sagte sie im Juni in Hamburg, heute mehr Fragen als Antworten. Was dabei immer deutlicher wird: Der NSU war nicht auf die Zwickauer Zelle und einige wenige Unterstützer beschränkt. Beim NSU handelt es sich vielmehr um ein Nazi-Netzwerk von Tätern, Helfern und Helfershelfern, von Unterstützern und Mitwissern.
In Hamburg scheint man keine Fragen mehr zu haben. Zur Drucksache, die heute zur Debatte steht, hat Frau Möller schon einiges Kritische gesagt. Die Aufarbeitung, das spiegelt die Drucksache vor, scheint abgeschlossen. Alles ist aufgeklärt, Hamburg steht vergleichsweise gut da. Fehler werden allgemein zugestanden – auch in Ihrer Rede, Herr Abaci. Konkret weiß man aber keine Fehler zu nennen außer der Tatsache, dass eben die Mörder nicht ermittelt worden sind. Skandalöses Totalversagen gab es – aber nur anderswo. Der NSU hat mit Hamburg und Hamburg mit dem NSU an sich
nichts zu tun. Für Verbindungen von Hamburger Neonazis zum NSU gibt es keine Hinweise. Diese Einschätzung verwundert nicht, wenn man den NSU wider besseres Wissen auf einen ganz kleinen Kreis von Personen reduziert, man unter Verbindungen ausschließlich Verbindungen von strafrechtlicher Bedeutung versteht und man also die real existierenden ideologischen, politischen, organisatorischen und persönlichen Verflechtungen und Verbindungen völlig außer Acht lässt.
Nicht einmal zwei Spalten widmet die 85 Seiten starke Drucksache der Ungeheuerlichkeit einer jahrelang andauernden und jahrelang unaufgeklärten rassistischen Mordserie, keine Zeile ihren gesellschaftlichen Hintergründen, kein Wort einer konkreten Selbstkritik. Über 80 Prozent der Drucksache befassen sich mit der bürokratischen Auflistung beschlossener Maßnahmen, wie sie sich aus der Bund-Länder-Zusammenarbeit und den verschiedenen Abschlussberichten ergeben, vor allem dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags. Das wird penibel abgearbeitet – penibel, aber blutleer. Niemand bestreitet, dass viele dieser Maßnahmen sinnvoll sind, und viele sind überfällig. Aber was ist eigentlich bisher in welchem Umfang umgesetzt? Was hat sich denn schon konkret geändert? Gibt es wenigstens in Ansätzen so etwas wie eine permanente, also eine ständige Fehlerkultur? Selbst diese Fragen bleiben weitestgehend unbeantwortet. Herr Abaci hat auch schon darauf hingewiesen: Bei fast allen direkt Betroffenen des NSU-Desasters und bei vielen Angehörigen migrantischer Communitys hat das Totalversagen bei der Aufklärung der Terrorserie das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat tief erschüttert. Diese Drucksache ist nicht im Entferntesten geeignet, Vertrauen neu zu bilden. Um die Arbeit der Aufklärung und der Vertrauensbildung zu leisten, braucht auch Hamburg einen Untersuchungsausschuss.
Es gibt viel aufzuklären. Hamburg war mit den Führungsfiguren Worch, Wulff und Rieger über lange Zeit in den Neunzigerjahren des 20. und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eines der Zentren der militanten Neonaziszene in Deutschland, eines der Zentren der bundesweiten Vernetzung der militanten, ausdrücklich nationalsozialistischen Szene. In seinem Bericht für das Jahr 1992 bescheinigte das Landesamt für Verfassungsschutz den genannten Personen, dass sie ihren bundesweiten Führungsanspruch durchsetzen und dass ihr strategisches Ziel – ich zitiere – "die Schaffung einer Art rechtsextremistischen Netzwerks" sei.
Das Problem ist, das ist ihnen gelungen. Wir haben zusammen mit vielen anderen viele Fakten zusammengetragen, die das beweisen. Hier will ich
nur ein junges Faktum nennen. Ein wichtiger Zeuge, der V-Mann Kai Dalek, hat jetzt vor dem Münchener Gericht ausgesagt, dass der damalige Hamburger Christian Worch eine große Rolle für den Thüringer Heimatschutz und insbesondere für Tino Brandt, einen zentralen V-Mann im Thüringer Heimatschutz und im engen Kreis des NSU, gespielt hat. Das hatte Tino Brandt bisher bestritten, und das hat das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz bisher bestritten, aber das ist jetzt gerichtskundig. Nehmen Sie das als eines von vielen Indizien für die Rolle, die Hamburger Neonazis im Netzwerk der militanten Naziszene über einen längeren Zeitraum gespielt haben, im Netzwerk der militanten Naziszene, das den Terror des NSU zumindest politisch und ideologisch, in Teilen jedoch auch praktisch mitgetragen hat. Wenn das zutrifft – und das muss auch von Hamburger Seite und mit Hamburg aufgeklärt werden –, dann stellt sich natürlich die Frage, was die Hamburger Sicherheitsbehörden, insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz, gewusst haben. Was haben sie getan, was unterlassen? Warum zum Beispiel hat man das Verbot des militanten norddeutschen Netzwerks sogenannter freier Kameradschaften im Jahr 2000 zwar vorbereitet, dann aber unterlassen? Ich könnte Ihnen hier eine Antwort geben, aber das würde ein bisschen ausführlich werden, deshalb lasse ich das. Ich könnte unzählige solcher Fragen stellen, und ich werde sie stellen. Frau Özoguz hat recht, es gibt mehr Fragen als Antworten. Wir wollen Antworten. Die Öffentlichkeit, die migrantischen Communitys und die Angehörigen der Opfer haben ein Recht auf Antworten.
Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wird DIE LINKE deshalb den Antrag auf einen Untersuchungsausschuss in Hamburg einbringen. Ich begrüße ausdrücklich, dass Kollege Schäfer gestern bei der gut besuchten Veranstaltung von ver.di erklärt hat, dass sich die SPD einem solchen Antrag, sollte er gestellt werden, nicht entgegenstellen werde.
Ich setze voraus und ich fordere hiermit, dass einschlägige Akten bis zur Entscheidung nicht vernichtet werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU hatte schon in der letzten Sitzung eine ähnliche Debatte angemeldet, auch in populistischer Absicht, und eine ernsthafte Rede dazu zu halten, fände ich genauso peinlich wie diese Anmeldung.
Sie schreiben, Hamburg werde immer dreckiger. Ich finde es unerträglich, dass die CDU die Müllwerker so schlechtredet.
Man kann Hamburg auch dreckig reden. Die Hamburger Stadtreinigung macht eine gute Arbeit, und das lassen wir nicht in den Dreck ziehen.
Ich möchte an dieser Stelle sagen: Wir danken der Stadtreinigung und den Müllwerkern für ihre gute Arbeit. – Schönen Dank.
Der Senat hat es verstanden! – Glocke)
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Heintze?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Rettungsdienst auf die gewachsenen Anforderungen ausrichten – mit dieser Forderung an den Senat weisen wir auf ein großes und, wie ohne Gegensteuern zu befürchten ist, wachsendes Problem hin, das potenziell jeden Menschen in dieser Stadt betrifft: auf den Rettungsdienst als wesentliche Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir haben über die Frage des Rettungsdienstes an dieser Stelle bereits vor eineinhalb Jahren diskutiert. Getan hat sich überhaupt nichts. Unser damaliger Antrag, das Rettungsdienstgesetz dringend zu novellieren, um die größten Probleme anpacken zu können, wurde überwiesen und ruht seither, also seit anderthalb Jahren, im Ausschuss. Die Mehrheitsfraktion will einfach nicht ran.
Aber es geht beim Rettungsdienst im Kern um die Gesundheit und oft um das Leben von vielen Menschen in dieser Stadt. Deshalb werden wir auch nicht lockerlassen. Wir fordern mit unserem neuen
Antrag an vorderster Stelle, eine Bedarfsplanung für Rettungsdienst und Krankentransport vorzunehmen, um den Einsatz lebensrettender Maßnahmen zu optimieren,
denn die Situation ist alles andere als beruhigend. Das ist keine Übertreibung. Fast 250 000-mal wurde im vergangenen Jahr der öffentliche Rettungsdienst alarmiert. Ein kleiner Teil davon waren Fehlalarme, aber in über 220 000 Fällen rückten Rettungswagen aus, um Notfallpatienten zu versorgen beziehungsweise in die Notfallaufnahme von Krankenhäusern zu bringen. In über 220 000 Fällen mussten Menschen rechtzeitig erreicht werden. Das ist eine große Aufgabe. Die organisatorische Leistung, die die Feuerwehr und im Verbund die Hilfsorganisationen zu bewältigen haben, ist gewaltig. Damit die Menschen wirklich rechtzeitig erreicht werden, müssen die Bedingungen stimmen, und diese stimmen leider nicht. In über 55 000 von 220 000 Fällen erreichen die Rettungswagen die Patientinnen und Patienten potenziell zu spät. Die sogenannte Hilfsfrist, also die Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen der Rettungswagen am Einsatzort, beträgt nach der Planvorgabe des Senats ähnlich wie in anderen bundesdeutschen Großstädten acht Minuten. Kommt der Rettungswagen später, kommt er gar deutlich später, kann es im schlimmsten Fall zu spät sein. Laut der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin muss die stationäre Diagnostik und Therapie in schweren Fällen spätestens 60 Minuten nach dem Notrufeingang beginnen. Es geht oft buchstäblich um Minuten, ja Sekunden.
Es gibt einen weiteren wichtigen Wert, die Erfüllungsquote: In wie viel Prozent der Einsätze trifft der RTW innerhalb dieser acht Minuten ein? Die Rechtsprechung hält den Rettungsdienst für funktionsfähig, wenn die Hilfsfrist in Ballungsräumen in 90 Prozent der Fälle eingehalten wird. Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren hält sogar einen Erfüllungsgrad von 95 Prozent für notwendig. In Hamburg betrug die Sollvorgabe bis 2007/2008 95 Prozent. Bis heute haben die verschiedenen Senate die Sollvorgabe auf 72 Prozent gesenkt – von 95 auf 72 Prozent. Diese 72 Prozent sollen auch in den nächsten Jahren gelten; so steht es im Haushaltsplan. Erreicht wurden im letzten Quartal 70,8 Prozent, also nicht einmal diese 72 Prozent, und die Tendenz ist sinkend. Wenn sich nichts ändert, wird diese Quote weiter sinken, denn die Zahl der Rettungseinsätze wird aufgrund verschiedener Einflussfaktoren – wachsende Stadt, demografische Entwicklung und so weiter – in den nächsten Jahren steigen. Das ist nicht akzeptabel.
Die Schwachpunkte müssen restlos aufgedeckt und beseitigt werden. Nach unserer Auffassung gibt es vor allem folgende Probleme.
Erstens: Das Netz der Feuer- und Rettungswachen über das gesamte Stadtgebiet ist unzureichend. Es fehlen laut Strategiepapier sechs Feuer- und Rettungswachen. Es gibt 38 und es fehlen sechs. Ein Blick in den Haushaltsplan zeigt, dass der Senat nicht nur für die nächsten beiden Jahre, sondern im Prinzip auch für die folgenden Jahre 2017/2018 keine einzige Wache plant, und je später geplant wird, desto später werden die Wachen da sein. In den nächsten fünf, zehn Jahren ist an neue Wachen also nicht zu denken, und das geht nicht.
Zweitens: Die Personaldecke der Feuerwehr ist zu dünn. Es gibt, das wollen wir zugestehen, gute Erfolge bei der Senkung des Krankenstandes. Es gibt auch eine Ausbildungsoffensive und eine Aufstockung des Personals. Das ist gut, aber der Umfang der Aufstockung ist bei Weitem zu gering.
Drittens: Die Hilfsorganisationen wie Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser, Johanniter und so weiter werden nur in geringem Maße am Rettungsdienst beteiligt. Ihr Anteil an den Einsätzen liegt immer deutlich unter 10 Prozent, obwohl ihre Kapazitäten größer sind. Wir fordern deshalb, sie auf der Grundlage des bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrages stärker in die Notfallrettung einzubeziehen, die natürlich in der Verantwortung der Feuerwehr bleiben muss.
Selbstverständlich sind Aushandlungsprozesse über das Wie der besseren Einbeziehung nötig, aber im Interesse von Gesundheit und Leben der auf schnelle Notfallrettung angewiesenen Menschen muss die Einbeziehung dringend erfolgen.
Viertens: Der Senat hat die anstehende Novellierung des Rettungsdienstgesetzes hintangestellt, bis die EU-Richtlinie in Bundesrecht umgesetzt ist. Das soll, so hörten wir jetzt in der Innenausschusssitzung, wahrscheinlich im Herbst 2015, also in frühestens einem Jahr, auf die Tagesordnung des Bundestages kommen. Die Begründung des Senats überzeugt nicht, denn es gibt so viele hausgemachte Hamburger Probleme, die jetzt gelöst werden müssten und könnten. Das darf nicht auf 2016 folgende verschoben werden.
Die Verschiebung der Novellierung ist schon deshalb höchst problematisch, weil mit dem Abschluss von TTIP ein neuer Schub der Deregulierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit auch des Rettungsdienstes droht. Auch deshalb muss der Senat so schnell wie möglich handeln und durch eine Novellierung des Gesetzes die Probleme lösen, die in Hamburg gelöst werden können.
Wir freuen uns natürlich über die Überweisung, aber wenn daran gedacht sein sollte, sie bis zum Ende der Legislaturperiode ruhen zu lassen, damit die Diskontinuität eintritt, dann gehen wir auf die Barrikaden.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Hamburg, und das heißt, wir alle müssen das friedliche Zusammenleben in dieser Stadt gewährleisten. Das ist das grundlegende Anliegen, das Frau Özdemir für DIE LINKE dargelegt hat.
Ja, andere auch.
Ich wollte gerade sagen: Das Thema entzieht sich eigentlich der Polemik. Ich glaube nicht, dass wir wetteifern sollten, wer am meisten fordert oder schon am meisten gemacht hat. Wir bestreiten auch gar nicht, dass es Beratungsangebote gibt. Aber wenn ich innerhalb weniger Wochen mehrfach angerufen werde von Angehörigen, die sagen, ihre Kinder seien in Gefahr oder schon weg, und die fragen, was sie denn machen können, dann bin ich, ehrlich gesagt, als Person überfordert. Das heißt, wir brauchen auch eine Stärkung der Selbstorganisation der Communities. Wir brauchen Prävention, aber wir brauchen natürlich auch Ansprechpartner, wenn die Situation schon weit fortgeschritten ist. Da muss mehr Öffentlichkeitsarbeit passieren. Ich muss zum Beispiel wissen, wo ich die Leute hinschicken kann, sodass ich nicht völlig damit alleingelassen bin. Diese Probleme gibt es, und deshalb müssen wir da noch mehr tun. Wir bestreiten nicht, dass etwas getan wird, aber wir glauben, dass wir mehr tun müssen.
Ich will hier keine außenpolitische Debatte führen, aber doch auf einige Punkte eingehen, die gesagt worden sind und die uns am Herzen liegen.
Erstens: Die elementarste Forderung ist humanitäre Hilfe. Die humanitäre Hilfe für die von Terror bedrohten Menschen muss absolute Priorität haben. Den Flüchtlingen, das ist schon gesagt worden, fehlt es an allem, an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Zelten. In der kurdischen Autonomieregion des Irak gibt es zurzeit bis zu 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Die Region ist mit der Versorgung überfordert. Noch prekärer ist die Situation der Zehntausende, die in das kurdische Selbstverwaltungsgebiet in Syrien, nach Rojava, entkommen sind. Die Leute sind extrem erschöpft und traumatisiert. Die Region ist jedoch einem Embargo durch die Türkei und auch durch die kurdische Autonomieregierung im Nordirak ausgesetzt und wird von der syrischen Seite her durch ISIS bedroht, sodass die gesamte Bevölkerung Mangel leidet und dennoch mit großer Solidarität den Flüchtlingen hilft. Die internationale Hilfe läuft jedoch erst langsam an.
In Hamburg leben viele Menschen, die von der großen Katastrophe direkt betroffen sind: aramäische Christen, Jesiden, Kurden – eine Delegation hat ja auch die Bürgerschaftsfraktionen besucht. Deswegen ist auch Hamburg gefordert; da möchte ich mich dem Appell von Frau Möller ausdrücklich anschließen. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, gemeinsam und in Zusammenarbeit mit den Communities einen Aufruf zur humanitären Hilfe für diese Region und für die Flüchtlinge zu machen. Ich bin gewiss, dass es in der Stadt eine große Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft gibt.
Zweitens – das ist schon gesagt worden und ich habe es auch sehr wohl gehört –: Hamburg soll sich bundesweit dafür einsetzen und auch selber
bereit erklären, Menschen aufzunehmen, die hier Zuflucht suchen.
Drittens: Wir haben, und da bin ich anderer Auffassung als der Innensenator, am 26. Februar in diesem Haus über die Problematik deutscher Waffenexporte und über die Bedeutung des Hafens als Waffenumschlagsplatz diskutiert. Es gab viel Kritik an der deutschen Rüstungsexportpolitik. Die Bundesrepublik Deutschland beliefert seit Jahren Saudi-Arabien mit Kriegs- und Kleinwaffen. Darüber hinaus werden in Saudi-Arabien seit Langem Sturmgewehre des Waffenbauers Heckler & Koch in Lizenz produziert – übrigens auch in der Türkei, die bisher eine mehr als problematische Rolle in dem Konflikt spielt. Saudi-Arabien und Katar finanzieren und bewaffnen die ISIS. Unter den Gewehren, die man bei den Dschihadisten hat feststellen können, sind auch G3- und G36-Gewehre von Heckler & Koch. Es ist das Gebot der Stunde zu verhindern, dass auch mit deutschen Waffen Völkermord begangen wird.
Deutsche Waffenexporte in den Mittleren Osten müssen sofort gestoppt, die Lizenzproduktion dort mit allen Mitteln beendet werden.
Dafür soll sich Hamburg auf Bundesebene einsetzen, und nicht dafür, Waffen an die Regierung der kurdischen Autonomieregion des Irak zu liefern. Die Peschmerga verfügen in der Tat über moderne Waffen, sie sind gut ausgerüstet. Das Problem ist doch eher, dass die Waffen, die an die Peschmerga geliefert werden, allzu leicht in die Hände der Dschihadisten fallen können. Wir sind gegen deutsche Waffenlieferungen in die Region.
Viertens: Es kann nach allen Berichten überhaupt kein Zweifel bestehen, dass es die PKK und die Verteidigungskräfte des kurdischen Selbstverwaltungsgebiets in Syrien sind, die die Hauptlast des Kampfes tragen. Wir sind der Meinung, dass die Bundesregierung mit diesen Kräften bei der Organisierung humanitärer Hilfe zusammenarbeiten muss, auch hier, und deshalb sind wir dafür, dass das Verbot der PKK endlich aufgehoben wird, damit die Hilfe optimal organisiert werden kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir von der LINKEN unterstützen die Intention Ihres Antrags, Herr Ritter, und auch wir sind Ihnen für diese Initiative dankbar.
Ich möchte es aber ganz deutlich sagen und vielleicht deutlicher als meine Vorrednerin und meine Vorredner: Die Vorgeschichte dieses Antrags und die Tatsache, dass er überhaupt notwendig geworden ist, halte ich für eine Schande.
Dieser Fall hätte nicht im Eingabenausschuss und in der Härtefallkommission landen dürfen.
Ihnen macht das Spaß, ich weiß.
Wir hatten eine Auseinandersetzung darüber, ob das Spaß macht im Eingabenausschuss.
Vor immerhin 20 Jahren ist Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz gewährleistet, durch die Regelung ergänzt worden, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Genau das aber, die Benachteiligung aufgrund von Behinderung, drohte in dem vom "Hamburger Abendblatt" am 26. Juni geschilderten Fall eines Geschwisterpaars und seiner Familie. Die beiden sind wie ihre weiteren Geschwister in Hamburg geboren, haben aber keinen deutschen Pass und keinen sicheren Aufenthaltstitel, und sie sind schwerbehindert, so schwer, dass sie keinen Schulabschluss erreichen werden. Und deshalb seien, so der Sprecher der Ausländerbehörde gegenüber dem "Hamburger Abendblatt", die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht nicht erfüllt. Weil sie keinen Schulabschluss haben und aufgrund ihrer schweren Behinderung auch keinen erreichen werden und weil sie deswegen und wegen ihrer schweren Behinderung nicht in der Lage sein werden, ihren Lebensunterhalt zu sichern, gelten sie in der Vorstellungswelt dieses Gesetzes und auch der Behörde als nicht integriert. Deshalb sollten sie abgeschoben werden.
Wir von der LINKEN haben seit je, und zwar vor allem natürlich auf Bundesebene, wo die Gesetze gemacht werden, die Nützlichkeitslogik der Bleiberechtsregelungen angeprangert. Nach dieser Logik werden alle ausgesiebt und mit dem Entzug des Aufenthaltsrechts bestraft, die die Leistungsanforderungen nicht erfüllen können: Bildungsbenachteiligte, ältere Menschen, Traumatisierte, chronisch Kranke, alleinerziehende Mütter und eben Behinderte. Andere Bundesländer haben in Bezug auf die Jugendlichen der Situation schwer behinderter Menschen durch Verwaltungsvorschriften zur Anwendung des Paragrafen 25a Aufenthaltsgesetz wenigstens bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen. In Hamburg gibt es eine entsprechende Verwaltungsvorschrift bisher nicht. Ich frage mich natürlich, warum nicht. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern scheint Hamburg, jedenfalls die Ausländerbehörde, ohne Abstriche an einem überwunden geglaubten, ausschließlich durch Verwertungs- und Brauchbarkeitskriterien geprägten Begriff von Integration festzuhalten. Im Zuge der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention müssen diese Kriterien im Zusammenhang mit In
tegration unseres Erachtens auf dem Misthaufen der Geschichte abgeladen werden,
auch in der Ausländerpolitik und in der Ausländergesetzgebung.
Dass Integration nicht zuerst eine Verpflichtung der Menschen mit Behinderung ist, sondern vor allem eine Verpflichtung des Staates und auch der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen, die Verpflichtung nämlich, Barrieren einzureißen, die die gesellschaftliche Teilhabe erschweren, scheint sich in anderen Behörden mehr und mehr durchzusetzen, offensichtlich aber bis dato noch nicht in der Ausländerbehörde. Der Grundgedanke der UN-Behindertenrechtskonvention, nicht der Mensch mit Behinderung habe sich zur Wahrung seiner Rechte anzupassen, sondern das gesellschaftliche Leben und die gleichberechtigte Teilhabe müsse für alle Menschen ermöglicht werden, scheint noch nicht angekommen. Es scheint noch nicht angekommen zu sein, dass zu den Lebensverhältnissen in Deutschland viele behinderte Menschen gehören, die ihren Möglichkeiten entsprechend am Leben teilnehmen. Es scheint unvorstellbar, dass Kinder, die auf Förderschulen gehen und dort lernen und Fortschritte machen, tatsächlich erfolgreich sind. Hier geht es nicht um Inklusion, sondern um Exklusion. Die Abschiebung von Menschen mit Behinderung aufgrund ihrer Behinderung ist totale Exklusion.
Wir freuen uns allerdings, dass die Sache einen guten Ausgang genommen hat, und finden auch gut, dass die Behörde dann sehr schnell dem Ersuchen der Härtefallkommission nachgekommen ist. Dessen ungeachtet begrüßen wir nochmals ausdrücklich die Initiative der FDP, und wir begrüßen die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss. Wir brauchen eine gründliche Debatte, was eigentlich die UN-Behindertenrechtskonvention für die Ausländerpolitik und das Ausländerrecht bedeutet und welche Änderungen die Umsetzung dieser Konvention auch auf diesem Feld erzwingen muss. Das ist ein wichtiger Schritt, den wir damit gehen. – Schönen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erneut muss ich den Kollegen Mehmet Yildiz etwas kurzfristig vertreten, da er aus triftigen Gründen heute verhindert ist. Zugegeben ist es etwas ungewöhnlich, dass wir den Antrag "Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Arbeit im ASD" in nur etwas geänderter Form zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit zur Debatte angemeldet haben. Beim ersten Mal wurde der Antrag abgelehnt und nicht einmal überwiesen, aber die Entwicklung hat bestätigt, wie berechtigt unsere Forderungen waren und sind.
In dem Zeitraum seit der ersten Debatte haben eine Mitarbeiterin des ASD aus Bergedorf, ein Abteilungsleiter aus Eimsbüttel und der Jugendamtsleiter des Bezirks Hamburg-Mitte im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Yagmur außerordentlich kritisch die Arbeitsbedingungen und die Rahmenbedingungen in der Jugendhilfe beschrieben und Verbesserungen gefordert. Den Abteilungsleiter aus Eimsbüttel erklärte die "Hamburger Morgenpost" zum Hamburger der Woche. Die Aussagen haben deutlich gemacht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell bessere Arbeitsbedingungen brauchen, um einen besseren Schutz für die Kinder dieser Stadt gewährleisten zu können.
Die Beschäftigten haben im PUA Yagmur dem Ausschussvorsitzenden ihre Forderungen übergeben. Diese Forderungen waren vorher auf einer Personalversammlung der ASD-Beschäftigten verabschiedet worden und decken sich in wesentlichen Punkten mit unserem vorliegenden Antrag. Sie haben eine öffentliche Antwort verdient. Schließlich hat die Sozialbehörde jetzt angekündigt, nun doch zusätzliche Stellen im ASD zu schaffen. Die Sozialbehörde sieht inzwischen also Handlungsbedarf, um die prekäre Situation in vielen ASD-Dienststellen zu entschärfen, allerdings ohne Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Per
sonalvertretungen. Wir finden, dass die Beschäftigten ein Recht auf eine Antwort zu ihrem Papier haben. Sie haben ein Recht darauf, dass sie angehört werden, und es ist politisch ratsam, sie endlich am Prozess der Aufarbeitung der Probleme dort zu beteiligen, denn sie sind die Fachleute in diesem Bereich.
Deshalb schlagen wir erneut einen Runden Tisch in der Sozialbehörde vor. Bisher hat der Senator die Beschäftigten im Wesentlichen über das "Hamburger Abendblatt" zu seinen Absichten informiert. Auch jetzt hat der Senator wieder ein Papier zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg vorgelegt, ohne die Fachleute in den Jugendämtern zu beteiligen. Und natürlich wird auch die Opposition nicht beteiligt, obwohl der Ausschuss noch tagt und bisher keine Auswertung des Gehörten vorgenommen hat. Das Papier aber erweckt den Anschein, dass das Thema jetzt erledigt sei, und das ist falsch. Dabei begrüßen wir, dass es in den Jugendämtern zu Verbesserungen der Arbeitssituation bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einzelnen Abteilungen kommen soll. Allerdings sehen wir die vom Senat getroffenen Maßnahmen als ungenügend an; es ist kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Maßnahmen gehen in die falsche Richtung, und andere Fragestellungen werden gar nicht berücksichtigt. Die zusätzlichen Stellen im ASD sollen nur befristet entstehen. Solche Maßnahmen sind ungeeignet, die Arbeitssituation beim ASD deutlich und dauerhaft zu verbessern. Das geht gar nicht, Herr Senator.
Selbst eine Verbeamtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ASD und bundesweites Inserieren wird nichts bringen. Die Bedingungen in Hamburg sind bundesweit bekannt, und wer kommt, ist schnell wieder weg. Das ist die bittere Realität.
Wie schon in der Auseinandersetzung im Sonderausschuss Chantal deutlich geworden ist, fehlt dem Senator ein ordentliches Fach- und Gesamtverständnis der Situation in den Jugendämtern. Die Politik des Senats zeichnet sich dadurch aus, dass man dort versucht, eine Lücke im System nach der anderen zu stopfen – im Wesentlichen mit dem weiteren Ausbau von Dokumentation und Kontrolle. Deshalb also unser erneuter Antrag, der die Sozialbehörde in einen Dialog mit den Akteuren und ihren Personalvertretungen bringen soll. Das wäre nicht nur ein Stück Demokratie, sondern würde auch den Sachverstand vor Ort für die Erarbeitung von Lösungen mobilisieren. Daran fehlt es an vielen Stellen.
Ich möchte das an drei Beispielen erläutern. Erstens: Anstatt endlich einmal die Probleme und Kritiken der Mitarbeiterinnen und der Fachleute bei