Protocol of the Session on January 21, 2015

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Frau Dr. Föcking von der CDU-Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Tat fast genau zwei Jahre her, dass wir das erste Mal hier über den Landesaktionsplan gesprochen haben. Seitdem hat sich einiges getan und der Bericht gibt Rechenschaft darüber. Er macht deutlich, dass viele Beteiligte wichtige Schritte gegangen sind, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt voranzubringen. Frau Jäck, Sie haben dazu schon vieles genannt, ich muss das nicht wiederholen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, viele Beteiligte bemühen sich in der Stadt darum, die Inklusion vor

(Regina-Elisabeth Jäck)

anzubringen, sei es die Hamburger LAG für behinderte Menschen oder der Landesbeirat, sei es die Senatskoordinatorin, Frau Körner, oder das Inklusionsbüro, seien es die zuständigen Mitarbeiter in den Behörden, die vielen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, seien es Lehrkräfte, Erzieher oder Menschen in Heilberufen. Vor allem aber und zuallererst sind es die betroffenen Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen selbst, die mit Ideen, großer Ausdauer, oft einer ganzen Portion Humor und zunehmender Ungeduld versuchen, die Barrieren beiseitezuräumen, die der Inklusion in unserer Stadt oft wortwörtlich entgegenstehen. Ihnen allen gelten unser Dank und die Zusage, dass wir von der CDU diese Bemühungen auch weiter nach Kräften unterstützen werden.

(Beifall bei der CDU)

Dazu gehört aber auch, dass wir heute erneut die Schwächen des Landesaktionsplans des Senats und seiner Umsetzung klar und deutlich benennen und Verbesserungen einfordern.

Erstens: Warum wird uns der Bericht erst jetzt vorgelegt? Inhaltlich steht er auf dem Stand vom letzten Sommer, und viele Angaben sind noch älter. Gern hätten wir ihn auch zusammen mit dem Bericht der Senatskoordinatorin im Sozialausschuss beraten. Stattdessen gibt es die Drucksache von immerhin 115 Seiten erst seit zwei Wochen und wird nun wieder einmal hopplahopp hier beraten. Das ist der Sache wirklich nicht angemessen, aber typisch für die Art, wie der Senat mit dem Parlament in den vergangenen vier Jahren immer wieder umgegangen ist.

Zweitens: Wir hatten schon bei der Vorlage des Plans bemängelt, dass er kaum Zielzahlen und Kennziffern bereithielt. Diese Kritik wird durch den vorgelegten Bericht nun eindrucksvoll bestätigt. Dieser Senat, der mit jedem Zuwendungsempfänger genaue Ziel- und Leistungsvereinbarungen abschließt, der von Sozialeinrichtungen genaue Nutzerzahlen haben will und der in den Kliniken künftig Qualitätskontrollen durchführen will, die auf Zahlen beruhen, liefert für seine Arbeit bei einem doch angeblich zentralen Thema an den meisten Stellen selbst keine Zahlen, die es dem Parlament erlauben würden, den Sachstand des Aktionsplans wirklich zu bewerten.

(Beifall bei der CDU)

Ein Beispiel: Laut Aktionsplan sollen öffentliche Gebäude, soweit möglich, allmählich barrierefrei werden. Da hätten wir angesichts der verschiedenen Behördenumzüge doch gern einmal gewusst, in wie vielen öffentlichen Gebäuden das tatsächlich passiert ist. Doch was erklärt die Baubehörde?

(Dirk Kienscherf SPD: Die gibt es nicht mehr – BSU!)

Da die Verantwortung für diese Baumaßnahmen bei den jeweiligen Behörden und Bauherren liege, seien der BSU die entsprechenden Zahlen nicht bekannt. Da stelle ich mir federführend eine Aufgabe, will aber nicht wissen, ob sie umgesetzt wird, und das bei einer Senatorin, die ansonsten minutiös jede einzelne Wohnung zählen lässt, damit sie dem Bürgermeister berichten kann und die SPD damit punkten kann. Das, meine Damen und Herren, ist zumindest unseriös.

(Beifall bei der CDU und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Drittens: Die Folge dieser fehlenden Kennzahlen ist, dass wir an vielen Stellen stattdessen mit umfänglicher und oft auch vernebelnder Prosa ruhiggestellt werden sollen. Das wird wohl nirgends so deutlich wie bei dem derzeit wohl problematischsten Teil der Inklusion in den Schulen. Dazu heißt es – ich zitiere –:

"Fast alle Grundschulen, alle Stadtteilschulen und ein Teil der Gymnasien haben bereits Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in ihren Lerngruppen. Die Arbeit an der Realisierung eines inklusiven Schullebens ist ein Prozess, der kontinuierlich entwickelt wird."

Kein Wort zu den realen Problemen der schulischen Inklusion, keine Zahlen, auch keine Prozentangaben über die Zahl der betroffenen Schüler, die Zahl der Lehrkräfte und die Verteilung insbesondere der Sonderpädagogen auf die einzelnen Schulen, sondern nur nichtssagende Floskeln über kontinuierliche Entwicklungsprozesse. Aber dass Schulsenator Rabe nicht alle Zahlen herausrückt, selbst wenn er sie hat, ist ja bekannt.

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Damit wären wir viertens bei den einzelnen Behörden. Der Bericht zeigt, dass die einzelnen Senatorinnen und Senatoren offenbar sehr unterschiedlich mit dem Landesaktionsplan umgegangen sind und sie die Aufgabe der Sicherung der Teilhabe, die Frau Jäck eben noch einmal so schön beschrieben hat, offenbar nicht alle gleichermaßen für wichtig halten.

Verkehrssenator Horch schreibt ausdrücklich auf, wie viele U- und S-Bahnhaltestellen mittlerweile barrierefrei sind, wie viele Ampeln für Sehbehinderte besondere Signale geben und was zur besseren Zugänglichkeit von Bussen getan wurde. Das ist konkret und hilft weiter. Da der Verkehrssenator doch Lob von der CDU nicht gewöhnt ist, sei das an dieser Stelle einmal gesagt.

Gewünscht hätten wir uns allerdings, dass der Senator dann auch Maßnahmen zur besseren Schulung der Busfahrer beim Umgang mit Rollstuhlfahrern und Nutzern von Rollatoren angekün

digt oder vielleicht sogar schon verwirklicht hätte. Uns erreichen nämlich sehr oft Klagen über Busfahrer, die den Betroffenen den Einstieg nur mürrisch ermöglichen oder oft sogar verweigern. Da muss doch etwas getan werden.

Auch von der Sozialbehörde wird mit Zahlen belegt, wie sich etwa die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in den regulären Arbeitsmarkt entwickelt hat. Das ist ebenfalls positiv anzumerken. Zu vermerken ist allerdings auch, dass vor allem die schon von der CDU zuvor in Hamburg oder eben auf Bundesebene eingeleiteten Maßnahmen offenbar besonders wirksam sind.

Am anderen Ende der Umsetzungsskala steht wieder einmal Bausenatorin Blankau, die jetzt nicht mehr da ist. Dabei hat sie einen zentralen Bereich zu verantworten, wenn es um den Abbau von Barrieren geht.

(Dirk Kienscherf SPD: Die Naturschutzge- biete!)

Bislang war der Neubau barrierefreier Wohnungen für sie kein Thema, Hauptsache, sie kann Bürgermeister Scholz endlich die versprochenen 6000 Wohnungen liefern. Wie diese beschaffen sind, ob darunter genügend barrierefreie oder barrierearme Wohnungen sind, von denen wir in Hamburg immer mehr brauchen werden, war ihr egal; ihre Behörde kennt nicht einmal den derzeitigen Bestand an solchen Wohnungen. Aber die Senatorin behauptete trotzdem, für die Förderung werde genug getan. Jetzt war es offenbar selbst der SPD-Fraktion zu bunt, und es wird verkündet, dass ab 2015 nun doch barrierearme Wohnungen gefördert werden sollen.

(Dirk Kienscherf SPD: Haben Sie nie bean- tragt!)

Das fordern wir zwar schon lange, und wir fanden dafür auch viel öffentliche Unterstützung, doch verkünden können Sie für die neue Legislaturperiode viel. Bisher hat die zuständige Senatorin wenig geliefert, und das ist in höchstem Maße kurzsichtig.

Diese Liste ließe sich noch verlängern, aber hierzu nur noch ein letzter Punkt. Die Senatskoordinatorin hat vor dem Sozialausschuss beklagt, dass Menschen mit Behinderung und ihre Vertretung zwar zunehmend an den Beratungen beteiligt werden, wenn es um einzelne Maßnahmen geht, aber meist erst an deren Ende, also wenn die Messe schon gelesen ist. Wichtig, so Frau Körner, wäre eine Beteiligung von Anfang an. Das ist nicht immer einfach, würde aber sicher manche Fehlplanung wie etwa in der HafenCity verhindern und damit sogar Kosten sparen. Dafür ist es jetzt zu spät. Aber der neue und hoffentlich andere Senat kann das dann in der neuen Legislaturperiode sofort in Angriff nehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorrednerinnen haben schon darauf hingewiesen, dass Inklusion tatsächlich eine Querschnittsaufgabe ist, die sich in allen Bereichen der Gesellschaft wiederfindet. Eigentlich – ich denke, das ist unser aller Ziel – sollte Inklusion eine Selbstverständlichkeit werden und keines Landesaktionsplans mehr in der fernen Zukunft bedürfen.

(Beifall bei Wolfhard Ploog CDU)

Vielen Dank, sehr freundlich.

(Wolfhard Ploog CDU: Es ging um die Inklu- sion! Habt ihr wieder nicht zugehört!)

Wir möchten vor allen Dingen auf zwei Felder hinweisen, wo tatsächlich noch sehr viel zu tun ist, und auf ein drittes, wo noch viel mehr zu tun ist, und zwar die Bereiche Kultur und Politik. Wir haben festgestellt, dass keine einzige Kultureinrichtung wirklich barrierefrei ist oder vollständig barrierefrei. Wir halten es für ein Armutszeugnis, dass es in dieser Stadt immer noch nicht möglich ist, barrierefreie Kultureinrichtungen zu besuchen beziehungsweise an kulturellen Veranstaltungen teilzuhaben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiterhin, und das möchte ich betonen, weil wir gerade einen aktuellen Fall in unseren eigenen Reihen haben, ist politische Mitbestimmung für einige Bevölkerungsgruppen beziehungsweise einige Behinderungsarten praktisch überhaupt nicht möglich. Das ist noch nicht einmal bedingt barrierefrei, sondern einfach voller Barrieren. Es geht vor allen Dingen um die Menschen, die gehörlos sind. Wir haben aktuell ein erstes gehörloses Ausschussmitglied benannt, also ein Ausschussmitglied bei den GRÜNEN, in meinem Kreisverband in Eimsbüttel und haben festgestellt, wie unendlich schwierig es ist, einem solchen Menschen tatsächlich die politische Teilhabe zu ermöglichen. Daran merkt man, wie viel noch zu tun ist, damit sich wirklich alle Menschen in Hamburg beteiligen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin sehr stolz, dass wir das geschafft haben. Das ist auch dank aller Akteurinnen und Akteure und des Bezirks zustande gekommen. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit der Weg noch ist und was für eine Generationenaufgabe tatsächlich die Umsetzung der Inklusion ist. Ich denke, in unserer Partei geht es uns nicht anders als Ihnen, es ist nicht selbstverständlich, dass behinderte Menschen einfach mit dazukommen können, sich beteiligen können. Es gibt beispielsweise nicht überall Gebärdendolmetscherinnen, und es gibt auch

(Dr. Friederike Föcking)

nicht überall entsprechende Möglichkeiten für sehbehinderte Menschen. Das ist wirklich noch ein weiter Weg, und ich möchte Sie alle auffordern, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen.

Zum Landesaktionsplan. Es ist eine Weiterentwicklung geplant, und das ist auch gut so, denn es ist ein sehr, sehr langer Prozess. Unserer Fraktion macht allerdings wirklich Sorgen, dass nicht alle Behörden mitmachen, wie Frau Dr. Föcking schon ausgeführt hat. Ich finde, es kann nicht sein, dass es offensichtlich Behörden gibt, die sich sogar dem Gespräch verweigern. Das ist nicht nur unzeitgemäß, es ist diskriminierend und ausgrenzend, und es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit das nicht mehr vorkommt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Friede- rike Föcking CDU)

Wir haben außerdem noch den großen Wunsch, dass es fortgebildete Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in allen Behörden gibt, sodass die Verbände auch wirklich feste Ansprechpartnerinnen und –partner haben, mit denen sie reden können und die auch wissen, worüber sie reden. Wir möchten uns weiterhin dafür starkmachen, dass alle Akteurinnen und Akteure und auch alle Verbände in die Weiterentwicklung einbezogen werden, denn der Zauberspruch lautet: nicht über uns, sondern mit uns.

Wir haben viele offene Fragen, das hat Frau Dr. Föcking auch schon angesprochen, was die Inklusion an Schulen anbelangt. Das Thema haben wir deshalb extra zur morgigen Aktuellen Stunde angemeldet. Ich möchte nicht viel vorwegnehmen, nur so viel: So kann es nicht weitergehen.

Insgesamt ist unser Ziel, dass Hamburg eine Stadt für alle wird. Hamburg soll eine Stadt werden, in der selbstbestimmte Teilhabe selbstverständlich ist. Hamburg soll eine Stadt der Möglichkeiten für alle Menschen mit Beeinträchtigung und ohne Beeinträchtigung in allen Bereichen werden. Das ist, glaube und hoffe ich, unser aller Vision. Wir, zumindest unsere GRÜNE Fraktion, arbeiten sehr gern an der Weiterentwicklung des Landesaktionsplans und an der Umsetzung von Inklusion mit. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion hat nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Just vier Wochen vor der Wahl legt der Senat seinen Landesaktionsplan vor. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.